Eine Jugend im III. Reich und im Chaos der Nachkriegszeit: Bericht eines Zeitzeugen des Jahrgangs 1932
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Er schildert die Flucht der Lagerleitung und des Küchenpersonals aus dem Lager gegen Kriegsende und der daraus resultierenden Hungersnot der Schüler bis zu ihrer abenteuerlichen Rückkehr in die "Festung Hamburg" und nach deren bedingungsloser Kapitulation den Einmarsch der Engländer in die Stadt, die Verhaftung seines Vaters und dann das Chaos der schlimmen ersten Nachkriegsjahre mit Trümmerbeseitigung, unvorstellbarer Wohnungsnot, quälender Hungersnot mit völlig unzureichenden Lebensmittelkarten, Schulspeisung, Hamstern und Schwarzmarkt mit der Zigarette als Ersatzwährung, die bitter kalten Winter mit Frieren, Bäumefällen und Kohlenklau und schließlich die Rettung der Familie durch Verwandte in den USA mit CARE-Paketen und getragener Kleidung. Er beschreibt auch den problematischen Schulalltag in zerstörten Schulen mit Lehrermangel, fehlenden Lehrmitteln und Schulheften.
Die Schilderungen werden unterstützt durch Tagebuchaufzeichnungen des Autors. Das 340seitige Buch verfügt über einen Anhang mit einem sehr umfangreichen Literaturverzeichnis, einem ausführlichen Glossar. sowie einer Zeitschiene.
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Eine Jugend im III. Reich und im Chaos der Nachkriegszeit - Rolf H. Arnold
Vorwort
Diesen Bericht habe ich nach bestem Wissen und Gewissen so geschrieben, wie ich die Dinge erlebte und sie erinnere. Das schließt nicht aus, dass das eine oder andere auch Aspekte hat, die mir nicht bekannt waren oder an die ich mich nicht erinnere. Diese Schrift ist also durchaus subjektiv, dessen bin ich mir bewusst.
Ich möchte meiner Enkelin Emily und mit ihr anderen jungen Menschen von einer Zeit erzählen, die es heute hier glücklicherweise so nicht mehr gibt. Auch diese jungen Menschen haben in unserer Zeit mit vielen Problemen zu kämpfen, aber generell sicherlich nicht in der existentiell bedrohlichen Form, wie es damals insbesondere bei der städtischen Bevölkerung in Deutschland die Regel war. Vielleicht hilft es ihnen, ihre Probleme zu relativieren und somit leichter zu tragen, wenn sie von den lebensbedrohenden Herausforderungen lesen, die die Jugendlichen aus den Städten in den Kriegs- und Nachkriegsjahren des Zweiten Weltkrieges zu bewältigen hatten.
Mit meiner Geschichte beschreibe ich die Zeit, die ich erlebt habe, in der es uns in Deutschland mit Bombenkrieg in den Städten, Flüchtlingselend, Vertreibung und in den ersten drei Jahren nach dem Krieg mit Hunger, Not und Elend sehr schlecht ging. Deshalb ist es mir wichtig, vorab zu betonen, dass ich nicht aus dem Auge verliere, dass dies alles geschah, nachdem die Deutschen eine Partei in die Regierung gewählt hatten, die Judenverfolgung zum Regierungs-programm erhob und bereits Jahre vor dem Kriege eine Reihe gesetzesbrecherischer Maßnahmen zu verantworten hatte. Was ich beschreibe, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die deutsche Reichsregierung vorher in blutigen Angriffskriegen Nachbarvölker unterjocht hatte und in Konzentrationslagern systematisch grauenvolle Untaten beging, die alle vorstellbaren Dimensionen sprengten.
Rolf H. Arnold im September 2012
Herkunft
Die Wurzeln gemäß Ahnenpass
Im April 1933 erließ die Reichsregierung das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", gemäß dem alle Beamten einen Ahnenpass erstellen mussten. Auch mein Vater hatte daher, als er 1937 Beamter wurde, den Nachweis zu erbringen, dass er „arischer" Abstammung" war und sein „Blut" – gemeint waren wohl die Gene – von „artfremden Einflüssen rein" geblieben war.
