Du weisst, warum...
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Als Emily nach einem Besuch im Fêtenkeller aufwacht, befindet sie sich in einem dunklen Raum. Sie ist angekettet.
Wenig später kommt ihre seit 13 Jahren vermisste Mutter in den Keller und spielt mit Emily Psycho-Spiele. Der Wahnsinn beginnt….
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Du weisst, warum... - Andrea Lieder-Hein
Emily
WO bin ich? Ahhh, mein Rücken. Und meine Beine. Mein ganzer Körper tut mir weh. PAPA? PAPA, wo bist du?
Mir ist kotzübel. Wie bin ich hier her gekommen? Warum ist mir so kalt? WO ist mein Handy???
Ich liege ja gar nicht in meinem Bett. Oder doch? War ich so hacke? Nee, eigentlich nicht. Die paar Bierchen im Milliöh und Cola-Rum im Fêtenkeller. Kein Crystal Meth, kein Angel Dust. Ganz harmlos, nur Alk.
War da nicht son Typ? Mit ner BOSS Mütze? Oder was? Nee, das war wohl vorher. Oder doch im Fêtenkeller. Der Idiot. Dachte schon, da geht was, aber der hat nicht mal geguckt, der Spacken.
Verdammte Scheiße, wo bin ich? Welcher Psycho hat mich hier her geschleppt? Werd’ erst mal aufstehen und duschen. Hunger hab ich auch. Und meine Birne platzt. Wo wohl mein Handy ist? Hey, und meine Brille ist auch weg. NEIN, SCHEISSE, die ist kaputt. Echt, WAS für ein Tag.
WO ist mein Handy? Wenn das weg ist, dann ... Nein, bitte nicht. Es war Papas Weihnachtsgeschenk. Papa hatte es im Internet gekauft, mein Samsung. NEIN, wo ist es? Es ist ohne Vertrag. Gott sei Dank, denn den hätte ich kaum bezahlen können, jetzt, wo Papa tot ist.
Bitte!!! Es ist das letzte Geschenk, ein Andenken an Papa.
Nein, es ist weg. KAKKKE. Bitte, ... bitte nicht, nicht mein Handy....
Was ist das schon wieder? Ich hänge fest. WAS??? Ich hänge an einer Kette? Mein Fuß, mein linker Fuß ist angekettet. So was kenne ich nur aus Filmen. Ich? WIESO?
HILFE!!! Hört mich denn keiner in dieser verdammten Bude? Es ist so dunkel. Kein Fenster. Nur so ein Glimmlicht aus der Steckdose. Überall Eierpappe... ICH WILL HIER RAUS.... HILFE...
Scheiße, ich muss mal pissen. Soll ich mir jetzt in die Hosen pissen, oder was?
Erst mal Fakten schaffen. Also, ich liege auf einer Matratze. Hab ne Decke. Da steht ein Becher und ... was ist das? Ahhh, Cola. Abgestanden, sausüß... BÄÄÄÄ. Und daneben so ein Bottich. Sieht aus wie ein Klo. Igitt. Ein Plumpsklo? Nee, das ist ein CampingKlo, wie Kais Eltern das in ihrem Camping-Bus haben. Und da soll ich nun drauf...?
Hilfe, Papa, warum hast du mich so allein gelassen? Mama??? Du alte Sau, bist einfach abgehauen, damals, vor fast 14 Jahren. Ich war dir scheißegal. Und Papa auch. Du bist einfach weg. Und Papa hat geschuftet, für uns, und du warst einfach weg.
Hilfe, ... Hilfe, ich hab Angst. Wo bin ich? Ich ... ich ... Mama ... Papa ... Papa, du warst doch immer für mich da. Wo bist du? Und Mama, warum kommst du nicht zurück? Oder ... bleib besser, wo du bist...
***
Sind das Schritte? Papa? Mama? Quatsch, Mama ist weg und Papa tot. Seit drei Wochen tot. Hilfe, wer kommt da?
Mama
Wer sind Sie?
Erkennst du mich nicht, Emily?
Warum tragen Sie einen Schleier? Haben Sie mich hier eingesperrt?
Ich bin zu dir gekommen, um zu sehen, was aus dir geworden ist, Emily.
Mama?
Siehst du, du erkennst mich doch.
Warum trägst du den Schleier?
Ich bin an Brustkrebs erkrankt, Emily. Die Chemo hat mir stark zugesetzt. Du würdest dich fürchten, so ohne Haare und ganz mitgenommen.
Warum bin ich gefesselt?
Damit du nicht wegläufst. Warum fesselt man sonst?
Aber ich lauf doch nicht weg.
Ich habe dir alles hingestellt, was du brauchst. CampingKlo, Matratze, Decke, Kissen, was zu trinken. Cola mochtest du immer so gerne. Und hier, ich hab dir Frühstück mitgebracht, Chicken Nuggets und zwei Cheeseburger. Und ... einen Cappuccino.
