Grundkurs Geschichte Polens: Land zwischen Hammer und Amboss
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Von den Anfängen Polens im Piastenstaat im zehnten Jahrhundert bis hin zur heutigen Regierung Donald Tusk liefert dieses Ebook einen Abriss der polnischen Geschichte und ihrer besonderen Eckpunkte, erläutert Besonderheiten wie die piastische und jagiellonische Staatsidee, die Rolle des polnischen Landadels und Begriffen wie Samartismus oder Messianismus, ohne die weder die polnische Geschichte noch die kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung des Landes zu verstehen sind, noch das Bild von der eigenen Historie in der polnischen Gesellschaft.
Das Ebook "Grundkurs Geschichte Polens" ist für alle die Leser geeignet, die sich einen Überblick über die Geschichte Polens verschaffen wollen. Besonders geeignet ist es auch für die Vorbereitung deutsch-polnischer Begegnungen, Vorbereitung für die Arbeits- oder Studienaufnahme in Polen und ganz allgemein als Unterrichtsvorbereitung.
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Grundkurs Geschichte Polens - Brigitte Jäger-Dabek
Existenz zwischen Hammer und Amboss. Das alte Polen
Westeuropäische Chronisten berichteten erstmals im 10. Jahrhundert über die Feldbewohner, was die Bezeichnung Polanen auf Deutsch bedeutet. So nämlich nannten sie sich selbst, die slawischen Polanen, die im Gebiet zwischen Weichsel und Warthe im Bereich des heutigen Großpolen (Wielkopolska) siedelten. Friedlich lebten sie dort zwischen ihren slawischen Nachbarn, den Pomeranen, Kujawiern, Masowiern, Wislanen und Slensaken. Auch einen stark befestigtes Zentrum hatten sie seit dem achten Jahrhundert, die Burgsiedlung Gniezno (Gnesen).
Polnische Gründungsmythen
Wie so oft, liegen die Anfänge im Dunklen, und da die Herkunft der Polanen historisch nicht hundertprozentig zu belegen ist, entstehen Legenden, die romantisieren und heroisieren. Und tatsächlich ist die Entstehungslegende Polens auch viel romantischer: Es waren einmal drei edle Brüder, die auf der Suche nach einer neuen Heimat für sich und ihre Nachkommen durch die Lande zogen. Czech, einer der Brüder wurde der Urvater der Tschechen und wählte die fruchtbaren Moldauauen, Rus wurde Stammvater der Ruthenen und siedelte sich in der Steppe an. Lech, der Verträumte erblickte in einer weiten, flachen Landschaft mit rundlichen Hügeln und kleinen Seen eine Rieseneiche, die ihre Äste wie Arme weit einladend ausbreitete und darin ein Nest mit einem weißen, fast flüggen Adlerjungen barg. Das erschien Lech als Zeichen und so verabschiedete er sich von seinen weiter ziehenden Brüdern und baute genau an dieser Stelle seine Hütte, die er Gniazd nannte, was auf Deutsch Nest bedeutet. Später wurde aus dem Nest eine Stadt namens Gniezno, die noch später Hauptstadt Polens wurde. Und natürlich: Wappentier des neuen Landes wurde der weiße Adler.
Auch die Herkunft des Gnesener Herrschergeschlechts der Piasten bleibt im historischen Dunkel. Da behilft man sich wieder gern mit einer Legende und verlegt die eigentliche Dynastiegründung flugs um hundert Jahre zurück.
