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Das Schicksal und andere Zufälle
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Das Schicksal und andere Zufälle

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About this ebook

Eigentlich ist Elli glücklich. Sie hat einen gut aussehenden und erfolgreichen Lebensgefährten, einen tollen Job und ihre beste Freundin Kati, auf die sie sich hundertprozentig verlassen kann. Doch ihr sehnlichster Wunsch, ein eigenes Kind, bleibt unerfüllt, was nachweislich nicht an ihr liegt. Für Elli steht fest: Ein neuer Erzeuger muss her! Kurzerhand schaltet sie hinter dem Rücken ihres Freundes eine Kontaktanzeige, um den zukünftigen "Spender" ausfindig zu machen. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Ihr Partner möchte eine Beziehungspause, der attraktive Unternehmer Jan Beckmann erscheint auf der Bildfläche und bringt ihr Gefühlsleben komplett durcheinander. Dann ist da noch der liebenswerte Vermieter – oder will sie doch wieder ihren Ex zurück? Es gibt für Elli noch viele Frösche zu küssen, bis sie endlich ihren Traumprinzen findet!
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateOct 29, 2014
ISBN9783847618256
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    Book preview

    Das Schicksal und andere Zufälle - Sabine Otto

    BEGEGNUNGEN

    Das Wartezimmer war komplett überfüllt. Elli konnte sich zwar nicht erinnern jemals in einer leeren Arztpraxis gesessen zu haben, aber es war trotzdem nervig! Seufzend nahm sie sich eine Zeitschrift, setzte sich auf den einzig freien Stuhl und blätterte sich durch den neusten Promiklatsch! Von Zeit zu Zeit blickte sie neiderfüllt auf ihre Stuhlnachbarin, die nur noch aus Bauch zu bestehen schien.

    Eine gefühlte halbe Ewigkeit später hörte sie die freundliche Stimme der Sprechstundenhilfe: „Frau Elisabeth Funk bitte!" Dr. Witte war immer sehr verständnisvoll. Und so brachte er ihr auch diesmal sehr behutsam, nachdem er sie auf dem Stuhl untersucht hatte, bei, dass sich ihre Regel nur verspätet habe, aber jeden Moment einsetzen würde. Wenn sie ehrlich war, hatte sie auch nichts anderes erwartet. Sie wagte schon gar nicht mehr zu hoffen.

    Zu Hause angekommen beschloss sie, sich erst einmal ein Entspannungsbad einzulassen und drehte mechanisch den Hahn auf. Das Geräusch des plätschernden Wassers weckte sie aus ihrer Trance und holte sie zurück in die Realität. Wie gut, dass Kai erst morgen Abend zurück kam. Ob sie Kati wohl schon zu Hause erreichen konnte? Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass ihre Freundin sicher noch im Feierabendverkehr steckte.

    Genüsslich glitt Elli in die dampfende Wanne und fing langsam an, sich zu entspannen. Sie musste aufhören, sich jedes Mal so hinein zu steigern. Sie lebte nur noch von Eisprung zu Eisprung. Ihr kompletter Terminkalender schien nur noch im 28-Tage-Zyklus abzulaufen. Seit drei Jahren versuchten sie es nun schon. Aber alle vier Wochen bekam sie mehr oder weniger regelmäßig den Beweis präsentiert, dass es wieder nicht geklappt hatte. Alle Untersuchungen, die sie bisher geduldig über sich hatte ergehen lassen – und es waren nicht wenige – führten immer wieder zum gleichen Ergebnis. Mit ihr war alles in Ordnung! Leider war Kai nicht immer verfügbar, wenn der passende Zeitpunkt gekommen war. Durch seine Arbeit bei einer Werbeagentur war er sehr viel unterwegs. Sie hatte es auch schon längst aufgegeben, ihn auf dieses kritische Thema anzusprechen, so gereizt wie er mittlerweile darauf reagierte. Vor vier Jahren hatten sie sich bei der Arbeit kennen gelernt. Sie waren beide in der gleichen Agentur angestellt; er als Fotograf, sie als Werbetexterin. Bei der Erinnerung an den Beginn ihrer Beziehung wurde Elli ganz wehmütig zumute. Wo waren sie geblieben, diese unbeschwerten Tage von damals. Sie waren beide jung, verliebt und die Zukunft lag wie eine glückliche Verheißung vor ihnen. Ziemlich schnell zogen sie zusammen und schon bald wurde klar, dass sie eine Familie gründen wollten. Doch dann hatte Kai eine neue Stelle angeboten bekommen. Sie sahen sich nicht mehr so häufig und er war immer öfter auf Reisen. War er dann doch einmal zu Hause, verbrachte er sehr viel Zeit in der Agentur.