Dieses Gesetz bot den nationalsozialistischen Machthabern die Möglichkeit, politische Gegner und insbesondere jüdische Beamte aus dem Dienst zu entfernen. Beamte, die ihre arische Abstammung nicht nachweisen konnten, weil sie etwa einen jüdischen Großelternteil im Stammbaum hatten, konnten entlassen oder in den Ruhestand versetzt werden. Ausnahmeregelungen gab es auf Intervention von Hinden-burg zunächst noch für „Frontkämpfer" und für Beamte, deren Vater oder Sohn im Ersten Weltkrieg als Soldat gefallen waren, sowie für diejenigen, die vor 1914 verbeamtet wurden. Mit der „Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz" vom November 1935 wurden jedoch auch diese Ausnahmeregelungen beseitigt. Alle noch verbliebenen jüdischen Beamten mussten aus dem Dienst ausscheiden. Der Beamtenstatus blieb „Deutschblütigen" vorbehalten.
Die drei Nürnberger Gesetze vom September 1935 verlangten dann von jedem Bürger des Deutschen Reiches einen „Ariernachweis", um die neugeschaffene Reichsbürgerschaft erwerben zu können, die nur „Deutschblütigen" offen stand. Mit diesem „Reichsbürgergesetz" wurden den Juden alle noch verbliebenen Bürgerrechte genommen, denn ein Jude konnte nach diesem Gesetz kein Reichsbürger sein. Eines der Nürnberger Gesetze, das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" verbot Eheschließungen zwischen Juden und „deutschblütigen" Reichsangehörigen. Für Zuwiderhandlungen, als „Rassenschande" bezeichnet, wurde Zucht-hausbestrafung angedroht.
In der 45-seitigen Einleitung zum Ahnenpass wird ausführlich auf die vorgenannten Gesetze Bezug genommen und darauf verwiesen, dass die Bestimmungen des Reichserbhofgesetzes noch darüber hinaus gingen und für die Aufnahme in die NSDAP und die SS eine „reinarische Abstammung" erforderlich sei, „die also frei von jeder fremden (z.B. jüdischen oder negerischen) Blutsbeimischung" ist. Diese reinarische Herkunft musste bis zum 1. 1. 1800 zurück nachgewiesen werden, und zwar auch für den Ehegatten.
In der Einleitung zum Ahnenpass heißt es unter der Überschrift „Rassegrundsatz": „Die im nationalsozialistischen Denken verwur-zelte Auffassung, daß es oberste Pflicht eines Volkes ist, seine Rasse, sein Blut von fremden Einflüssen rein zu halten und die in den Volkskörper eingedrungenen fremden Blutseinschläge wieder auszu-merzen, gründet sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Erblehre und Rassenforschung."
Man mag es nicht glauben! Die gewählte Führungsschicht eines sogenannten Volkes der Dichter und Denker, das Menschen wie Beethoven, Goethe und die Gebrüder Alexander und Wilhelm von Humboldt hervorbrachte, erlässt offiziell Rassengesetze, die Juden – die in vielen Bereichen zu den kulturellen Leistungsträgern der Nation zählten – aus der Gesellschaft aussondern, als „Volksschädlinge" mit „artfremdem Blut" diffamieren, alle durch die Verfassung garantierten Bürgerrechte nehmen. Die Regierung entkleidet die Juden dann auch noch ihrer Menschenwürde, um sie schließlich zu Millionen fabrikmäßig wie Ungeziefer mit Gift zu vernichten – unfassbar, nicht nachvollziehbar!
