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Aldemakros: Das Ende der Zukunft
Aldemakros: Das Ende der Zukunft
Aldemakros: Das Ende der Zukunft
Ebook386 pages5 hours

Aldemakros: Das Ende der Zukunft

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About this ebook

Nachdem Dr. Lavoisier den Zusammenhang zwischen einem alten babylonischen Keilschrifttext und Albrecht Dürers Darstellung der vier apokalyptischen Reiter erkannt hatte, begriff er, dass die Existenz der Menschheit bedroht ist. Dr. Lavoisier ist überzeugt, dass nicht Jesus Christus und seine Himmelschar zurückkehren werden, sondern Wesen einer anderen Art. Er befürchtet, dass sie die Menschheit vernichten werden. Er muss Paris verlassen, da die mächtige Bruderschaft des reinen Herzens und ihre politischen Helfer ihm nach dem Leben trachten. Gelingt die Flucht, die ihn nach Ägypten führen soll, um ein Jahrtausend altes Geheimnis zu lüften? Was spielen dabei die Pyramiden von Gizeh und die rätselhafte Oase Siwa für eine Rolle?
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateApr 17, 2020
ISBN9783752941760
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    Book preview

    Aldemakros - Dubhé Vaillant

    Kapitel 1: Institut für Altertumsforschung

    Paris, November 2027

    Alice schlief in der Nacht schlecht. Nachdem Lavoisier sich im Kiosk versteckt hatte und ihr ein paar Informationen dank Charles‘ Unterstützung hatte geben können, lastete nun die gesamte Verantwortung des Projekts Sargon auf ihren Schultern.

    »Kann ich das alles?« fragte sie ihr Spiegelbild, während sie aus der Dusche trat.

    »Bin ich die Richtige dafür?« Alice plagten gewisse Selbstzweifel, aber sie wusste, dass es der Wunsch von Lavoisier gewesen wäre, dass sie die Leitung übernehmen würde.

    Sie schaute tief in die Augen ihres Spiegelbilds, als ob sie direkt in ihre eigene Seele blicken könnte.

    »Du schaffst das«, sagte sie zu sich selbst.

      Sie hatte in dieser Nacht allerhand chaotisches Zeugs geträumt, und am frühen Morgen erinnerte sie sich nur noch an vereinzelte Traumfetzen, die auf den ersten Blick zusammenhangslos schienen. Sie versuchte sie zusammenzusetzen, und es ergab sich eine wirre Geschichte. Sie hatte Kontakt mit einem schwebenden Wesen, das sie an die Frau in Amesbury in der Abtei St. Mary and Saint Melor erinnerte. Das Wesen trug ein Schwert mit einem aufgespiessten Herzen vor sich hin und fütterte es danach einem weissen Einhorn. Irgendwie sah sie, wie Lavoisier auf dem Einhorn sass und rief: »Tut es nicht, tut es nicht!« Durch das Verzehren des Herzens blähte sich das Einhorn auf und begann wie ein Luftballon in den Himmel aufzusteigen. Es stieg samt Lavoisier immer höher und verschwand durch eine schwarze Sonne. Dann explodierte die schwarze Sonne und fiel in sich zusammen. Danach war sie mit Herzklopfen erwacht.

      Nachdem Alice eine Tasse Kaffee getrunken hatte, machte sie sich auf den Weg ins Institut. Um neun Uhr würde die Teamsitzung beginnen, und sie wollte sich noch vorbereiten. Sie nahm die Métro und stieg wie gewohnt in der Nähe von Charles‘ Kiosk aus. Es war kurz vor acht Uhr, und sie entschied, noch kurz beim Kiosk vorbeizuschauen. Schaden würde es auf keinen Fall. Sie musste damit rechnen, dass sie überwacht wurde, also würde sie keine Fragen zu Lavoisier stellen. Sie dachte sich ein paar Belanglosigkeiten aus und trat vor die Theke.

    »Bonjour, Madame Bonmot«, begrüsste Charles sie höflich und es hörte sich so an, als ob Alice nicht eine gute Freundin, sondern eine bekannte Geschäftsfrau war.

    »Guten Morgen, Monsieur Charles«, antworte sie.

    Beide wussten, was sie damit meinten. Es galt also äusserst vorsichtig zu sein. Charles nahm ihre Kaffeebestellung entgegen und legte ihr eine am Morgen neu angekommene Zeitschrift hin.

