Taylors Warnung: "Früher oder später wird eine Terroristengruppe oder ein Psychopath eine Nuklearwaffe bauen"
Von Jürgen Caloja
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Über dieses E-Book
Dr. Emmanuel Egger und Dr. Kurt Münger vom Labor Spiez veröffentlichten 2005 eine Studie über die Einschätzung der Bedrohungslage.
"Britische und amerikanische Geheimdienste gehen offensichtlich davon aus, dass ein Anschlag mit einer Dirty Bomb schon bald Realität sein wird. ... Terroristen könnten versucht sein, eine solche Waffe einzusetzen, wenn sie einer Gesellschaft einen möglichst hohen und möglichst langfristig wirksamen, materiellen Schaden zufügen wollen. Bisher war dies offensichtlich nicht das Ziel von Terroristen; sie zielten vielmehr darauf, mit einem Anschlag einen möglichst hohen unmittelbaren Schaden zu verursachen. Werden sie auch in Zukunft entsprechend vorgehen? Werden sie neue Strategien und neue Anschlagsformen entwickeln? Darüber kann nur spekuliert werden."
Der Roman - Taylors Warnung - setzt eine dieser möglichen Spekulationen ins Werk und fordert die zivile Gesellschaft zur gewaltfreien Stärkung der Demokratie heraus..
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Buchvorschau
Taylors Warnung - Jürgen Caloja
PROLOG
Editorische Notiz zum Ebook »Taylors Warnung«
Das Ebook »Taylors Warnung« stützt sich auf den Kurz-Roman, der schon in den Jahren 1975/76 von Jürgen Caloja geschrieben und im Herbst 1976 als Novelle unter dem Titel »Die Zeit der schwarzen Wolken« in kleiner Auflage veröffentlicht wurde.
Es ist einer der ersten literarischen Versuche, auf die lauter werdende Warnung vor einem Terrorismus mit ABC-Waffen oder mit radiologischen Bomben fiktiv so zu antworten, dass der interessierte Leser sich in der Phantasie mit dem damals noch ganz unerhört erscheinenden Szenario einer unfassbaren Katastrophe tagebuchartig vertraut machen konnte. Vielleicht war ja die ungeheure Gefahr, vor der zwar wenige, aber umso nachdrücklicher auftretende Experten in Presse, Funk und Fernsehen dieser Jahre warnten, doch nicht völlig aus der Luft gegriffen ...
Das Ebook ist insofern eine Aktualisierung der Geschichte, als manches darin sprachlich, stilistisch und orthographisch neu gefasst wurde; dabei galt es aber, achtsam die damalige Atmosphäre zu erhalten, die Grenzen des Wissens von einst nicht zu überschreiten und möglichst nichts von all dem in die Vergangenheit zurück zu verlagern, was erst uns Heutigen ganz selbstverständlich und bekannt ist.
So könnte dieses Ebook auch in historischer Hinsicht ganz aufschlussreich sein.
Der US–amerikanische Physiker Theodore Brewster Taylor war einer der gescheitesten Kernwaffenphysiker des 20. Jahrhunderts.
Im Los Alamos National Laboratory war er für die Atomwaffenentwicklung verantwortlich und trieb die Miniaturisierung der schweren Bomben des Manhattan-Projekts voran; erfolgreich konstruierte er Leichtbau–Typen wie Hornisse, Skorpion, Biene oder Wespe und – er erkannte auch die enormen Gefahren.
Nach seinem konsequenten Ausstieg aus der Entwicklungsarbeit bezeichnete Ted B. Taylor sich selbst seit Mitte der sechziger Jahre als »nuclear dropout«; eindringlich warnte er: »Früher oder später wird eine Terroristengruppe oder ein Psychopath eine Nuklearwaffe bauen«.
Bei der Defense Atomic Support Agency übernahm er die Verantwortung für das Nuklearpotential der USA, hielt Vorträge und schrieb Bücher über atomare Risiken und die Gefahren des nuklearen Terrorismus.
Zwar hatten die Gesellschaften in Europa und der ganzen Welt schockierende Erfahrungen mit den verschiedensten Wirkungen des Terrors durchlitten, noch aber hätte die zivile Gesellschaft einen wie auch immer gearteten ›nuklearen Terrorismus‹ ins Reich der bloßen Fantasterei, des Horrors und der Albträume verwiesen.
1976 fühlte ich mich als Autor verpflichtet, Taylors Warnung wirklich ernst zu nehmen und zum nuklear-terroristischen Szenario elementare Recherchen anzustellen, um in Romanform sachkundig darstellbar zu machen, in welches Dilemma die Demokratien durch nuklearen Terror geraten und wie sie nach menschenwürdigen und zukunftstauglichen Antworten suchen können und müssen.
Die Herausforderung drängt, scheint es, heute mehr denn je. JC.
