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Mobbing: Opportunistische Gesänge, am Wasserloch zu singen
Mobbing: Opportunistische Gesänge, am Wasserloch zu singen
Mobbing: Opportunistische Gesänge, am Wasserloch zu singen
Ebook250 pages2 hours

Mobbing: Opportunistische Gesänge, am Wasserloch zu singen

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About this ebook

Mobbing ist so vielfältig in seinen Formen, dass man schlicht sagen kann, es entsteht aus Phantasie und Gemeinheit. Es ist ein kulturhistorisches Phänomen von entsprechender Wirkung und von entsprechendem Ausmaß. In der Tierwelt gibt es Mobbing nicht, die Gottesanbeterin frisst zwar ihren Geliebten nach dem Akt, das Raubtier seine Beute bei lebendigem Leib. Aber bös ist das nicht gemeint; denn die Tiere leben ohne Sitte und Moral. Der Mensch will die Kultur. Er hat nicht bedacht, dass er dabei einen Preis bezahlen muss, die Unkultur. Ohne sie hätte er das Paradies und eine vollkommene Utopie. Unkultur, was ist das. Sie kommt aus der Aggression, und aus ihr kommt das Mobbing.

Mobbing ist eine Krankheit, eine Plage wie Cholera und die Pest. Nur selten wird man sagen können, gut, dass es Mobbing gibt.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateAug 18, 2017
ISBN9783745012606
Mobbing: Opportunistische Gesänge, am Wasserloch zu singen

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    Book preview

    Mobbing - Gerd Breitenbürger

    Gerd Breitenbürger

    Mobbing

    Opportunistische Gesänge

    am Wasserloch zu singen

    Impressum

    Gerd Breitenbürger, „Mobbing.

    Opportunistische Gesänge am Wasserloch zu singen"

    Alle Rechte vorbehalten

    Lektorat und Foto: Monika Knecht

    Umschlag: Berit Overhues

    Illustration von Tomi Ungerer

    Copyright © 1994 Diogenes Verlag AG Zürich

    Konvertierung: Sabine Abels | www.e-book-erstellung.de

    2. Auflage

    published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    Inhaltsverzeichnis