    »Seite 22«, sagte er, indem er seine Hand vor den Mund hielt. »Und nicht anfassen. Bitte beide Seiten anschauen und lesen, sie stammt von Marcel«, murmelte er in leisem Ton.

    Alice nahm die Zeitschrift und wich nach links zur Seite, da neue Kunden ihre Bestellungen aufgeben wollten. Sie blätterte diskret auf Seite 22 und sah eine Ansichtskarte:

    »Schloss Chambord«, dachte sie, »was soll ich damit anfangen?«

    Alice tat so, als ob sie die Seite der Zeitschrift umblättern wollte, aber nur so weit, so dass die Ansichtskarte auf die andere Seite kippte und die Rückseite zum Vorschein kam. Sie las die Anschrift:

    Château de Chambord

    Grossmeister der

    Bruderschaft des reinen Herzens

    Monsieur Alain Berger

    41250 Chambord

      Ihr stockte der Atem. Sollte Lavoisier tatsächlich herausgefunden haben, wer hinter der ganze Sache steckte? Oder war es nur ein verdeckter Hinweis? Alice drehte die Zeitschrift um 90 Grad und begann mit dem Lesen des Textes.

    Sehr geehrter Herr Berger

    Was Sie beabsichtigen, mag aus Ihrer Sicht lobenswert sein, aber ich bitte Sie, tun Sie es nicht. Götter brauchen kein Wurmloch, um zu uns zu kommen. Stoppen Sie die Aktivitäten, denn sonst wird die Menschheit untergehen.

    Hochachtungsvoll Dr. M. Lavoisier

      Alice merkte sich die Anschrift und ebenso lernte sie den exakten Text auswendig. Vielleicht waren darin noch andere Hinweise verborgen. Sie schloss die Zeitschrift und gab sie Charles mit einem kurzen Nicken zurück. Alice konnte nicht wissen, dass in zwei Tagen Alain Berger die Ansichtskarte lesen und ausser sich vor Wut sein würde.

    Alice passierte die Sicherheitskontrollen im Institut, stieg in den Lift und setzte sich mit einem leichten Seufzer auf ihren Bürostuhl. Es war kurz vor halb neun Uhr, und sie musste die Sitzung komplett umorganisieren. Die neuen Informationen durften auf keinen Fall bekannt werden. Sie musste das Team Sargon so führen, dass es von alleine in die richtige Richtung ermittelte.

    Sie dachte an Lavoisier und fragte sich, wo er wohl war, was er gerade tat und ob es ihm gut ging. Alice konnte nicht wissen, dass genau zur selben Zeit Lavoisier sich fragte, ob es ihr gut ginge, was sie tat und ob sie die Karte gelesen hatte.

      Kurz vor neun Uhr betrat sie das Sitzungszimmer. Robert Bruce und Marie de Beauvoir waren schon da. Nach und nach traten alle Projektmitglieder ausser General Gresse ein, und die Sitzung begann pünktlich.

    »Gut«, begann diesmal Alice und für die meisten fühlte sich das gut an, denn ihr Chef Lavoisier pflegte die Sitzungen immer so zu eröffnen. Es hatte etwas Vertrautes an sich, und das gab ihnen eine gewisse Zuversicht.

    »Gehen wir zuerst die Ergebnisse der einzelnen Teilprojekte durch«, begann sie.

    Albert Delacroix und Helen Moody standen beide auf und traten neben die Projektionsleinwand, dabei platzierte Helen über ihr Smartphone verschiedene Bilder und Grafiken.

      »Wir haben erstens versucht herauszufinden, wie wir vorgehen müssten, um ein sich im Aufbau befindendes Wurmloch zu destabilisieren, so dass es nicht geöffnet werden könnte. Es gibt keine Hinweise darauf, ob starke Magnetfelder, künstliche Gammastrahlen oder sonst etwas ermöglichen würden, dies zu verhindern. Und zweitens denken wir, dass ein bereits geöffnetes Wurmloch nur mit Hilfe von riesigen Energiemengen zerstört werden könnte. Wenn aber jemand eines öffnen wollte, dann müsste er selber über enorme, schier unbegrenzte Energie verfügen«, begann Delacroix seine Ausführungen.

