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Die Kestel Regression
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Die Kestel Regression

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About this ebook

Die Fortsetzung des Romans 'Das Kestel Psychogramm'.
Tobias Kestel ist wieder zurück. Sein behandelnder Arzt in der Psychiatrie ging in den verdienten Ruhestand und wurde von einem jungen und ambitioniertem Arzt, Dr. Barters, abgelöst. Für Barters bedeutete Kestel die Chance, sich einen internationalen Ruf zu erarbeiten und es dauerte nicht lange, dann erklärte er Tobias Kestel für geheilt. Der muss sich lediglich dazu bereiterklären, bei Kongressen als Beispiel für die einzigartige Leistung Dr. Barters zur Verfügung zu stehen. Nach neun Jahren in der Psychiatrie wird Kestel aus dem Gewahrsam entlassen. Auf einem Kongress, zu dem Dr. Barters seinen 'geheilten' Patienten mitnimmt, lernt Kestel einen russischen Diplomaten kennen, der ihn fortan unterstützt und fördert. Aber ist Tobias Kestel wirklich geheilt?
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateJan 25, 2020
ISBN9783750222342
Die Kestel Regression

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    Die Kestel Regression - Jürgen Ruhr

    -

     

     

      

    Die Kestel Regression

    Thriller

    © by Jürgen H. Ruhr

    Mönchengladbach

     

    ruhr-autor@online.de

      

     

      

      

    Lupus pilum mutat,

    non mentem

    Der Wolf ändert den Pelz,

    nicht den Sinn

    Sueton

    Prolog

    Der Mann in dem dunkelblauen Maßanzug schob seinen Nachtischteller von sich und wischte noch einmal sorgfältig mit der Serviette über den Mund. Wie immer war das Essen in dem gehobenen Privatclub ausgezeichnet gewesen, doch er hatte es heute nicht richtig genießen können.

    Heute nicht.

    Dafür brannte er zu sehr darauf, seinen Kollegen die sensationelle Neuigkeit endlich verkünden zu können. Eine Neuigkeit, auf die er nun seit über einem Jahr hinarbeitete. Eine Sensation, die ihn endlich zu den Koryphäen der Psychiatrie werden lassen würde und die ihm - hoffentlich früher als später - endlich die wohlverdiente Leitung der Klinik übernehmen ließe. Das, was er seinen Kollegen heute verkünden würde, dürfte einmalig in der Geschichte der Psychiatrie sein. Jedenfalls war ihm kein ähnlicher Fall bekannt.

    Während er den Nachtischlöffel hob, um damit an sein Weinglas zu klopfen, blickte er sich in der Runde der Kollegen um. Normalerweise saßen sie hier zu zehnt an dem großen runden Tisch, doch heute fehlte ein Arzt, der als einziger von ihnen eine Praxis unterhielt und nicht in einer der psychiatrischen Kliniken arbeitete. Er dachte kurz an den Mann, doch der war nicht wirklich wichtig. Die wichtigen Ärzte saßen hier und würden jeden Augenblick staunend seine Neuigkeit zu hören bekommen. Sie trafen sich hier zweimal im Monat, um bei einem opulenten Mahl Gedanken auszutauschen und über Fortschritte in den Behandlungsmethoden zu sprechen.

    Und heute war endlich sein Tag!

    Während der Arzt sich langsam erhob, klopfte er mit dem Löffel gegen das Kristallglas. Augenblicklich wurde es still am Tisch und seine Kollegen schauten ihn fragend an. Er konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Dann wurde sein Blick ernst und wichtig, während er dazu ansetzte, die Neuigkeit zu verbreiten.

    „Liebe Kollegen, begann er seine zuvor einstudierte Rede und blickte lächelnd in die Runde. „Es ist mir eine Ehre, mit ihnen hier am Tisch sitzen zu dürfen. Und das schon seit meinem Eintritt in die Klinik vor einem Jahr.

    „Ein Jahr und zwei Monate, unterbrach ihn ein Kollege und fügte hinzu: „Wir wollen doch bei genauen Angaben bleiben.

    Ein leises Schmunzeln ging um den Tisch und der Arzt klopfte noch einmal an sein Glas. „Ich glaube nicht, dass das wirklich eine Rolle spielt, Herr Kollege", fuhr er fort und hielt den Blick auf den Mann gerichtet. Der Arzt, der ihn so rüde unterbrochen hatte, war bekannt dafür, ein Witzbold zu sein. Ein Franzose namens Mathéo Meunier, der vor zahlreichen Jahren von Frankreich an eine Privatklinik in Köln Hürth gewechselt war. Gerüchten zufolge kam der Mann einst nach Deutschland, als er hier die Liebe seines Lebens gefunden hatte. Meunier maß vielleicht einen Meter achtundsechzig und war ziemlich korpulent. Jetzt klopften die ‚Wurstfinger‘ des Kollegen einen imaginären Takt auf der Tischdecke und er blickte sehnsüchtig auf die Nachspeise, von der er kaum etwas gegessen hatte. Zweifelsohne war er von dem Arzt beim Essen gestört worden.