    1 Mobbing

    1.1 Gestern – heute - morgen

    1.2 Das ökonomische Prinzip

    1.2.1 Der pessimistische Ansatz

    1.2.2 Mobbing und die Nähe zum Mord

    2 Das Pöbel-Niveau

    2.1 Von den „internen Regeln" zu System und Gesetz

    2.2 Ein System regelt sich intern mit Mobbing

    2.3 Frustration ins Unerträgliche

    2.3.1 Das Leben in der Sackgasse

    2.4 Arbeits- und Machtkampf

    2.5 Mobbing und Anpassung

    2.6 Das Zweistromland und früher Diebstahl

    2.6.1 Wie sich die Bilder gleichen

    2.7 Mobbing – das Mitgegebene

    2.8 Die Pavian-Horde

    2.9 Der antike Liebesdichter

    3 Mobbing mit System

    3.1 Mobbing in frühen Kulturen und das Vorurteil

    3.2 Die jesuitische Moralfrage und das Mobbing

    3.2.1 Das rote Förmchen – Mobbing im Sandkasten

    3.2.2 Herausnehmen aus der Gemeinschaft

    3.3 Schneiden und symbolische Isolation

    3.3.1 Der Mensch ist wie er ist

    3.4 Immer die Gruppe und ihr Opportunismus

    3.4.1 Der Hagestolz kennt kein Mobbing

    3.4.2 Destabilisierung – ein schmerzhafter Endzustand

    3.5 Primär ist nicht der Sadismus, sondern die Gruppe

    3.5.1 Das Ausgrenzen auf oberer Ebene

    3.5.2 Das Zusammenleben organisieren

    3.6 Ohne Bärenfell

    3.6.1 Mit der Keule am Wasserloch

    3.7 Die Kontroll-Dominanz

    3.7.1 Brutalität I Der Philosoph

    3.7.2 Brutalität II Die Inszenierung

    3.7.3 Brutalität III

    3.8 Frivoles Petting einer nicht ganz anständigen Dame

    4 Zärtlichkeit am richtig falschen Ort

    4.1.1 Blamage für das Opfer und für den Täter

    4.2 Der Täter wird gesehen

    4.3 Mobbing, Killer eines harmonischen Lebens

    4.4 Eva und Pandora. Selbst der Mythos hat es in sich

    4.4.1 Der Minirock mobbt oder auch nicht

    5 Gespaltene Zunge und Misstrauen

    5.1 Das Wasserloch und das westafrikanische Äffchen

    5.1.1 Schaurige Gesänge am Wasserloch

    5.1.2 Mobbing mit Liebe serviert

    5.2 Kehrseiten der Kultur

    5.2.1 Mobbing ist gesetzlos, moralfrei und asozial

    5.2.2 « Tiefer Frieden », immer gesucht, einmal gefunden

    5.2.3 Das griechische Gegenbild und der Vatikan

    5.2.4 Richtungskämpfe im Vatikan

    5.3 Abhängigkeiten, die wir zulassen

    5.3.1 Stalking, die Totalverfügung

    5.3.2 Der Sozialdarwinismus und der Überlebenswille

    5.3.3 Die Kirche und ihr Abgrund

    5.3.4 Mobbing ist der Abgrund

    5.3.5 Tintenfische und Mobbing im Sandkasten

    6 Mobbing in Troja und die Emser Depesche

    6.1.1 Die hohe Schule des Mobbing

    7 Die out-group bildet ihre eigene in-group

    7.1.1 Ideologie lebt von ihren Grenzen

    7.1.2 Fachkompetenz oder Parteibuch

    7.1.3 Der Elitegedanke und das Konkurrieren

    7.1.4 Wenn der Verein mobbt

    8 Aus der Schwäche in die Stärke

    8.1.1 Der Sieg des Underdogs

    8.2 Der Täter liefert ein Profil

    8.2.1 Mobbing im Bordell

    8.2.2 Mit einem Kuss ist längst nicht Schluss

    8.2.3 Gestern das römische Pissoir, heute hört man ab

    8.3 Mobbing mit Rattengift

    8.3.1 Streiche oder Mobbing

    8.4 Matricule sind keine Studentenscherze

    8.5 Zum Sex nötigen kommt teuer

    8.6 Bundeswehr

    8.6.1 Leib und Leben werden eingesetzt

    8.6.2 Die Hasenschule des Mobbings

    8.6.3 Der Schulhof - Schule fürs Leben

    8.7 Cybermobbing

    8.8 Widerstandskoeffizient

    8.8.1 Die Überkompensation

    9 Drinnen – draußen

    9.1 Im wörtlichen und im übertragenen Sinn

    9.1.1 Lonesome rider

    9.1.2 Drinnen und draußen in der Methodik der Wissenschaften

    9.1.3 Mobbing als Schutz für die in-group

    9.1.4 Depp und Betriebsnudel

    9.1.5 Mobbing macht aus allen anderen die Dummen

    9.1.6 Johann-Ohneland und die Sehnsucht nach der Gruppe

    9.1.7 Politisierung, wo sie nicht hingehört

    9.1.8 Risiko und Planification

    9.1.9 Mit Freund/Feind-Denken an die Macht

    9.1.10 Immunisier dich!

    9.1.11 Saddam Hussein und die Anfänge

    9.1.12 Utopie: Welt ohne Mobbing?

    10 Das Opfer, das vom Täter nicht lassen kann

    11 Schlussbemerkung

    Vorwort

    Mobbing ist so vielfältig in seinen Formen, dass man schlicht sagen kann, es entsteht aus Phantasie und Gemeinheit. Es ist ein kulturhistorisches Phänomen von entsprechender Wirkung und von entsprechendem Ausmaß. In der Tierwelt gibt es Mobbing nicht, die Gottesanbeterin frisst zwar ihren Geliebten nach dem Akt, das Raubtier seine Beute bei lebendigem Leib. Aber bös ist das nicht gemeint; denn die Tiere leben ohne Sitte und Moral. Der Mensch will die Kultur. Er hat nicht bedacht, dass er dabei einen Preis bezahlen muss, die Unkultur. Ohne sie hätte er das Paradies und eine vollkommene Utopie. Unkultur, was ist das. Sie kommt aus der Aggression, und aus ihr kommt das Mobbing.

    Mobbing ist eine Krankheit, eine Plage wie Cholera und die Pest. Nur selten wird man sagen können, gut, dass es Mobbing gibt.

