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Ostpreußen für Anfänger: Ansichten, Einsichten und Vergnügliches für Spurensucher
Ostpreußen für Anfänger: Ansichten, Einsichten und Vergnügliches für Spurensucher
Ostpreußen für Anfänger: Ansichten, Einsichten und Vergnügliches für Spurensucher
Ebook136 pages1 hour

Ostpreußen für Anfänger: Ansichten, Einsichten und Vergnügliches für Spurensucher

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About this ebook

Das Ebook "Ostpreußen für Anfänger" will Appetit machen auf ein Land, das vielen von uns Flüchtlingskindern aus Omas Erzählungen in unseren ach so fernen Kindertagen seltsam vertraut war.
Es ist vor allem ein Ebook für uns Nachgeborene, Menschen, deren Familien aus Ostpreußen stammen, die es aber nichts mehr aus eigenem Erleben kennen, da sie erst nach dem Krieg geboren wurden.
Dieses Land, das die meisten von uns längst aus dem Gesichtskreis verloren haben, ist auch mir in die Wiege gelegt worden, beständig näher gebracht worden von Menschen, die sich nach ihm in zärtlicher Liebe sehnten.
Meine eigene Liebe zu diesem Land begann an dem Tag, an dem ich zum ersten Mal dorthin fuhr, wuchs mit jeder Reise, mit jedem Menschen, den ich dort kennenlernte, jedem Verwandten, den ich wiederfand, wuchs mit immer mehr Informationen, die ich aufsog. Diese Liebe ist nicht besitzergreifend, denn ich habe dort nichts verloren, sondern etwas dazu gewonnen, und ich will diese Liebe daher gerne mit anderen Menschen teilen.
Ich möchte etwas erzählen vom Leben und Denken unserer Eltern und Großeltern in dieser fernen, versunkenen Welt und beschreiben, was dort so anders war.
Ich will von den Menschen erzählen und der Landschaft, die sie alle damals wie heute prägte, will von ihrer Herkunft und Geschichte berichten, damit wir die Einzigartigkeit dieses Kulturraums erkennen und begreifen.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateNov 25, 2013
ISBN9783847662099
Ostpreußen für Anfänger: Ansichten, Einsichten und Vergnügliches für Spurensucher

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    Book preview

    Ostpreußen für Anfänger - Brigitte Jäger-Dabek

    Vorwort

    Dieses Ebook will Appetit machen auf ein Land, das vielen von uns Flüchtlingskindern aus Omas Erzählungen in unseren ach so fernen Kindertagen seltsam vertraut war.

    So ist es vor allem ein Ebook für uns Nachgeborene geworden, Menschen, deren Familien aus Ostpreußen stammen, die aber nichts mehr aus eigenem Erleben kennen, da sie erst nach dem Krieg geboren wurden.

    Dieses Land, das die meisten von uns längst aus dem Gesichtskreis verloren haben, ist auch mir in die Wiege gelegt worden, beständig näher gebracht worden von Menschen, die sich nach ihm in zärtlicher Liebe sehnten.

    Meine eigene Liebe zu diesem Land begann an dem Tag, an dem ich zum ersten Mal ostpreußischen Boden betrat, wuchs mit jeder Reise, mit jedem Menschen, den ich dort kennenlernte, wuchs und wuchs. Heute fühle ich mich selbst ein Stück weit zu Hause in diesem Land, bei diesen Menschen, fast so, wie in dem Land, in dem ich geboren wurde.

    Diese Liebe ist nicht besitzergreifend, Gott bewahre, denn ich habe dort nichts verloren, sondern etwas dazu gewonnen, und ich will diese Liebe daher gerne mit anderen Menschen teilen.

    Ich möchte etwas erzählen vom Leben unserer Eltern und Großeltern in dieser fernen, versunkenen Welt und beschreiben, was dort so anders war.

    Ich will von den Menschen erzählen und der Landschaft, die sie alle damals wie heute prägte, will von ihrer Herkunft und Geschichte berichten, damit wir die Einzigartigkeit dieses Kulturraums erkennen und begreifen.

    Und ich möchte Interesse wecken an dieser Region, die durchaus eine Zukunft hat. Wer, wenn nicht wir, die wir einen Bezug dorthin haben, sollte mithelfen?