    »Meine Freunde bei der NASA meinten, dass ein künstlich erzeugtes Wurmloch durch bestimmte Aufbausequenzen entsteht und durch spezielle Korrektursequenzen stabil gehalten wird. Es ist nicht einfach plötzlich da und bleibt stabil«, erklärte Helen Moody.

    »Wie wenn ein PC gestartet wird?«, fragte John Melling.

    »Ja, das ist ein guter Vergleich. Es bedarf ganz präziser Abläufe. Von einem zu viel, vom anderen zu wenig, und alles bricht in sich zusammen. Dies ist zumindest in der Theorie die Ansicht der Astrophysiker.«

    »Und was heisst das für uns?«, wollte Alice wissen.

    »Das heisst, dass wir nur dann eine Chance haben, wenn wir den Steuerungscode des gesamten Systems kennen. Das wiederum bedeutet, dass wir die Kontrolle über eine entsprechende Anlage haben müssten, von der niemand eine Ahnung hat, ob sie überhaupt existiert, und wenn ja, wo sie zu finden wäre. Aber wir arbeiten weiter daran«, ergänzte Helen Moody.

    »Was die militärische Option angeht, so ist es noch zu früh, Antworten zu liefern. General Gresse ist deswegen in den USA. Wir brauchen noch Zeit«, meinte Delacroix.

    »Gute Nachrichten hören sich anders an«, sagte Alice und bedankte sich bei den beiden, die wieder ihre Plätze am Besprechungstisch einnahmen.

      »Wie sieht es mit der Kommunikation in der Umgebung von Blois aus. Gibt es Auffälligkeiten? Was konntet ihr überprüfen?«

    Steven Smith und James Woods blieben sitzen und informierten das Team.

    »Tatsächlich stellten wir statistische Unregelmässigkeiten von Telefongesprächen aus England, die über den Hauptcomputer in Blois geführt wurden, fest. Leider fand unser Stimmerkennungsprogramm nichts Verwertbares, da die Stimme elektronisch verzerrt wurde. Aber die Zeitabstände, die Dauer und die Art der verzerrten Stimme deuten darauf hin, dass es ein und dieselbe Person war, die auch im Innenministerium angerufen hatte«, erklärte Steven Smith.

    »Wir sind ihnen auf den Fersen«, meinte Marie de Beauvoir.

    Alle nickten und empfanden dabei zum ersten Mal, dass sie Fortschritte erzielten. Delacroix zog eine kleine Mappe hervor und teilte allen eine umfangreiche Liste mit knapp 400 repräsentativen Gebäuden im Umkreis von 50 km von Blois aus.

      »Auf euren Smartphones habt ihr eine von uns vorbereitete Karte zum herunterladen erhalten. Alle Objekte sind bereits eingetragen, auch die Liste findet ihr vor. Wir haben eine erste Prioritätenliste erstellt. Erste Priorität haben dabei die grossen Loireschlösser, grosse herrschaftliche Anwesen und auch restaurierte Burgen«, stellte Steven Smith fest.

    »Danke«, sagte Alice, die bei den grossen Loireschlössern sofort an die Ansichtskarte von Lavoisier mit der Abbildung von Schloss Chambord denken musste.

    »Wie wollt ihr vorgehen?«, fragte sie nun.

    »Wir würden zusätzliche Leute benötigen, die diskret alles über die Schlösser in Erfahrung bringen würden. Tief graben, aber nicht entdeckt werden«, erklärte nun Delacroix.

    »Guter Ansatz, aber lasst noch die beiden anderen Teams zu Worte kommen. Vielleicht ergeben sich Synergien«, sagte Alice.

    »John«, darf ich dich bitten, uns den Stand der Nachforschungen mitzuteilen?«

    »Wir haben Organisationen durchforstet, die irgendetwas mit einem reinen Herzen oder ähnlichem zu tun haben«, begann John Melling.

    »Wir suchten nach Symbolen, Skizzen, Bildern, die Ähnlickeiten mit der Fotografie aufweisen, die Lavoisier uns gezeigt hat.«

    »Wir mussten leider feststellen, dass es keinerlei Hinweise für ein auf einem Einhorn sitzendes Herz und einen Ritter gibt. Einzig die Siegel des Templerordens könnten einen kleinen Hinweis dafür liefern. Die Siegelabbildung zeigt jeweils zwei Ritter auf einem Pferd sitzend. Aber von einem Einhorn oder einem Herzen kann keine Rede sein.«

    »Wir fischen also nach wie vor im Trüben«, hielt Alice fest.

