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Der Aschenmann: Mystery-Thriller
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Der Aschenmann: Mystery-Thriller

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About this ebook

Der alkoholkranke Privatdetektiv Theo Strack aus München hat kein gutes Gefühl, als das alte Ehepaar bei ihm auftaucht.Er soll den mysteriösen Tod ihres Sohnes untersuchen, der unter der Polizei völlig unerklärlichen Umständen ums Leben gekommen ist. Theos Ermittlungen führen bald in die unheimliche Welt der Paranormalität und zu den undurchsichtigen Personen, die sich damit beschäftigen. Dabei deuten alle Spuren auf einen Mann, von dem allerdings niemand weiß, wo er sich aufhält und ob er überhaupt noch lebt. Auf der Suche nach diesem Phantom verstricken sich Theo und seine Mitstreiter immer mehr in eine Scheinwelt aus Trugbildern und unerklärlichen Ereignissen, denen sie am Ende selbst zum Opfer zu fallen drohen. Doch das ist nicht Theos einziges Problem: Auf ihn wird ein Mordanschlag verübt. Ein Profikiller ist hinter ihm her und zieht auf seiner Jagd eine Schneise der Verwüstung durch die Stadt. Aber wer steckt dahinter? Besteht hier ein Zusammenhang mit dem neuen Auftrag? Theo ahnt nicht, dass die Antwort auf diese Fragen in einem lange gehüteten Geheimnis aus seiner Vergangenheit verborgen ist.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateJun 6, 2016
ISBN9783738074109
Der Aschenmann: Mystery-Thriller

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    Der Aschenmann - Tom Gris

    Über diesen Roman:

    Der alkoholkranke Privatdetektiv Theo Strack aus München hat kein gutes Gefühl, als das alte Ehepaar bei ihm auftaucht: Er soll den mysteriösen Tod ihres Sohnes untersuchen, der unter der Polizei völlig unerklärlichen Umständen ums Leben gekommen ist. Theos Ermittlungen führen bald in die unheimliche Welt der Paranormalität und zu den undurchsichtigen Personen, die sich damit beschäftigen. Dabei deuten alle Spuren auf einen Mann, von dem allerdings niemand weiß, wo er sich aufhält und ob er überhaupt noch lebt. Auf der Suche nach diesem Phantom verstricken sich Theo und seine Mitstreiter immer mehr in eine Scheinwelt aus Trugbildern und unerklärlichen Ereignissen, denen sie am Ende selbst zum Opfer zu fallen drohen. Doch das ist nicht Theos einziges Problem: Auf ihn wird ein Mordanschlag verübt. Ein Profikiller ist hinter ihm her und zieht auf seiner Jagd eine Schneise der Verwüstung durch die Stadt. Wer steckt dahinter? Besteht hier ein Zusammenhang mit dem neuen Auftrag? Theo ahnt nicht, dass die Antwort auf diese Fragen in einem lange gehüteten Geheimnis aus seiner Vergangenheit verborgen ist.

    Zwei Äffchen stehen im Gang

    1

    Als Theo Strack morgens um Neun seinen Bierbauch aus dem engen Lift in den vierten Stock schiebt, sieht er sie schon stehen im Gang vor seinem Büro: Ein ältliches Ehepaar, kleinwüchsig, verhärmt, mit vergreisten Kindergesichtern und aneinander gedrängt schauen sie Theo aus geröteten Augen an. Theo hat vor Jahren im Zoo so ein südamerikanisches Zwergaffenpärchen gesehen, gegenseitig haben sie sich umklammert und voller Angst die Besucher angestarrt. Genauso sehen die beiden im Gang aus.

    Hoffentlich wollen die nicht zu mir, denkt Theo. Irgendein Gefühl sagt ihm, dass er lieber nicht wissen will, weswegen die Äffchen hier sind.

    Theos Hoffnungen erfüllen sich nicht.

    „ Sind sie Herr Strack?" fragt Papa Äffchen mit erstaunlich tiefer, fester Stimme.

