NANI und ihr Weg zurück ins Leben: wenn die Macht der Liebe heilt
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Und doch ist es die Liebe, die ihr den Weg weist. Zunächst die Liebe zu ihren Söhnen, für die sie alles tun will. Denen sie das sein will und zu geben versucht, was sie selbst nie hatte - ein liebevolles Zuhause. Irgendwann begegnet ihr dann Malea, mit der sie sich in wahrer Liebe verbunden fühlt.
Als sie begreift, dass sie nur dann eine Chance hat, wenn sie an sich arbeitet, nimmt sie den langen Weg der seelischen Heilung auf sich, weil sie will, dass es aufhört. Und obwohl es lange nicht danach aussieht, schafft sie es, alles schreckliche der Vergangenheit hinter sich zu lassen und am Ende als glückliche Frau dazustehen.
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NANI und ihr Weg zurück ins Leben - Jasmina Marks
Gewidmet
Für alle, die ich liebe
Für alle, die mich lieben
und ganz besonders:
Für alle diejenigen unter Euch,
die nicht mehr glauben können
an sich selbst
und an die Kraft, die in ihnen steckt.
In der Hoffnung,
dass Ihr es wieder können werdet…
Jasmina Marks
Kapitel 1
Es war ein eisiger Wind, der Nani vom Meer entgegen wehte. Sie hielt ihren Umhang dicht um sich gewickelt und pfiff nach ihren Hunden. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie die beiden spielenden Tiere auf sich zu eilen sahen. Zu dieser Jahreszeit war es still am Strand und gerade bei solchem Wetter liebte sie es, über den knirschenden Sand zu laufen, in völliger Ruhe mit sich und dem Meer. Ben und Momo hatten sie erreicht und sprangen neben ihr her. Die Dunkelheit würde bald hereinbrechen und sie wusste, dass sie glücklich war.
Das war nicht immer so gewesen. Aber das brachte das Leben wohl mit sich, dass es seinen eigenen Regeln folgte. Wie lange hatte sie sich hilflos ausgeliefert fühlen müssen, bevor es ihr endlich gelungen war, die Fesseln der Vergangenheit abzustreifen.
Aber was spielte es für eine Rolle wie lange sie dafür gebraucht hatte? Was einzig zählte, war der Umstand, dass sie es überhaupt hatte bewältigen können! Nani war nicht mehr die Jüngste, auch wenn sich ihr Leben noch nicht dem Ende nähern würde. So hoffte sie zumindest. Dennoch erinnerte sie sich daran, wie oft sie sich schon im Kopf wie eine Greisin gefühlt hatte, obwohl sie doch noch jung gewesen war – damals …
Sie erreichte leise vor sich hin lächelnd die Dünen und verharrte noch einen Moment auf das Meer hinausschauend. Die unendliche Weite war es, die sie immer schon beeindruckt hatte. Die irgendwo in der Ferne mit dem Horizont verschwamm, überging in die Unendlichkeit des Firmaments, zumindest bei gutem Wetter. Aber heute war nicht so ein Tag, an dem sie in Gedanken versunken stundenlang am Strand sitzen würde, völlig der Zeit entrückt. Der Wind war stärker geworden und sie eilte den Pfad zwischen den Sandbergen entlang zur Straße hin, die sie überquerte und nur kurz danach in einen schmalen Feldweg einbog. Nach nur wenigen 100 Metern erreichte sie ihr kleines Haus, das umgeben von großen Bäumen einsam dastand. Ihr kleines Nest, das sie mit Malea teilte, abgeschieden von der Welt und doch waren es nur wenige Meter bis zum nächsten Ort. Es war genau das, wovon sie immer geträumt hatte, in unmittelbarer Nähe zum geliebten Meer.
Kaum, dass sie eingetreten war, begann es auch schon zu regnen. Nach nur wenigen Minuten brannte das Holz im Kamin und gab dem Raum eine gemütliche Wärme. Auch das war so, wie sie es sich lange gewünscht hatte: Dazusitzen auf einem Sofa direkt vor dem offenen Feuer, zu ihren Füßen die beiden großen Hunde und einfach zu genießen, dass es ihr gut ging. Sie die Dinge in ihrem Leben geschafft hatte, die ihr wichtig erschienen waren.
In diesem Moment klingelte das Telefon und Nani wusste sofort, dass es einer ihrer Söhne sein musste.
„Hallo?"
„Hallo Mama", erwiderte eine ihr vertraute Stimme.
„Julius, wie geht es dir?" Sie freute sich immer, wenn ihre Jungs an sie dachten.
„Gut und bei dir auch alles in Ordnung?"
„Ja."
„Mama, wir wollen dich besuchen am Wochenende. Manuel kommt auch, ist das okay?"
„Wie? Ihr alle beide? Oh, wie schön. Wann kommt ihr denn?"
„Ich habe mir Freitagnachmittag freigenommen. Wir werden gegen Abend da sein und Manuel kommt wohl etwas früher als ich."
„Hat er auch frei?"
„Nee, er fährt schneller als ich."