    1 Mobbing

    1.1 Gestern – heute - morgen

    Was ist menschlich? Es ist, was es ist. Es genügt dem Menschen aber nicht, so zu sein. Er gibt ein Versprechen, legt einen Eid, ein Gelübde, einen Schwur ab auf die Verfassung, auf seinen Gott, auf Äskulap und auf seine Treue. Er verspricht, sein Versprechen einzuhalten. Er möchte ein besserer Mensch als der Mensch sein. Da scheint eine Sehnsucht uns nicht zu verlassen. Aber auch ein Gespür, es allein nicht zu schaffen, daher das Gelübde, das uns mit dem Höheren verbindet und Ermutigung gibt. Es gibt zwei Möglichkeiten, von denen ausgiebig Gebrauch gemacht wird. Der Mensch bemüht sich, ein ehrlicher Mensch zu sein. Was schon genügen würde, um über den Menschen, den man den sündigen Adam nennt, hinauszukommen. So das Thema in Theologie und Philosophie und Literatur (tras-umanar, Dante Alighieri, Divina Comedia, den Menschen übersteigen). Der Mensch, der unvollkommen ist und es nicht bleiben will, nicht bleiben soll. Er muss sich bemühen, und dann, heißt es in Goethes Faust, kann er schon erlöst werden.

    Und dann gibt es noch den Menschen, der sich für die Krone der Schöpfung hält. Dem Tier fühlt er sich überlegen, aber auch seinem Artgenossen gegenüber nimmt er gerne die Position der Superiorität ein. Das geht nur, indem er auf eine allgemein gültige menschliche Moral verzichtet und für sein Verhalten Regeln entwickelt, die nur für ihn und seine Gruppe Gültigkeit besitzen. Mobbing und jede mafiose Räuberbande operieren nach diesem Schema, das sich sogar jedes Individuum zurecht legen kann. Mobbing, das ist auch die Macht des feigen Mannes, des Heckenschützen, der von ehrlicher Auseinandersetzung auch im zivilen Bereich nichts hält.

    Egal, ob der Mensch eine pessimistische oder eine optimistische Meinung von sich hat, seine Anthropologie, seine allgemeine Menschenkunde, wird immer feststellen, dass es invariante Züge sind, die des Menschen Evolution mitbestimmen und aus dem Geschichtsverlauf nicht wegzudenken sind.

    Invariant bedeutet, dass es im Wesen des Menschen Züge gibt, die sich immer gleich bleiben wie etwa Selbstbehauptung und Fortpflanzung und Nestpflege. Zur Selbstbehauptung gehört die Bereitschaft zur Aggressivität, das war schon immer so und wird voraussichtlich so bleiben. Insofern invariant, aber deswegen liegt noch lange nicht eine Determination vor, bei der keine Alternative zugelassen ist. Von ihr spricht man, wenn ganz tief angelegt die Erbstruktur, also die DNS, die Eigenschaften des Menschen bestimmt und nur im Rahmen von Jahrhunderttausenden offen für Mutationen ist. Es lässt sich denken, dass konstantes Verhalten sich so gut durch die Zeit durchhält, weil es vorteilhaft ist, das nennt man auch ökonomisch. Wenn es nicht immer neu erfunden werden muss. Aber ausgeschlossen sind Verhaltensänderungen nicht. Einmal erzieht man die Kinder im häuslichen Nest, dann in der Kita. Mit ganz anderen Ergebnissen. Daraus leitet man den Optimismus ab, dass sich der Mensch in einem gradualistischen Prozess moralisch verbessern könnte. Mobbing und Aggressivität, auch wenn sie einen erheblichen natürlichen Anteil haben, also neurophysiologisch nachweisbar sind, könnte der Mensch als eine Herausforderung an seine Kultur ansehen, die das Denken in Alternativen, auch moralischen, stimuliert. Wenn die Kinder nur partiell die Verhaltensregeln der Eltern übernehmen, verursacht das einen höheren Aufwand an Energie, aber der ist gerade typisch auch für Prozesse der Erneuerung, der Kreativität. Zum Nulltarif ist das Leben nicht zu haben, wir müssen immer mit seinem „Widerstanstandskoeffizienten" (Jean-Paul Sartre) rechnen, prinzipiell, und dann noch mit zusätzlichen unerwünschten Ereignissen. Vielleicht ist ja eine gewisse Indolenz, eine anerzogene Schmerzunempfindlichkeit gegen unser Anspruchsdenken bzw. daraus folgende Frustrationen sinnvoll. Das bedeutet, dass wir überlegen mit unserer Bedürfnispyramide umzugehen bereit sind. Was ist dann menschlich? Nicht historisch sich ergebende Verhaltensschemata wären es, sondern die Kunst, bei der Autopoiesis, der Selbstgestaltung ein immer glücklicheres Händchen zu entwickeln. Die Verfolgung von Glück, The pursuit of happiness, als Leistung des Einzelnen dorthin, müsste bei allen Bremsklötzen zu realisieren sein. Wenn nicht, wäre unser Optimismus töricht, blind und eine hoffnungslose Selbsttäuschung. Beim Mobbing könnte man ja anfangen. Darauf könnte man doch hoffentlich leichter verzichten als auf Giftmord und sexuelle Nötigung. Aber bei unserer jetzigen condition humaine kombinieren wir auch noch beides, die Heimtücke und dann das Strafgesetzbuch.