Bei der Betrachtung meiner Vorfahren mütterlicher- und väterlicher-seits, die bis um 1800 nachgewiesen sind, handelt es sich durchgängig um ortsfeste Bauern. Die Arnolds lebten in den überschaubaren 200 Jahren in dem Dorf Weinsheim bei Kreuznach an der Nahe als Weinbauern, die Templins in dem Dorf Finkenthal bei Gnoien in Mecklenburg als Ackerbauern. Die meisten der in meinem Ahnenpass aufgeführten Männer und Frauen der beiden Generationen im 19. Jahrhundert hatten zumeist nur eine Lebensspanne von 40 bis 55 Jahren.
Auffällig ist, dass die Kaiserzeit in der Namensgebung der Vornamen deutliche Spuren hinterlassen hat. Sowohl mein Vater, wie auch meine beiden Großväter hießen Wilhelm, die Urgroßmutter mütterlicherseits sogar Wilhelmine. Ein Adolf oder eine Adolfine finden sich glücklicherweise nicht unter den Sprösslingen nach 1930.
Bei der Durchsicht meines Ahnenpasses ist mir deutlich geworden, welch umfangreicher Gen-Cocktail in nur fünf Generationen durch die Familien der jeweiligen Ehefrauen zustande gekommen ist. Das sind in fünf Generationen schon etwa 30 Familien. Aber wie unendlich viele Ahnen waren es vorher, die ihre Anteile zum Gen-Pool beigesteuert haben? Müssen wir doch genau genommen bis zum Bereich der Menschwerdung zurückgehen. Wie unfassbar viel Erbmaterial ist in uns eingeflossen, macht uns so einzigartig? Gemäß meinem Stammbaum haben zu mir sicherlich ein römischer Legionär, ein Wikinger und möglicherweise ein Hunne beigetragen, werden mir doch in diesem sehr überschaubaren Zeitraum schon Dänen, Slaven und offenbar auch Franzosen zugesprochen.
So lässt schon die Betrachtung meiner direkten Vorfahren eine gewisse Vielfalt erkennen. Wenn ich jedoch auch die Nachkommen der Brüder und Schwestern meiner vier Großeltern in Betracht ziehe, dann erweitert sich das Bild außerordentlich. Sie sind bereits für bisher 35 US-amerikanische Abkömmlinge verantwortlich.
Durch die Globalisierung wird eine Vermischung ohne Grenzen immer leichter. Der Enkel meiner Tante in Princeton, New Jersey, hat mit seiner japanischen Frau ein Kind bekommen. Als jahrgangsbester Jura-Diplomand hatte er ein zweisemestriges US-Stipendium für Tokio erhalten. Die Zeit reichte aus, die Tochter seines Professors kennen und lieben zu lernen.
Welch eine Gnade, als Produkt einer gewaltigen Ahnenkette leben zu dürfen! Noch dazu auf diesem so wunderbaren Stern, der unter den Milliarden von Milliarden Himmelskörpern so einzigartig ist, und den wir dennoch aus Habgier und Dummheit möglicherweise weitgehend unbewohnbar machen werden.
Die dänische Komponente
Durch meine Großmutter väter-licherseits, Henriette C. Schmidt, geb. 1866 in Sonderborg, Dänemark, ist in meinen Gencocktail auch ein Gutteil dänischer Beigabe eingeflossen, die sich zurückverfolgen lässt bis 1784. Meine Cousine Ellie aus New York hat sich bei der Verfolgung dieser Linie sehr verdient gemacht. So hat sie einige unserer gemeinsamen dänischen Vorfahren aus dem Dunkel der Vergangenheit in unser Bewusstsein gehoben, und zwar bis zu Andreas Clausen (1784 - 1829) und seiner Frau Sille Margarethe Andersdatter (1791 - 1854). Wenn sie weiter nachgeforscht hätte, wäre sie vermutlich auf Wikinger als Vorfahren gestoßen.
Andreas Clausen wurde in Faustrup, Tyrstrup, 1784 als Sohn des Schmiedes Claus Mikkelsen und dessen Frau Catharine Knudsdatter. geboren. Er war Bauer und Schmied in Odis und verheiratet mit Sille Margarethe Andersdatter aus Stougaard, Dybbol – Island of Als, geboren 1791 als Tochter des Bauern Anders Nissen und dessen Frau Maren Christiansdatter.