    »Kommen wir zum letzten Teilprojekt«, sagte Alice und nickte Marie de Beauvoir und Robert Bruce zu. Auch sie standen auf.

      »Was das Interesse an der Apokalypse angeht, so gibt es unzählige Organisationen, Sekten und radikale Gruppierungen. Sie hoffen alle, dass mit der Rückkehr des Erlösers und seines Himmlischen Heeres die Ungerechtigkeit auf Erden ein Ende haben werde und die Bösen dieser Welt zur Rechenschaft gezogen würden. Es gibt etwa 1380 Organisationen, die in Frage kommen. Ich vermute sogar, dass es noch mehr sind, da viele sich lieber im Untergrund bewegen. Konkrete Hinweise, dass eine dieser Organisationen in der Lage wäre, ein Wurmloch zu öffnen, haben wir nicht gefunden«, erklärte Marie de Beauvoir und deutete Robert Bruce an, dass er seine Informationen aus dem Umfeld der Verschwörungstheoretiker preisgeben sollte.

    »Danke, Marie«, sagte Alice. »Also Bruce, was hast du Interessantes herausgefunden?«

    »Ich habe mich wieder mit Albert Greenspan in Verbindung gesetzt. Man kann ja von dem Typen halten, was man will. So skurril und zynisch er ist, so verfügt er doch über ein enormes Wissen und ein riesiges Informationsnetzwerk. Insbesondere konnte er mir einiges über die Apokalypse und entsprechende Verschwörungstheorien mitteilen. Er kennt einige Organisationen, die es sehr gerne sehen würden, wenn die Apokalypse tatsächlich stattfände. Jedoch wären es weniger religiöse Gründe, die aus ihrer Sicht dafür sprächen. Aber auf die Apokalypse angesprochen, war Greenspan vor Jahren einer heissen Spur gefolgt. Ein ehemaliger Kleriker in Rom behauptete, dass er den wahren Grund des Rücktritts von Papst Benedikt XVI. im Jahre 2013 kenne und er sich deshalb mit ihm treffen wolle.«

    »Warum hätte er das tun sollen?«, fragte James Woods.

    »Greenspan hatte Informationen von ihm zugespielt bekommen, wonach angeblich eine Gruppe innerhalb der Kirche den Papst davon überzeugen wollte, dass die katholische Kirche sie mit riesigen finanziellen Mitteln unterstützen sollte, denn sie verfügten über ein Wissen, das es ihnen ermöglichen würde, Jesus Christus und seine Himmelsschar, wie in der Apokalypse beschrieben, auf die Erde zurückkommen zu lassen.«

    »Und was hat der Papst dazu gemeint?«, fragte Albert Delacroix.

    »Das wusste Greenspan nicht, denn sein Informant hatte einen Tag später einen Unfall und verstarb noch gleichentags. Zwei Monate später überbrachte ihm ein anonymer Bote eine Arbeitsmappe mit dem Siegel des Vatikans. Es handelte sich um eine gestohlene Akte. Er öffnete sie und begann darin zu lesen. Er benötigte die ganze Nacht, und je länger er las, desto unglaublicher hörte sich die Geschichte an. Angeblich hatte es im Oktober 2012 ein geheimes Treffen des Papstes mit dem Obersten des ersuchenden Ordens gegeben. Es fand in Frankreich statt. Wo genau stand nicht in der Akte. Aber es war irgendwo südlich von Paris.«

    »In Avignon, im alten Papstpalast?«, fragte John Melling.

    »Greenspan hat keine weiteren Hinweise in der Akte gefunden«, antwortete Robert.

    »Was geschah bei diesem Treffen?«, wollte nun Alice wissen.

      »Greenspan wollte zuerst nicht mit der Information herausrücken, denn er befürchtete, dass ich ihn für verrückt halten würde. Aber dann lüftete er das Geheimnis«, sagte Robert und machte eine Pause, um die Spannung ansteigen zu lassen.

    »Mach schon, lass die Katze aus dem Sack, wir sind hier nicht im Kindergarten«, monierte James Woods, und man spürte seine Ungeduld.