    Als Elli so im Wasser lag und ihre Haut an den Füßen und Fingern zu schrumpeln begann, musste sie sich eingestehen, dass ihre Beziehung schon bessere Zeiten gesehen hatte. Im tiefsten Inneren konnte sie Kai sogar ein bisschen verstehen. Kein Wunder, dass er sich zurückgezogen hatte, bei ihrer krampfhaften Fixierung auf dieses eine Thema. Zeit aus der Wanne zu steigen und sich bei ihrer Freundin Kati auszuheulen! Die musste inzwischen zu Hause angekommen sein.

    Elli betrachtete sich im Spiegel. Gedankenverloren strich sie über ihren flachen Bauch, betrachtete ihren schlanken hochgewachsenen Körper, ihre langen feuchten Haare, die sich zu widerspenstigen Locken über ihren Schultern ergossen. Das Klingeln des Telefons ließ sie aufschrecken.  

    „Hallo Kati! Das ist ja Telepathie!"

    „Wie sieht’s aus bei dir? Hast du Lust auf ein Glas Wein rüber zu kommen?"

    „Tolle Idee! Bis gleich."

    Kai schlenderte durch die verwinkelten Gassen von Valdemossa. Genussvoll streckte er sein Gesicht den warmen Sonnenstrahlen entgegen. Im Oktober gefiel ihm Mallorca am besten. Während zu Hause schon die ersten Herbststürme tobten, konnte man hier noch die letzten Sommertage genießen. Außerdem war jetzt schon Nebensaison. Es gab kaum noch Touristen auf der Insel. Heute Mittag, nachdem das letzte Bild im Kasten war, hätte er eigentlich gleich mit den anderen nach Palma fahren können, um mit der letzten Maschine zurück nach Deutschland zu fliegen. Aber als er sich auf der Terrasse eines Cafés einen Cappuccino bestellte, bereute er seinen Entschluss noch eine Nacht zu bleiben, keine Sekunde. Allein der Gedanke an die Stimmung daheim, ließ ihn alle Bedenken über Bord werfen. Er liebte Elli, keine Frage. Aber die Situation, in die sie beide sich mit dem für seine Begriffe viel zu früh ausgesprochenen Kinderwunsch hinein manövriert hatten, war für ihn mittlerweile unerträglich geworden. Er hatte schon gar keine Lust mehr auf Sex. Jegliche Spontanität war auf der Strecke geblieben. Wenn Elli in letzter Zeit dieses Thema auch nicht mehr anschnitt, hing es doch wie ein Damoklesschwert über ihnen. Nie würde er den Abend von neulich vergessen. Elli hatte wieder einmal einen ihrer unzähligen Tests hinter sich gebracht. Sie hatten eine Flasche von ihrem Lieblings-Bordeaux geköpft, und es hätte ein gemütlicher Abend werden können. Aber da kam sie auf die Idee, ihm einzureden es läge womöglich an ihm, dass sich bei ihnen kein Nachwuchs einstellte. Er war ja bis jetzt sehr tolerant gewesen und hatte alle ihre Sperenzchen mitgemacht. Aber da hörte es auf! Er hatte noch immer seinen Mann gestanden! Einfach absurd der Gedanke, bei ihm sei etwas nicht in Ordnung! An jenem Abend waren sie wortlos nebeneinander eingeschlafen und hatten seither auch nicht mehr über dieses Thema gesprochen. Ab diesem Zeitpunkt hatte sich ihre Beziehung definitiv verändert.