    „Der Detektiv?" sekundiert Mama Äffchen und schaut Theo dabei mit aufgerissenen Augen an, als ob er der Messias ist und von seiner Antwort ihr Leben abhängt. Wenigstens sie hat eine Piepsstimme, die zu ihrer Erscheinung passt.

    „Bin ich brummt Theo und fügt widerwillig hinzu: „ Kann ich Ihnen vielleicht helfen?. „Stiller. Bernd Stiller. Das ist meine Frau Marga sprudelt Papa Äffchen sofort los. „ Es geht um unseren Sohn. Er…

    „Erzählen sie mir das lieber drinnen" unterbricht ihn Theo und sperrt missmutig sein Büro auf. Der Schreibtisch beim Empfang ist leer. Was denn sonst. Olga, seine Sekretärin aus der Ukraine, ist gestern Nacht mit ihm in Ossis Eckkneipe versumpft. Olga hat Liebeskummer und braucht jemand, bei dem sie sich ausheulen kann. Nüchtern hält das natürlich keiner aus. Olgas Problem dabei ist, dass sie genauso viel saufen möchte wie Theo, aber nur die Hälfte verträgt. Das geht selten gut.

    Der einzige Mensch, der einen Alkoholiker versteht, ist selbst Alkoholiker, hat sich Theo bei ihrer Einstellung gedacht. Jetzt denkt er: Ich sollte sie rausschmeißen. Das wir doch eh nix.

    Theo reißt sich aus diesen Überlegungen und bugsiert die Äffchen in sein Büro, wo sie auf den vordersten Kanten der Besucherstühle Platz nehmen, so als müssten sie jederzeit bereit sein aufzuspringen, falls jemand sie rausschmeißt.

    Theo fläzt sich in seinen ledernen Chefsessel, schaut die Äffchen an, schnauft und sagt dann „also als unvermittelt die Tür aufgeht und Olga ihre verkaterte Birne in den Türspalt schiebt. Sie blickt mit gelassener Überraschung in die Runde und sagt dann heiser „guten Morgen zusammen und „Kaffee?".

    Theo hebt fragend die Augenbrauen in Richtung der Äffchen. Papa Äffchen schüttelt den Kopf. Mama Äffchen piepst „ein Schnaps wäre mir lieber". Theos Brauen heben sich gefühlte weitere fünf Zentimeter. Papa Äffchen verzieht keine Miene, er ist das offenbar gewohnt. Olgas Augen leuchten auf wie Bremslichter. Theo seufzt und denkt: Der Tag fängt schon gut an.

    Dann sagt er zu Olga: „Bring den Mendoza und drei Gläser". Olgas Kopf verschwindet wie der Blitz.

    2

    Als der Brandy serviert ist und sich alle ordentlich einen hinter die Binde gegossen haben, fängt Theo noch einmal an: „Also, sie haben gesagt, es geht um Ihren Sohn. Was ist mit ihm?"

    „Er ist tot sagt Papa Äffchen, und Theo bemerkt, dass Mama Äffchen drauf und dran ist, in Tränen auszubrechen. Papa Äffchen sieht das auch, lässt sich aber nicht ablenken. „Seine…er wurde im Englischen Garten gefunden, vor einem Jahr fährt Papa Äffchen fort, „in seinem Wagen. Er war…er war ganz…verbrannt, nicht nur verkohlt, wissen sie, sondern vollständig, durch und durch, zu Asche…, haben sie davon gehört?"

    Mama Äffchen schluchzt laut auf. Theo schnaubt verächtlich. Und ob er von der Sache gehört hat. Die Zeitungen waren ja wochenlang voll davon gewesen, da hätte man schon auf dem Mars wohnen müssen, um nichts darüber mitzukriegen.