    Es lag nahe, dass dieses Buch eine Liebeserklärung werden würde, eine Liebeserklärung an die versunkene Welt meiner Eltern und Großeltern, eine Liebeserklärung an das heutige Land und seine Menschen, die Hoffnung auf Bewahren der Kultur und Geschichte, die Hoffnung sie einzubringen in eine friedliche, freie Zukunft, damit all das Leid der Vergangenheit nicht vergebens war und vergessen wird, damit nie wieder Nachbarvölker mit einem Sturm der Gewalt überzogen werden, damit nie wieder Menschen aus diesem Land vertrieben werden.

    Das alles möchte ich dem geneigten Leser näher bringen, in ausgewählten kleinen Appetithäppchen- im Grunde ist dieses Buch aber eine Liebesanleitung geworden.

    Meinen Eltern und Großeltern in warmer Dankbarkeit und Liebe,

    Brigitte Jäger-Dabek

    Vererbte Heimat?

    Eigentlich beginnt alles mit einer ziemlich komplizierten Frage: „Sind wir Nachgeborenen, wir im Exil unserer Eltern zur Welt gekommenen Nachkriegskinder noch Ostpreußens oder Masurens Kinder?" Sie berührt die Frage nach der eigenen Identität.

    Wir also sind die Nachgeborenen, keine Eingeborenen, auch keine dort Geborenen. Wir sind hineingeboren in ein Dasein zwischen Baum und Borke. Ist sie wirklich eine Gnade, diese späte Geburt? Die Gnade nicht nur die deutsche Schuld, sondern auch das Trauma nicht selbst erlebt zu haben?

    Wir sind nach etwas geboren, nach dem großen Schnitt, nach dem großen Trauma, nach dem großen Verdrängen. Nachgeboren – nach einem harten Schnitt begann mit uns ein neuer Film, als ob es nie ein vorher gegeben hätte.

    Hätten sie es Heimat genannt, wäre für mich als Kind vieles leichter gewesen. Aber dieses Wort benutzten sie nie, sie sagten immer zu Hause, wenn sie Ostpreußen meinten.

    Die Ungereimtheiten in der Begriffswelt meiner Angehörigen be­schäftigten mich. Wieso sagten die bloß immer zu Hause, wenn sie Ostpreußen meinten? Waren wir denn nicht in Stade zu Hause? Wir hatten doch hier unser Haus, wieso hatten sie das dann über­haupt gebaut? Oder konnte ein Mensch mehrere „Zu­hause" haben?

    Das verunsicherte mich. Ich kannte dieses andere Zuhause ja nicht, konnte vor allem damals als kleines Kind nicht ermessen, was sie verloren hatten. Wahrscheinlich würde ich dieses alte Zu­hause auch nie kennenlernen. Ich fühlte mich dann ungerecht behandelt, vor al­lem aber ausgeschlossen von einem zentralen Bereich des Lebens meiner Familie. Als Einzige war ich hier geboren und betrachtete das als einen Makel. War ich nicht gut genug gewesen, in diesem Paradies geboren zu sein? War ich ein solch böses Kind, dass ich nicht im Familienparadies aufwachsen durfte?

    Besonders in meinen frühen Kinderjahren mit dem noch gerin­gen zeitlichen Abstand war der Krieg mit dieser für sie finalen Kata­strophe das bestimmende Ereignis im Leben der ganzen Fami­lie.

    Dieses traumatische Kernerlebnis war in den mich prägenden Jahren immer präsent. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand än­derten sich die Gewichtungen dann etwas, viele neue Eindrücke kamen dazu. Das Aufbauen, der Neuanfang brauchte eigentlich die ganze Kraft, an der diese rückwärtsgewandte Trauer aber immer noch zehrte. Natürlich wurde auch gefeiert, gab es überaus frohe Stunden, vor allem bei Familienfesten. Da wurde gelacht bis die Tränen kamen, aber im­mer war da dieses 'weißt du noch?', jede Menge Anekdoten, Ge­schichten aus einem fernen Land. Aber über allem lag immer ein Hauch von Melancholie, war die Wehmut über die Endgültigkeit dieses 'es war einmal' allgegenwärtig. Natürlich konnte ich das damals noch nicht ausdrücken, aber ich spürte es.