Piast war Rademacher und zwar ein einfacher Bauernjunge aber von edlem Gemüt. So wurde er zum Herrscher der Polanen berufen. Als er eines Tages vor seiner Hütte saß und ein Wagenrad baute, kamen zwei Fremde des Weges, die er wie üblich gastlich aufnahm. Der König aber hatte gerade diese Fremden abgewiesen, doch nun stellte sich heraus, dass sie Engel waren. Sie prophezeiten Piast eine große Zukunft für sein Geschlecht, sein Sohn und dessen Nachkommen würden dereinst Polen beherrschen. Nach dieser Legende wurde Piast – in einigen Versionen der Geschichte ist es auch sein Sohn - zum König erhoben, der stets weise und gerecht regierte. So wurde Piast als Stammvater aller polnischen Könige zur Blaupause eines guten, gerechten Königs, der dem Vols stets nahe blieb und dazu, weise und fromm war. Diese Legende blieb über die Jahrhunderte in Polen lebendig und wurde Stoff für zahlreiche Gedichte, Romane, Schauspiele und Gemälde, das größte und bekannteste ist das Monumentalgemälde im Paulinerkloster von Tschenstochau.
Westorientierung - Die Piastendynastie (960–1370)
Von der Legende ganz abgesehen, wurde tatsächlich mit Mieszko I.ein Piastenherrscher zum ersten historisch belegbaren Herrscher und Begründer Polens. Im Bereich der Legende bleibt die Behauptung, dass Mieszko Urenkel Piasts war. Mieszko I. wurde 963 als Herrscher erstmals erwähnt und regierte 960-992. Sein Reich umfasste bereits das ganze heutige Zentralpolen, denn er hatte erstmals die Slawenstämme geeint. Sein Territorium grenzte im Westen an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Dieser Nachbar war mit beachtlicher Macht des Handels, des Schwertes und Kreuzes ausgestattet. Die Stärke dieser Nachbarn hatte Mieszko I. bereits bei seiner Niederlage an der Oder gegen Kaiser Otto I. im Jahr 963 schmerzlich zu spüren bekommen und war dem deutschen Kaiser seit dem tributpflichtig. Trotz dieser kriegerischen Auseinandersetzung unterhielt Mieszko I. vielfältige Kontakte zu seinen deutschen Nachbarn, von denen er beeindruckt war. Ob es nun eher deren christlicher Glaube war, der ihn anzog, oder die weltliche Macht des Kaiserreichs: Politisch war es nicht unklug, um Aufnahme Polens in die christliche Völkergemeinschaft zu bitten. Mit der Taufe und dem damit verbundenen päpstlichen Schutz nämlich verlor das mächtige Reich immerhin die Möglichkeit, Polen unter dem Vorwand der Christianisierung gewaltsam zu annektieren. Obendrein hatte Mieszko I. als christlicher Herrscher selbst die Möglichkeit ungehemmt nach Osten zu missionieren und zu expandieren.
Bild 90798 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.Karte Polens unter der Herrschaft von Mieszko I. (960 - 992)
Foto: Poznaniak, GFDL,CC-BY-SA-2.5,2.0,1.0
Also verhielt sich Mieszko klug und heiratete die böhmische Prinzessin Dobrava. Dazu nahm er am Ostersonntag 966 den christlichen Glauben durch die Taufe an, und mit ihm wurde ganz Polen christlich. Er schlug zwei Fliegen mit einer Klappe durch diese Ehe, denn ganz nebenbei hatte er mit dieser Heirat auch noch die Südgrenze Polens gesichert. Dem polnischen Geschichtsverständnis gilt dieser Ostersonntag 966 als eines der wichtigsten Daten der eigenen Geschichte. Dieser Tag nämlich markiert für die Polen den Eintritt ihres Landes in die europäische Geschichte und ist gleichzeitig der Beginn der katholischen Tradition im Land. So waren in Polen von Anfang an Kirche und Staat eng miteinander verbunden.
