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Mord, Minnelust und Missetat: Verbrechen in der Burgenzeit 1
Mord, Minnelust und Missetat: Verbrechen in der Burgenzeit 1
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Mord, Minnelust und Missetat: Verbrechen in der Burgenzeit 1

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Burg Mangoldstein im Januar 1256: Schneeflocken umtosen die Türme der Burg, als Herzog Ludwig vor dem Stufenportal des Palas sein erschöpftes Ross zügelt. Noch ehe das Pferd gänzlich steht, schwingt er sich aus dem Sattel. Er zittert am ganzen Körper, in seinen Augen lodert Hass, der sich mit der Mordlust einer tollwütigen Bestie paart.
Der Wittelsbacher stößt einen Laut aus, der nichts Menschliches an sich hat, und reißt mit irrlichternden Augen sein Schwert aus der Scheide. Er sieht aus, als ob er gleich jemanden umbringen will. Und genau das ist es, was er beabsichtigt. Schon tobt er die schneebedeckten Portalstufen hinauf ...
Das Mordgeschehen in der Burg Mangoldstein ist eine der geschilderten Bluttaten, deren Spur die Verbrechensgeschichte der Burgenzeit durchzieht. Aber das Buch stellt keineswegs nur Fälle von Mord und Totschlag vor. Auch Freiheitsberaubung, Ehebruch und Brandstiftung gelten als probate Mittel, um eigene Interessen durchzusetzen.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateOct 27, 2016
ISBN9783738089776
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    Book preview

    Mord, Minnelust und Missetat - Bernd Stephan

    Das Massaker in der Grafenburg

    Burg Geronisroth im Harz,

    September 939

    Durch die ostelbische Niederungslandschaft zog ein Reitertrupp nach Westen. Aber es handelte sich nicht um einen Beuteritt in den Nordthüringgau. Die Männer zu Pferde unterschieden sich sehr von den slawischen Kriegerhorden, die jahraus, jahrein wie ungezähmtes Wildwasser in das Grenzland am linken Elb- und Saaleufer fluteten und über die sächsischen Dörfer herfielen.

    Jeder der Reiter trug ein Festgewand, das mit silbernem und goldenem Besatz versehen war. Die Hüften umschlossen reich verzierte Gürtel, an denen kunstvoll geschmiedete Schwerter hingen. Drei, vier von ihnen versteckten diese Pracht allerdings unter knielangen Pelzumhängen, in die sie sich trotz des milden Wetters eingehüllt hatten.

    Vom Morgengrauen an saßen die 30 slawischen Zupane im Sattel. Sie folgten der Einladung des sächsischen Markgrafen Gero zu einem Versöhnungsfest.

    Eine Notwendigkeit dazu lag vor. Seit nämlich Otto, der König der Nemitzenvölker, 937 den Edling Gero zum Legaten für das Gebiet an Mittelelbe und Saale bestellt hatte, war es an den Flussgrenzen der slawischen Stämme nicht mehr ruhig zugegangen.

    Dass der sächsische Markgraf sich mit ihnen verständigen wollte, erfüllte die Slawenfürsten mit Genugtuung. Im Grunde würdigte Geros Nachgeben nur ihren bisherigen Widerstand: Je entschiedener sie den Ausdehnungsbestrebungen der Nemitzen entgegentraten, desto bereitwilliger zeigte sich der Markgraf, die Unabhängigkeit der Slawenstämme zu respektieren.

    Anders konnten sich die 30 Zupane, die Mitte September des Jahres 939 durch die ostelbische Niederungslandschaft ritten, die überraschende Einladung des sächsischen Markgrafen nicht erklären. Keiner von ihnen ahnte, welch tödlichem Irrtum sie erlagen.

    30 wendische Oberhäupter hatte Markgraf Gero zu dem Fest eingeladen – die Stammesfürsten der Heveller, Sorben, Daleminzer, Milzener, Sprewanen, Lusizer, Nisanen, Ploni, Neletici, Zerwisti und Morizani.

