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DER FALL WINSLOW
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Ebook168 pages1 hour

DER FALL WINSLOW

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About this ebook

Das Stück spielt kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Ronnie, der Sohn Arthur Winslows, soll auf dem College einen Postscheck gestohlen haben und wird aufgefordert, das College zu verlassen. Nach Befragung seines Sohnes und überzeugt von dessen Unschuld, unternimmt Arthur Winslow alles, um den Ruf seines Sohnes wieder herzustellen. Er engagiert den berühmten Anwalt Sir Robert Morton, der schließlich im "Fall Winslow versus Rex" vor das höchste britische Gericht zieht.
"Der Fall Winslow" ist ein aufwühlendes "well made play", basierend auf einem authentischen Fall.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateJul 2, 2014
ISBN9783844278200
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    DER FALL WINSLOW - Terence Rattigan

    Personen

    Ronnie Winslow

    Violet

    Arthur Winslow

    Grace Winslow

    Dickie Winslow

    Catherine Winslow

    John Watherstone

    Desmond Curry

    Miss Barnes

    Fred

    Sir Robert Morton

    Erster Akt – ein Sonntagmorgen im Juli

    Zweiter Akt – ein Abend im April, neun Monate später

    Dritter Akt – ein Abend im Januar, neun Monate später

    Vierter Akt – ein Nachmittag im Juni, fünf Monate später

    Die Handlung des Stückes spielt in Arthur Winslows Haus in Kensington, London. Sie erstreckt sich über zwei Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

    Erster Akt

    Der Salon eines Hauses in Courtfield Gardens, South Kensington. Es ist ein Vormittag im Juli, wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg.

    Die Möbel sind schlicht, aber nicht undekorativ, sie entsprechen einem upper-middle-class Haushalt.

    Ein Junge, ungefähr vierzehn Jahre alt, steht auf der Bühne. Er trägt die Uniform eines Osborne-Seekadetten. Seine Haltung wirkt verkrampft und angespannt, sein Gesicht ist ausdruckslos und leer.

    Aus der Diele hört man Geräusche. Als sie näher kommen, schaut er verzweifelt um sich, als beabsichtige er davon zu laufen. Ein älteres Dienstmädchen, Violet, kommt herein und bleibt erstaunt vor ihm stehen.

    VIOLET Master Ronnie!

    RONNIE mit missratener Normalität Hallo, Violet.

    VIOLET Was ist das? Wir haben dich nicht vor Dienstag erwartet.

    RONNIE Ich weiß.

    VIOLET Warum hast du nicht gesagt, dass du kommst, du dummer Junge? Deine Mutter hätte dich vom Bahnhof abgeholt. Wie kann ein Kind wie du allein durch London laufen? Hätte ich nicht gekonnt. Und wie bist du überhaupt herein gekommen? Bestimmt durch den Garten.

    RONNIE Nein, durch die Haustür. Ich habe geläutet und die Köchin hat aufgemacht.

    VIOLET Und wo ist dein Koffer und dein Proviantbeutel?

    RONNIE Oben. Der Taxifahrer hat alles hoch getragen.

    VIOLET Taxifahrer? Du hast ein Taxi genommen? Ronnie nickt. Einfach so? Was ihr Jungs heutzutage fertig bringt. Was wird bloß dein Vater dazu sagen, und deine Mutter –

    RONNIE Wo sind sie, Violet?

    VIOLET In der Kirche natürlich.

    RONNIE leicht abwesend Ach, ja. Ist ja Sonntag, nicht?

    VIOLET Was ist mit dir los? Haben sie mit dir in Osborne was angestellt?

    RONNIE schnell Was meinst du?

    VIOLET Haben wohl deinen Kopf weich geklopft oder was Ähnliches. Na ja, ich pack besser mal deine Koffer aus… Mister Dickie hat übrigens deine Kommode für seine Wäsche und andere Sachen in Beschlag genommen. Ich räum sie wieder aus und leg alles auf sein Bett. So mach ich das jetzt. Er wird schon anderswo Platz für alles finden.

    RONNIE Soll ich dir helfen?

    VIOLET spöttisch Deine Hilfe kenn ich. Da hab ich dann den ganzen Tag zu tun. Nein, du wartest hier auf deine Eltern. Die sind bald zurück. Ronnie nickt und wendet sich niedergeschlagen ab. Violet betrachtet irritiert den ihr zugewandten Rücken. Und?

    RONNIE sich umdrehend Ja?

    VIOLET Krieg ich einen Kuss oder bist du dafür jetzt zu alt?

    RONNIE Entschuldige, Violet.