    »Ich gebe euch einfach weiter, was Greenspan mir mitgeteilt hat.« Und hier wurde seine Stimme todernst.

    »Benedikt XVI. trat also die geheime Reise an. Der Informant von Greenspan bezeugte, dass er selber dabei gewesen sei. Man traf sich in einem Ort südlich von Paris. Wo das Treffen stattfand, wurde nicht verraten. Die päpstliche Delegation, angeführt vom Pontifex Maximus, bestand aus sechs Personen, seitens der Obersten des Ordens waren ebenfalls sechs Personen zugegen. Die zwölf Personen setzten sich an einen grossen, runden Tisch, als seien sie Ritter der Tafelrunde. Zumindest kam das seinem Informanten so vor. Man tauschte zuerst Informationen aus, die meisten davon waren aber belanglos. Der Oberste des Ordens erklärte nun, dass sie bald in der Lage wären, Jesus Christus und seine Himmlische Heerschar auf die Erde zu holen, dies genauso, wie es in der Offenbarung des Johannes prophezeit werde. Deshalb würde der Orden sehr viel Geld benötigen, worum man den Heiligen Vater dringend bitte, denn zu Ehren und zum Ruhme Gottes müsse alles getan werden. Benedikt XVI. wollte wissen, wozu das Geld benötigt werde, und er erhielt die kurze Antwort, dass es notwendig wäre, eine entsprechende Anlage zu bauen. Benedikt XVI. hielt nichts von einer Anlage, die Jesus Christus zurückbringen würde. ‚Der Herr wird kommen, wenn er es für angebracht halten wird‘, sagte der Papst. ‚Jesus wird keine Hilfe benötigen.‘ Das sah der Oberste des Ordens ganz anders, es kam zu hitzigen Glaubensdiskussionen, und sogar über die Auslegung der Heiligen Schrift wurde förmlich gestritten. Als der Oberste des Ordens erkennen musste, dass der Papst nicht nachgeben würde, bat er ihn um eine Unterredung, denn er wolle ihm im Vertrauen etwas zeigen, das nur für seine Augen bestimmt sei. Benedikt XVI. willigte ein, und beide forderten ihre Gefolgschaft auf, den grossen Thronsaal zu verlassen. Als sie alleine waren, verriegelte der Oberste des Ordens die Türe.«

      »Was geschah dann?«, wollte James Woods wissen.

    »Sei nicht so ungeduldig«, sagte Robert Bruce zu ihm. »Das wissen wir eben nicht so genau. Der Informant beschrieb in seiner Akte, dass man durch die dicke Türe nur leises Gemurmel der beiden Stimmen vernehmen konnte. Inhaltlich verstand man nicht, worüber sie sprachen. Dann aber geschah etwas sehr Merkwürdiges. Plötzlich sahen die Vertreter der beiden Delegationen, wie sich der Raum, in dem sich der Oberste des Ordens und Benedikt XVI. befanden, in gleissend helles Licht hüllte. Es war so hell, dass durch die Türspalten und selbst durch das Schlüsselloch so helles Licht in den Nebenraum schien, dass es alle blendete. Dazu hörten sie eine vibrierende, sehr tiefe Stimme, die weder zum Obersten des Ordens noch zu Benedikt XVI. passte. Die Stimme sprach nur wenig mehr als zwei Minuten. Verstehen konnte man nichts. Danach verschwand das gleissend helle Licht wieder, und die Eichentüre wurde von innen entriegelt.