    „Aber es ist natürlich korrekt: ein Jahr und zwei Monate, seufzte der Arzt schließlich, um endlich zum Thema zu kommen: „Ich habe ihnen heute eine kleine Sensation zu berichten und bitte sie, mir ohne Unterbrechungen zuzuhören. Wieder blickte er Meunier an, während der schuldbewusst seinen Blick senkte.

    „Wie sie ja alle wissen, habe ich die Behandlung des Patienten Tobias Kestel vor einem Jahr über..., er unterbrach sich, blickte lächelnd auf den Kollegen Meunier und korrigierte seine Worte, „vor einem Jahr und zwei Monaten übernommen, als der geschätzte Kollege Fiemrer in den wohlverdienten Ruhestand gegangen ist. Ich hatte die Gelegenheit, mich umfassend einzuarbeiten und damals erkannte ich schon das Potenzial, das eine hochwertige Behandlung des Patienten bieten würde: nämlich die vollständige Heilung. Und nun endlich ist es soweit, ich bin stolz und glücklich, ihnen verkünden zu dürfen, dass es mir gelungen ist: Tobias Kestel kann als vollständig geheilt betrachtet werden. Damit wird in absehbarer Zeit seine Rückführung in das zivilisierte Leben stattfinden. Die Klinikleitung hat nach sorgfältiger Betrachtung meiner Therapieergebnisse dem uneingeschränkt zugestimmt. In wenigen Tagen werden zu diesem Thema einige von mir verfasste aussagekräftige Artikel in den führenden Arztmagazinen erscheinen. Ich pla...

    In diesem Moment wurde er durch Mathéo Meunier unterbrochen, der ihn entsetzt ansah. Auch die anderen Kollegen blickten skeptisch und so mancher schüttelte sorgenvoll den Kopf. „Herr Dr. Barters, das wird doch wohl nicht ihr Ernst sein? Ich habe die Geschichte des Tobias Kestel von Anfang an verfolgt und mich oft mit dem Kollegen Fiemrer besprochen. Eine Heilung, so wie sie sie erreicht haben wollen, ist einfach unmöglich."

    Dr. Barters schüttelte den Kopf: „Sie sehen das zu schwarz, Herr Kollege. Er betonte das ‚Herr Kollege‘ absichtlich abfällig, um zum Ausdruck zu bringen, was er von dem älteren Arzt hielt. Nämlich eigentlich nichts. „Meine Diagnose basiert auf zahlreichen Beobachtungen, Versuchen und Untersuchungen. Wie ich schon früh in meiner Praxisarbeit feststellen konnte, sind Menschen sehr wohl heilbar. Man muss an das Gute in ihnen glauben, ihnen Mut und Hoffnung geben und sie da...

    „Geschwafel, unterbrach ihn Meunier erneut. „Auf was für Erfahrungen aus ihrer Praxisarbeit wollen sie sich stützen? Die Behandlung von Alkoholsüchtigen und hysterischen Hausfrauen? Das waren doch ihre Hauptaufgaben in der kleinen Praxis, oder irre ich mich? Und die Stelle in der Psychiatrie haben sie doch nur bekommen, weil ihr Herr Vater der Klinik eine größere Summe gespendet hat. Das können doch selbst sie nicht bestreiten.

    Barters spürte, wie sein Gesicht rot anlief und das machte ihn wütend. „Das tut hier nichts zur Sache, Herr Meunier, wies er den Alten zurecht. „Die Stelle war vakant und ich der geeignetste Bewerber. Von etwaigen Spenden war mir nichts bekannt.

    „Natürlich nicht, Herr Kollege, erwiderte Meunier süffisant. Dann aber fuhr er eindringlich und ernst fort: „Tobias Kestel ist eine tickende Zeitbombe. Eine Regression, also der Rückfall in alte Gewohnheiten, ist nahezu vorprogrammiert. Wie wollen sie das verhindern? Mit was für einer Therapie? Oder haben sie ihm das halbe Gehirn weggeschnitten und ihn auf diese Weise geheilt? Wenn sie den Mann auf die Menschheit loslassen, wird er in seine frühere Entwicklungsstufe zurückfallen und das wäre dann die Regression. Meunier schmunzelte trotz des Ernstes der Situation und fuhr fort: „Das wäre de facto ein GAR."

    „GAR?" Barters sah den Kollegen fragend an.

    „Eine größte anzunehmende Regression", erklärte Meunier.

    „Sie verkennen die Situation, Herr Meunier. Und sie reden Blödsinn, wenn sie von ‚GAR‘ reden. Meine Therapiemethode ist sicher und es wird keinen Rückfall Tobias Kestels geben."