    Und alle, die eingeladen worden waren, hatten dann zunächst einmal zur Wjetsche (Versammlung) zusammenkommen müssen, wo sie beratschlagten, was zu tun sei. Es gab unterschiedliche Meinungen, aber einig war man sich darin, dass man die Einladung des Markgrafen annehmen solle.

    chapter1Image1.jpeg

    Unterwerfung: Im Jahr 937 beauftragte Otto I. den Grafen Gero, die heidnischen Wendenstämme zwischen Saale, Elbe und Oder zu unterwerfen. Durch eine Reihe von Feldzügen zwang Gero die Slawen, die deutsche Tributherrschaft anzuerkennen.

    Nur Czisibor, ein Zupan der Lusizer, schätzte den Sachverhalt anders ein als seine Stammesbrüder. Im Gegensatz zu ihnen schloss er sogar einen blutigen Ausgang des Gastmahls nicht aus. Doch er mahnte vergebens, man hielt ihn für einen Schwarzseher ...

    Fährboote setzten die Zupane über den Elbstrom. Es dauerte geraume Zeit, bis alle Menschen und Tiere das jenseitige Ufer erreicht hatten.

    Nach der Stromüberquerung nahm gewelltes Hügelland die slawischen Reiter auf, in dem es kaum Bäume gab. Über ihnen spannte sich ein blauer Himmel.

    Umklappert von Hufgeräuschen, in die sich das Knirschen des Lederzeugs und das das Schnauben der Pferde mischte, ritt Czisibor, der Zupan der Lusizer, am Ende des Zuges. Er war einer der Slawen, dem ein Pelzumhang beim Reiten bis fast auf die Stiefel wallte.

    Während er so ritt, kreisten seine Gedanken um das bevorstehende Versöhnungsfest. Und es waren keine erfreulichen Gedanken.

    Czisibor verzog das Gesicht, als hätte er sich die Zunge verbrannt. Fürwahr, er war in der Tat der einziger Stammesfürst gewesen, der in der Wjetsche gegen eine Zusammenkunft mit dem sächsischen Markgrafen gesprochen hatte, heftig und beharrlich.

    Er misstraute den Nemitzen, witterte einen Hinterhalt. Und ungewöhnlich schien ihm dabei nicht einmal die Zusammenkunft selbst zu sein, sondern der Ort, an dem sie stattfinden sollte, nämlich in der Grafenburg Geronisroth am Rand des Harzgebirges ...

    Je weiter sie nach Westen kamen, desto häufiger unterbrachen Waldstreifen das Landschaftsbild. Wenn das Hügelland den Blick freigab, dann sahen die Slawen in der Ferne jetzt das Waldgebirge des Harzes.

    Die Zupane ritten durch den Gau Suevon zur Geroburg, sorglos und arglos. Die Unbekümmertheit seiner Stammesbrüder bedrängte Czisibor wie eine Dolchklinge.

    Der Lusizer hingegen spähte immer wieder angestrengt hinter Bäume und Büsche, als könnten sich dort sächsische Krieger versteckt halten. Aber sein Argwohn schien unbegründet zu sein. Alles blieb ruhig.

    Die noch in Pelze gehüllten Stammesfürsten litten zunehmend unter der Wärme. Czisibor legte seinen Umhang als Erster ab. Das Unbehagen, das er in sich spürte, konnte er nicht ablegen.

    Gegen Abend lag Burg Geronisroth, der Stammsitz des sächsischen Markgrafen Gero, vor den Reitenden. Auf Czisibor wirkte die Grafenburg wie ein gestaltloser, durch keine baulichen Verfeinerungen gemilderter Klotz. Fast wie eine Drohung.

    Mit Kreuz und Schwert

    Als im Jahr 937 König Otto I. seinem Halbbruder Thankmar die Legatenwürde für die Gebiete an der Saale und der mittleren Elbe vorenthielt, brach der schon lange schwelende Zwist im Geschlecht der Liudolfinger offen aus. Eine Vergabe der Legation war durch den Tod des Grafen Siegfried von Merseburg erforderlich geworden.