Dienstag, 10. Februar 1976, 13:00 Uhr
Kurt ist eingeliefert worden – Nervenzusammenbruch.
»Sie haben ihn auf den Venusberg gebracht, zur Uniklinik, da liegt er auf der Neurologischen.« Die arme Frau Lehnbach klang am Telefon völlig aufgelöst. Kurt lässt mir ausrichten, ich solle bitte zu seiner Wohnung fahren, die Aktentasche holen und seinen Weltempfänger mit in die Klinik bringen. Den Wohnungsschlüssel hat Frau Lehnbach.
Es ist Dienstag, Marie hat Spätschicht. Wenn ich gleich losfahre, bin ich gegen halb drei bei Kurt. Ich hasse es, bei Glatteis mit dem Auto unterwegs zu sein; sie haben zwar gestreut, aber meine Reifen sind nicht die besten. Trotzdem muss man ja hin, wenn das Bruderherz seelisch kollabiert. Und das mit seinen vierunddreißig Jahren! In den letzten Monaten hat er abgebaut; Vater meinte: »Unser Kurt hängt irgendwie schlimm daneben. Was hat der Junge bloß?«
»Er ist einfach überlastet«, hatte ich gesagt. »Der Job in der Uni, dann die Verantwortung im Institut und dazu noch die vielen Wochenendreisen! Der hat doch nie ein ruhiges Wochenende!«
»Ja«, sagte Mutter, »ich weiß auch nicht, wie der Junge das schaffen soll. Das nimmt noch ein schlimmes Ende.«
Obwohl Kurt als Wissenschaftler ein gutes Gehalt hat und sich seit langem ein eigenes Appartement hätte leisten können, konnte er sich nicht entschließen, die ewige Studentenbude am Bahnhof Beuel in der Goetheallee aufzugeben; auch nach dem Examen hat er sie nicht renoviert. Der ist einfach im alten Trott geblieben: keine feste Frau, immer nur seine Physik. All die Jahre hindurch ging er zu Fuß oder fuhr mit Rad oder Straßenbahn über die Kennedybrücke zur Uni, als Student genauso wie als Assistent und später als Dozent; auch als Abteilungsleiter im Institut für Kernphysik ist er der Goetheallee treu geblieben. Aber mit Geld hatte das nichts zu tun; meine teuersten Bücher hat Kurt bezahlt. Als ich 1968 in Bonn mit dem Studium anfing, sah seine Wohnung genauso aus wie bei meinem ersten Examen; ob ich mein Verlagsvoluntariat ableistete, meine erste Stelle als Lektor in Köln antrat oder wie jetzt meine Dienste freiberuflich anbiete: Kurts Haushalt bleibt sich gleich. Für sich selbst gibt er kaum etwas aus, mir gegenüber hat er sich aber auf keine Weise lumpen lassen. Also bin ich – und nicht nur aus Dankbarkeit – gleich los, um ihm die Sachen aus der Goetheallee in die Klinik zu bringen. Bei all der Aufregung hat Frau Lehnbach natürlich nur die paar Dinge zusammengesucht, die er unbedingt da braucht, auf der Neurologischen. Frau Lehnbach wohnt parterre und freut sich, dass sie ihre kleine Rente aufstocken kann, indem sie ihm den Haushalt macht; sie wäscht ihm auch alles. Kurt betätigt sich dafür gerne als freundlicher Zuhörer, wenn er Zeit hat; jedenfalls kann sie ihm all ihre Sorgen erzählen. Im letzten halben Jahr hatte er aber nicht mehr viel Zeit für Frau Lehnbach.
Unsere Mutter kümmert sich auch immer um alle, die Kummer haben. Wieder und wieder hat sie mich damals, als wir noch im absoluten Freiflug studieren durften, ermahnt: »Junge, wenn du die Philosophie im Kopf hast, dann vergiss dabei die Leute nicht! Die Leute, Peter, die haben ihre Sorgen und müssen ihr Leben meistern.«
»Aber Mutter! Was denkst du denn von mir!?«, so hatte ich dann immer meinen Part im Dialog zu übernehmen: »Ich vergesse doch die Leute nicht!« Aber manchmal, ehrlich gesagt, hat man sie ja doch vergessen. Das ging mir so, und das ging auch Kurt so. Plötzlich hat die Wissenschaft dich so richtig gepackt und du suchst irgendwas Objektivierbares, Allgemeines, irgendwelche Gesetze, Prinzipien, Axiome. Dabei geht dann der Sinn fürs Alltägliche verloren, du siehst auf einmal nicht mehr Herrn Meier von nebenan, sondern ›ein überaus komplexes biologisches System, das in je spezifischer Art um seine Existenz ringt‹.