    Meunier schüttelte den Kopf: „Nein, Herr Dr. Barters, sie verkennen die Situation. Sie verrennen sich da in etwas, das nicht kontrollierbar sein wird. Tobias Kestel ist nicht geheilt, er kann gar nicht geheilt sein. Sie sollten wenigstens noch die Meinung von mehreren Experten einholen, bevor sie solch einen schwerwiegenden Schritt tun und Kestel entlassen."

    Barters stellte das Weinglas abrupt auf den Tisch und warf den kleinen Löffel daneben. Dann richtete er seinen Zeigefinger auf Meunier. „Und einer dieser ‚Experten‘ wollen sie sein, richtig? Nein, nein mein Lieber. Meine Versuche und Beobachtungen sind abgeschlossen, Tobias Kestel ist geheilt. Das können selbst sie mit ihrem angeborenen Pessimismus nicht ins Negative wenden. Kann es nicht einfach nur sein, dass sie mir den Erfolg neiden? Selbst ein Stück vom Kuchen abhaben wollen? Dar..."

    Wieder unterbrach ihn der ältere Kollege. Kopfschüttelnd meinte er: „Darüber sollten sie sich keine Sorgen machen, Herr Dr. Barters. Aber bedenken sie bitte auch, dass eine Regression des Patienten ihnen angelastet wird. Wollen sie solch ein Risiko eingehen? Wollen sie riskieren, dass Tobias Kestel erneut mordet? Erneut kleine Kinder zu Tode quält? Denken sie darüber einmal nach!"

    „Tobias Kestel ist geheilt. In dieser Hinsicht brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Dies ist ein Fall, den sie nicht beurteilen können, denn ich habe den Patienten nun über ein Jahr therapiert. Ja, ich weiß: Ein Jahr und zwei Monate. Aber das war ich und nicht sie!"

    Jetzt meldete sich ein anderer Kollege zu Wort und Barters überlegte, wie der Mann hieß. Es war unwichtig und der Name fiel ihm auch nicht ein. Unwichtig.

    „Herr Dr. Barters", begann der Arzt, dessen Namen mit ‚H‘ anfangen musste. Barters hörte ihm kaum zu. Wie kam es, dass sich plötzlich alle gegen ihn wandten? War es wirklich der pure Neid? Gönnte ihm denn niemand diesen bahnbrechenden Erfolg?

    „Herr Dr. Barters. Ich glaube im Namen aller Kollegen hier zu sprechen, wenn ich sie dringend bitten muss, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Lassen sie Tobias Kestel wenigstens von einer unabhängigen Kommission begutachten. Alle unsere Patienten sind Schauspieler. Der eine besser, der andere schlechter. Aber es gibt zahlreiche Methoden ihnen auf den Zahn zu fühlen. Eine so schwerwiegende Entscheidung, wie die Entlassung des Patienten Kestel, sollte nicht ein einziger Arzt treffen."

    Barters wurde zusehends wütender. Was bildeten diese Leute sich eigentlich ein? Wieso maßten sie sich an, seine Entscheidungen in Frage zu stellen und zu kritisieren? „Herr Kollege, fuhr er den Mann scharf an, „die Entscheidung ist getroffen. Die Klinikleitung hat meiner Empfehlung zugestimmt und mein Assistent, der Tobias Kestel auf seinen Freigängen beobachtet und analysiert hat, geht mit meiner Meinung konform. Sie alle kennen den Fall Tobias Kestel höchstens vom Hörensagen oder von Gerüchten her und können sich daher kein neutrales Urteil bilden. Glauben sie mir, ich weiß was ich tue!

    Meunier meldete sich wieder zu Wort und seine Stimme klang pessimistisch und resigniert: „Hat ihr Herr Vater wieder an die Klinikleitung gespendet? Kein vernünftiger Mensch würde den Patienten Tobias Kestel nur auf das Wort seines behandelnden Arztes entlassen."

    „Was fällt ihnen ein, Herr Meunier!, brüllte Barters. „Sie deuten damit an, dass die Klinikleitung bestechlich wäre. Ich hätte mir eine sachlichere Diskussion gewünscht, aber nicht diese haltlosen Anschuldigungen! Guten Tag, meine Herren!

    Barters hieb mit der Faust auf den Tisch, so dass sein Weinglas umfiel und einen roten Fleck auf der weißen Tischdecke hinterließ. Dann stürmte er wutentbrannt aus dem Raum.

    1. Die Anhörung

    Dr. med. Bernard Christian Barters betrachtete sich in dem kleinen Wandspiegel im Badezimmer seines Büros. Was er sah gefiel ihm: Ein Achtunddreißigjähriger mit einem gepflegten Drei-Tage-Bart, einer zurzeit äußerst angesagten, modischen Brille und dem vollen Haarschopf, der ihn bei den Frauen so begehrt machte. Der Maßanzug kleidete ihn ausgezeichnet und die sechstausend Euro waren gut angelegt. Barters fragte sich kurz, ob er mit dem Anzug nicht übertrieben hatte, doch das war sein Markenzeichen: gute und teure Kleidung. Die Lederschuhe kamen auf gut und gerne noch einmal sechshundert Euro, doch auch sie waren Maßanfertigung und er fühlte sich äußerst wohl darin. Ein guter Schneider, ein guter Schuster und natürlich ein guter Coiffeur waren schließlich mit das Wichtigste im Leben. Und gutes Essen, aber das verstand sich ja von selbst.