Die Geschwister der Familie Schmidt aus Sonderburg, Dänemark.
Von links nach rechts:
Henriette, heiratete Wilhelm Arnold in Hamburg.
Christian, heiratete und lebte in Elmira, NY.
Harald Schmidt, heiratete
Charlotte Bruhn (Tante Lottchen) in Hamburg.
Dora, heiratete Hugo Klapproth und lebte in New Haven, Connecticut.
Großmutter Henriette Christine Bernhardine Schmidt heiratete am 14. 10. 1891 Großvater Wilhelm Arnold
Henriette ca. 1869 mit ihrer Mutter Henriettes Vater
Anne Marie Delf und ihrem Vater Claus Clausen Schmidt
Dora Schmidt heiratete 1898 Hugo Klapproth
Sie lebten in New Haven, Connecticut, und waren die Anlaufstelle für die Auswanderung von Dora und Erna Arnold.
Ehepaar Klapproth mit Margarethe Schmidt, der Tochter von Doras Bruder Christian. Sie lebte in Elmira, New York.
Die Nachkommen der Familie Schmidt in den USA
Von den Geschwistern meiner Großmutter, Henriette Arnold, geborene Schmidt, wanderten ihre Schwestern Dora und Christina sowie ihr Bruder Christian in die USA aus. Ihr Bruder Harald und sie selber, Henriette, wanderten nach Deutschland, Hamburg, aus.
Christian SCHMIDT, geb.1856, gest. 21. 3. 1925 in Elmira, NY, heiratete Anna DYNA, geb. 15. 5. 1854 in Bogense, Odense, Dänemark, gest. 25. 5. 1925 in Elmira, NY.
Ihr Sohn Christian Schmidt JR., geb.1887, gest. 12. 11. 1916 in Gary, Indiana.
Ihre Tochter Margarethe Schmidt wurde 1890, geboren und starb am 29. 1. 1962 in Elmira, NY.
Dora Schmidt, geb. 1873, gest. 6. 10. 1951 in Philadelphia, Pennsylvania,.heiratete 1898 Hugo Klaproth aus Lüneburg, gest. 6. 7. 1948 in New Haven, Connecticut.
Sie war bereits mit Hugo Klaproth verheiratet, als sie im Alter von 50 Jahren am 11. September 1923 mit der S. S. „Mongolia" von Hamburg nach New Haven kam. Ihr Mann wohnte bereits dort in New Haven, Connecticut. Gemäß Einwanderungspapier von Ellis Island war sie bereits im März 1919 durch Heirat US-Bürgerin geworden.
Christina Schmidt, gest. in Westville, Connecticut, verheiratet mit Emil Engel, der mit 24 Jahren 1904 mit der S. S. „Deutschland von Hamburg nach New York „segelte
. Im Schiffspapier wird sein Beruf mit Schneider angegeben. Es wird darin ferner festgestellt, dass er die Passage selbst bezahlte, noch über 30 Dollar verfügte, aber keinen Fahrschein für die Fahrt zum Bestimmungsort besaß.
Harold Christian Schmidt, geb. 14. 2. 1896 in Hamburg, gest. Juli 1970 in Oak Park, Illinois, war der Sohn von Harald Schmidt, gest. 1945 in Schnackenburg an der Elbe, Niedersachsen, und Charlotte Bruhn (Tante Lottchen), geb.7. 11. 1868, gest. 1954 in Schnackenburg an der Elbe.