Unwillkürlich musste sie schmunzeln, der jüngere ihrer beiden Söhne war schon immer etwas rasanter und agiler gewesen als sein großer Bruder.
„Hat das einen bestimmten Grund, dass ihr beide kommen wollt?"
„Wirst schon sehen, Mama. Also, bis dann, okay?"
„Ja, tschüss!"
Was es da wohl geben mochte, dass sie beide spontan kamen? Trotzdem freute sie sich sehr darauf. Wenn sie daran dachte, wie schwer es manches Mal gewesen war, die beiden alleine groß zu ziehen. Wie oft sind ihr Menschen begegnet, die das nicht begreifen konnten. Irgendwie galt es in dieser Gesellschaft als unschicklich, zumindest in ländlicheren Gebieten, als Mutter allein zu leben und noch nicht einmal sonderlich unglücklich darüber zu sein. Wobei die Leute ja dachten, es muss ihr schlecht gehen und sie tue nur so, als ginge es ihr gut.
Kerstin fiel ihr ein, die selbst lange mit ihrem Sohn allein gelebt hatte. Weil die Jungs in einem Alter waren und nachmittags zusammen spielten, ergab es sich, dass sie hin und wieder noch geblieben war, um einen Kaffe mit ihr zu trinken. Allerdings bis zu einem bestimmten Nachmittag, danach hatte Nani keine Lust mehr darauf!
Es war eigentlich ein schöner Tag, die Sonne schien und von draußen erklang das Lachen der spielenden Kinder. Drinnen hingegen herrschte trübe Stimmung. Kerstin war unglücklich und klagte Nani ihr Leid.
„Das ist so anstrengend mit Martin!" sagte sie.
„Was denn?"
„Naja, immer wenn Christian irgendwo seine Sachen liegen lässt, regt Martin sich total auf."
„Und was ist daran jetzt so schlimm?"
„Tina kann liegen lassen, was sie will, das stört ihn nicht. Aber Christian ist ihm nur im Weg, glaube ich manchmal."
„Ist ja auch nicht sein Sohn."
„Ja, das ist echt blöd. Wir können nirgendwo zusammen hingegen, das gibt nur Krach. Entweder muss Christian zuhause bleiben oder Martin, das nervt voll!"
„Das ist mir auch schon aufgefallen. Aber ich würde doch nicht mit einem Mann zusammenleben, der mein Kind nicht akzeptiert." Nani verstand das nicht, weshalb Kerstin das hinnahm, obwohl es sie ärgerte.
„Was soll ich denn machen? Schon wieder trennen? Und dann sitze ich da mit zwei Kindern allein, oder wie?"
„Ja, warum nicht? Tu ich doch auch!"
„Genau! Und wie es dir geht, sieht man ja. Ständig Geldsorgen, alle Entscheidungen muss man alle treffen. Nein, so wie du will ich bestimmt nicht enden!"
Das hatte gesessen! Vor Schreck hatte sie gar nicht antworten können. Auch wenn Nani im Nachhinein nur den Kopf schütteln konnte, erwidert hatte sie darauf nichts. Heute wäre das anders, aber damals fehlten ihr die Worte. Sie schluckte nur und verfiel dem bereits vertrauten Gefühl, dass etwas an ihr abstoßend war. Und doch vertrat sie ihre Meinung. Bevor sie es zulassen würde, dass ihr Kind von einem Mann ausgegrenzt werden würde, blieb sie lieber allein, ohne Frage!
Das war nicht das Einzige, was schwer gewesen war. Wenn man alleinerziehend ist, hat man sich ja einiges gefallen zu lassen. Insbesondere, wenn man auf eine Tagesmutter angewiesen ist. Das ist so komisch, wenn man einem Menschen seine Kinder anvertrauen muss, den man nicht wirklich kennt. Nani hatte ein ungutes Gefühl im Bauch und sehr schnell stellte sich heraus, dass die Frau, die ihre Kinder in ihrer Wohnung betreute, sich daran gemacht hatte, ihre ganze Küche umzuräumen. Ihr Haushalt war völlig durcheinander und die Jungs waren entsetzt. Der Hund bekam irgendwelche Tabletten zu fressen, ohne dass er krank war. Die Frau war aber der Meinung, ihm könne etwas fehlen. Durchgefallen und absolut indiskutabel für Nani. So ging das nicht!
Aber besser wurde es, wenn man eine Person als ausgewiesene Betreuungskraft durch das Amt empfohlen bekommt auch nicht unbedingt. Du bringst dein Kind in ein Haus, das du selbst nicht kennst. Das barg an sich schon ein Gefühl von Unwohlsein. Die Tür öffnet sich und ein lächelndes Gesicht vermittelt dir, alles gut. „Nun komm mal rein Manuel, zieh deine Schuhe aus, hier die Jacke hinhängen, Mama muss jetzt arbeiten, sag noch mal eben Tschüss!" Dann musst du dich ganz schnell umdrehen und raus gehen, damit das Kind nicht merkt, wie sehr du selbst von diesem Moment belastet bist. Mit Magenschmerzen gehst du dann zur Arbeit und hoffst, dass alles klappen wird. Mehr darauf konzentrieren kannst du dich nicht, weil sonst im Job was schiefläuft. Erst nach Feierabend, erschöpft und kaputt siehst du dein Kind wieder und hoffst, es geht ihm gut. Mit der Zeit wird es leichter, dann stellt sich die Gewohnheit ein und wenn wirklich alles gut geht, sich die Kinder wohl fühlen, tritt Entspannung ein. Wenn es denn gut läuft.