Ich hab keinen Hunger. Oder ... gib mir mal den Cappuccino rüber. Latte wär’ mir lieber.
Ich habe dich immer so vermisst, Emily.
Und warum bist du dann nicht zu uns gekommen?
Lasse wollte es nicht.
Papa wollte es nicht? Du lügst, Papa hat sich nichts sehnlicher gewünscht. Immerhin war ich erst sechs, und er musste arbeiten. Da hätte er dich gut brauchen können. DU LÜGST!!!
Du gingst dann schon zur Schule, und er wusste, wie sehr ich unter dem Tod von Jella gelitten habe.
Ich konnte nichts dafür, Mama. Jella rannte einfach los.
Ja, so hast du das damals behauptet. Aber die Spaziergänger am Strand haben es anderes berichtet.
WAS denn?
Jella ist an der Wasserkante entlang gelaufen, und du hinterher.
Ja, das stimmt.
Dann plötzlich war da dieser Priel, und Jella lief einfach hinein.
Ja, und ich hinterher. Ich wollte sie rausziehen.
NEIN, du hast sie hineingeschupst. Reingedrückt ins Wasser.
NEIN. Mama, was behauptest du da?
Nicht ich, Emily, sondern die Leute um euch herum.
Und warum bin ich nie verurteilt worden? Oder in so ein Heim gekommen?
Weil du nicht strafmündig warst, mit sechs Jahren.
Und die Leute? Warum haben sie Jella nicht geholfen?
Du musst dich nur erinnern. Versucht haben sie es, aber Jella wurde mit der Strömung hinweggesogen. In Sekunden. Weggerissen, ins offene Meer.
Und wo warst DU?
Ich war gerade unterwegs, für euch Pommes holen. Erinnerst du dich nicht? Ihr habt gequengelt. „Mama, bitte, hol uns Pommes", und Papa hat alles versucht, Jella zu retten, aber vergebens.
ICH WAR NICHT SCHULD!
DOCH!
Du warst nicht einmal mehr da, als Jella gefunden und beerdigt wurde.
Nein, da war ich schon weg. Aber Papa hat mir geschrieben, damals. Die sofort eingeleitete Rettungs- und Suchaktion blieb doch erfolglos. Ich habe gedacht, sie sei tot. Sie konnte nur tot sein. Bei den Temperaturen in der Nordsee.
Erst drei Wochen später wurde Jellas Leiche dann endlich von einem Hubschrauber entdeckt. Mehrere Kilometer weiter westlich von dem eigentlichen Unglücksort in St. Peter-Ording. Dann wurde sie endlich geborgen und beerdigt. Was von ihr übrig war.
Papa hat DIR geschrieben?
Ja, mein Herz. Auch schon vor der Beerdigung.
Nun liegt Papa neben Jella. Seit drei Wochen.
Ja, mein geliebter Lasse. Erzähl mir von ihm. Von seinem Unfall. Von eurem Leben. Das hilft. Dann kannst du alles besser verarbeiten.
Papa war wie immer mit seinem Fahrrad unterwegs. Hat seine Post verteilt. Dann hat ihn ein Laster übersehen und überfahren. Er war sofort tot. Ich durfte ihn auch gar nicht mehr sehen, so zugerichtet war er. Und die Post ganz über die Unfallstelle verteilt und voll Blut. Da haben sich viele beschwert.
Emily, wir werden hier einige Tage zusammen verbringen, um alles zu verarbeiten. In neun Tagen wirst du 20. Das feiern wir, und dann bist du endlich frei. Auch tief drinnen in deinem Herzen.
Es ist auch Jellas Todestag.
Eben. Und bis dahin wirst du schön nachdenken, was damals genau geschah.
Mama, lass bitte das Licht an, ich fürchte mich sonst.
Nein, Emily. Zum Nachdenken braucht’s Ruhe und Dunkelheit. Keine Ablenkung. Du hast eine kleine Steckdosen-Leuchte. Die reicht für das Nötigste. Waschen, Zähne putzen, Klo und Nahrung.
Waschen? Wie denn? WO denn?
Ach, richtig. Hier, Handtücher, Waschlappen, Zahnpasta und Zahnbürste, Gurgelwasser und ein paar Slips zum Wechseln. Dann noch eine Haarbürste. Bei deinen langen Haaren brauchst du eigentlich einen Föhn. Eine Steckdose gibt es bei dir leider nicht. Also entfällt Haare waschen. Sonst erkältest du dich noch hier unten. Und wenn deine Haare fettig werden, mach dir nichts draus. Sieht hier unten sowieso keiner.
Du hast nichts gegessen?
Nein, ich habe keinen Hunger.
Bis später, Emily. Und nutze die Zeit.
Die Clique
Piet Demel versuchte zum hundertsten Male, seine große Liebe Emily Pedersson zu erreichen. Aber ihr Handy war tot. Wo war sie bloß? Piet machte sich große