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Genlabor - Eine Reise durch Sex, Drogen und Exkommunismus: Soliloquium
Genlabor - Eine Reise durch Sex, Drogen und Exkommunismus: Soliloquium
Genlabor - Eine Reise durch Sex, Drogen und Exkommunismus: Soliloquium
Ebook101 pages1 hour

Genlabor - Eine Reise durch Sex, Drogen und Exkommunismus: Soliloquium

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Während seiner einsamen Schicht im australischen Genlabor erzählt der Wissenschaftler, während er wie nebenbei seine Versuche durchzieht.
Er nimmt den Leser mit auf eine irrwitzige Reise durch die Gegenwart und lässt dabei nichts aus.
Der Ablauf der Experimente gleicht den Arbeitsschritten in einem Kochbuch. Das Labor bleibt Zuhörer und Handlungsort und steht als Handlungsanweisung im Gegensatz zum mitreißenden Redefluss des Wissenschaftlers. Er redet, erzählt, interpretiert und vergleicht gerade so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Er springt hin und her, fabriziert ein herrliches Gedankenchaos, kommt wieder zum Punkt und fängt von vorne an. Es geht um Wissenschaft, Reiseerlebnisse, Auslandsaufenthalte, Hedonismus, Extremsport, Abenteuer, Politik, Wende-Deutschland, Krankheit, global surfing.
Dieser Roman – ein Soliloquium – schüttelt jeden Zwang ab. Die Struktur ist atemberaubend. Die eigentliche Handlung wird durch Kursivschrift zwischen die vielen Redesätze des Erzählers geworfen. Es wirkt - einem zerstreuten Wissenschaftler entsprechend - chaotisch, ist es aber ganz und gar nicht.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateApr 24, 2014
ISBN9783847641667
Genlabor - Eine Reise durch Sex, Drogen und Exkommunismus: Soliloquium

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    Genlabor - Eine Reise durch Sex, Drogen und Exkommunismus - Marcus Schütz

    Genlabor

    Molekularbiologisches Labor in Sydney: Gläserner Brutschrank mit Agarplatten, Zentrifugen, Glasgeräte, Gelelektrophorese, Chemikalienflaschen, Computer. Junger Wissenschaftler aus Deutschland (Ost) tritt herein und wendet sich Publikum zu.

    Seh'n Sie, so sieht ein modernes Labor aus. Ganz gleich wo Sie auch hinkommen: In den Keller des Berliner Naturkundemuseums, in das Life Science Building der Universität von Kalifornien zu Berkeley, in eine kleine Baracke auf Hawaii's Coconut Island oder hier in ein Forschungskrankenhaus in Sydney. Seh'n Sie alles frisch eingerichtet mit einem gigantischen Grant vom NIH, alles ganz neu - keine Geräte aus den 50ern, nee selbst die Eppendorf-Zentrifuge im Porsche-Design. Knallblau - ein Farbtupfer zwischen weißer Hygiene.

    Lacht hämisch. Wirft weißen Kittel über, zieht Gummihandschuhe an. Wendet sich dem Brutschrank zu, der mit diversen Petrischalenkulturen gefüllt ist. Sucht bestimmte Petrischale heraus.

    Hygiene. Nee. Alles hochgefährlich. Der Brutschrank hat 37°C - Körpertemperatur, da wachsen die am besten. Hier, schau'n Sie mal, gerade zwei Tage alt und schon tropft der karamellartige Schleim vom Deckel, der mit Nährboden beschichtet ist. Sollt'n Sie lieber nicht zum Nachtisch essen, ist Cryptococcus neoformans. Ein hefeartiger Pilz, Isolat aus Taubenscheiße. Wart'n Sie, was steht da drauf? NT27. Ja, na klar, 27ste Taubenkotprobe von der Bahnstation in Newtown. Ha, Newtown! Zweitgrößtes Schwulenzentrum von Sydney, viele Positive - eine opportunistische Infektion mit Cryptococcus ist dann oft das Ende. Eben, schau'n Sie hier diese Kultur: McBride-CSF, Isolat aus dem Hirnwasser von Mister McBride - ein verstorbener AIDS-Patient aus unserem Krankenhaus. Cryptococcus macht die alle verrückt - Gehirnhautentzündung und nach ein paar Monaten mausetot. Naja, wir forschen ja dran. Wie wir das machen?

    Doctor Faust, der Wissenschaftler schlechthin, grübelt und befindet: Im Anfang war die Tat? Aber nein, am Anfang war die Idee, lieber Faust. Die Idee ist doch der springende Punkt. Die Hypothese braucht man dann nur zweimal prüfen und dann gibt's ein feines Paper - einen Artikel in irgendeiner hoffentlich anerkannten wissenschaftlichen Zeitschrift. Am besten in Nature oder Science, aber die sind auch korrupt, da muss man die richtigen Beziehungen haben. So alleine vor sich hin forschen, gibt's nicht mehr. Faust hat seine Seele verkloppt und brutzelt im Fegefeuer. Ein Faust hat heute keine Chance mehr (höchstens er hätt' Geld, unerschöpfliche Finanzmittel, die ihm totale Unabhängigkeit verschafften). Nee, nee - Teamarbeit mit immerwährendem Lächeln im Gesicht und Fleischmarkt mit Schlips und Kragen sind angesagt, je konservativer desto besser. Und wofür das ganze Theater? Für das größte, das Höchsterreichbare: Das eigene Labor, mit Porsche-Design wie gesagt. Arbeiten soll ja auch Spaß machen. Immerhin sitzt man dann hier den ganzen Tag, bis abends um acht oder zehn. Oder am Wochenende mal ein Gerät anstellen und nach sechs oder zehn Stunden ausschalten. Alles sehr zeitaufwendig. Da ist man festgenagelt. Da kann er nur froh sein, der moderne Wissenschaftler, wenn er seine Ketten verliert - sich aus dem Labor in die freie Wirtschaft katapultiert.