      Der Oberste des Ordens bat wieder alle in den Thronsaal. Benedikt XVI. sah völlig verstört aus, und es schien, als ob er seiner Sinne beraubt wäre. Allmählich kam wieder Farbe in sein fahles Gesicht und er setzte sich müde aussehend an den grossen Besprechungstisch. Dem Obersten des Ordens schien die Unterhaltung nichts ausgemacht zu haben, denn er sprach nun mit allen Vertretern beider Delegationen mit ruhiger, aber bestimmter Stimme. Er erklärte, dass Seine Heiligkeit Benedikt XVI. und er einem Abkommen zugestimmt hätten, das vorsah, dass für ihr Vorhaben fünf Milliarden US-Dollar durch die katholische Kirche zur Verfügung gestellt würden. Die Vertreter der päpstlichen Delegation sahen Benedikt XVI. ungläubig an, aber dieser nickte bestätigend. Der Oberste des Ordens hatte bereits eine schriftliche Vereinbarung vorbereitet, die nur noch der Unterschrift des Heiligen Vaters bedurfte. Er legte die Vereinbarung zwischen dem Orden und dem Vatikan auf den Tisch und bat Benedikt XVI., als erster zu unterschreiben, was dieser ohne zu zögern auch tat. Ebenso wurde das päpstliche Siegel angebracht. Anschliessend unterzeichnete auch der Oberste des Ordens, und auch das Siegel des Ordens zierte die Vereinbarung. Somit war der Handel rechtsgültig. Die Vereinbarung unterlag zudem höchster Geheimhaltung. Die beiden Delegationen verabschiedeten sich, und Benedikt XVI. fuhr sofort in den Vatikan zurück, wo er für die nächsten drei Tage das Bett hütete. In den kommenden Wochen sah man Benedikt XVI. in einem leicht verwirrten Zustand, aber er konnte nach und nach seine Arbeit wieder aufnehmen. Übermüdung sei der offizielle Grund gewesen, erklärte der Vatikan damals. Dennoch trat dann Benedikt XVI. ein paar Monate später als Papst zurück«, beendete Robert Bruce seine Zusammenfassung.

      »Was meinte Greenspan, was Benedikt XVI. gesehen hatte? Mit wem hatte er es zu tun, und warum trat er als Papst zurück?«, wollte Alice wissen.

    »Der Informant hatte nicht mehr die Möglichkeit, es ihm zu sagen. Der Unfall kam zuvor«, antwortete Bruce. »Aber Greenspan war der Meinung, dass es etwas sehr Ungewöhnliches gewesen sein musste, was Benedikt XVI. so aus der Fassung gebracht hatte, etwas, was die Grundfesten seines Glaubens erschütterte. Deshalb musste er aus persönlichen Gründen zurücktreten. Er konnte gar nicht mehr anders.«

      »Was denkt ihr?«, fragte Alice Robert und Marie. »Zu welchem Schluss seid ihr gekommen?«

    Robert Bruce nickte Marie de Beauvoir zu, damit sie ihre Schlussfolgerungen dem Team mitteilen konnte.

    »Was könnte also Benedikt XVI. gesehen haben, oder besser gesagt, wen hat er gesehen?«, begann Marie. »Ausgehend davon, dass die Lichterscheinung nicht irgendeine technische Spielerei war, sind wir zum Schluss gekommen, dass Benedikt XVI. ein Wesen einer anderen Art gesehen hatte. Das ist die logischste Erklärung. Benedikt XVI. würde nie wegen eines menschlichen Wesens derart die Fassung verlieren.«

      »Nehmen wir an, ihr habt Recht, was für ein Wesen der anderen Art könnte das gewesen sein?«, fragte nun Helen Moody, die sich als Astrophysikerin schon lange mit der Frage nach ausserirdischer Intelligenz auseinandersetzte.

    »Wir haben keine Ahnung, auf jeden Fall muss das Wesen sehr überzeugend gewesen sein, denn Benedikt XVI. unterzeichnete kurz darauf die geheime Vereinbarung, obwohl er vorher in keiner Weise mit der Argumentation des Obersten des Ordens einverstanden war, ja geradezu mit ihm gestritten hatte.

    »Vielleicht hat es ihn hypnotisiert?«, fragte James Woods.

    »Das hatten wir auch schon in Betracht gezogen. Aber dagegen spricht der Rücktritt von Benedikt XVI.: So lange wirkt keine Hypnose.«

    »Er hatte etwas gesehen oder eine Information erhalten, die zu seinem Rücktritt aus Glaubensgründen führte und ihn zugleich davon überzeugte, dass die Anlage gebaut werden musste«, schlug Alice vor.

