Wer nie sein Brot mit Tränen aß ... Erinnerungen eines Fünfzehnjährigen an Krieg und Gefangenschaft
By Alfred Kunit
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Meine Erlebnisse sollen Euch lehren, dass man die Hoffnung selbst in der schlimmsten Lage nicht aufgeben darf. Gerade dann soll man seine ganze Kraft aufbieten und durchhalten – es kommen sicher wieder schöne Zeiten, in denen man besonders glücklich ist. Und sollte es für Euch einmal besonders schlimm werden, so denkt an mich und meine Worte.
Alfred Kunit
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Wer nie sein Brot mit Tränen aß ... Erinnerungen eines Fünfzehnjährigen an Krieg und Gefangenschaft - Alfred Kunit
Vorworte
Vorwort des Herausgebers
Fünfzehn: In diesem Alter starten wir ins Leben. Lehre, Berufsschule, Oberstufe, die erste Liebe, die Entdeckung unserer wunderbaren Welt, all das steht uns offen und wir müssen nur zugreifen.
Mein Vater wurde im Dezember 1929 geboren. Er wurde gerade rechtzeitig fünfzehn um für den „Endsieg" eines kranken Regimes zu verbluten. Die nächsten drei Jahre verbrachte er in russischen Arbeitslagern, mit dem Wiederaufbau der angeschlagenen Sowjetunion. Entgegen aller Erwartungen hat er überlebt und das alleine war schon beeindruckend – oder auch nur sehr viel Glück.
Noch mehr beeindrucken mich allerdings seine Kraft, seine Liebe zu den Menschen und seine positive Einstellung zum Leben.
Gerhard Kunit
Vorwort des Autors
Die meisten Menschen, die mich kennen, Familie, Freunde, Bekannte, wissen, dass ich in russischer Gefangenschaft war. Doch was bedeutet „russische Gefangenschaft". Kaum jemand, der so etwas nicht selbst erleben musste, kann sich auch nur annähernd vorstellen, was das bedeutet. Und davon erzählen kann ich heute noch nicht, ohne sofort in Tränen auszubrechen. So habe ich mich sechzig Jahre nach Beginn dieser Leidenszeit entschlossen, für alle Menschen, die mir lieb sind, die damaligen Ereignisse aufzuzeichnen. Vieles mag Euch entsetzlich vorkommen, aber ich habe diese Zeit mit viel Kraft und Überlebenswillen überstanden und bin heute glücklicher, als die meisten Menschen, die nur gute Zeiten erlebt haben. Eine große Erkenntnis ist mir bewusst geworden: Nur wer schon auf Erden durch die Hölle gegangen ist weiß, dass es auch – schon – den Himmel auf Erden gibt! Man muss ihn nur genau so bewusst erleben, wie man auch die Hölle durchleben musste.
Meine Erlebnisse sollen Euch lehren, dass man die Hoffnung selbst in der schlimmsten Lage nicht aufgeben darf. Gerade dann soll man seine ganze Kraft aufbieten und durchhalten – es kommen sicher wieder schöne Zeiten, in denen man besonders glücklich ist. Und sollte es für Euch einmal besonders schlimm werden, so denkt an mich und meine Worte.
Alfred Kunit
1944
1. September 1939. Es ist Krieg. Mit noch nicht zehn Jahren hat man noch keine Vorstellung, was Krieg bedeutet. Ich erinnere mich nur an die Worte meiner Mutter: „Gott sei Dank, meine Männer müssen da nicht hin." „Die Männer, das waren - außer mir - mein Bruder Bruno, 14 Jahre alt, und mein Vater damals schon 36 Jahre, also zu alt für das Militär. Doch der Krieg dauerte immer länger und es wurden immer mehr Soldaten gebraucht. 1941 wurde Vater samt Auto eingezogen, als Kraftfahrer konnte er ja noch verwendet werden. 1943 dann mein Bruder, da war er ja schon 18 Jahre, zur Marine. 1944 – Vater als vermisst gemeldet, etwas später auch Bruno – vermisst.