Der Beginn der bis heute über tausend Jahre währenden deutsch-polnischen Geschichte begann positiv mit einer Epoche des Vertrauens und gegenseitigen Respekts, die besiegelt wurde, als Mieszko 974 in zweiter Ehe Oda, die Tochter des sächsischen Markgrafen heiratete. Mieszko I. avancierte damit vom Vasallen zum hoch geschätzten Lehnsmann des Reiches und nahm fortan sogar an den kaiserlichen Reichstagen teil. Es folgten Jahrzehnte der Ruhe an der Grenze Polens zum Deutschen Reich. Mieszkos kluges Handeln brachte Vorteile für Polen, denn der deutsche Kaiser ließ Miesko seines polnischen Herrschaftsgebiets im Osten gewähren und Schlesien sowie den Weichselraum um Krakau annektieren. Auf diese Gebiete hatte Mieszko schon lange ein Auge geworfen, denn dort lagen die wichtigen Handelsrouten, die Polens Staatsschatullen künftig füllen sollten. Mieszko I. gelang es dazu, Polen im Jahr 990 dem Heiligen Stuhl zu unterstellen. Als Miesko I. 992 starb erschien das Feld bestellt zu sein für seinen Sohn Boleslaw I. Chrobry (Boleslaw der Tapfere, 992-1025).
Auch Boleslaw zeigte sich rasch als geschickter Staatenlenker. Sogleich führte er den „Christianisierungsfeldzug" mit den handfesten wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Motiven im Osten weiter. Im Westen hielt er sich das Deutsche Reich gewogen. Das deutsch-polnische Verhältnis konnte nun als als freundschaftliche Allianz beschrieben werden.
Energisch betrieb Boleslaw nun die Missionierung der heidnischen Nachbarn voran. Geistlicher Beistand konnte dabei nur hilfreich sein und so sollte der Prager Bischof Adalbert (Wojciech) die östlich der Weichsel lebenden Prussen bekehren. Die jedoch waren partout nicht gewillt den christlichen Glauben anzunehmen und sich zu unterwerfen. Sie erwiesen sich als äußerst widerspenstig und erschlugen zudem den Missionar Bischof Adalbert im Jahr 997. Boleslaw ließ Bischof Alberts Leichnam in Gold aufwiegen und kaufte ihn den Prussen ab. Es gelang ihm auch Papst Sylvester II. dazu zu bewegen, den in Gniezno (Gnesen) beigesetzten Adalbert nur zwei Jahre nach dessen Tod schon im Jahr 999 als Märtyrer heiligzusprechen. Der deutsche Kaiser Otto III. Im Jahr darauf machte eine Pilgerfahrt zu den Gebeinen des Bischofs nach Gnesen.
Bild 90799 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.Polen unter Boleslaw Chrobry (992-1025)
Gustav Droysen, gemeinfrei, CC-PD-Mark, PD Old
Dort in Gnesen empfing Boleslaw den Lohn für seine unbedingte Loyalität dem Reich gegenüber. Im „Akt von Gnesen befreite Kaiser Otto III. im Jahre 1000 den polnischen Herrscher von allen Tributpflichten, erhob ihn zum Souverän und kürte ihn zum „Bruder und Mitstreiter im Reich
. Bei diesem Gnesener Treffen des Jahres 1000 wurden auch die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Kaiserreich und den Piasten erneuert. Boleslaws Sohn, der spätere polnische Herrscher Mieszko II. heiratete eine Nichte Ottos.
Wichtiger aber war, dass Boleslaw nun selbst Bischöfe ernennen durfte und eine eigenständige polnische Kirche entstehen konnte. Daher ist dieses Datum bis heute für das Kirchenleben Polens bedeutend. Schon im Jahr darauf wurde das Erzbistum Gnesen gegründet, das noch immer eine zentrale Bedeutung für Polens Kirche hat. Bis heute residiert dort der Primas von Polen, der zugleich Erzbischof von Warschau ist.
Doch die Zeit der freundschaftlichen Beziehungen währte nicht mehr lange. Seit dem Tod Kaiser Ottos III. im Januar 1002 wehte ein anderer Wind. Im Juli 1002 trafen sich beide Herrscher in Merseburg, wo Boleslaw , obwohl als Gast unter dem Schutz des Gastgebers stehend, einem Attentat