Kingfish Redux
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Kingfish Redux - Friedhelm Koopmann
Friedhelm Koopmann
Kingfish Redux
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VerlagslogoInhaltsverzeichnis
Titel
Kingfish Redux
Impressum neobooks
Kingfish Redux
Bahnhofsgelände einer Kleinstadt im fernen Arkadien. Geräusche eines in voller Fahrt dahinbrausenden Zuges auf freier Strecke irgendwo in der Prärie. Im Halbdunkel, auf Stühlen, vier reglose Gestalten: ganz außen Melvin R. Bauer, Sheriff, 52, hager, mit listigen Augen und selbstsicherem Auftreten; neben ihm, in der zerschlissenen Uniform eines Obersten der Nationalgarde, Colonel Thomas L. Strehlow, 54; er wirkt fahrig, von Zweifeln geplagt. Vor Jahren unehrenhaft aus der Nationalgarde entlassen - es gab halb bestätigte Gerüchte über Strehlows Teilnahme an illegalen Akten des Ku Klux Klan - lungert er jetzt am Bahnhof herum und hält Ausschau nach Hinweisen auf die Richtigkeit seines ehrlosen Tuns. Neben Strehlow, Ex-Nazi Botho von Fehrenbruch, wie Bauer selbstsicher, rauh, ein buschiger Schnauzbart verbirgt seine schmalen, meist zusammengepressten Lippen und verleiht ihm eine herzhaft-rustikale Fassade. Neben Fehrenbruch, am linken Ende der im Halbkreis angeordneten Stuhlreihe, mit dem Rücken zu den Bahngleisen, S. Glenn Tillich, der Diktator, ein schweigsamer älterer Herr, nur in Umrissen zu erkennen. Er trägt die violette Seidenrobe eines Kleagle of the Klan, deren spitze Haube scharf aus dem Halbdunkel ragt.
Fauchend nähert sich der Eiserne Lindwurm der Ortschaft Zoar. Pfeifen, Gezische, Bremsen, das dumpfe Aufeinanderprallen der zum Stillstand kommenden Waggons; Türenklappen, die Stimmen und Geräusche der aussteigenden Fahrgäste, ihre lärmenden Schritte auf dem Bahnsteig. Lautsprecher künden näselnd vom Jüngsten Gericht.
Bodensieck steigt aus dem Zug. Er trägt einen Stapel Akten unter dem Arm und legt diese auf einen runden, wackligen Tisch neben dem Rednerpult, das in gleißendes Licht getaucht ist. Wochenschaukameras werden eilig durch aufgerissene Zugfenster gereicht, auf Stative geschraubt und von schreienden Kameraleuten in Stellung gebracht. Bodensieck lässt sich Zeit. Er blättert gelassen in seinem Manuskript, blickt knapp in einige der mitgebrachten Ordner. Bodensieck wird assistiert von Mustafa Ceretyi, der weitere Akten herbeischafft und auf dem kleinen runden Tisch platziert. Er wirkt unsicher, nervös, versucht seine Identität hinter einer schwarzen Maske zu verbergen, die gelegentlich von seinem Gesicht gleitet und eine schwitzende, grimassierende Mimik des Geplagten enthüllt.
- Hier, bitte, Mustafa...
Bodensieck nimmt dem Assistenten die Akten ab, wirft sie auf den Tisch. Er blickt mit strenger Miene durch das grelle Licht der Scheinwerfer zu Colonel Strehlow, der wie die übrigen drei Charaktere kaum Notiz von ihm nimmt. Bodensieck ist jung, ein halbwegs erfolgreicher Geschäftsmann, der sich um eine Erbschaft betrogen fühlt und nun entrüstet nach den Schuldigen sucht.
- Colonel Strehlow!
Bodensieck spricht ruhig, betont jedes Wort, während die mitgereisten Reporter ihre Mikrofone auf ihn richten und Stenogrammhefte mit hastig hingeworfenen Kritzeleien versehen.
- Unfähigkeit im Amt, zumal im militärischen Sektor, mein lieber Oberst, ist unverzeihlich. Korruption, Nepotismus und ähnliche Vergehen sind in der Natur des Menschen angelegt und daher verzeihlich. Unfähigkeit, Colonel, ist im höchsten Grade unverzeihlich.