Meine Mutter meinte damals, zumindest mein kleiner Bruder Rudi, damals 4 Jahre alt, und ich seien ihr noch verblieben. Natürlich war auch mein Leben nicht mehr ungetrübt. Es gab wenig zu essen, fast keine Kleidung, und die Jugend wurde für viele Arbeitseinsätze herangezogen. Die ganze Klasse einen Tag Heilkräuter sammeln, bei zerbombten Häusern Schutt wegräumen, im Sommer 1944 eine Woche Gebirgsausbildung beim Dachstein, November 1944 zwei Wochen Schanzen graben in Weiden am Neusiedler See. Nasskaltes Wetter, Schlafen auf Stroh in Scheunen oder leeren Ställen, aber selbst wir jungen Burschen wussten, dass schon alles sinnlos war. Es wurde manchmal getuschelt, warum nicht schon längst kapituliert wurde. Jeder wusste, dass alles verloren war und jeder Tag noch mehr Tote und Verwundete kostete, doch keiner wagte es, laut darüber zu sprechen. Die Gestapo war wohl das einzige, das noch gut funktionierte und die Strafen waren streng.
Natürlich waren auch wir Jugendlichen von den Kriegsereignissen traumatisiert: Oktober 1944, Mathe-Schularbeit. Beispiel Nummer vier war wie immer sehr schwer und ich hatte als Einziger die richtige Lösung. Nun sollte ich auf der Tafel meinen Mitschülern den Rechenvorgang erklären. Da stand ich nun und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Der Lehrer schäumte vor Wut. Er meinte, wenn ich nicht als Einziger das Beispiel gelöst hätte, würde ich eine Strafe wegen Abschreiben bekommen, er müsste den Vorfall aber jedenfalls ins Klassenbuch eintragen. Nach der Stunde fragte er mich dann, was denn mit mir los sei. Da stieß es aus mir heraus: Nach dem schon mein Vater vermisst ist, bekamen wir gestern die Nachricht, dass jetzt auch mein großer Bruder vermisst wird. Der Lehrer war sehr betroffen und es tat ihm auch leid, dass er mich in das Klassenbuch eingetragen hatte, doch mir war das zu diesem Zeitpunkt völlig egal.
1945
Und dann kam im Jänner 1945 eine Einberufung ab 29. Jänner auf drei Wochen Wehrertüchtigungslager. Es betraf unsere ganze Schulklasse. Der gesamte Jahrgang 1929 sollte sukzessive lernen mit Waffen umzugehen, damit man später, wenn man Soldat wird, gleich einsatzfähig ist. Na gut, wieder ein paar Wochen verlorene Schulzeit, der Lehrplan war ohnehin nicht mehr einzuhalten.
Montag, 28.1.1945, Stellung in einer Kaserne in Mödling, Einkleidung in slowakische Uniformen, die große Ähnlichkeit mit den russischen Uniformen hatten, auch die braunen Topfstahlhelme waren den russischen Helmen gleich. Aber man hat uns wohl gegeben, was noch da war.
Vorgegebenes Ziel: Ausbildung auf 5-cm-PAK (Panzerabwehrkanone), Gewehr, Maschinengewehr und Handgranate. Drei Tage in der Kaserne und auf dem Panzerschießplatz Hinterbrühl, danach weitere Ausbildung in Pressburg, wir sollten da gleichzeitig Geschütze bewachen, die rund um die Stadt hinter einem Panzergraben die Russen aufhalten sollten. Sobald der Feind näherkommen würde, werden diese Stellungen von der Waffen-SS und dem Volkssturm besetzt und wir kommen nach Hause.
Mit zehn Jahren hatte ich eine schwere Verletzung am rechten Knöchel. Dieser steht an der Innenseite vor, so dass die harten Militärschuhe gleich am ersten Tag