Mutter erinnert uns auch immer wieder an uns selbst. Als wir letzten Sonntag ihren Geburtstag feierten, nahm sie mich abends beiseite und meinte: »Junge, wie siehst du wieder aus! Hast ja ein ganz käsiges Gesicht, Peter, so blass bist du! Ich meine, da lohnt sich die ganze Kulturarbeit nicht! Und schau, der Kurt, der ist auch kein Vorbild! Wie ein Gespenst kommt er daher, er wird uns noch krank! Und so kommt ihr zu Mutters Geburtstag.«
Sie ahnt voraus, wenn irgendwas mit ihren Jungs nicht in Ordnung ist. Sie hat da so eine Gabe. Auch wenn Vater nicht ganz wohlauf ist, merkt sie es sofort: »Hans, was ist denn nur? Du sagst wieder kein Wort! Du versteckst dich wieder hinter deinem Kaufmannsgesicht.«
Vater ist einer von diesen unbestechlichen Finanzbuchhaltern, aber er wird bald pensioniert; ich glaube, er wird gar nicht fertig damit. Irgendwie haben wir drei Männer etwas vom selben Fimmel: in die Arbeit gestürzt und alle Welt ringsum vergessen! Wenn es Mutter nicht gäbe, könnte es gut sein, dass wir alle schon verlernt hätten, wie man lebt. – Nun ist unser Kurt ja schon soweit, obwohl unsere Mutter aufpasst! Sicher ist sie schon bei ihm in der Klinik. Mit ihren achtundfünfzig Jahren ist sie voller Elan. Und wenn mit ›ihren Männern‹ irgendetwas nicht stimmt, lebt ein tiefgründiges Ahnen in ihr auf; da regt sich ganz unwillkürlich eine zum Mitfühlen bereite Intuition, wie ich sie bisher nur bei meiner Marie gefunden habe, und bei sonst keinem.
Mutter kann in solchen Momenten all ihre Bewertungsinstanzen, Prinzipien, Normen, Maximen komplett über Bord werfen. Sie hat die Gabe, sich rückhaltlos einzulassen. Dann will sie nur erfahren, wie es uns geht; kein einziges Urteil kommt ihr dabei über die Lippen.
Ich hatte einmal, als ich klein war, meinem Freund Wilfried das schöne neue Bakelit–Auto gestohlen, einen olivgrünen Wiking–Unimog. Auf den war Wilfried besonders stolz, und ich fand das Ding dermaßen begehrenswert, dass ich es einfach in die Tasche steckte und fest mit den Fingern umschloss, bloß, um diese Kostbarkeit zu fühlen. Natürlich fand Mutter sofort heraus, dass ich ein schlechtes Gewissen hatte; sie spürte meine Leidenschaft für das sagenhafte Ding wie auch meine Angst davor, als Dieb entlarvt zu werden. Mutter hatte einfach nur beobachtet, mit welcher inneren Glut und Begeisterung ich den Unimog über die Tischdecke schob. Ich hatte darauf gehofft, Ma würde gar nicht merken, dass die neue Errungenschaft gar nicht mir gehörte; ich dachte, Mutter könne unmöglich meine Autos auseinander halten. Ich hatte ja vier oder fünf davon, und ganz verschiedene Modelle.
Natürlich war Mutter sofort klar, dass dieses Ding, das ich so festhielt, genau der Schatz sein musste, um den Wilfried so leidvoll trauerte. Als Mutter dann anderntags sagte: »Ich glaube, der Peter hat deinen Unimog so prima gefunden, dass er ihn, ohne es zu merken, mitgenommen hat«, da wusste ich, dass sie wusste, ich hatte ihn gestohlen.
Dann gab sie dem Wilfried sein herrliches Allrad–Nutzfahrzeug zurück und drückte mir zwei Mark fünfzig in die Hand: »So, dann geht ihr jetzt beide zu Frau Rührig und kauft noch so einen schönen Unimog. Dann habt ihr beide einen.« Ich weiß nicht, wie selig ich war!
Erst am Abend, als ich im Bett lag, hat sie gesagt: »Und dann wirst du auch niemandem mehr etwas wegnehmen. Jeder hat bestimmte Schätze, und die kannst du ihm nicht wegnehmen, ohne ihm weh zu tun.« Es war nicht das einzige Mal, dass Mutter mich vor anderen und vor mir selbst so in Schutz nahm. Ich rechne es ihr noch heute hoch an, und ich habe ihr immer vertraut. Auch Kurt konnte die wichtigen Dinge mit Mutter besprechen. Plötzlich wandelte sich das, da kam er auf einmal zu mir und meinte, er könne jetzt praktisch nichts mehr offen erzählen. Er sagte: »Jetzt ist alles im Eimer, die ganze schöne Vertrautheit.« Er meinte, Mutter habe einfach nicht die Kraft, ›das‹ zu bewältigen. Worum es sich dabei