    Endgültig war dieser Verlust und total, da war nicht nur die geo­grafische Heimat verloren, eine ganze Lebenswelt war unterge­gangen. So wuchs ich auf in dem Bewusstsein, dass meine Familie anders war, als die der hiesigen Schul­ka­meraden, da musste keiner erst Flüchtlingspack oder Ruck­sack­deutscher schreien, was während meiner Kindheit sehr wohl noch vorkam.

    Als ich 1976 zum ersten Mal nach Ostpreußen reiste, war ich vierundzwanzig Jahre alt und ziemlich weit entfernt von den Ge­danken und Empfindungen der Kindheit. Andere Dinge waren wichtiger geworden und hatten Ostpreußen verdrängt.

    Die Distanz zwischen den vielen Geschichten meiner Kinderzeit und meinem Leben als junger Erwachsener konnte größer nicht sein als gerade zu dieser Zeit.

    Mittlerweile ging ich diesen Komplex mit ironischer bis sarkastischer Distanziertheit an, Ostpreußen nannte ich jetzt oft Kalte Heimat.

    Als mein Vater mir von seinen Reiseplänen erzählte, war ich trotzdem gleich Feuer und Flamme. Da war eine gewisse Abenteuerlust: Go east, eines der letzten Abenteuer in Europa.

    Bilder hatten sie in mir mit all ihren Erzählungen entstehen las­sen, jetzt wollte ich natürlich überprüfen, ob sie der Wirklichkeit standhielten. Skeptisch war ich diesbezüglich schon und durch­aus gewärtig, dass manches schöngeredet, ja glorifiziert worden war.

    Nüchtern wollte ich mir die­ses Gelobte Land ansehen, möglichst objektiv beobach­ten und Distanz waren, wenn nicht anders, dann meine bewährte ironi­sche Distanziertheit vorschieben, bevor ich mich in senti­mentalen Gefühlen verlor.

    Die liebliche, rundliche Landschaft fing schnell an, mir zu gefallen, abwechslungsreich war sie, mit saftig dun­kelgrünen Wiesen, hellen Roggen- und gelbblonden Weizen­fel­dern, ausgedehnten Wäldern und den ersten Seen. es war Hoch­sommer, kurz vor der Getreideernte, die zweite Heumahd war im Gange. Landwirtschaft der Gegensätze, hier agrar-indu­strielle Be­arbeitung von Staatsgütern, daneben Kleinbauern mit Pferd und Wagen, fast archaisch anmutend.

    Expedition Kalte Heimat hatte ich das Unternehmen Ostpreußenreise ironisch-di­stanziert genannt, aber das war's dann auch schon. Der erste kleine Spaziergang vom Parkplatz aus genügte und ich war hin und weg. Ich konnte mich kaum satt sehen an den klaren Farben, an der weit bis nach Osterode am Horizont offen daliegenden Landschaft, hüge­lig, rundlich, beschaulich. Eine Sommerlandschaft, fast unwirk­lich friedlich und still, einladend zum Innehalten und Träumen, ohne Ecken und Kanten, an­heimelnd gemütlich wie die ostpreußische Sprache.

    Als ich zum Auto zurückkam, wusste ich, diese Bilder würde ich nie wieder verges­sen. Die Distanz war mir völ­lig abhandengekommen. Ich hatte mich regelrecht verguckt in dieses Land, fing an es zu lieben. Das Land und ich, wir hatten uns gefunden.

    Unser Ziel war Allenstein, die Heimatstadt meines Vaters. Alle Plätze in der Stadt, die für die Familie einmal eine Bedeutung hatten, waren mir ja durch unzählige Er­zäh­lungen längst vertraut und so waren Allenstein, das Ermland und Masuren nicht wirklich fremd für mich, schnell hatte ich mich zurechtgefunden.

    War es nun das, was ich dort zu finden hoffte? Eine Momentauf­nahme aus der Familiengeschichte, nur eine sentimentale Remi­niszenz an die Erzählungen aus der Kindheit? Oder wollte ich doch nur bestätigt finden, dass alles nur ein Traum in der Erinne­rung der Eltern war, dass es dieses Land so nur in ihrer Erinnerung gab? Was hatte ich eigentlich erwar­tet? Eine Art Freilichtmuseum, in dem alles mit dem Kriegsende wie eingefroren war? Aber dieses Land lebte noch - Gott sei Dank!

    In Allenstein

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