    Also es findet so ein Jogger einen Wagen mitten im Englischen Garten, und drinnen sitzt ein Kerl, der von Kopf bis Fuß, von den Haarspitzen bis ins tiefste Innere zu Asche verbrannt ist. Aber der Körper ist nicht deformiert oder entstellt, nein, es sieht so aus, als ob er sich von einer Sekunde auf die andere in Asche verwandelt hätte, in eine naturgetreue Statue aus Asche, und der Aschenmann ist noch warm, aber weder der Sitz noch sonst was im Auto hat auch nur einen Brandfleck. Das führt natürlich zu den tollsten Spekulationen, das alte Märchen von der spontanen menschlichen Selbstentzündung und der ganze Scheiß, aber eine Erklärung für das Phänomen findet man trotzdem nicht. Hinzu kommt, dass an exakt der gleichen Stelle vor zwei Jahren eine unbekannte Leiche gefunden worden war. Der Tote war völlig verbrannt, der Fall bis heute ungeklärt. Aber auch Vermutungen über einen Zusammenhang führen zu nichts. Theo erinnert sich noch daran, dass der Aschenmann ein Journalist aus München gewesen sein soll, aber das war´s dann.

    „Die Polizei hat die Ermittlungen gestern eingestellt sagt Papa Äffchen bedrückt, „ es gibt momentan keine Spuren, die sie weiterverfolgen können

    „Wer hat die Ermittlungen geleitet?" fragt Theo.

    „Kommissar Baer" antwortet Papa Äffchen leise. Theo war selbst zwanzig Jahre beim LKA, bevor der Suff und andere Kleinigkeiten, an die er sich nur ungern erinnert, einen Stellenwechsel nahe gelegt haben. Er hat oft mit Baer zusammengearbeitet und ihn dabei als einen Menschen kennen gelernt, hinter dessen vermeintlich gemütlicher und biederer Fassade ein äußerst scharfsinniger und gefährlicher Kriminalist verbirgt. Die Gefängnisse sind voll mit Leuten, die den Fehler begangen haben, Baer zu unterschätzen. Theo seufzt. Die Sache gefällt ihm immer weniger.

    Er startet einen letzten Versuch, die Geschichte noch abzubiegen.

    „Und jetzt sind sie wohl hier, weil sie glauben, ich könnte den Tod ihres Sohnes aufklären, obwohl die Polizei das mit ihrem gesamten Apparat nicht geschafft hat? Wieso sollte gerade ich das können? fragt Theo, obwohl er sich die Antwort schon vorstellen kann. Erwartungsgemäß sagt Papa Äffchen: Der Sparkassenraub vor drei Jahren…"

    Theo rollt mit den Augen und gibt dem Äffchen mit einer Geste zu verstehen, dass es nicht weiterzureden braucht. Der Fluch der guten Tat, denkt er. Der Sparkassenraub vor drei Jahren war ein brutaler Banküberfall, bei dem die drei Täter zwar kein Geld erbeutet, dafür aber eine Angestellte und zwei Kunden erschossen haben. Die Polizei ist monatelang im Dunkeln getappt, bis die Witwe eines erschossenen Kunden Theo mit eigenen Ermittlungen beauftragt hat. Dem ist es sehr zum Missfallen der Polizei gelungen, mit einigen äußerst unkonventionellen Methoden, an die er sich nur ungern erinnert, die Täter ausfindig zu machen und der Polizei den entscheidenden Hinweis zur Festnahme zu geben. Kurz vor der Festnahme ist allerdings derjenige Täter, der den Mann von Theos Klientin getötet hat, unter bis heute ungeklärten Umständen erschossen worden. Auch daran erinnert sich Theo nur ungern. Seitdem hat er einen Ruf weg.

    Äffchen und Theo schauen sich an. Die Äffchen hoffnungsvoll und flehentlich, Theo unentschlossen. Später wird sich Theo an diesen Moment als denjenigen erinnern, an dem er noch ohne Drama hätte aussteigen können. So sagt er aber: „Dann erzählen sie mir mal von ihrem Sohn".

    3

    Sie pfeifen sich alle noch einen ein, und dann fängt Papa Äffchen an zu reden.

    „Unser Sohn Frank war achtunddreißig Jahre alt, als er starb. Das ist ein Foto von ihm. Er hat Journalismus studiert und die ersten paar Jahre bei kleineren Tageszeitungen in ganz Deutschland gearbeitet. Doch das hat ihm auf Dauer nicht gelangt. Deshalb ist er vor acht Jahren freiberuflicher Journalist geworden. Er hat seine Artikel teilweise bis nach Übersee verkauft. Investigativer Journalismus war sein Fachgebiet. Er war wie besessen, irgendwelche Missstände aufzudecken, und er hat damit oft Erfolg gehabt."