    Barters kontrollierte den Sitz seiner Krawatte, dann blickte er auf die sündhaft teure Uhr an seinem Handgelenk. Noch zwanzig Minuten bis zu der Sitzung, die ihm dieser dämliche Franzose eingebrockt hatte. Barters verdrängte absichtlich, dass Dr. Meunier schon einen Großteil seines Lebens in Deutschland verbrachte und auch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Für ihn war der Mann nur der ‚kleine dicke Franzose‘. Und der hatte es schließlich doch noch geschafft, dass eine erneute Anhörung des Patienten Tobias Kestel erfolgen sollte. Ursprünglich war auch die Anwesenheit eines neutralen Kollegen geplant gewesen, doch eine weitere ‚Spende‘ seines Vaters hatte dies in letzter Sekunde abwenden können. Barters hasste den Kollegen Meunier umso mehr und dachte jetzt schon darüber nach, wie er es ihm heimzahlen konnte. Aber zunächst galt es, die Anhörung zu seinen - und Tobias Kestels - Gunsten zu überstehen. Trotz der großzügigen Spende war sich Bernard Barters über den Ausgang der Befragung nicht mehr so sicher. 

     

    Und zu allem Überdruss hatte ihm sein Vater klargemacht, dass er nicht ewig die Karriere seines Sohnes mit ‚Spenden‘ unterstützen würde. „Bernard, hatte er gesagt und dabei sehr ernst geblickt, „einmal muss Schluss sein. Ich habe deinen Abschluss als Arzt mit Unsummen unterstützt und dafür gesorgt, dass du eine Anstellung in der psychiatrischen Praxis bekamst. Für die ‚Spende‘ hätte ich dir fast auch eine eigene Praxis einrichten können. Und dann der Wechsel zur Klinik. Ebenfalls eine unverschämt hohe Summe. Und nun dies hier. Was liegt dir eigentlich daran, diesen Tobias Kestel wieder in Freiheit zu sehen? Bist du wirklich sicher, dass der Mann zukünftig seine Finger von kleinen Kindern lassen wird?

    „Vater", Barters gab sich reumütig. Er wusste, dass er so am meisten bei seinem alten Herrn erreichen konnte. „Es ist meine Berufung. Ich will doch dir und der Familie Ehre machen, aber leider zeigen sich die Menschen allzu verbohrt. Tobias Kestel wurde durch meine Therapie geheilt und die Anerkennung der Fachwelt wird nicht nur mein Image, nein unser Image, steigern und in unermessliche Höhen befördern, sondern mir auch eine Menge Geld einbringen. Du wirst sehen, dass ich dir deine Auslagen doppelt und dreifach zurückzahlen kann."

    Sein Vater schüttelte den Kopf, so als wollte er sagen: ‚Na, wer’s glaubt‘ und knurrte: „Das werden wir noch sehen. Bisher hast du mich lediglich eine Menge Geld gekostet und kaum etwas erreicht. Beweise mir, dass du meine Mühen auch wert bist!"

     

    Barters wischte einige imaginäre Stäubchen von seiner Schulter. Seine Arbeit in der Praxis war seiner Meinung nach sehr gut gewesen. Leider dachten die Kollegen dort anders und als er in die Klinik wechselte, sah Bernard Barters manch erleichtertes Gesicht. Aber auch Tränen, denn als die Sprechstundenhilfe ihn fragte, ob sie sich weiter treffen würden, schüttelte er damals nur stumm den Kopf. Dass er des Mädchens überdrüssig war und der Sex mit ihr langsam fad wurde, hatte er verschwiegen. Er wollte die Kleine ja nicht vor den Kopf stoßen und vielleicht würde er sie ja noch einmal brauchen. Jedenfalls konnte ihm niemand schlechte Arbeit vorwerfen. Zahlreiche Alkoholiker waren innerhalb kürzester Zeit von ihm geheilt worden und kamen lediglich noch regelmäßig zu ihm, um sich Tabletten verschreiben zu lassen. Besonders bewährte sich dabei in der Therapie das Mittel Fentanyl, das er als Pflaster verabreichte. Es dauerte nie lange, bis die Patienten auf ihren Alkoholkonsum verzichten konnten oder diesen wenigstens reduzierten. Eine hervorragende Therapie, die er auch bei Tobias Kestel angewendet hatte. Und der Erfolg gab ihm schließlich Recht!

    Er blickte erneut auf seine Uhr, die er günstig gekauft hatte. Eine original Chopard Imperiale, die er für zweihunderttausend Euro und damit gut fünfzigtausend günstiger, als normal, erworben hatte. Der Kampf mit seinem Vater, um das Geld zu erhalten, kostete ihn allerdings einige Nerven. Schließlich durfte er sich die Uhr zu seinem dreißigsten Geburtstag kaufen und sein Vater verlor auch nie wieder ein Wort darüber.