    Eine junge Spanierin lächelte ihn im Vorbeigehen kokett an. Mit einem Schlag waren alle seine trüben Gedanken wie weg geblasen. Er freute sich auf heute Abend. Ein paar Kollegen vom Team waren noch geblieben, ein paar der Models auch. Das würde sicher amüsant werden!

    Kati war Innenarchitektin, was sich schwer leugnen ließ, wenn man ihre Wohnung betrat. Elli fühlte sich bei ihr immer sofort wohl. Allein diese hellen und freundlichen Töne, mit denen sie ihre Wohnung eingerichtet hatte, hoben gleich die Laune. Aber am besten gefiel ihr die Kuschelecke. Kati hat eine Nische in ihrem Wohnzimmer abgeteilt und hinter einem Paravent versteckt. Dahinter waren rote, gelbe und orangefarbene Kissen um einen Glastisch herum verteilt und in der Ecke stand eine kleine Getränkebar aus Chrom.

    „So, dann lass uns mal einen Schlachtplan entwerfen. Kati entkorkte geschickt eine Flasche Rotwein. Sie kannte ihre Freundin gut genug, um gleich zu wissen, was diese bedrückte. „Ich schaue mir das ja schon eine Weile mit dir an, aber jetzt muss ich es dir doch einmal sagen. Ihr seid jetzt drei Jahre am Üben. Mit dir ist alles in Ordnung; es gibt also nur zwei Möglichkeiten. Entweder liegt das Problem bei Kai oder ihr beide passt biologisch einfach nicht zueinander.

    „Das gibt es doch gar nicht. Wir lieben uns. Wahrscheinlich haben wir nur nie den richtigen Zeitpunkt erwischt."

    „Das glaubst Du ja selbst nicht! Elli traf ein strafender Blick. „Wenn Du Dir ganz sicher bist, dass Du ihn liebst, solltest Du vielleicht mal die Möglichkeit ins Auge fassen, auf Kinder zu verzichten.

    „Niemals!"

    Sie drehten sich, wie schon so oft, im Kreise. Nicht nur einmal hatten sie dieses Thema schon durchgekaut mit verschiedenen Lösungen, von Adoption bis hin zur Trennung von Kai. Nur etwas war diesmal anders. Sonst hatte Kati sie immer getröstet, gemeint, 'Du wirst sehen, beim nächsten Mal wird es klappen'. Alles leere Phrasen – aber es hatte immer geholfen. Elli war jedes Mal mit neuer Energie und Hoffnung nach Hause gegangen. Heute keine Spur davon.

    Kati schwenkte leicht das Rotweinglas in ihrer Hand und blickte ihre Freundin nachdenklich an.

    „Na sag schon, was Du ausgeheckt hast." Elli richtete neugierig den Blick auf ihr geheimnisvoll tuendes Gegenüber.

    Zuerst war sie nur empört über den Vorschlag, den ihre beste Freundin ihr zu machen wagte. Aber als die ersten Wogen geglättet waren, folgte Elli aufmerksam deren Gedankengängen. Klar war, dass sie ihren Freund liebte und mit ihm ein Kind wollte. Es war auch medizinisch bewiesen, dass es nicht an ihr lag, sie also gebärfähig war. Katis Vorschlag, sie musste von einem anderen Mann schwanger werden, schockierte Elli. Aber Kati redete unbeirrt weiter: Kai müsste natürlich glauben, er sei der Vater. Deswegen durfte der geeignete Kandidat selbst keine Kinder wollen, kein näheres Interesse an ihr haben und es sollte natürlich eine Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern vorhanden sein. Je öfter sie diesen Gedanken durchspielten, desto mehr freundete Elli sich mit dieser Idee an. Aber wo lernte man so einen Mann kennen? Die beiden Frauen redeten sich richtig in Rage, während sie diese Frage erörterten. Doch schließlich fanden sie die Lösung. Solch ein männliches Exemplar war am besten durch eine Annonce zu finden! Jetzt musste nur noch der Text verfasst werden. Nur noch war leicht gesagt! Das war gar nicht so einfach. Nach langem Hin und Her waren sie sich jedoch einig:

    GESUCHT

    Netter Mann mit Niveau

    zwecks Kinderzeugung ohne Konsequenz

    Sie waren richtig stolz auf ihren produktiven Abend. Auf dem Nachhauseweg kicherte Elli in gespannter Erwartung in sich hinein.

    So hatte Kai sich den Abend nicht vorgestellt. Verärgert strich er sich die Locken aus der Stirn. Sein Kollege Tim war mit den beiden einzigen Models, die nicht abgereist waren, verschwunden; wusste der Himmel wohin. Und er durfte den Abend mit Linda verbringen; der farblosen Kostümbildnerin. Die saß in ihren verwaschenen Jeans und einem ausgeleierten T-Shirt neben ihm am Tresen. Mit ihren kurzen braunen Haaren und ihrer knabenhaften Figur, konnte man sie von hinten auch für einen Kerl halten. Lustlos nippte er an seinem Whisky. Normalerweise trank er ja nur Wein, aber heute war ihm nach Whisky. Er erzählte Linda, den Spruch mit den drei Ws, dass er grundsätzlich nur Sachen mit W zu sich nahm, wie Wasser, Wein und Whisky. Taktvollerweise ließ er das vierte W, nämlich Weiber, weg. Linda verzog zu seiner Verwunderung keine Miene. Unsicher grinste er sie an.

    „Du musst keinen Smalltalk mit mir halten. Wenn Du etwas Besseres vorhast, dann tu Dir nur keinen Zwang an! Mach Dir mal um mich keine Sorgen!"

    „Aber nein, ich bleibe doch gerne bei Dir sitzen! Kai lächelte gönnerhaft. „Außerdem, wo soll ich denn hin? Sich zu zweit zu besaufen, macht doch viel mehr Spaß.

    „Was gibt es denn für einen Grund, sich zu betrinken?"

    „Ich wüsste nicht, was Dich das angehen sollte!"

    „Na, dann wünsch‘ ich Dir noch viel Spaß heute Abend!" - und weg war sie. Kai guckte ihr verdutzt hinterher. Verärgert, dass er nun gar keine Gesellschaft mehr hatte, bestellte er sich gleich noch einen Doppelten.