    „Damit macht man sich üblicherweise keine Freunde" bemerkt Theo.

    „Stimmt sagt das Äffchen, „er hat oft Drohbriefe bekommen und wurde sogar schon körperlich angegriffen. Aber das gehört dazu, hat er immer gesagt, desto mehr die Leute auf mich losgehen, desto näher bin ich an der Wahrheit. Es hat ihn nie wirklich von seiner Arbeit abgehalten.

    Theo schiebt den Kopf vor. „Sie haben das sicher alles schon der Polizei erzählt?"

    „Natürlich. Alles. Alles was ich Ihnen jetzt erzähle, weiß die Polizei schon längst." Theo lehnt sich zurück. Es ist schon oft vorgekommen, dass er nichts anderes in der Hand hatte als das, an dem die Bullen sich schon die Zähne ausgebissen haben. Das sind die Fälle, bei deren Aufklärung man gelegentlich gezwungen ist, auch zu sehr unkonventionellen Methoden zu greifen, an die man sich später nur ungern erinnert. Doch davon sagt er nichts.

    Das Äffchen fährt fort: „Wir haben ihn ja nicht oft gesehen, er war doch ständig unterwegs. Aber im letzten Jahr war er irgendwie anders, so gehetzt, ruhelos. Wir haben ihn gefragt, was los ist und er hat nur gesagt, er wäre da an etwas dran, etwas ganz großes, etwas, wie er sich ausgedrückt hat, das mit der normalen Lehrbuchwissenschaft nicht mehr erklärt werden kann. Und dass er uns nichts erzählen darf, das wäre zu gefährlich, je weniger wir wissen, desto besser. Das war dann das letzte Mal, dass wir ihn lebend gesehen haben. In seinen Unterlagen hat man nach seinem Tod übrigens nichts zu dieser Sache gefunden. Keine Aufzeichnungen, keine Dateien, gar nichts."

    Mama Äffchen schluchzt bei dem letzten Satz wie auf ein Stichwort kurz los, schnäuzt sich dann geräuschvoll und verlangt noch einen Schnaps. Sie genehmigen sich einen kleinen und dann fragt Theo:

    " Und sonst? Privat? Familie? Freunde, Hobbys und so?

    „Er war meistens allein piepst jetzt Mama Äffchen, der Brandy hat ihr Sprachzentrum beflügelt. „Ein paar Freunde von seiner alten Fußballmannschaft, die er getroffen hat, wenn er mal hier war, aber nur selten, wenn man dauernd unterwegs ist wie er, da kann man keine Freundschaften pflegen, das schläft irgendwann alles ein. Gelegentlich mal ein bisschen Bergwandern oder Schwimmen gehen, aber mehr war da nicht

    Jetzt übernimmt wieder Papa Äffchen: Er hat eine Freundin gehabt, Beatrix, die kannte er schon seit seinen ersten Berufsjahren, die beiden haben so eine Fernbeziehung geführt, wir haben uns immer gefragt, wie das gehen soll, aber sie waren offenbar glücklich. Ein knappes Jahr vor seinem Tod ist sie gestorben, das hat ihn ziemlich mitgenommen.

    „Gestorben? Eine junge Frau? Wie das denn?" fragt Theo argwöhnisch.

    „Einfach so kommt die Antwort. „ Sie war mit ihren Eltern in Jesolo, Italien. Dort ist sie als Kind mit ihnen immer zum Baden hingefahren. Der Urlaub sollte so etwas wie eine nostalgische Reise in die Kindheit sein. Bei einem Strandspaziergang ist sie einfach zusammengebrochen. Sie war sofort tot. Die Obduktion hat als Ursache plötzliches Herzversagen ergeben. Keine äußeren Ursachen. So was kommt einfach vor, so traurig es ist.

    Theo runzelt die Stirn, irgendetwas stört ihn hier, aber er kann nicht sagen, was.