    Ich kenne viele Kollegen, die sich ein paar Jahre absetzen und ein bisschen Knete machen. Frei muss er sein, der Wissenschaftler, am Ball sein: surfing the globe, und alles mitmachen: Tierversuche besser im Hochsicherheitstrakt, AIDS-Forschung besser an Schwarzen in Uganda, Atombomben besser im Südpazifik platzen lassen, Dreck (und sei es unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaft) besser hinter die Landesgrenze schleppen: Aus den Augen aus dem Sinn, besser noch, auf den Ozeanboden fallen lassen; nun, da stört's vermutlich wirklich am wenigsten. Denk'n Sie doch an die Entsorgung der Ölplattform im Nordatlantik, was für ein Theater das war, dabei wäre die billigste Variante, das Versenken auf den Meeresboden, vermutlich wirklich die umweltfreundlichste gewesen. Aber Politikum, Propaganda, dagegen ist auch die Wissenschaft nicht gefeit. Selbst Green Peace ist nicht immer richtig informiert.

    Prustet in sich hinein.

    Woran ich arbeite? Also, die Idee ist: Eine Infektion kommt dadurch zustande, dass der Krankheitserreger, wenn er in den Wirt eindringt, ein bestimmtes Gen aus seinem Genpool anschaltet, welches dafür verantwortlich ist, die Immunbarriere von Otto oder Gabi zu überwinden.

    Cryptococcus ist ein Einzeller. Taubenkot, wie gesagt, verwittert, vom Winde verweht und schließlich eingeatmet. Eingeatmet die immer noch lebenden Cryptococcus-Zellen - aus der fein zerstäubten Vogelscheiße.

    Wunderbare Inhalations-Orte sind die Piazza San Marco oder Krakóws Rynek Glowny, mit seinen Tuchhallen in der Mitte, eben die Mekka der Renaissance: Florenz, das Haupttor der Mailänder Kathedrale oder Notre-Dame, wo immer Sie woll'n. Da kann man dann nur noch am Veit-Stoß-Altar den wurmstichigen Jesus aus dem 16. Jahrhundert anbeten. Und für Nicht-Katholen gibt's hier in Australien eine Cryptococcus-Variante, die auf Eukalyptus und anderen Bäumen wächst. Naja, was woll'n Sie denn, der weiße Mann lebt ja kaum 200 Jahre hier - nix mit Renaissance nur Convicts, Militär und vielleicht ein bisschen Kolonialadel. Hier hat man nichts von den legendären, zu Tauben verfluchten Höflingen eines mittelalterlichen Herrschers zu Kraków gehört. Auf dem Rynek Glowny lässt sich die dicke Blumenfrau mit slawischem Kopftuch und sieben Unterröcken von einer Taubenschar noch mit Ehrfurcht vom Hocker schubsen.

    Wo war ich stehengeblieben? - Immunbarriere überwinden. In der Regel macht es also nix, wenn wir solche Keime einatmen; unser Atmungsapparat ist zwar für den Gasaustausch prima eingerichtet, andererseits aber total auf Partikel-Abwehr und Filterung eingestellt. Die Luftwege sind mit Filamenten ausgekleidet, die die kleinsten Teilchen wieder nach außen transportieren. Immer nach der Sputum-Devise: Schleimbatzen sammeln und abrotzen.

    Jedoch selbst mit dicker Polysaccharidkapsel umgeben, durchbrechen die Cryptococcus-Zellen diese erste Barriere. In die Alveole eingedrungen, wird nun ein Gen aktiviert, das ein Enzym synthetisiert und seinerseits beispielsweise die Phagozytose eines geschwächten Immunsystems lahmlegt. Phagozytose, frag‘n Sie? Na da kommt so ein Monocyt an, umstülpt den Erreger, verleibt ihn sich ein und verdaut ihn nun in aller Ruhe, oder macht ihn zumindest unschädlich. Seh'n Sie, und so ginge die Arbeitsidee also weiter: Wenn man nun dieses Gen ausschalten könnte, führe selbst eine geschwächte Abwehr noch ihren normalen Gang und eine Infektion wäre verwirkt. Wenn wir hier im Genlabor alles fertig geforscht haben, muss die Pharmazie mit einer Pille her, die genau dieses von uns identifizierte Gen ausschaltete, unwirksam machte.

    Zündet Bunsenbrenner an.

    Sauber arbeiten ist das wichtigste. Die Luft ist voller Keime, Keime haben natürlich eigene Gene - Kontamination mit fremdem genetischem Material ist also ganz einfach. Hier, der Bunsenbrenner macht Thermik, alle leichten Partikel werden mit der aufsteigenden Luft in die Höhe gerissen, manche verbrannt, weg vom Arbeitsplatz. Wenn ich jetzt die Petrischale nahe an der Flamme öffne, kann kein Fremdkeim drauffallen, alles lose Material fliegt in die Luft.

    Mit einer Impfnadel entnimmt er der Petrischale ausreichend Cryptococcus-Kultur und überträgt sie in einen Mörser mit flüssigem Stickstoff. Dampf entsteigt der Schale.

    Das ist flüssiger Stickstoff, friert alles augenblicklich ein. -196°C. Stoppt Enzymaktivität, die z.B. genetisches Material, DNS oder RNS abbaut. Wir wollen ja Gene finden. Erster Schritt: Zellen aufreißen. Tiefgefroren kann man nun den Cryptococcus zermörsern und sein feines Pulver lösen.

    So,

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