    Verschlafen rieb Elli sich die Augen, als die ersten Sonnenstrahlen ihr ins Gesicht schienen und versuchte die Ziffern auf ihrem Wecker scharf zu stellen. Was? Schon 8.00 Uhr! Gerade wollte sie ihre Beine aus dem Bett schwingen, da fiel ihr ein, dass ja heute Samstag war. Erleichtert ließ sie sich wieder auf ihr Kissen sinken. Normalerweise würde sie sich den Luxus gönnen und noch einmal einschlafen, aber heute wollte ihr das irgendwie nicht so recht gelingen. Das gestrige Gespräch mit ihrer Freundin schwirrte ihr im Kopf herum. Bei Tageslicht betrachtet, schien ihr der Plan doch zu absurd. Könnte sie sich überhaupt körperlich mit einem fremden Mann einlassen? Und wenn ja, dann war das ja eigentlich Betrug an ihrem Partner. Wie sollte sie überhaupt mit dem Wissen um ihr Vorhaben, Kai heute Abend in die Augen sehen? Da fiel ihr ein, dass sie ihm ja versprochen hatte, ihn vom Flughafen abzuholen. Wo hatte sie denn die verdammte Ankunftszeit aufgeschrieben? Ach in ihrem Bürokalender. Na toll! Da war natürlich jetzt keiner am Wochenende. In Kais Firma gab es doch immer eine Notbesetzung, fiel ihr ein. Tatsächlich, es nahm jemand ab. Ja, alle wären gestern schon angereist, nur Kai, Tim und Linda kämen erst heute, planmäßig um 17:15 Uhr an. Elli verdrängte das aufkeimende Misstrauen. Kai mag nicht perfekt sein, aber Untreue zählte sicher nicht zu seinen Fehlern. Außerdem kannte sie Linda. Sie war ganz bestimmt nicht sein Typ. Kai mochte weiblichere Frauen mit langen Haaren, so wie sie. Wie zur Bestätigung schaute sie in den Spiegel auf ihre blonde Lockenmähne. Aber wieso ist er dann nicht schon gestern mit den anderen gekommen, meldete sich eine leise Stimme in ihrem Inneren. Früher hätte er sie wenigstens angerufen und informiert, ganz davon abgesehen, dass er niemals verlängert, sondern die freie Zeit lieber mit ihr verbracht hätte. So langsam schlugen ihre Zweifel in Wut um. Ungerechterweise ließ sie völlig außer Acht, dass sie gestern noch froh war, einen ungestörten Abend mit ihrer Freundin zu verbringen. Der würde was zu hören kriegen, wenn er heute nach Hause käme. Mit einem Riesenschwung katapultierte Elli die unschuldige Abfalltüte neben den Eingang, um sie nachher mit nach unten zu nehmen. Mit Elan machte sie sich an den Abwasch. Das half ihr jedes Mal, wenn sie ihre Gefühle sortieren und über etwas nachdenken musste. Kai machte sich immer lustig darüber, denn sie hatten eine gut funktionierende Spülmaschine. Elli merkte wie ihre Wut langsam verrauchte und ihre Gedanken zu dem gestrigen Abend schweiften. Sie musste schmunzeln, bei der Vorstellung, wer wohl auf ihre Anzeige antworten würde. Das wird ein Spaß, mit Kati zusammen die Bewerber zu sichten! Sie könnte ja dann später immer noch entscheiden, ob sie antworten sollte, falls sich überhaupt jemand meldete. Auf alle Fälle würde sie am Montag gleich die Annonce für das kommende Wochenende in der lokalen Tageszeitung aufgeben und dann würde man ja sehen, wie die Dinge sich entwickelten.

    Ausgerechnet! Musste dieses dämliche Flugzeug auch noch Verspätung haben! Ihm blieb auch nichts erspart. Neben ihm die schweigsame Linda, über ihm die grelle Flughafenbeleuchtung, die seinem Kater nicht gerade förderlich war. Und jetzt mussten sie auch noch eine Stunde in dieser nüchternen Wartehalle verbringen. Ergeben schloss er die Augen. Hinter ihm hörte er eine weibliche Stimme in vorwurfsvollem Ton auf einen Mann einreden, der nur ab und zu mürrisch brummte, was wohl so viel wie „ja" bedeuten sollte. Szenen einer Ehe, dachte Kai schmunzelnd und blickte sich unauffällig nach dem Paar um. Dabei fiel sein Blick auf Linda und er bemerkte, dass auch sie belustigt die Unterhaltung verfolgt hatte. Eigentlich ganz angenehm, dass sie nicht so eine Plappertasche war. Seine Gedanken wanderten  nach Hause. Was ihn da wohl erwartete? Er dachte an letzten Sonntag, als Elli ihn abends zum Flughafen gebracht hatte. Er kannte sie gut genug um zu spüren, dass sie in ziemlich aufgewühlter Stimmung war. Und obwohl sie in unausgesprochener Übereinkunft nicht mehr über dieses Thema sprachen, wusste er doch, dass wieder das magische Datum näher rückte, wo es hieß, 'Schwanger oder nicht schwanger, das ist hier die Frage'. Sie hätte ihn sicher gleich angerufen, wenn die Nachricht positiv gewesen wäre. Oder? Auf einmal war er sich gar nicht mehr so sicher. Die Kommunikation zwischen ihnen war in letzter Zeit nur noch auf das Nötigste beschränkt. Aber in ihrem Gesicht konnte er immer noch lesen wie in einem offenen Buch. Mit Sicherheit würde er gleich, wenn er sie sah, wissen was los war, ohne dass sie ihm irgendetwas zu erzählen brauchte.