Harold Schmidt kam im Alter von 17 Jahren am 24. April 1913 mit der S. S. „Barbarossa von Bremen nach New York. In den Einwande-rungspapieren wird seine Barschaft mit 25 Dollars angegeben und als Ziel für die Weiterreise die Adresse seines Onkels Christian Schmidt, Elmira, NY. Das Formular verweist darauf, dass die Fahrkarte für die Weiterfahrt vorhanden war. Es enthält übrigens auch den Hinweis, dass er lesen und schreiben konnte. Das war damals bei den Einwanderern wohl noch nicht so ganz selbstverständlich. Das Formular des „States Immigration Officer at Port of Arrival
fragte übrigens auch ab, ob der Einwanderer ein Polygamist oder ein Anarchist war.
Harold Schmidt lebte in Chicago und stellte dort als 40-Jähriger am 13. 2. 1937 als Arbeitsloser einen Antrag auf Sozialhilfe. Er war verheiratet mit einer unbekannten Frau.
Sein Sohn Harold E. Schmidt ist 1944 über Deutschland durch Abschuss seines US-Bombenflugzeugs umgekommen.
Harold Schmidt war dann mit einer weiteren unbekannten Frau verheiratet, von der nur ihr Vorname Molly bekannt ist. Aus dieser Ehe entstammt die Tochter Margareth (Margie) Schmidt, die 1943 geboren wurde.
Die Nachkommen der Familie Arnold in den USA
Wenn man sich die beiden Stammbäume der Nachkommen der Familie Arnold und der Familie Schmidt in den USA ansieht, kann man den Eindruck gewinnen, dass beide Familien nicht unwesentlich zur Besiedlung der Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika beigetragen haben. Bei einer Auszählung sind es dann doch nicht ganz so viele, aber immerhin haben wir nach jetzigem Stand 37 Blutsverwandte in den USA. Die Zahl kann sich jedoch aufgrund der erheblichen Anzahl von Enkeln und Urenkeln während des Schreibens dieses Buches durchaus schon wieder erhöht haben.
Von der Familie Arnold sind drei Schwestern meines Vaters in die USA ausgewandert:
Dora Arnold, geb. am 29. 3. 1898 in Hamburg, gestorben am 6. 3. 1986 in New York. Sie war die Älteste der drei ausgewanderten Schwestern meines Vaters und „sailed als erste am 12. 1. 1924 mit 25 Jahren mit der S. S. „Thuringia
von Hamburg nach New York. Grund für die Auswanderung wird die katastrophale, hoffnungslose wirtschaftliche Lage mit extrem hoher Arbeitslosigkeit in Deutschland gewesen sein, vor der sich leuchtend das gelobte Land der unbegrenzten Möglichkeiten abhob.
Der Sprung ins Ungewisse war für sie abgefedert, da ihre Tante Dora Schmidt, die Schwester ihrer Mutter, sie zunächst aufnahm. Diese war mit ihrem Mann Hugo Klapproth bereits nach New Haven, Connecticut, ausgewandert.
Dora Arnold scheint nicht das Einverständnis ihrer Eltern für die Auswanderung gehabt zu haben, denn als Heimatadresse gab sie bei der Einwanderungsbehörde nicht die ihrer Eltern an, sondern die ihres Onkels Harald Schmidt, Hamburg, Conventstraße 2, dessen Sohn schon 1913 als 17-Jähriger auswandern musste, da er als Lehrling „iin die Kasse gegriffen" hatte, wie es hieß. Möglicherweise hat ihr Onkel die Überfahrt bezahlt. In dem Einwanderungspapier heißt es nur, der Onkel habe die Kosten der Passage übernommen, wobei offen bleibt, ob damit ihr Onkel Harald Schmidt in der Heimatadresse gemeint war oder der ebenfalls als Onkel bezeichnete Hugo Klapproth in der Zieladresse, der Mann ihrer Tante Dora.
Die Einwanderungspapiere weisen Dora als „house maid" aus und halten fest, dass sie 55 Dollar aber keinen Fahrschein für die Weiterfahrt zum Bestimmungsort besaß.
Unsere Tante Dora heiratete John Baptist Miller, geb. 1. 11. 1898, gest. 1972.
Ihre Tochter Charlotte Margaret Miller wurde am 28. 11. 1926 geboren.