    Die Phantasie, sich im geistigen Möglichkeitsraum zu bewegen, wird aktiviert und widerspricht einem Verhalten, das von Determinanten festgelegt wäre. Das heißt, der Mensch wird nicht immer oder ausschließlich von seinen Bedingungen bestimmt, wie der Zugvogel von seinem Programm, immer nach Südafrika fliegen zu müssen. Er kann in einem bestimmten Rahmen bewerten und entscheiden. Insofern kann man bei ihm von Autonomie sprechen, von Freiheit. Der Fußballer Rechtsaußen wird zum königlich-kaiserlichen Vorbild für die Jugend ernannt. Die Umstände, wie er erfolgreich Fußball spielt und wie er smart vor einem begeisterten Publikum auftritt, legen ihn aber nicht fest. Sie sind zwar seine Herausforderung, diese Rolle hoch zu bewerten und auszufüllen, über Jahrzehnte. Ein Verhaltenschema kann aber geändert werden. Der Versuchung kann der Rechtsaußen und jeder andere aber erliegen, es anders, auch unmoralisch zu machen. Hätten wir einen Determinismus, der uns, als seien wir eine Maschine oder Marionette, immer festlegt, die zehn Gebote einzuhalten, würden wir die Gebote gar nicht brauchen und auch nicht kennen. Jedes Gebot, jede moralische Regel ist eine Erinnerung daran, dass wir sie bitter nötig haben.

    Die Handlungen des Menschen bewerten wir. Sind sie verwerflich oder können wir sie rechtfertigen. Eine Kultur, in der das nicht verlangt wird, können wir utopisch nennen. In ihr handelt der Mensch immer richtig. Das könnten wir uns auch jetzt schon wünschen und müssten dann die Frage beantworten, wie werden wir Aggressivität und Mobbing los. Wie den Opportunismus, diesen Egoismus, den wir nicht selten bis zum äußersten zu verfolgen bereit sind. Wenn wir darauf eine Antwort finden könnten, müssten wir nicht die 2700 Utopien lesen, die der Mensch seit der Antike zu diesem Thema geschrieben hat. Die Handlungen, die Techniken und Methoden, mit denen wir dem Nächsten das Leben schwer machen, sind dagegen nicht besonders kompliziert und wohl leicht zu lernen. Erschreckend leicht zu lernen, so dass jeder Flachkopf sie beherrscht. Auch die Gründe, aus denen heraus geschnitten und verleumdet wird, sind durchschaubar. Keinesfalls aber sind die Folgen abzusehen, die mit solchen Aktionen angerichtet werden. Man kann die Gründe für einen Amoklauf benennen. Man kann ihn aber nicht voraussehen. Man kann einen Mitmenschen bis zur Verzweiflung und zum Selbstmord treiben. Wie er schließlich reagiert, liegt aber bei ihm.