    Elli trommelte ungeduldig mit ihren Händen auf dem Lenkrad herum. Sie hatte nicht bedacht, dass um diese Uhrzeit die Straßen immer völlig verstopft waren. Die aktuelle Ankunftszeit von Kais Flieger hatte sie zu Hause schon im Internet nachgeprüft und war entsprechend später losgefahren, hatte sich dann aber zum Schluss etwas vertrödelt.

    Als sie endlich ihren Wagen in der Tiefgarage geparkt hatte und abgehetzt oben am Ausgang vor der Gepäckausgabe stand, war keine Spur mehr von Kai zu sehen.

    „So ein Mist!" fluchte Elli laut, so dass sich einige Passanten nach ihr umdrehten. Sie hatte es sich so schön ausgemalt, wie sie Kai im Auto ins Verhör nahm, ohne Chance auf eine Flucht seinerseits. Allzu oft war es schon vorgekommen, dass Kai die Diskussion abgebrochen hatte, indem er einfach aus dem Zimmer ging und die Tür hinter sich schloss. Aber aus dem Auto konnte er nicht einfach aussteigen, da musste er sich ihr stellen.

    Bestimmt hatte er sich schon ein Taxi genommen oder war mit den anderen zusammen heim gefahren. Dadurch hatte sie ihm dummerweise einen taktischen Vorteil verschafft, denn er konnte ihr jetzt vorwerfen, dass sie ihr Versprechen, ihn vom Flughafen abzuholen, nicht eingehalten hatte.

    Während Sie den Rückweg antrat, legte sie sich schon einmal zurecht, was sie ihm alles sagen wollte. Vor allen Dingen sollte er ihr beantworten, wieso er nicht schon gestern zurückgekommen war und sie nicht einmal angerufen hatte. Das wäre auf jeden Fall eine gute Einleitung zu der grundlegenden Frage, was ihm ihre Beziehung denn noch wert sei und wie er sich die Zukunft mit ihr eigentlich vorstellte.

    Als sie die Haustür aufschloss, hörte sie Kai in der Küche herum hantieren. Also auf in den Kampf!

    „Hallo!" Elli blieb in der Küchentür stehen.

    „Hallo, wie geht’s? Was gibt es Neues?"

    „Wo warst Du denn? Sie beschloss gleich zur Sache zu kommen. „Ich war am Flughafen um Dich abzuholen, aber Du hattest es wohl so eilig, dass Du nicht auf mich warten konntest. Vorwurfsvoll blickte sie ihn an.

    „Tut mir leid, ich konnte ja nicht ahnen, dass Du mich abholen wolltest. Ich habe mir ein Taxi genommen. Er versuchte einzulenken: „Komm, das ist doch nicht so schlimm!

    „Tja wenn Du mich mal angerufen hättest, dann wärst Du auf dem Laufenden gewesen, giftete sie zurück. „Außerdem, wieso bist Du denn nicht mit den anderen gestern zurück gekommen? Hattest wohl keine Lust, das Wochenende mit mir zu verbringen?

    „Musst Du denn immer streiten? Anstatt Dich zu freuen, dass ich wieder da bin, machst Du mir nur Vorwürfe. Da macht es echt keinen Spaß nach Hause zu kommen!"

    „Du hast mir nicht geantwortet. Was ist los mit uns beiden? Wieso ziehst Du es vor, mit Deinen Arbeitskollegen noch einen Tag länger zu verbringen, vielmehr eine Nacht mehr? Liegt der Grund vielleicht bei einer Frau?"

    „Du wirst, wie immer, unsachlich. Ich habe keine Lust mehr, mir das länger zu geben. Ich lege mich jetzt schlafen." Mit diesen Worten ließ er sie stehen und verschwand im Schlafzimmer.