    „Mehr kann ich ihnen über das kurze Leben unseres Sohnes im Moment nicht erzählen sagt Papa Äffchen traurig und fügt leise hinzu: „Meinen sie, sie könnten für uns herausfinden, was unserem Sohn zugestoßen ist? Bitte.

    „Wenn sie meine Stundensätze bezahlen können.." ist Theos Antwort als letzter Versuch, diesem Auftrag, gegen den sich sein Bauchgefühl sträubt, doch noch zu entgehen.

    „Wir haben genug gespart sagt Papa Äffchen stolz. „Wir sind beide pensionierte Gymnasiallehrer, ich für Mathe und Physik, und meine Frau für Deutsch und Geschichte. Theo stellt sich Mama Äffchen im Klassenzimmer vor, wie sie piepsend Hitlers Machtergreifung erklärt. Er muss unwillkürlich grinsen. Papa Äffchen deutet das als Zustimmung und sagt schnell: „Wir wissen gar nicht, wie wir Ihnen danken sollen, Herr Strack. Er blinzelt. „Ach ja, sagt er dann, und zieht einen Schlüsselbund aus der Tasche, „hier sind noch die Schlüssel für Franks kleine Eigentumswohnung, falls sie sich mal selbst ein Bild machen wollen. Wir haben alles gelassen, wie es war. Die Adresse…"

    „Hinterlassen Sie bei Olga, die auch die sonstigen Formalitäten mit Ihnen erledigt."

    Die Äffchen machen, dass sie hinauskommen, als ahnten oder fürchteten sie, Theo könnte sich die Sache noch mal überlegen. Die Tür klappt hinter ihnen zu.

    Theo dreht sich mit seinem Stuhl um und schaut zum Fenster hinaus. Draußen ist es ungewöhnlich dunkel geworden, ein Gewitter zieht auf. In der Ferne hört man es schon donnern. Das Wetter passt zu Theos Laune. Auf sein Bauchgefühl hat er sich bisher immer verlassen können, und dieses Gefühl sagt ihm, dass er mit dieser Sache eine Dose voll Würmer aufmacht. Aber das Thema ist sowieso erledigt, als Olga hereinkommt und ihm den von den Äffchen unterschriebenen Vertrag auf den Tisch haut. Jetzt hat er den Fall endgültig am Hals.

    Der Mann mit der Kapuze

    4

    Eine Stunde später steht Theo wieder am Fenster. Das Gewitter hat sich verzogen. Unten sieht er, wie Erwin, der Hausmeister, irgendeinen Junkie im Kapuzenpulli vom Hof jagt.

    Theo beschließt, die Wohnung von Frank Stiller zu besichtigen. Irgendwo muss man ja anfangen. Er lässt sich von Olga Schlüssel und Adresse geben und fährt in den Innenhof hinunter, wo er seinen 1975er Pontiac Grand Am in eine Garage gezwängt hat. Lime-green metallic, weiße Vinylsitze, getunter 7,5 Liter V-8 Motor, das volle Programm. Der Wagen ist so breit, dass Theo in der Garage kaum die Tür aufkriegt. Aber: Wer schön sein will, muss leiden. Als Theo den Motor anlässt, vibrieren im ganzen Haus die Scheiben. Darum leiht er sich für unauffällige Observationen auch immer Olgas uralten Kadett aus.

    Theo reiht sich in den Verkehr ein. Als er Gas gibt, hebt sich die Schnauze des Grand Am wie bei einem starken Motorboot, das in See sticht. Theo spielt eine CD ab.

    Es kommt I ain´t living long like this, gecovert von Emmylou Harris. Theo singt den Refrain mit und denkt düster: Kommt mir irgendwie bekannt vor. Nach zwanzig Minuten hat er die Strecke von Giesing bis zu der Adresse in Obersendling geschafft. Keine Top-Gegend, Wohnbebauung und Gewerbe durcheinander, aber auch kein Glasscherbenviertel. Theo findet mit Mühe einen Parkplatz und geht dann zu dem Mehrfamilienhaus, 5 Stockwerke, 70er Jahre, aber noch gut in Schuss. Frank Stiller hat im zweiten Stock gewohnt, das Türschild ist noch dran.