    Jetzt wurde es allerdings Zeit, sich der Auseinandersetzung mit der Klinikleitung zu stellen. Als er am Dienstag - direkt nach dem Pfingstwochenende - von der Eingabe dieses Dr. Meunier und seiner Kollegen erfahren hatte, musste er Tobias Kestel auf die neuerliche Befragung vorbereiten. Das war ihm in den letzten beiden Tagen gut gelungen und würde Kestel heute keinen Fehler machen und war die Spende seines Vaters entsprechend großzügig ausgefallen, dann dürfte Kestel schon Anfang der kommenden Woche in Freiheit sein. Schließlich war alles schon vorbereitet: Barters Assistent hatte eine kleine Wohnung gemietet, Zivilkleidung in Kestels Größe besorgt und sogar für einen Job in einem Altenheim gesorgt. Kestel konnte dort als Aushilfe arbeiten und würde ihm bei Bedarf zur Verfügung stehen.

    Heute war Donnerstag und der große Zeiger seiner Uhr rückte unentwegt auf die Sechs vor. Zehn Uhr dreißig und Barters durfte auf keinen Fall unpünktlich sein.

     

    „Guten Morgen, meine Dame und Herren", begrüßte er die Anwesenden, während er bewusst gutgelaunt zu seinem Stuhl trat. Sie befanden sich hier in einem kleinen Besprechungsraum, in dem um einen ovalen Tisch herum mehrere Stühle gruppiert waren. Der Klinikleiter saß mit seiner Sekretärin und einem jüngeren Kollegen an der Stirnseite des Tisches, hinter der sich auch die Leinwand für Bildprojektionen befand. Allerdings würden sie sie heute nicht benötigen und daher befand sie sich noch in dem Kasten an der Decke.

    Barters stellte mit Genugtuung fest, dass der für den neutralen, externen Arzt vorgesehene Stuhl leer war. Eins zu null für Vaters ‚Spende‘. Er verbeugte sich leicht in Richtung der drei Personen und nahm auf seinem Stuhl Platz. Der Klinikleiter, Dr. Osslinger, sah ihn prüfend an, sagte aber nichts. Seine Sekretärin spielte an dem Laptop herum, auf dem sie wohl das Protokoll führen würde. Dem anderen Arzt war die ganze Sache anscheinend recht peinlich, denn er betrachtete angelegentlich die Tischplatte und schien sich in der Situation auch nicht recht wohlzufühlen. Barters wusste, dass der Kollege erst seit kurzer Zeit im Klinikum war. Dessen Anwesenheit konnte er gut akzeptieren, denn der Mann würde mit Sicherheit keinerlei Aussage entgegen den Wünschen der Klinikleitung äußern. Sie alle wussten, dass dies mehr oder weniger eine Farce darstellte, die ein Dr. Meunier unnötigerweise initiiert hatte. Barters wurde sich seiner Sache zunehmend sicherer.

    Osslinger sah ungehalten auf seine Uhr, die nicht annähernd der Klasse von Barters Imperiale nahekam. Allerdings wurde es allmählich Zeit, dass Barters Assistent, Dr. Holger Friesgart, mit ihrem Patienten eintraf. Barters hatte beiden zuvor mehrere Male eingebläut, unbedingt pünktlich zu sein und jetzt war es schon fünf Minuten über der Zeit. Er nahm sich vor, seinen Assistenten später gehörig zusammenzuscheißen.

    Plötzlich öffnete sich die Tür und Tobias Kestel, gefolgt von Dr. Friesgart, betrat den Raum. Kestel verbeugte sich - so wie es Barters ihm eingetrichtert hatte - und blieb demütig neben der Tür stehen.

    „Guten Morgen, begrüßte sie Dr. Friesgart, der neben Kestel stand. „Bitte entschuldigen sie unsere Verspätung, aber es gab in Abteilung fünf C einen Notfall. Es ist meine Schuld, dass wir nicht früher hier sein konnten.

    Dr. Osslinger hob wohlwollend die Hand und winkte die beiden zu sich heran. Dann zeigte er auf zwei freie Stühle. „Nun, das entschuldigt sie natürlich, nickte er. „Bitte nehmen sie Platz und lassen sie uns beginnen. Er nickte der Sekretärin zu, die sich ihrem Laptop widmete und auf der Tastatur herumhämmerte.

    „Ich gehe davon aus, dass sie alle wissen, warum wir uns heute hier zu einer außerplanmäßigen Anhörung eingefunden haben. Ich muss auf die Beweggründe trotzdem wegen des Protokolls eingehen. Zunächst einmal stelle ich die Anwesenheit fest: Im Raum befinden sich Herr Dr. Bernard Barters, sein Assistent Herr Dr. Friesgart, ferner Dr. Reinhard Gelsmann in seiner Eigenschaft als neutraler Beobachter, Frau Sabine Vornau die Sekretärin und Schriftführerin, sowie meine Wenigkeit, Dr. Dr. med. Osslinger, der Leiter der Klinik. Und zu guter Letzt befindet sich der Patient Tobias Kestel in dem Konferenzraum."