    Das war mal wieder typisch! Genau wie sie vorhergesehen hatte, haute er mitten im Streit ab. Nie konnte er einen Konflikt bis zum Ende austragen! Auch wenn sie sich eingestehen musste, dass er Recht hatte und sie etwas unsachlich geworden war, sah sie jedoch nicht ein, wieso sie ihm nun die Hand zur Versöhnung reichen sollte. Warum musste immer sie die Initiative zu allem ergreifen! Er konnte ruhig auch einmal etwas für ihre Beziehung tun. Bitte, dann würde sie sich eben noch einen schönen Film im Fernsehen anschauen und erst später, wenn er schon schlief, ins Bett gehen. Was er konnte, konnte sie schon lange. Dann ging sie ihm eben auch aus dem Weg.

    Elli schenkte sich eine Tasse Milchkaffee ein, während sie verstohlen im Anzeigenteil blätterte. Im Grunde kannte sie den Text ja in- und auswendig, aber es war noch einmal etwas anderes ihn schwarz auf weiß gedruckt zu lesen. Ein kurzer Blick auf Kai sagte ihr, dass er wie üblich mit dem Kulturteil beschäftigt war. Es war nun eine Woche vergangen, seit er aus Mallorca zurück war. Die letzte Woche war er nicht auf Reisen, sondern nur im Studio beschäftigt gewesen. Die Gelegenheit, sich häufiger zu sehen, wäre da gewesen. Aber irgendwie hatte Elli das Gefühl, dass Kai ihr aus dem Weg ging. Er war wieder häufiger auf seinen so genannten Geschäftsbesprechungen gewesen. Und wenn sie ehrlich war, kam ihr das sehr entgegen. Irgendwie hatte sie ein schlechtes Gewissen, obwohl ja eigentlich noch gar kein Anlass dafür bestand. Ah, da war sie ja!

    GESUCHT

    Netter Mann mit Niveau

    zwecks Kinderzeugung ohne Konsequenz

    Darunter stand die Chiffre-Nummer und die Aufforderung ein Lichtbild mit zu schicken. Sie hatte sich entschieden, keine weiteren Auswahlkriterien in die Anzeige zu schreiben, sondern lieber auf Grund der Fotos und, sollte es zu einem Treffen kommen, nach dem persönlichen Eindruck zu entscheiden. Ob diese Zeilen wohl die richtigen Kandidaten ansprachen? Im Laufe der nächsten Woche würde sie es wissen, versuchte sie ihre Ungeduld zu bremsen.

    Das Telefon riss sie aus ihren Gedanken. Kai saß näher daran und nahm ab.

    „Ja, ok, bis gleich. Zu Elli gewandt murmelte er etwas, das klang wie: „Muss noch mal kurz ins Geschäft, gibt ein Problem mit den Kontaktabzügen. Und weg war er.

    Ziemlich perplex saß sie immer noch auf ihrem Stuhl. Komisch er schien gar nicht überrascht, so, als ob das vorher schon verabredet war. Wieder stiegen Zweifel in ihr auf. War da vielleicht doch eine andere Frau im Spiel? Sie hatten doch eigentlich vereinbart, dass sie heute ein bisschen raus ins Grüne fahren wollten, um zu wandern. Es wäre eine tolle Möglichkeit gewesen, sich mal wieder näher zu kommen. Deprimiert rief Elli ihre Freundin Kati an. Alleinsein wäre wirklich das Allerletzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. 'Ach, Du hast Dich schon mit Jochen verabredet. Schade, na dann vielleicht ein anderes Mal.' Wie konnte sie auch erwarten, dass Kati an einem Samstag zu Hause saß und nur darauf wartete, dass sie anrief, um etwas mit ihr zu unternehmen. Wen kannte sie denn noch, der vielleicht nichts vorhaben könnte? Ihr fiel niemand ein. Alle in ihrem Bekanntenkreis waren Pärchen und hatten sicher schon etwas für das Wochenende geplant. Elli fühlte sich auf einmal ziemlich alleine. Bevor sie vollkommen in Selbstmitleid zerfloss, entschied sie sich, ins Büro zu fahren. Sie hatte ihre Arbeit in der letzten Woche sowieso ein bisschen schleifen lassen, und sie musste dringend diesen Werbetext für einen neuen potentiellen Kunden fertig stellen. Nächste Woche Mittwoch, sollte die Präsentation sein und ihr fehlte noch der zündende Funke. Es ging da um ein Parfum. Sie könnte natürlich auch zu Hause arbeiten, aber da gelang es ihr nicht so gut, sich zu konzentrieren.