    Theo schließt die Wohnung auf. Was hofft er hier zu finden? Jeder Quadratzentimeter ist schon von den Bullen abgesucht worden. Gefunden haben sie nix. Vielleicht zu viel Technik und zu wenig Gespür? Theo sieht sich um. Zwei Zimmer, Küche, Bad, nichts Besonderes, modern, zweckmäßig eingerichtet. Einfache, schmucklose Möbel. Kein Computer, keine persönlichen Unterlagen. Alles mitgenommen und asserviert. Insgesamt die unpersönliche Wohnung eines allein stehenden Mannes, der sich dort nicht oft aufhält. An den Wänden Warhol-Drucke, ein paar gerahmte Fotos, Frank Stiller am Strand, im Gebirge, in fremden Städten, allein oder mit Freunden. Ein paar Mal zusammen mit einer jungen Frau, so Ende zwanzig, dunkelhaarig, hübsch. Auf einem Foto sitzt sie in einem Straßenlokal und prostet mit einem Glas Rotwein der Kamera zu. Das muss Beatrix gewesen sein, Franks Freundin, die so früh gestorben ist, ein Jahr vor Franks eigenem Tod. Einfach so. Herzversagen. Tragisch, aber unverdächtig.

    Unverdächtig? Theo überlegt. Alle Personen, die auf diesen Bildern zu sehen sind, wurden garantiert von der Polizei identifiziert und unter die Lupe genommen. Abgeklopft, ob sie was mit der Sache zu tun haben könnten oder was wissen. Jemand, der zum Tatzeitpunkt schon ein Jahr tot gewesen ist, den kann man nicht mehr unter die Lupe nehmen. Was macht man dann? Liegt hier ein Schatz verborgen, den die Bullen womöglich deswegen nicht gehoben haben, weil sie gar nicht daran dachten, dass er da sein könnte? Theo nimmt das Bild aus dem Rahmen und steckt es ein. Dann verlässt er die Wohnung.

    Theo hat den Wagen zwei Straßen weiter geparkt. Er geht auf ihn zu und fingert in der Hosentasche nach den Schlüsseln, auf den Jugendlichen, der mit dem Rad auf dem Gehsteig in seine Richtung rast, achtet er nicht. Theo dreht sich um, als er hinter sich einen gedämpften Knall hört und gleichzeitig einen Schlag am Kopf spürt. Dann wird alles schwarz.

    5

    Als Theo am nächsten Tag im Krankenhaus zu sich kommt, mit einem Verband um den Kopf, sieht er drei Gesichter, die sich über sein Bett beugen: Das bestürzte von Olga, das milde lächelnde eines älteren Herren, der wie der verstorbene Volksschauspieler Gustl Bayrhammer ausschaut, und das verkniffene einer ausgezehrten Krankenschwester.

    Mein Gott, Chef, ich bin ja so froh, ich habe schon gedacht, ich weiß gar nicht.. Olga ringt nach Worten. Zu ihrer Erleichterung fällt ihr ein: „ Ich hab ihnen auch was mitgebracht. Sie zieht aus ihrer Handtasche eine Flasche Wodka heraus, der sie eine Geschenkschleife um den Hals gebunden hat. „Für sie, Chef, und gute Besserung sagt sie, sichtlich froh, die Situation gerettet zu haben. Sie stellt die Flasche auf Theos Nachttisch.

    „Alkohol ist wohl kaum das geeignete Mitbringsel für Kranke, junges Fräulein" keift die ausgezehrte Krankenschwester und macht Anstalten, die Flasche wieder wegzunehmen. Theo platzt der Kragen.

    „Was ist denn das hier für ein Laden? schreit er die Schwester an. „Da liege ich in so einem Scheißkrankenhaus, wo ich nicht weiß, wie ich hingekommen bin, und sie wollen auch noch meine Gewohnheiten ändern und mein Personal anschnauzen?

    Der Mund der Schwester klappt erst auf, dann zu, und sie dreht sich um und rauscht aus dem Zimmer, nicht ohne die Tür hinter sich zuzuknallen.