    Osslinger machte eine kurze Pause und wartete, bis die Sekretärin alles in ihren Computer getippt hatte. Dann fuhr er fort: „Auf Anliegen des Arztes Dr. Meunier und einiger anderer Kollegen treffen wir hier heute zu einer Anhörung des Patienten Tobias Kestel in der Angelegenheit seiner durch Dr. Barters diagnostizierten Heilung und der damit einhergehenden Entlassung aus der psychiatrischen Klinik. Dr. Meunier und seine Kollegen drängen in einem durch Boten zugestellten Schreiben darauf, die geplante Entlassung zu revidieren und Herrn Tobias Kestel in der Obhut und Behandlung der Klinik zu belassen. In den angeführten Argumenten bezweifelt Dr. Meunier den Erfolg der Therapie des Herrn Dr. Barters."

    Wieder folgte eine Pause. Barters hielt seinen Blick auf die Tischplatte gesenkt, beobachtete aber aus den Augenwinkeln abwechselnd seinen Patienten Tobias Kestel, sowie den Klinikleiter. Die Frage, die ihn beschäftigte, lautete, ob Osslinger gegen die Entlassung Kestels ebenfalls Bedenken hegte. Dr. Meunier konnte durch seinen Brief zweifellos in Osslinger eine gewisse Angst in Bezug auf das zukünftige Verhalten des Patienten geweckt haben. Dr. Osslinger befand sich in einer Zwickmühle, auf deren einen Seite das gute Geld von Barters Vater und auf der anderen Seite die Unsicherheit in Bezug auf die Person Kestel steckten. Wie würde Osslinger entscheiden?

    Der Klinikleiter zog einen Aktenordner, der vor ihm auf dem Tisch lag, zu sich heran und blätterte darin. „Herr Kestel", wandte er sich an den Patienten, der sofort von seinem Stuhl aufsprang und so etwas wie eine militärische Haltung annahm. ‚Übertreibe es nicht‘, warnte Barters ihn mit den Augen, doch Kestel blickte stoisch zu Boden.

    „Herr Tobias Kestel, wie geht es ihnen, wie fühlen sie sich?"

    „Gut, danke Herr Klinikleiter. Ich fühle mich ruhig und zufrieden, allerdings ein wenig unterfordert. Ich möchte arbeiten, etwas schaffen und mir meinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Dank der Therapie meines wundervollen Arztes bin ich ein vollkommen neuer Mensch geworden. Den alten Tobias Kestel gibt es nicht mehr."

    Osslinger nickte mit dem Kopf und Barters atmete ein wenig auf. Sie hatten Kestels Antwort zum Glück lange genug einstudiert.

    „Sehr schön, Herr Kestel. Dr. Osslinger wandte sich an die Sekretärin: „Bitte nehmen sie ins Protokoll auf, dass wir jetzt hier nicht alle von Dr. Barters durchgeführten Therapien und Maßnahmen erläutern wollen, sondern dem Protokoll die Therapieunterlagen anheften werden. Ich fahre nunmehr mit der Befragung fort.

    Er wandte sich wieder dem Patienten zu, lächelte und meinte: „Herr Kestel, bitte erläutern sie mir, was sie denken, wenn sie ein Kind oder eine Gruppe Kinder sehen."

    Kestel schwieg einen Moment, so als würde er über die Frage angestrengt nachdenken. Doch auch diese Thematik hatten Barters und er eingehend besprochen. „Herr Vorsitzender, ich habe selbst zwei Kinder und meine Gedanken kreisen lediglich darum, dass es den Kindern - allen Kindern - gut gehen möge und ich hoffe, meine eigenen eines Tages einmal wiedersehen zu können. Falls sie darauf ansprechen, ob ich jemals wieder diese falschen Sachen machen möchte, so kann ich mit einem klaren ‚Nein‘ antworten. Das war ein anderer Tobias Kestel. Ein kranker Mensch, der ich heute nicht mehr bin. Dr. Barters hat mich geheilt."

    Wieder nickte der Klinikchef und wieder atmete Barters ein wenig auf. Kestel musste lediglich noch ein paar Fragen weiter durchhalten. Barters Reputation in Fachkreisen rückte wieder in greifbare Nähe.

    „Ich nenne ihnen jetzt einige Begriffe, auf die sie mir spontan und ohne langes Nachdenken antworten werden. Antworten sie möglichst mit nur einem Wort. Haben sie verstanden, worum es geht, Herr Kestel?"

    Der Patient Tobias Kestel nickte und Dr. Barters rieb sich im Geiste die Hände. Dieses Frage- und Antwortspiel hatten sie bis zum Erbrechen geübt. Schließlich war es Teil der Therapie und eine Möglichkeit, den Geisteszustand des Patienten zu erforschen.