Ihr Sohn John Arnold Miller wurde am 12. 8. 1944 geboren. Er heiratete Monica Foster, geb. 23. 11. 1944, gest. 1997.
Ihr Enkelsohn Saari Daun Miller, geb. 29. 9. 1969, heiratete im Januar 1998 Joel Lynch.
Erna Arnold, geb. am 3. 6. 1899 in Hamburg, die Zweitälteste der ausgewanderten drei Schwestern meines Vaters. Sie fuhr mit 27 Jahren am 27. Dezember 1926 zunächst von Hamburg nach Southampton und von dort am 10. 1. 1927 mit dem Schiff S.S. „Lappland nach New York. Auch sie ging wie ihre Schwester Dora zunächst zur Tante Dora Klapproth nach New Haven, Connecticut. Im Einwanderungspapier wird als Berufsbezeichnung „Servant
angegeben. Es wurde ferner in dem Papier festgehalten, dass die Überfahrt von der Tante in New Haven bezahlt wurde.
Zu Tante Erna hatte meine Mutter immer ein besonders enges Verhältnis, sie schrieben sich regelmäßig Briefe. Das war auch gut zu verstehen, denn Tante Erna war im Gegensatz zu ihrer Schwester Grete unkompliziert, unprätentiös und liebenswürdig. Sie besuchte uns zweimal in Hamburg.
Sie heiratete im Alter von 28 Jahren am 2. 6. 1927 in New York den ebenfalls 28-jährigen Karl (Charles) Anton Hamel, geb. am 23. 1. 1899 in Sandweier, heute Stadtteil von Baden-Baden.
Charles war gelernter Koch und besaß in New York 28 das „Central Restaurant – Known For Excellent Food" in der 1642 Second Avenue Bet 85th & 86th Sts., in dem Erna mitarbeitete. Das Restaurant musste aufgegeben werden, als eine Bank in den Räumen eine Filiale einrichtete. Später arbeitete Tante Erna bis ins hohe Alter im Kaufhaus Gimbels in New York City.
Charles verstarb am 5. 3. 1967 in Bronx, NY. Erna starb mit 96 Jahren am 2. 2. 1996 in Albany, NY.
Ihre Tochter Eleanor (Ellie) Joan Hamel, geboren am 4. 2. 1938 in New York, heiratete am 3. 3. 1962 Ronald Peter Nielsen, geb. am 23. 2. 1935 in New York.
Cousine Ellie hat uns zweimal in Deutschland besucht, in Hamburg und in Wiesbaden. Wir haben sie als sehr liebenswürdig, intelligent und lebensklug kennen gelernt. Wir hatten zusammen schöne Tage, was auch dadurch begünstigt wurde, dass sie sehr gut Deutsch spricht. Auch die lebhafte Korrespondenz wurde erst möglich, da sie auch sehr gut Deutsch schreibt. Sie hat sich das alles selbst erarbeitet. Das lässt ihre hartnäckige Zielstrebigkeit deutlich werden. Sie hat mir dankens-werterweise die von ihr erarbeiteten Daten zu unseren Verwandten in den USA und Dänemark zur Verfügung gestellt.
Familie Hamel
Erna, Charles (Carl) und Kurt Hamel im Jahre 1932
Kurt Hamel war Berufssoldat
Als 22-Jähriger ging er 1950 in einer der ersten Angriffswellen der US-Interventionstruppen in Südkorea an Land, wurde verwundet und schwer traumatisiert. . .
Ellies Tochter Susan Valerie Nielsen, geb am 21. 12 1962 in New York, heiratete am 1. 7. 1989 Thomas Eugene Perino, geb. am 23. 12. 1960 in East Islip, NY.
Am 9. 4. 2000 heiratete Susan erneut, und zwar Michael Herbert Goldstein, geb. 30. 10. 1956. Er ist der Sohn von Solomon Goldstein und Constance Borrok.