Strehlow beginnt Bodensieck mit kalter Geringschätzung zu mustern. Er schürzt seine Lippen, seine funkelnden Augen sind wie zynische Schlitze herausfordernd, starr auf sein Gegenüber gerichtet. Bodensieck fährt ungerührt fort:
- Colonel Strehlow, Sie haben seinerzeit vor der Kommission zur Aufklärung des Massakers von Zoar falsche Angaben gemacht, in der offenkundigen Absicht, Ihre eigenen unzulänglichen Maßnahmen zu verdecken. Sie haben insbesondere angegeben, am Nachmittag jenes tragischen 21. Juni...
Strehlow fährt auf, gestikuliert:
- Aber das ist doch so viele Jahre her ...
- Colonel Strehlow, Sie waren an jenem 21. Juni verantwortlich für die Wahrung des inneren Friedens im Raum Zoar.
Strehlow winkt müde ab.
- Colonel, Sie haben laut Bericht der Kommission am Nachmittag des 21. Juni ihrem Vorgesetzten, dem Sekretär des Inneren, Pablo W. Gonzales, die folgende Mitteilung gemacht: Ich zitiere aus dem Bericht... 13 Uhr... Sie berichten Gonzales in einem Telegramm, die Krise am Bergwerk spitze sich zu... sonst nichts... Ich wiederhole, Colonel Strehlow, sonst nichts...
- Ich protestiere! ... schreit Strehlow entrüstet.
Bodensieck blättert unbeeindruckt in seinen Papieren.
- 15.15 Uhr... Gonzales erfährt von dem Überfall auf die meinem Vater gehörende Pech- und Schwefelgrube. Sie betonen zu diesem Zeitpunkt, die Lage sei weiterhin unter Kontrolle. Der Staatsminister alarmiert dennoch vorsorglich Einheiten der Nationalgarde in den Stützpunkten Salem, Vernon, Cairo und anderen Orten im südlichen Bereich des Toten Meeres, nachdem mein Vater ihm von Chicago aus die Hilferufe seines Direktors McDowell aus dem von der Gewerkschaft umzingelten Bergwerk übermittelt hat. Mein Vater wusste, wozu die Meute hier fähig war. Sie waren als Zeuge und, wie ich fürchte, auch als Beteiligter, vor Ort und teilten dem Minister in Washington nur lakonisch mit, trotz vereinzelter Schießereien am Bergwerk sei alles in bester Ordnung, die Nationalgarde könne vorerst in den Kasernen bleiben.
- Alles erlogen... alles erstunken und erlogen...
- Colonel Strehlow, Sie haben in dieser heiklen Situation versagt. Als Sie Gonzales drei Stunden später anriefen und ihm von der angeblichen Feuerpause, die in Wirklichkeit nicht existierte, berichteten, handelten Sie zwar in dem Glauben, eine dauerhafte Lösung des Konfliktes stehe bevor, doch wäre zu dem Zeitpunkt bereits die Nationalgarde unterwegs gewesen, hätten die späteren Greueltat zweifellos verhindert werden können. Als die Truppen am nächsten Tag in Marsch gesetzt wurden, war alles zu spät und sechzehn Bergleute und Wachmannschaften, einschließlich McDowell, waren tot - ermordet. Meuchlings von einer sich bestialisch aufführenden Menge gelyncht, ohne Gnade, ohne Mitleid. McDowell - hinterrücks erschossen. Sie warfen ihn sterbend ins Gebüsch, um ein Exempel zu statuieren. Man trieb sie wie Schlachtvieh fünf Meilen durch sengende Hitze und Staub zum Friedhof von Zoar und verging sich schändlich an ihnen. Sechzehn Männer - dahingeschlachtet! Den Verwundeten verweigerte man Wasser, Frauen und Kinder spuckten ihnen ins Gesicht. Man urinierte auf sie und schändete ihre Leichen. Die Männer stießen gotteslästerliche Flüche aus, als sie hilflos am Boden liegenden Verwundeten die