    „Olga, was ist hier eigentlich los?"

    „Das erklärt ihnen besser der Herr dort antwortet Olga und guckt scheu zu dem Volksschauspieler hinüber. „Ich muss dann los, ins Büro, sonst ist ja keiner am Telefon, am Abend komm ich noch mal wieder, Servus Chef Olga macht, dass sie wegkommt. Der Volksschauspieler schaut mitleidsvoll.

    „ Seit wann machst du Krankenbesuche bei der Konkurrenz? brummt Theo misstrauisch. Kriminalhauptkommissar Hans Baer lächelt milde. „ Bei Mordversuch ist das leider mein Job, das müsstest du doch wissen, Theo.

    „Mordversuch? Kann mir endlich mal einer sagen, was hier Sache ist?"

    „Hast du gar keine Erinnerung mehr?"

    „Nur dass ich gestern in Obersendling in mein Auto steigen wollte."

    „Also, hör zu fängt Baer bedächtig an, „ du bist angeschossen worden, gestern in Obersendling. Streifschuss am Kopf. Dir wird nichts bleiben. Du hast aber unwahrscheinliches Glück gehabt. Zwei Millimeter mehr, und du wärst tot. Baer sieht, dass Theo etwas sagen will und hebt die Hand.

    „Lass mich erst ausreden. Eine Verkäuferin in dem Laden, vor dem du geparkt hast, hat zufällig aus dem Schaufenster geguckt. Sie hat dich auf dein Auto zugehen sehen, als ein Mann mit Kapuzenpulli hinter dich getreten ist und eine Pistole mit Schalldämpfer gezogen hat. Er hat auf dich angelegt und geschossen, aber in dem Moment hat ihn ein Jugendlicher mit dem Fahrrad gestreift. Das hat ihm offenbar die Waffe verrissen, so dass er nicht genau getroffen hat. Der Täter ist dann weggelaufen. Der Jugendliche ist einfach weitergefahren. Und bevor du fragst: Eine genaue Täterbeschreibung gibt es nicht. Ein Mann, etwa eins achtzig groß, kräftig, nur von hinten gesehen, dunkle Hose und Kapuzenpulli. So laufen Hunderte rum. Fahndung in der Umgebung ohne Erfolg. Und von dem Jugendlichen auf dem Rad weiß die Verkäuferin gerade noch, dass er ein rotes Hemd angehabt hat. Wir haben schon Zeugenaufrufe an die Öffentlichkeit raus gegeben. Ob das was bringt, weiß der Geier."

    „Verdammt" schnauft Theo, er ist ganz blass geworden. Baer fragt:

    „Fällt dir dazu irgendwas ein, Theo? Theo schüttelt den Kopf. Baer lächelt jetzt nicht mehr. „Theo, das war kein x-beliebiger Raubüberfall, das war ein gottverdammter Mordanschlag, so was passiert nicht zufällig. Was hast du denn gestern in Obersendling gewollt?

    „ Berufsgeheimnis" sagt Theo verschlossen. Er denkt nicht daran, Baer einzuweihen und hofft inständig, dass man das Foto der toten Beatrix nicht bei ihm gefunden hat.

    „Theo, Baer wird eindringlich, ich weiß dass du bei deinen Ermittlungsmethoden bisweilen, sagen wir mal, den Boden der Strafprozessordnung verlässt. Und solange du es nicht zu toll treibst, will ich das auch gar nicht so genau wissen. Aber hier geht es um ein Kapitalverbrechen, da kann ich mich nicht einfach hinstellen und sagen ach, da stellen wir die Ermittlungen mal ein, damit dem Theo seine Berufsgeheimnisse auch schön geheim bleiben. Theo, bist du in letzter Zeit jemandem auf die Füße getreten?"

    Doch Theo schweigt eisern. Nach einer halben Stunde gibt Baer resigniert auf. „Wir haben uns sicher nicht zum letzten Mal gesehen sagt er zum Abschied, „ meine Telefonnummer hast du ja noch. Dann geht er.

    6

    Theo

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