      »Der Oberste des Ordens erklärte, dass man eine Anlage bauen müsse, damit Jesus und seine Himmelsschar zurückkommen könne«, mischte sich nun Albert Delacroix in die Diskussion ein. »Der Papst war aber der Ansicht, dass Jesus als göttliches Wesen keine Anlage brauche. Könnte es nicht sein, dass das Wesen Benedikt XVI. davon überzeugte, dass Jesus ohne diese Anlage nicht zurückkommen könnte? Wenn dem so wäre, würde das auch seinen Rücktritt erklären, denn dann wären Jesus und seine Himmelsschar nicht göttlichen Ursprungs, denn Götter brauchen definitiv keine Anlage, um so etwas zu tun. Natürlich nur, wenn man an Götter glaubt.«

    »Zu dem Schluss sind wir eben auch gekommen«, erklärte nun Marie de Beauvoir. »Vielleicht sind Teufel am Werk, die eine Rückkehr des Herrn verhindern, so dass es eben einer Anlage als Unterstützung bedarf. Die Macht Luzifers ist riesengross«, meinte Marie.

    Delacroix schüttelte leicht den Kopf, denn er glaubte nicht an Teufel und Götter, aber er sagte nichts, denn es schien, dass keine andere Erklärung in Frage kam.

      »Gut«, sagte Alice und erklärte, dass alle an ihren Aufgaben weiterarbeiten sollten. Insbesondere gelte es, ein Schloss im Süden von Paris ausfindig zu machen, das für ein päpstliches Treffen in Frage käme und in dem es womöglich Hinweise auf Herzen, Einhörner und Ritter mit einer weissen Lilie im Schildwappen gebe. »Beginnt mit den Loireschlössern!«

    Alice wusste nun, dass Lavoisier mit Schloss Chambord wohl Recht hatte, verschwieg dies jedoch tunlichst.

    Niemand vom Team ahnte nur im Entferntesten, wie nahe an der Wahrheit ihre Ergebnisse lagen. Nach der Sitzung rief Alice den Innenminister an und gab ihm die Ergebnisse der Abklärungen bekannt. Detailliert schilderte sie Greenspans Aussagen und erklärte ihre Schlussfolgerungen.

    »Was soll das heissen, ein Wesen der anderen Art?«, wollte Robin wissen und sein Tonfall verriet echtes Interesse.

    »Ein Wesen nicht von dieser Welt überzeugte den damaligen Papst Benedikt XVI., so dass die katholische Kirche den Bau der Anlage finanziell unterstützte.«

    »Und das soll ich glauben? Was soll das denn sein? Ein Alien oder ein Engel vielleicht?«

    »Oder ein Teufel?«, rutschte es Alice heraus. Sie korrigierte sich und erklärte, dass sie es nicht wüssten, dass aber alles auf ein Wesen nicht von dieser Welt hinweise.

    »Ich kann Ihre Schlussfolgerungen verstehen. Sie scheinen mir logisch zu sein. Was sind die nächsten Schritte?«

    »Ich habe das Team angewiesen, alle grossen und repräsentativen Objekte südlich von Paris auf Hinweise auf die Symbole zu untersuchen. Sie werden mit den Loireschlössern beginnen«, sagte Alice.

      Hätte Alice nicht nur telefoniert, sondern wäre dem Innenminister gegenüber gestanden, dann hätte sie ein kleines Zucken in seinem Gesicht gesehen, als sie die Loireschlösser erwähnte. So aber blieb es ihr verborgen.

    »Gute Arbeit, Madame Bonmot. Bleiben Sie an der Sache dran!«, sagte Robin und legte auf.

    Etwas schien Robin zu beunruhigen, und in seinem Gesichtsausdruck hätte man Nachdenklichkeit und Verunsicherung lesen können.