    Kai war dankbar über Lindas Anruf gewesen. Er hatte Elli nur die halbe Wahrheit erzählt. Die Kollegen hatten sich zum Brunch verabredet. Jeder konnte seinen Partner mitbringen, aber das wollte er ihr nicht auf die Nase binden. Elli war zwar in den letzten Tagen in guter Stimmung gewesen, gab sich ihm gegenüber aber trotzdem ziemlich reserviert. Das konnte er auch. Sie musste ja nicht alles wissen!

    „Na, wo hast du denn deine Perle gelassen? Warum hast du Elli denn nicht mitgebracht?" tönte es Kai entgegen, als er das Bistro betrat. Die anderen hatten schon ihre Gläser mit Sekt gefüllt und waren guter Dinge.

    „Sie hatte schon was anderes vor. Gibt’s denn was zu feiern?"

    „Peter tat sehr geheimnisvoll. Irgendetwas hat er uns wohl mitzuteilen. Der Sekt geht jedenfalls auf ihn, ließ er uns schon mal ausrichten." Ihr Boss war sonst nicht so spendabel. Es musste also schon einen besonderen Grund dafür geben.

    „Was ist mit Dir, Natascha? Keine Ahnung? Kai blickte fragend zu Peters Sekretärin, die sonst immer auf dem Laufenden war. Aber die zuckte nur bedauernd die Schultern. „Keinen blassen Schimmer.

    „Na dann Prost", Kai schaute sich in der Runde um. Jeder hatte eigentlich seine bessere Hälfte mitgebracht, bis auf Natascha und Linda. Natascha, das war ein offenes Geheimnis, lebte mit einer Frau zusammen, die bislang aber noch keiner kennen gelernt hatte. Und Linda? Es wusste eigentlich niemand etwas Genaueres über deren Privatleben. Sie redete ja nie viel. Kai fing einen spöttischen Blick von ihr auf, so als ob sie seine Gedanken erraten hätte.

    In dem Moment kam Peter mit wehendem Trenchcoat zur Tür herein. „Sorry, ich bin noch aufgehalten worden."

    Alle blickten ihn erwartungsvoll an. Ohne große Umschweife kam er zum Thema. „Also Leute, hört mal alle her! Als ob nicht sowieso schon alle die Ohren gespitzt hätten. „Erinnert ihr euch an den letzten Auftrag auf Mallorca? Nun, unser Auftraggeber war so begeistert, dass er uns in Zukunft exklusiv unter Vertrag nimmt. Das heißt für seine Modefirma von der Katalogerstellung bis hin zur Werbung, beauftragt er nur noch die Werbeagentur Peter Kern! Was sagt ihr jetzt? Beifall kam von allen Seiten. „Eure Arbeitsplätze sind also gesichert." Allgemeines Gelächter machte sich breit. Wobei die Bemerkung gar nicht so abwegig war. Peter Kerns Agentur war klein und stand noch ganz am Anfang. Aber dies schien jetzt der große Durchbruch zu sein.

    „Ich danke euch allen herzlich für Euer Engagement, Eure Loyalität und natürlich für die hervorragende Arbeit!" Peter erhob sein Glas und das Team folgte seinem Beispiel. Das kam so ehrlich aus dem Munde des Chefs, dass alle direkt ein bisschen gerührt waren. Peter war sonst kein Mann großer Worte. „Kommt Ihr Lieben, lasst

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