    In Thankmar, ein Sohn Heinrichs I. und dessen verstoßener Gemahlin Hatheburg, tobte der Zorn. Er fühlte sich nicht nur bei der Amtsvergabe übergangen, sondern auch um sein mütterliches Erbe betrogen.

    Die Kränkung veranlasste Thankmar, im Bündnis mit Herzog Eberhard von Franken und dem Billunger Wichmann gegen seinen Stiefbruder zu rebellieren. 938 kam es zum Ausbruch des Aufstands.

    Die Empörer brachten die Burg Belecke in ihre Gewalt, dann nahmen sie die Eresburg ein, weil sich deren Besatzung auf ihre Seite schlug. Thankmar wählte die altsächsische Befestigungsanlage zu seinem Aufenthaltsort.

    Otto I. sah sich zum Handeln gezwungen. Der königliche Heerbann zog zur Eresburg, die auf einem Tafelberg über der Diemel lag. Als der König an der Spitze seiner Kriegerscharen heranrückte, ließ die eingesessene Burgbesatzung Ottos Halbbruder fallen wie ein Stück glühendes Schmiedeeisen. Sie öffnete die Tore.

    Thankmar flüchtete in die Burgkapelle, um das Asylrecht der geweihten Stätte für sich zu beanspruchen. Aber ihm übelwollende Verfolger missachteten die Heiligkeit der Kapelle. Eine Wurflanze traf ihn im Rücken, der Sohn Heinrichs I. sank vornüber auf den Altar.

    Wenn Otto I. geglaubt hatte, nach der Niederschlagung des Aufstands würde im Ostfrankenreich Ruhe einkehren, so sah er sich getäuscht. Im Gegenteil, die Glut des Aufruhrs schwelte weiter.

    Kaum dass Otto die Empörung niedergeworfen hatte, erhob nun sein jüngerer Bruder Heinrich Ansprüche auf den Königsthron. Und dessen Auflehnung durfte der Herrscher schon gar nicht auf die leichte Schulter nehmen. Heinrich war nämlich im Gegensatz zu ihm selbst, der vor dem väterlichen Königtum das Licht der Welt erblickt hatte, im Purpur geboren worden. Hinzu kam, dass ihre Mutter Mathilde den jüngeren Sohn als Nachfolger Heinrichs in der Königswürde favorisierte.

    Und damit nicht genug. Denn während Otto jetzt an den Rheinstrom ziehen musste, um den Bestand des Königtums zu erhalten, stand obendrein das Land beiderseits der Grenzflüsse Elbe und Saale in Flammen. Die Annahme, dass die Slawenvölker zwischen Elbe und Oder unterworfen und dem deutschen König tributpflichtig seien, erwies sich einmal mehr als fataler Trugschluss.

    Der Beginn der Eroberungszüge ins Slawenland datierte ins Jahr 928. Im Winter 928/29 fiel nach längerer Belagerung die Brennaburg, der Hauptort der Heveller. Tugumir, ein Sohn des Hevellerfürsten Bacqlabic, wurde als Geisel ins Sachsenland mitgenommen. Einige Zeit später kapitulierte Gana, die Hauptburg der Daleminzer.

    Um die Slawenstämme im Griff zu behalten, bedienten sich die sächsischen Eroberer der gleichen Maßnahmen und Vorkehrungen wie anderthalb Jahrhunderte zuvor die christlichen Franken bei der Unterjochung ihrer eigenen Vorfahren – der Bekehrung durch Schwert und Kreuz.

    Denn wohin immer der Fuß eines sächsischen Waffenknechts trat, folgte ihm ein eifriger Bekehrer, der den besiegten Wenden die Zwangstaufe brachte. Mit der Bekehrung der heidnischen Slawen zum Christentum sollte die Unterwerfung gefestigt werden.

    Das Ziel, die slawischen Stämme bis zur Oder zu unterwerfen, verfolgten die deutschen Feudalherren mit aller Härte. Sie verfolgten es nicht nur rücksichtslos, sondern gingen mit einer ungemeinen, kaum zu übertreffenden Brutalität vor.