    »Und wenn es kein Engel, sondern ein Teufel war?«

    Kapitel 2: Das Gottesschloss

    Schweiz, Ende November 2027

    Nachdem Nabil Paris über die A6 verlassen hatte und kurz vor Mâcon auf die A40 Richtung Genf ostwärts abgezweigt war, gönnte er sich auf einer grösseren Raststätte eine Pause. Er bestellte in einem kleinen Restaurant einen doppelten Espresso und ass ein kleines Schinkensandwich dazu. Er nahm sein nicht registriertes Smartphone hervor und buchte telefonisch im Voraus ein Zimmer für eine Nacht im Four Seasons Hotel des Bergues, einer der besseren Adressen am Quai des Bergues in Genf. Das elegante Hotel, vom renommierten Innenarchitekten Pierre-Yves Rochon entworfen, lag direkt an den Ufern des Genfersees. Lange verweilte er nicht auf der Raststätte, denn er wollte Frankreich so rasch wie möglich verlassen. So fuhr er die restliche Strecke nur unterbrochen durch die üblichen Zahlstellen, die ihn eigentlich jedes Mal ärgerten, obwohl er deren Notwenigkeit erkannte. Nabil erreichte gegen Abend die Schweizer Grenze. Er passierte auf der Autobahn den Grenzposten bei Genf und fuhr direkt zum Hotel. Die in luxuriösem Stil gestalteten Zimmer, alle mit hohen Decken und klassischem französischem Mobiliar, gefielen Nabil. Sein Zimmer verfügte über alle Annehmlichkeiten; der Ausblick auf den Genfersee wäre äusserst beeindruckend gewesen, wenn nicht die Nacht schon hereingebrochen wäre. Natürlich hatte Nabil unter einem anderen Namen eingecheckt und das Zimmer schon bei seiner Ankunft bar bezahlt. Die Mitarbeiterin an der Rezeption schien das nicht weiter zu interessieren, schliesslich war das Hotel für seine Diskretion bekannt, wie die meisten Hotels in Genf in dieser Preisklasse. Er gönnte sich ein heisses Bad und bestellte sich danach ein grosszügig bemessenes Nachtessen auf sein Zimmer.

      Das Rindsfilet und die Bratkartoffeln waren ganz nach seinem Geschmack, und der Duft der Rosmarinsauce lag immer noch in der Luft, als er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er genoss den puren Luxus um sich herum, denn er wusste, dass es nur für kurze Zeit sein würde. Bald würden der Staub und der Sand der Sahara seine Begleiter sein. Nabil schenkte sich Tee nach, nahm das kleine Schreiben von Lavoisier hervor und tippte die aufgeschriebene Telefonnummer in sein Smartphone ein.

      Auch las er die vorgegebene Begrüssungsformel. Es klingelte eine Weile, bis dann jemand den Anruf entgegennahm.

    »Sanders, hier«, hörte er eine angenehm klingende Stimme sagen.

    »Mein Name ist Nabil ibn Saada und ich bin ein guter Freund von Marcel Lavoisier. Er bittet Sie, Tycho Brahe herzlich von ihm grüssen zu lassen.«

    »Das werde ich natürlich gerne tun. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte Sanders und man merkte seiner Stimme an, dass er es ernst meinte. Tycho Brahe konnte er natürlich nicht wirklich grüssen, denn damit war eine in seinem Garten stehende Skulptur des bekannten dänischen Adligen gemeint, der einer der bedeutendsten Astronomen des 16. Jahrhunderts gewesen war. Aber der Hinweis auf Tycho Brahe war ein Code von Lavoisier, der ihm beweisen sollte, dass Nabil absolut vertrauenswürdig war. Sie hatten diesen Code gemeinsam vereinbart, als auch Sanders und er noch in Syrien waren.

      »Ich arbeite an einem Forschungsprojekt, und Marcel, also Dr. Lavoisier bat mich, Ihnen unser Anliegen zu unterbreiten. Ich würde Sie deshalb gerne treffen. Er meinte, wenn es jemanden gebe, der unser Problem lösen könnte, dann wären Sie es«, erklärte Nabil die Sachlage und ergänzte: »Wir stehen unter erheblichem Zeitdruck.«

    »Wann könnten Sie zu mir kommen?«, fragte Sanders.

    Wenn Sie es nicht als Anmassung empfinden, so würde ich Sie gerne schon morgen Nachmittag besuchen.«

    »Sie wollen ja sicher noch etwas essen, sagen wir 12:00 Uhr? Meine Gemahlin wird uns ein ausgezeichnetes Arbeitsessen zubereiten.«

    »Sehr gerne, ich fühle mich geehrt«, antwortete Nabil, und sie verabschiedeten sich voneinander.

      Nun wollte Nabil wissen, wer Tycho Brahe eigentlich wirklich war. Dass er zusammen mit Johannes Kepler wohl der bedeutendste Astronom des 16. Jahrhunderts war, wusste er schon, aber viel mehr war ihm nicht bekannt. Er durchstöberte das Internet und fand zusätzliche Informationen über Tycho Brahe. So würde er sich morgen allenfalls nicht blamieren, dachte er. Er fand heraus, dass mit »Tycho« ein Mondkrater und mit »Tycho Brahe« ein Marskrater bezeichnet wurden. Ebenso

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