Susan haben wir kennengelernt, als sie uns mit ihren Eltern besuchte. Sie ist eine bewundernswert tüchtige Frau, die trotz einer qualifi-zierten Volltagstätigkeit im Personalmanagement einer Bank gleich-zeitig zwei minderjährige Söhne großzieht und den Haushalt in ihrem Haus in Huntington, N.Y führt.
Eleanor (Ellie) Nielsen, Ronald (Ron) Nielsen
und Tante Erna (Hamel)
Susan und Michael haben die Söhne Gregory Scott, geb. am 15. 3. in Huntington, NY., und David Craig, geb. am 17. 7. 2006 in Huntington, NY.
Ellies Sohn Douglas John Nielsen, geb. am 11. 2. 1969 in Coblesskill, NY. ist Rechtsanwalt und noch unverheiratet.
Ellies Bruder Kurt Harold Hamel, geb. am 27. 1. 1932 in New York, heiratete am 8. 3. 1952 Virginia Faye Rodgers, geb. am 31. 7. 1933 in Stoney Point, NY.
Besuch in Wiesbaden im Mai 2001: Elke, Frauke, Susan und Ellie
Ellie, Ron, Gregory, Susan, David und Michael
Sein Sohn Kent Scotty Hamel, geb. 5. 12. 1964, heiratete am 28. 9. 1991 in San Antonio, Texas, Priscilla Alonzo Cantu, geb. 16. 6. 1965.
Seine Enkelin Korey Louisa Hamel wurde am 9. 6. 1993 geboren, seine Enkelin Nicole Lee Hamel am 16. 4. 1995.
Seine Enkeltochter Karen Ann Hamel, geb. 27. 10. 1956 in Topeka, Kansas, heiratete am 16. 9. 1977 in San Antonio, Texas, Larry Joseph Voelkel.
Deren Tochter Lauren Rae Voelkel, wurde am 15. 8. 1987 geboren.
Margareth Arnold, geb. 30. 8. 1905 in Hamburg, verstorben am 1. 4. 1981 in New Jersey. Sie war die jüngste der Schwestern meines Vaters und ging als Dritte 1928 mit 22 Jahren in die USA. Ihre Schwester Erna und deren Mann Charles hatten Geld gespart und ihrem Vater ein Ticket geschickt, damit er sie besuchen könne. Da dieser sich dazu nicht in der Lage oder Willens sah, hat er die Passage seinem Sohn, meinen Vater, zur Auswanderung angeboten. Der aber zeigte sich nicht interessiert, denn er hatte in Bonn bei der Post eine feste Anstellung und war gerade frisch verliebt. So bekam seine Schwester Margareth das Ticket für die Ausreise in die USA. Nach ihrer Ankunft in New York wohnte sie zunächst bei ihrer Schwester Erna und deren Mann, bis sie eine Anstellung als Kindermädchen fand. Am 6. 9. 1932 heiratete sie Lawrence Jacobs, geb. am 15. 3. 1900 in Armenien, verstorben am 13. 5. 1991 in New Jersey.
Tante Gretel war eine sehr dominante, durchsetzungsfähige und manchmal etwas schwierige Frau. Sie hat uns mit ihrer Familie einige Male in Berlin und Hamburg besucht. Mit ihrem Mann Larry hat sie auch eine Europareise gemacht, diese aber unter Verzicht auf die skandinavischen Länder in „dem schmutzigen Amsterdam" abgebro-chen.
Onkel Larry und Tante Gretel
Ihr Mann Larry war Unternehmer. Er betrieb zusammen mit einem Partner eine Gummifabrik, in der u.a. das Gummi für die Mercury-Kapsel hergestellt wurde, die im ersten bemannten Raumfahrtpro-gramm der USA von 1958 bis 1963 verwendet wurde, um einen Menschen im Orbit um die Erde fliegen zu lassen.
Larry war eine Seele von Mensch. Ich hatte den Vorzug jahrelang mit ihm korrespondieren zu können. Er war eine große, reife Persönlichkeit, und Tante Gretel wird schon Recht gehabt haben, wenn sie sagte, dass er bei den Freimaurern in New York die Stellung „gleich hinter dem Präsidenten" einnahm.