Es lief aber nicht gut. Ihre Kinder waren unglücklich und litten, ohne genau mit der Sprache herauszurücken. Bis Nani dann gesagt bekam, sie sei asozial.
„Da würde ich mal drauf achten. Wenn das Jugendamt sowas sieht, kriegst du Ärger, mit Sicherheit! noch schlimmer war allerdings: „Das ist eine Zumutung, ein so verdrecktes Kind vom Kindergarten abholen zu müssen. Mit dem kann man sich nirgendwo sehen lassen.
Vor Entsetzen hatte es Nani die Sprache komplett verschlagen. Ihr Sohn hatte ständig Löcher oder Risse in den Jeans und war auch gerne übersät mit grasgrünen Flecken. Schmutzige Finger waren Standard und ebenso ein von Sandkörnern heimgesuchter Haarschopf. Das ließ sich noch steigern, wenn es draußen geregnet hatte, gerade dann ließ Manuel keine Pfütze aus, die seinen Weg kreuzte. Aus diesem Grund hatte sie ihm ständig Ersatzwäsche mitgegeben. Warum auch sollten kleine Jungs sich nicht mitten im Sandkasten austoben oder auch im Gras herumtollen, egal ob es nass war oder nicht. Wenn ihr Sohn so nach Hause kam, wusste sie, er hat gespielt und zwar richtig. Dankbar um die Waschmaschine war sie trotzdem und sie sah es auch nicht ein, ihn mit nagelneuen Klamotten zum Spielen zu schicken. Er war stets so gekleidet, dass er sich mit Wonne dreckig machen konnte. Wenn Manuel sauber war, obwohl er hätte draußen toben können, dann stimmte etwas nicht. So kannte sie ihren Sohn und da ließ sie auch nichts anderes gelten. Doch auch das war etwas, das man noch umdrehen konnte und ihr zur Last legte. Als er nämlich genau dieses gemacht hatte, und traurig auf der Schaukel bei seiner Tagesmutter allein im Garten saß. „Dein Kind ist verhaltensgestört. Da würd ich mal mit losgehen!" Hat es geheißen. Irritiert hatte sie ihn später am Abend gefragt, was denn los gewesen sei. Und er antwortete, dass ihm ein anderes Kind gesagt hätte, auf dem nahegelegenen Spielplatz wäre ein Mann, der würde kleine Kinder klauen. Weinend hatte er in ihrem Arm gesessen und gesagt, wie allein er sich gefühlt hatte und dass er nun froh war, wieder bei ihr zu sein.
Scheinbar war es von einer vom Jugendamt geschulten Tagesmutter zu viel verlangt, ein offensichtlich betrübt dasitzendes Kind zu fragen, warum es traurig ist. Wäre sie damals stärker gewesen, hätte sie eben das geantwortet, stattdessen hatte sie sich stillschweigend zurückgezogen. Auch wenn sie sich über so etwas maßlos ärgern konnte, wich sie lieber aus, als mal aufzustehen und ihre Meinung deutlich zu vertreten. Das war etwas, das sie einfach nicht konnte. Es bestätigte ihr, auf ihr Herz zu hören und den Worten ihres Kindes zu vertrauen. Aber sie konnte nicht dafür einstehen, damals nicht.
Beide hatten sich in der Obhut von anderen unwohl gefühlt und entschärft wurde die Lage erst, als sie daran etwas hatte ändern können. Da erst glaubte sie, ihren Kindern gerecht zu werden. Nichts ist schlimmer, als wenn man arbeiten ist und in Gedanken dauernd der Frage nachhängt, ob es den Jungs wohl gut ging.
Aber das war nicht das Einzige, was ihr anhaftete. Man war nur wer, wenn man geheiratet und ein Haus gebaut hatte. Das war der Lauf der Dinge, man am besten noch einen Baum pflanzte zur Geburt der Kinder, für jedes einen. Doch diesem Lauf hatte sich Nani entgegengestellt, ohne es als gravierenden Mangel ihrer Persönlichkeit zu empfinden! Mehr noch, genau genommen betrachtete sie sich selbst und ihre Lebensweise als eben genau das, was sie ausmachte. Aber das galt nicht für andere Leute, scheinbar. Da passierten schon sonderbare Dinge.
„Ach so, nur damit du Bescheid weißt, wir haben gesagt, dass du geschieden bist."
„Wie bitte?"
„Ja, das ist besser, was sollen sonst die Leute denken!"
„Wie? Was sollen die Leute denken?"
„Ja, eine Frau alleine mit zwei Kindern, das geht nicht."
„Was geht daran nicht? Wem habt ihr das erzählt?"
„Ja, allen