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Die Suche: Bericht einer Reise
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Die Suche: Bericht einer Reise

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Nein, es waren keine Könige, und es waren auch nicht bloß drei, die sich da aufmachten aus dem Zweistromland, um ein Königskind zu suchen: Hellenen, Parther, Babylonier, Syrer, Armenier und sogar ein jüdischer Rabbi, sie einte das Wissen um eine denkwürdige dreifache Begegnung zweier Planeten im Sternbild der Fische. Ganz unterschiedlich sind die Erwartungen, die sie damit verbinden, und beschwerlich ist der weite Weg, den sie auf sich nehmen, um ein Kind zu finden, das diese Welt verändern soll. Und dann? Ein Dorf am Wüstenrand, eine Frau am Backtrog, ein Knabe auf einer Strohschütte. Ist das alles? Aber die Frau sagt, lächelnd und ungefragt, nur diesen Satz: Es ist das Kind. Und plötzlich wissen sie sich am Ziel ihrer Reise, am Ende ihrer Suche.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateSep 21, 2016
ISBN9783738085174
Die Suche: Bericht einer Reise

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    Die Suche - Eckhard Lange

    Evangelium nach Matthäus, Kapitel 2

    Da Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande, zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.

    1.

    Nein, ich heiße weder Caspar noch Melchior noch Balthasar. Und mein Name tut auch überhaupt nichts zur Sache. Schließlich bin ich keine Berühmtheit, nicht einmal in der kleinen Stadt, in der ich wohne. Die Leute nennen mich manchmal scherzhaft den Sterngucker, aber tatsächlich bin ich nur der Lehrer an unserer Schule, und nebenbei verrichte ich den Dienst eines Priesters an unserem Tempel. Er ist dem höchsten Gott geweiht, doch damit ist noch nicht viel gesagt. Wir leben zwar im Parther-Reich, doch unsere Stadt ist seit langem griechisch geprägt, wie so viele Städte entlang dem großen Fluß Tigris, seitdem der Mazedonier Alexander auch dieses Gebiet hier unterworfen hatte. Also beten wir zu Zeus, dem Vater der Götter, aber viele einfache Leute rufen immer noch Marduk an, so wie in längst vergangenen Zeiten, als unser Land von Babylon aus regiert wurde.

    Wenn Ihr mich fragt, so sind das nur verschiedene Namen für die eine Gottheit, und persönlich halte ich es eher mit der parsischen Lehre, die den einen großen Schöpfer verehrt, den Freund der Wahrheit und der Gerechtigkeit. Und insgeheim nenne ich seinen heiligen Namen – Ahura Mazda, den Ewigen – wenn ich dem Zeus Opfer bringe; denn dieser griechische Göttervater scheint mir doch allzu menschlich zu sein mit seinen Affären und Liebschaften, seinen Ränken und Intrigen. Nein, der wahre Gott ist einzig, ist groß, ist wahrhaftig und gut, so wie unser Prophet Zoroaster ihn geschildert hat. Da mag das einfache Volk anders denken, weil es zu großen Gedanken nicht fähig ist, wir gelehrten Männer sollten es besser wissen!

    Ich bin also Lehrer und Priester, und ich bemühe mich wirklich, Wissen und Moral weiterzugeben, auch wenn der Same oft auf steinigen Boden fällt. Dennoch schmeichle ich mir, für diese Mühe auch Anerkennung zu erhalten wenigstens bei allen redlichen Bürgern in unserer Stadt. Nun ja, reich werden kann man dabei trotzdem nicht; was die Eltern meinen Schülern mitgeben als Gaben für ihren Lehrmeister, reicht zumeist kaum zum Leben. Bei manchen mag es ja die Armut sein, die sie geizig macht, doch viele wissen es wenig zu schätzen, wenn ich neben dem Schreiben und Rechnen auch tieferes Wissen weitergeben möchte – all die Geheimnisse dieser Welt, verborgen in den Mythen und Legenden, all die wundersamen Erkenntnisse, abzulesen aus dem Lauf der Gestirne.

    Ja, es ist war: Ein Sterngucker bin ich, auch wenn diese Wort nur sehr ungenau beschreibt, was ich am liebsten tue, wenn die Mühen des Tages, die vielen kleinen Enttäuschungen mit meinen Schülern, die oberflächliche Opferschau im Tempel hinter mir liegen und der dunkle Nachthimmel den Blick freigibt auf das wahrhaft Göttliche, den wunderbaren Glanz der Sterne, ihren klaren, seit Ewigkeit festliegenden Verlauf, ihre stete Wiederkehr nach dem Willen des Höchsten, wie er in Ahura Mazda uns entgegentritt. Denn ihm ist jener einzigartige Planet zu eigen, der seine Bahn über den Himmel zieht; erhaben und machtvoll erscheint er mir. Marduk, so nennen wir Gelehrten diesen Planeten nach der Überlieferung aus Babylon, denn in diesem schon so lange untergegangenen Reich stand die Kunst, den Gang der Sterne vorherzusagen und zu bestimmen, in hoher Blüte, wie man in ihnen auch Abbilder der Götter sah.

    Das alles hat mich bereits von klein auf beschäftigt, sehr zum Kummer meines Vaters, der ein erfolgreicher Fernhändler war und gerne gesehen hätte, ich würde ihm darin nachfolgen. Aber ich verweigerte mich diesem unsteten und zugleich gewinnbringenden Leben. Zwar begleitete ich den Vater auf einigen Reisen und lernte so manches kennen, was mir sonst verschlossen geblieben wäre. Einmal überquerten wir nach anstrengenden Wochen sogar den Indus und begegneten vielen fremden Völkern weit im Osten, meist jedoch führte unser Weg auf den alten Karawanenstraßen gen Westen, über den Euphrat nach Syrien und nach Damaskus, dieser quirligen Handelsstadt. Damals war Syrien gerade von den Römern besetzt worden, und so lernte ich deren merkwürdig nüchterne Religion kennen. Auch wenn sie ihre Götter denen der Griechen gleichsetzen, sind sie doch ganz anders, streng und tugendhaft zumeist. So erfuhr ich einmal, daß man den Planeten Marduk dort dem Jupiter beigab, der dem Zeus der Griechen entsprach. Und auch die anderen Namen lernte ich, weil ich schon damals immer Verlangen trug nach Neuem aus der Welt des Göttlichen, und das sind doch die Sterne. Daher weiß ich heute, daß der Planet Kajamanu bei den Römern Saturn genannt wird, und dieser Kajamanu sollte ja später noch eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen. Aber ich will nicht vorgreifen.

    Jedenfalls sah mein Vater nach mancherlei Versuchen endlich ein, daß ich nicht zum Kaufmann tauge, und gab mich bei einem Schulvorsteher in die Lehre, damit ich es wenigstens in den Wissenschaften zu Ansehen und Einfluß bringen sollte. Ich fürchte, auch darin habe ich ihn enttäuscht, denn ich blieb in unserer kleinen Stadt, leite nun die hiesige Schule für die Knaben der Handwerker und Krämer und vollziehe nebenher den Opferkult am Tempel des Zeus, weil die Reste der Opfergaben dem Priester zufallen und mich so ernähren können, wenn das Schulgeld wieder einmal ausbleibt. Ein rechter Priester bin ich dennoch wohl nicht, mir fehlt diese innere Hingabe an einen Gott, den ich selber nur für ein Phantasiegebilde des einfachen Volkes halte. Und Ahura Mazda zu dienen, dazu bedarf es

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