Ihre Tochter Harriet Joan Jacobs, geb. 9. 3. 1935 in New York, gestorben 25. 9. 2003 in Princeton, New Jersey. Sie heiratete am 6. 4. 1957 in New York den Chemiker Arthur Lyding.
Onkel Larry
Ihr Enkel Christopher Scott Lyding, geb. 11. 2. 1960, heiratete am 31. 8. 1985 in Princeton, New Jersey, die Japanerin Taiko Konno. Ihr Sohn Charles Lyding wurde im September 1997 geboren.
Als ich in den 90er Jahren beim Besuch meiner Cousine Ellie aus New York einmal feststellte, dass es der jüngsten, sehr gut aussehenden Schwester Gretel meines Vaters von seinen drei Schwestern in den USA am besten ergangen sei, da sie einen Millionär geheiratet habe, wurde ich von ihr feinsinnig korrigiert: Gretel habe ihn nicht als Millionär geheiratet, aber sie habe das Potential gesehen.
Cousine Harriet-Joan
Onkel Larry und Tante Gretel vor ihrem Haus und Auto
Onkel Larrys Haus in New Jersey
Ingrid, Harriet-Joan, Tante Gretel und mein Vater
Arthur, Harriett-Joan und Christopher Lyding
Arthur und Harriet-Joan mit ihrem Enkel Charles
Christopher Lyding 1978
Ein Großvater, der auf der Walz
in Hamburg hängen blieb
Mein Großvater väterlicherseits, geboren am 15. 5. 1862, war Schneidermeister in Hamburg-Harvestehude. Seine Werkstatt und seine Wohnung lagen in der Hochallee Nr. 27, und zwar im Souterrain. Das war ein Problem für seine fünf Kinder und insbesondere für meinen Vater, denn sie fühlten sich als „Kellerkinder" ausgegrenzt von den wohlhabenden Mietern ihrer Nachbarschaft. Es kam noch erschwerend hinzu, dass mein Großvater als Uniform-schneider hauptsächlich Berufsoffiziere des kaiserlichen Heeres als Kunden hatte, die ihn oft buchstäblich von oben herab behandelten, wenn sie auf seinem Schnei-dertisch arrogant herumspazierten und meistens am Fall der Hosen etwas auszusetzen hatten. Das verärgerte meinen zum Jähzorn neigenden Großvater oft, der dann seinen Frust aus kleinstem Anlass an meinem Vater ausließ und ihn manches Mal, mit der großen Schneiderbürste nach ihm schlagend, um den Schneidertisch trieb.
Mein Vater, geboren am 23. 11. 1902, hatte es auch sonst nicht leicht in dieser Familie. Während seine vier Schwestern die Schule regelmäßig besuchen konnten, eine von ihnen sogar die Oberschule, musste mein Vater als Hilfskraft in der Schneiderei aushelfen. Er war oft gezwungen, die Schule zu schwänzen, um für seinen Vater Pakete mit den fertigen Schneiderprodukten auszutragen. So war ihm eine höhere Schulbildung verwehrt, was er Zeit seines Lebens nicht verwunden hat. Das war auch der Grund, warum er später sehr darauf achtete, dass mir eine gute Schulbildung ermöglicht wurde. Er sparte sich und seiner Familie das Schulgeld für mich und die Mittel für die Schulbücher sowie für die Klassenreisen buchstäblich vom Munde ab und achtete sehr darauf, dass ich durch Zeitungsaustragen und andere Arten mir Taschengeld zu verdienen, nicht zu sehr von der Arbeit für die Schule abgelenkt wurde. Mit der Begründung, ich müsse mich auf die Schularbeiten konzentrieren, untersagte er mir auch, Mitglied bei den Pfadfindern zu werden. Er glaubte auch, in dieser Organisation militärische Strukturen zu erkennen, die ihm