    Kestel nickte.

    „Gut, beginnen wir: Fahrrad."

    Kestel blickte unbefangen auf: „Fortbewegung."

    „Kinderspielplatz."

    „Sand."

    „Messer."

    „Brote."

    „Skalpell."

    „Ärzte."

    „Schmerzen."

    „Linderung."

    Barters hielt die Luft an. Alle Antworten entsprachen seinen Befragungen, lediglich die auf ‚Schmerzen‘ hatte Kestel bisher mit ‚Tabletten‘ beantwortet. ‚Linderung‘ war sehr mehrdeutig, zumal in allen Polizeiprotokollen stand, dass Kestel seinen jungen Opfern damals ‚Linderung‘ verschaffen wollte.

    Aber Dr. Osslinger ging auf die letzte Antwort nicht ein. Vielleicht hatte er nicht richtig zugehört oder er akzeptierte die Antwort einfach nur so. Jedenfalls beendete er mit einem zufriedenen Nicken die Befragung und wandte sich wieder seiner Sekretärin zu: „Bitte vermerken sie: keine Auffälligkeiten."

    Als das leise Klappern der Tasten verklang, wandte sich der Klinikchef erneut an den immer noch stehenden Tobias Kestel: „Herr Kestel, bitte machen sie jetzt zehn Kniebeugen."

    Kestel tat wie ihm geheißen.

    Barters musste sich stark zusammenreißen, um ein Lachen zu unterdrücken, während Tobias Kestel pflichtgemäß in die Knie ging. Wollte Osslinger das Ganze jetzt ins Lächerliche ziehen? Aber vielleicht war dies ja eine kleine Retourkutsche an Dr. Meunier. Etwas, das ihm zeigte, wie unsinnig sein Ansinnen gewesen war.

    „Sie können sich wieder setzen, Herr Kestel. Dr. Osslinger wandte sich an Dr. Barters: „Herr Kollege bitte schildern sie uns, wie sich Herr Kestel auf seinen Freigängen verhalten hat.

    „Gerne Herr Direktor. Barters erhob sich und blickte zu dem Klinikleiter und seiner Sekretärin, die sich dienstbeflissen über den Laptop beugte. „Der Patient Tobias Kestel erhielt regelmäßig kontrollierten Freigang, um ihn an das Leben außerhalb dieser Klinik zu gewöhnen und seine Reaktionen auf fremde Menschen, insbesondere kleine Kinder, zu verifizieren. Tobias Kestel wurde von meinem Assistenten Herrn Dr. Friesgart begleitet. Dr. Friesgart hat über jeden Freigang einen detaillierten Bericht erstellt. Diese Berichte können dem Protokoll ebenfalls angehängt werden. Ich möchte mich jetzt lediglich darauf beschränken, dass Herr Tobias Kestel sich tadellos benommen hat und selbst in Augenblicken, in denen er sich unbeobachtet fühlte, keine Unregelmäßigkeiten erkennen ließ. Dr. Barters verbeugte sich kurz und setzte sich mit langsamen Bewegungen auf seinen Stuhl zurück.

    Dr. Osslinger nickte allen Anwesenden freundlich zu. „Meine Herrschaften, wir kommen jetzt zu der Beschlussfassung. Um eine Pattsituation zu vermeiden, also ein eindeutiges Ergebnis zu bekommen - und dies frei jeglicher Beeinflussung - veranlasse ich, dass es zu einer Abstimmung kommt. Ich werde den Raum verlassen, um zu vermeiden, dass sich jemand von ihnen durch mich zu einem ihm nicht genehmen Entschluss gedrängt fühlt. Sobald ich durch die Tür dort verschwunden bin, stimmen sie, Dr. Barters, Dr. Friesgart und Dr. Gelsmann darüber ab, ob Herr Tobias Kestel weiter in der Klinik verbleiben soll oder auf freien Fuß gesetzt wird. Schreiben sie ihre Wahl auf einen Zettel, den ihnen Frau Vornau noch geben wird und reichen sie ihr den Zettel anschließend zusammengefaltet zurück. Enthaltungen werden nicht akzeptiert. Sie wissen also, worauf es ankommt, meine Herren. Ich erwarte eine zügige Entscheidung!"

    Osslinger stand auf und verließ den Raum, während die Sekretärin kleine Zettel an sie verteilte. Barters grinste. ‚Du alte Drecksau‘, dachte er und musste zugeben, dass er den Klinikchef doch ein wenig bewunderte. Osslinger hatte das alles im Voraus geplant und würde so jeglicher Verantwortung entgehen. Ein Fehlverhalten Tobias Kestels könnte niemand ihm, dem Klinikchef, ankreiden. Zumindest theoretisch nicht.