    Natürlich nahmen die Slawen diese Bedrückung nicht einfach hin. Kaum dass der sächsische Heerbann weitergezogen war, griffen sie ihrerseits zu den Waffen, um Gleiches mit Gleichem zu vergelten: Sie bemächtigten sich der christlichen Eiferer und opferten sie ihren Göttern. Die im Slawenland verbliebenen Burgwardleute reichten nicht aus, die Einheimischen von blutigen Riten abzuschrecken.

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    Zwangstaufe: Mit der Bekehrung der Slawen zum Christentum sollte die Unterwerfung gefestigt werden. Viele wendische Stämme widersetzten sich der Christianisierung jedoch vehement. Da die sächsischen Eroberer in Verfolgung ihrer Bestrebungen mit extremer Grausamkeit vorgingen, kam es immer wieder zu Aufständen im Slawenland.

    Schlimmer noch: Während ostwärts der Grenzflüsse sächsische Kriegertrupps die slawische Bevölkerung drangsalierten, brausten slawische Reiterhorden wie das Hochwasser im Frühjahr über das Grenzland am linken Elb- und Saaleufer hinweg.

    Zahlenmäßig nicht einmal ein halbes Hundert stark, schwammen sie mit ihren Pferden nachts über die Grenzflüsse und suchten das sächsische Hinterland heim. Auf ihren struppigen Pferden jagten sie in die Dörfer, raubten die Gehöfte aus, steckten sie in Brand und verschwanden nach Verrichtung ihres Zerstörungswerks ebenso schnell, wie sie aufgetaucht waren.

    Am linken Ufer der Grenzflüsse waren die wendischen Plünderer zur Landplage geworden, am rechten die sächsischen Eindringlinge. So standen die Dinge an Saale und mittlerer Elbe im Jahr 939, während König Otto I. andernorts im Land seinen Herrschaftsanspruch durchsetzen musste.

    Folglich kam die Verantwortung, in den Grenzgebieten für Ruhe zu sorgen und die Slawenstämme in Botmäßigkeit zu halten, auf jenen Mann zu, den König Otto zwei Jahre zuvor anstelle seines Halbbruders Thankmar zum Legaten an der Ostgrenze erhoben hatte.

    An der Tatkraft gemessen hatte der König mit der Wahl des bis dahin recht unbedeutenden Edlings Gero nicht falsch gehandelt. Schon in den folgenden Wendenfeldzügen vergalt der jüngere Bruder des vorherigen Legaten Siegfried von Merseburg dem König seine Ernennung, indem er äußerst brutal gegen die ostelbischen Slawen vorging. Doch würde er die Aufgabe, die Slawenstämme neuerlich ins Joch zu zwingen, ebenfalls bewältigen können?

    Nun, was Graf Gero betraf, so plante er zu diesem Zeitpunkt bereits ein Vorhaben, mit dem er die Wendenstämme an einer sensiblen Stelle treffen wollte. Ein Vorhaben von diabolischer Vehemenz. Es sollte den Beginn der endgültigen Unterwerfung der ostelbischen Slawenstämme kennzeichnen.

    Mithin weitete maßloses Erstaunen die Augen der elbslawischen Zupane, als sich ihr ärgster und grausamster Feind unvermittelt erbot, ein Versöhnungsfest auszurichten und sie dazu einlud. Den Elbslawen erschien es zwar wie ein Wunder, dass man sich fortan nicht mehr gegenseitig die Glieder abhacken, sondern die Tage in Eintracht verbringen wolle, aber so eine Zusammenkunft war gleichwohl ein wichtiger Schritt zur gegenseitigen Annäherung. Sie ahnten nicht, wozu dieser Vertraute des Nemitzenkönigs wirklich fähig war.

    In der Burg des Schreckens

    Die Burg Geronisroth lag auf einer flachen Anhöhe im Ausgang des Hagentals. Im Westen und Südwesten umgab der Hagenbach die Befestigungsanlage, im Norden erstreckte sich Sumpfgelände bis dicht an den Rand eines Waldgebietes heran.

    Ein breiter Wassergraben sowie ein mächtiger Wall aus Pfahlwerk und Erde, den ein Wehrgang

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