    1.2 Das ökonomische Prinzip

    Wer effizient wirtschaften will, wendet das ökonomische Prinzip an. Mit minimalen Kosten soll gewirtschaftet werden, alles andere wäre Verschwendung. Wer seinen Input kennt, 100 EUR, rechnet mit einem maximalen Out-put. Auf der Ebene der einfachen Physik kennen wir das Hebelgesetz. Mit leichter Kraftanstrengung bewegen wir die Schwergewichte und steter Tropfen höhlt den Stein. In der Chaostheorie spricht man von der bescheidenen Ursache, die einen Hurrikan auslöst. Von der Physik und Natur geht es zum komplexen menschlichen Handeln. Als in einem Roman von Max Frisch der Ehemann nach knapp 10 Jahren aus der Fremdenlegion nach Hause kommt, fragt seine Frau als erstes und auch als letztes: „Wo kommst du her? Er dreht sich auf dem Absatz um und kommt dieses Mal nie wieder zurück. Ein Wort hat Macht, mit einem Wort gibt man dem anderen Macht über sich. Ein schwach gehauchtes „ja und die Folgen sind die, wie die Chaostheorie sie beschreibt. Eben fulminant. Mobbing entwickelt die Macht eines Hebels, worin auch immer ein Faszinosum liegt. Dreißig Jahre lang knistert er beim Frühstück mit dem Brötchen, was sie schwer erträgt und jeden Morgen moniert. Sie löst das Mobbingproblem mit einem kurzstieligen Beil, das sie an einem Tischbein deponiert hatte, zieht ihm den Scheitel mittig und erlebt später das Entgegenkommen eines britischen Gerichts, das sie freispricht. Es gibt hier eine „Royal Society for The Prevention of Cruelty to Animals", die man wohl auf die Täterin bezogen hat.

    1.2.1 Der pessimistische Ansatz

    Hier liegt ein pessimistischer Ansatz unserer Kultur, und dieser Ansatz ist ein praktischer, wie wir unsere Welt gestalten und auf sie reagieren. Der Mensch hat nicht nur eine Geschichte, er hat auch immer gehofft, eine Entwicklungsgeschichte, eine kulturelle Evolution zum Besseren zu besitzen. Die Christenverfolgung im antiken Kolosseum hat aber eine Dimension der Grausamkeit, die von einem modernen Krieg leicht überboten wird. Solche Konstanten im menschlichen Wesen lassen vermuten, dass gerade da, wo wir hoffen und auch hoffen müssen, wir könnten sie verlernen, auch unser Pessimismus eine Konstante sein dürfte.

    Ab dem 2. Lebensjahr, so der Verhaltensforscher und Anthropologe Michael Tomasello, weiß das Menschenkind, wie es seinesgleichen ärgern kann, was man später auch grillen nennt. Mit dem Gewissen ist es noch nicht so weit her, sadistische Freude liegt näher, die eher daraus entspringt, dass Empathie ein Empfinden ist, das der Mensch erst entwickeln muss. Wenn hier Kultur zu erwachen beginnt, dann ist die Natur, die hier kontrolliert werden müsste, noch zu stark und wird immer wieder im folgenden Leben die Oberhand gewinnen können. Sobald im Verhalten des Menschen seine variantenreiche Kultur eine Rolle spielt, und das wünschen wir uns ja auch, bekommen wir es mit den Invarianten zu tun, über die sich der Anthropologe freut, weil er so den Menschen wiedererkennen kann. Und der Kulturwissenschaftler verzweifelt, weil die Invarianten, die etwas Fundamentales sind, also die Bereitschaft zur Aggressivität etwa, eben nicht ausgerottet werden können und der Kultur entgegen zu stehen scheinen.

    Opportunistisches Interesse ist stärker als der Wille, die zehn Gebote überhaupt ernst zu nehmen. Hohe geistige Kraft ist nötig, wenn Moral gewinnen soll. Anthropologische Invarianten, der Mensch ist wie er ist, mit Nestbau und Fürsorge für den Nachwuchs, haben es immer in sich. Solche Verhaltensweisen sind, kurz gesagt, ewige Schemata und folgenreich. Die Bereitschaft zur Aggressivität kommt der Verteidigung des ewigen Wasserlochs zugute mit allem was dazugehört. Das wären die Bedürfnisse der Horde und der Gruppe, die im Konkurrenzverhältnis zu anderen stehen. Später sind es ganze Kontinente, die überfallen werden und man spricht von Weltkriegen. Aggressivität als präventive, und das heißt auch als willkürlich einsetzbare Möglichkeit, „wir mussten da rein gehen", eröffnet dann die Loslösung von der Notwendigkeit, sich zu verteidigen und das bedeutet, man landet beim Überfall. Dieser wird kulturfähig, ein bitterer Gedanke, so als wäre er ein positives agonales Element unseres Fortschritts. Da diese Art der Aggression älter als jede Zivilisation ist, entbehrt sie jeder Kultur. Wenn das Mobbing aufkommt, fließen beide, Natur und Kultur, zusammen. Mobbing hat sehr viel mehr von unserer Kultur, als wir wahrhaben wollen.

    Aggressivität

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