    Dr. Barters blickte seinen Assistenten scharf an. Der Mann würde doch jetzt keinen Fehler begehen? Dann wäre Dr. Friesgart die längste Zeit ein Teil des Teams dieser Klinik gewesen sein. Und er, Dr. Barters, wollte höchsteigen dafür sorgen, dass der Mann nur noch als Hilfskraft einen Job finden würde.

    Die kleinen Zettel waren schnell ausgefüllt und der Sekretärin zurückgegeben. Dr. Barters bedeutete seinem Assistenten, den Klinikchef wieder in den Raum zu holen.

    „Das ging ja flott, meine Herren, sprach Dr. Osslinger während er die gefalteten Zettel von der Sekretärin entgegennahm. Er faltete den ersten auseinander. „Entlassen, las er vor. Auch auf dem nächsten Stand ‚Entlassen‘ und damit stand das Abstimmungsergebnis fest. Trotzdem faltete er den letzten Zettel noch auseinander. „Weiter behandeln", gab er den Text auf dem Blättchen wieder.

    „Meine Herren, sie haben entschieden: Herr Tobias Kestel wird aus unserer Klinik als geheilt entlassen. Ich bitte Herrn Dr. Barters alles Erforderliche in die Wege zu leiten. Die Anhörung ist beendet. Meine Dame, meine Herren ich danke Ihnen. Und ihnen Herr Kestel: meinen Glückwunsch. Lassen sie die sich ihnen bietende Chance nicht verstreichen!"

    Während Dr. Osslinger den Raum zufrieden lächelnd verließ, besah sich Dr. Barters die auf dem Tisch liegenden Zettel. Die Schrift, die besagte ‚weiter behandeln‘ war eindeutig nicht die seines Assistenten. Der hatte mit ‚entlassen‘ gestimmt. Barters atmete erleichtert auf. Also war ihm Gelsmann, der Neue, in den Rücken gefallen! Dr. Barters lächelte bei dem Gedanken daran, dass er schon dafür sorgen würde, dass dieser Gelsmann bald wieder aus der Klinik verschwinden würde.

     

    2. In Freiheit

    Dr. Barters saß in seinem Büro und sah noch einmal die vor ihm liegenden Papiere durch. Alles war korrekt und unterschrieben, lediglich die Unterschriften des Patienten Tobias Kestel fehlten noch. Somit stand dessen Entlassung aus der Klinik nichts mehr im Weg. Barters blickte auf die Wanduhr über der Tür. In wenigen Minuten würde Dr. Friesgart den Patienten zu ihm bringen.

    Der Klinikchef, Dr. Osslinger befand sich schon seit gestern außer Haus. Angeblich musste er dringend zu einer Sitzung und würde erst nächste Woche wieder an seinem Arbeitsplatz erscheinen. Barters bewunderte einmal mehr, wie geschickt der Chef sich aus der Affäre zog. Erst die Sache mit der Abstimmung - etwas, das es noch nie gegeben hatte - und nun die angebliche ‚Sitzung‘, die die alleinige Verantwortung von Kestels Entlassung auf ihn, Dr. Barters, verlagerte. ‚Aber was soll’s‘, dachte er. ‚Die Verantwortung liegt ohnehin bei mir und was kann schon schiefgehen?‘ Kestels Therapie war ein voller Erfolg gewesen und der ewige Pessimismus, der ihm entgegenschlug, deutete lediglich auf den Kleingeist dieser Querulanten hin.

    Der Arzt ging in Gedanken die kommenden Wochen und Monate noch einmal durch. Er würde an mehreren Wochenenden mit Kestel zu verschiedenen Kongressen reisen, um dort als einer der Redner seinen durchschlagenden Therapieerfolg zu demonstrieren. Kestel hatte eigentlich bei der ganzen Sache keine große Rolle zu spielen, doch Barters erhoffte sich eine gesteigerte Aufmerksamkeit, wenn er den geheilten Patienten persönlich vorstellen konnte.

    Auch seine Artikel über die Therapie Tobias Kestels würden in Kürze in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht werden. Dr. Bernard Barters war mit sich zufrieden.

    Es klopfte dezent an der Tür. „Herein!", rief der Arzt und blickte seinem Assistenten, gefolgt von Tobias Kestel entgegen.

    „Ah, sie sind pünktlich. Prima, bitte setzen sie sich. Friesgart und Kestel setzen sich auf die zwei vor dem Schreibtisch stehenden Stühle. „Lieber Herr Kestel, wandte Barters sich an seinen Patienten, der bald sein Ex-Patient wäre. „Heute endlich ist der große Tag gekommen. Nachdem die Entscheidung gestern eindeutig ausfiel, steht ihrer Entlassung nichts mehr im Weg. Er lachte leise. „Sie müssen jetzt nur noch einige Unterschriften leisten, dann sind sie wieder frei. Eine kleine Unterschrift für einen Mann und ein gewaltiger Schritt in die Freiheit.

    Er schob Tobias Kestel mehrere dicht bedruckte Seiten, sowie einen Kugelschreiber hin. „Wir haben ja alles schon besprochen, trotzdem

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