Anika, Omas später Besucher: Bei der letzten Reise nimmt man besser kein schweres Gepäck mit.
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Oma aber findet keine Ruhe, sie hat auf ihrer letzten Reise zu schweres Gepäck mitgenommen. Über das Hochzeitsbild sucht sie den Kontakt mit ihrer kleinen Enkelin Lina, die, wie alle Kinder und auch die Tiere, empfänglich für übersinnliche Wahrnehmungen ist. Lina spürt die besondere Aura, die von dem Hochzeitsbild ausgeht, die Braut darauf erscheint ihr seltsam verändert, ihr sonst so glückliches Lächeln wirkt jetzt sonderbar schmerzlich, ihr Blick flehend. Unerklärliche Dinge passieren in Omas nun still gewordenem Haus, die Rollläden sind am helllichten Tag zugeschoben, ein unbekanntes, verschlissenes Sakko hängt im Flur neben Omas Strickjacke und in der Küche riecht es nach Lindenblütentee, Omas Lieblingstee. Dann trifft Lina zu ihrem großen Schrecken einen Geist in Omas Wohnstube an, er sitzt im Sessel und hält anscheinend Zwiesprache mit der Braut auf dem Hochzeitsbild.
Lina überwindet ihre Angst, sie geht nun, obwohl es die Eltern nicht gerne sehen, täglich in Omas Haus, um dort den Geist, Opas Geist, zu treffen und von ihm von jener Zeit zu erfahren, als er mit Oma hier gelebt hat und vor allem, warum er hatte so früh sterben müssen. Opas Geist, von Gewissensnöten geplagt, scheint froh zu sein, dass ihm endlich einer zuhört und ihm glaubt. Er erzählt, wie leichtfertig er damals sein Glück aufs Spiel gesetzt hatte, als sich ihm die Gelegenheit bot, über Nacht reich zu werden.
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Anika, Omas später Besucher - Hannelore Deinert
Die Beerdigung
Lina wollte nach der Beerdigung allein sein. Zwar hatte sie wie die Erwachsenen eine Rose und damit einen flüchtigen Blick auf den mit Lilien geschmückten Sarg in der Grube werfen dürfen, aber dann hatte sie genug gehabt von den traurigen, verheulten Gesichtern und bekümmerten Mienen der Nachbarn und Bekannten. Nachdem sich die Trauergesellschaft in ein Gartenlokal zum Leichenschmaus, allein schon dieses Wort fand Lina schaurig, zurückgezogen und bei Kaffee und Kuchen der lieben Verstorbenen gedachten, Lina eine große Tasse Kakao getrunken und ein Stück Erdbeertorte mit einem Klecks Sahne darauf verdrückt und sich dabei ihr dunkelblaues Hängekleidchen verkleckert hatte, schlich sie davon. Niemand vermisste sie jetzt, Mama, Papa, Tante Edith und die anderen waren viel zu sehr mit sich und ihrer Trauer beschäftigt.
Lina lief durch eine Wiese, es summte und brummte und schwirrte um sie her, im hohen Gras rupfte und roch sie an Gänseblümchen, Sauerampfer und blühendem Klee, hinunter zum See und entdeckte an der Uferböschung, hinter dichtem Schilf und hohen Brennnesseln versteckt einen Kahn, der sich sanft auf den ans Ufer plätschernden Wellen wiegte. Sie trat die hohen Brennnesseln, die ihre nackten Arme und Beine streiften nieder und bahnte sich einen schmalen Pfad zum Kahn hinunter, kurzentschlossen kletterte sie hinein. Sie löste die Leine, mit der er an einem in die Böschung geschlagenen Pfahl gebunden war, griff sich das Ruder und stieß sich damit vom Ufer ab. Sie setzte sich auf die Ruderbank und schaute zu, wie sich das Ufer geruhsam entfernte. Es war so still und friedlich, nur das leise Glucksen der Wellen an der Bootswand und ein frohes Vogelgezwitscher war zu hören. Sie legte sich auf die harten Holzplanken, legte die Füße mit den Socken und Sandalen auf die Ruderbank, verschränkte die Arme unter dem Nacken und schaute zu den weißen, lockeren Wolkengebilden hinauf, die wie auseinandergezogene Wattebälle am lichtblauen Himmel hingen und sich langsam, sehr langsam veränderten. Lina dachte an ihre Oma, dabei kringelte sie, wie immer, wenn sie nachdachte, eine ihrer rotblonden Haarsträhnen um einen Finger. „Ob sie wohl jetzt dort oben ist, irgendwo?, grübelte sie. „Vielleicht sitzt sie auf einer der Wolken und schaut zu ihr herab? Nein, das war nicht möglich, was wollte sie da oben, außerdem hatte Oma Höhenangst.
Es war ihr schon aufgefallen, wie zittrig und vergesslich sie in letzter Zeit geworden war und für alles ein wenig länger brauchte wie sonst. Einmal, als das