    Er geht zu ihr und wird von ihrem üppigen Busen umschlossen.

    VIOLET Na also, geht doch. So ein großer Kerl bist du geworden. Sie hält ihn auf Armeslänge und mustert ihn. Ein richtiger kleiner Marineoffizier, was?

    RONNIE hilflos lächelnd Ja, stimmt.

    VIOLET So, jetzt muss ich aber…

    Violet ab. Allein gelassen verfällt Ronnie wieder in äußerste Niedergeschlagenheit. Aus seiner Tasche holt er einen versiegelten Brief. Er zögert einen Augenblick, dann bricht er das Siegel auf und liest den Brief. Die Lektüre scheint sein Elend zu vergrößern.

    Er will den Brief zerreißen, doch dann ändert er seine Meinung und steckt ihn zurück in die Tasche. Er rafft sich auf und macht zwei, drei schnelle Schritte zur Dielentür. Dann bleibt er unsicher stehen.

    Aus der Diele hört man Stimmen. Ronnie springt auf und läuft dann mit einem unterdrückten Seufzer zur Gartentür und – die eiserne Treppe hinunter – in den Garten.

    Die Dielentür öffnet sich und der Rest der Familie Winslow tritt ein. Es sind Arthur und Grace, Ronnies Eltern, und Dickie und Catherine, sein Bruder und seine Schwester. Alle tragen ein Gesangbuch und bringen noch etwas von der salbungsvollen Nach-Kirchgang-Stimmung herein.

    Arthur stützt sich schwerfällig auf einen Gehstock. Er ist um die sechzig Jahre alt, ein Mann, der seine patriarchalische Aura pflegt. Grace ist ungefähr zehn Jahre jünger, wie hübsch sie einmal war, ist noch zu erahnen. Dickie ist Oxford-Student – groß, laut und immer gut drauf. Catherine geht auf die Dreißig zu, sie hat etwas leicht Maskulines an sich, das in einem merkwürdigen Kontrast zum intensiv Femininen ihrer Mutter steht.

    GRACE beim Hereinkommen Aber er ist so alt, mein Lieber. Hinten in der Kirche versteht man nicht ein Wort, das er sagt –

    ARTHUR Er ist ein guter Mann, Grace.

    GRACE Aber was nutzt es gut zu sein, wenn du nicht verstanden wirst?

    CATHERINE Ein ethisches Problem, das gelöst sein will, Vater.

    Arthur steht mit dem Rücken zum Kamin. Er blickt zur offen stehenden Gartentür.

    ARTHUR Es zieht, Grace.

    Grace geht zur Tür und schließt sie.

    GRACE Oje, es fängt an zu regnen.

    DICKIE Ich finde, Mutter hat Recht. Der Alte ist inzwischen so tatterig, er kommt ja kaum noch von der Stelle. Ich habe heute seine Zeit gestoppt. Geschlagene fünfundsiebzig Sekunden hat er gebraucht – vom Altar bis zur Kanzel. Und auf der Geraden dahin hätte er einen Peitschenhieb gebraucht. Mies gelaufen, nenne ich so was.

    ARTHUR Ich finde deine Vergleiche nicht sehr witzig, Richard.

    DICKIE Wirklich nicht, Vater?

    ARTHUR So tatterig Mister Jackson jetzt auch scheinen mag, seine erste B.A. Prüfung in Oxford dürfte er jedenfalls bestanden haben.

    DICKIE gekränkt Volltreffer. Vater, du hattest versprochen, darüber in den Ferien nicht –

    GRACE Das stimmt, und du weißt es, Arthur.

    ARTHUR Unter einer Bedingung hatte ich es versprochen – wenn ihr euch erinnern wollt: Sofern mir Dickie stichhaltige Beweise für seine Leistungsbereitschaft liefert.

    DICKIE Und, habe ich das nicht, Vater? Bin ich nicht gestern Abend – einen Samstagabend – hier geblieben und habe gelernt?

    ARTHUR Du warst zu Hause, Dickie. Ich wäre der Letzte, der das leugnen würde.

    GRACE Und mit diesem alten Grammophon hast du so einen Krach gemacht, mein Großer. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie du bei diesem Gedudel mit dem Lernen voran kommen kannst.

    DICKIE Es ist komisch, Mutter, aber es hilft mir beim Konzentrieren –

    ARTHUR Konzentrieren worauf?

    DICKIE Auf die Arbeit natürlich.

    ARTHUR Der galt deine Konzentration aber nicht, als ich herunter kam, um mir ein Buch zu holen. Denn an Schlaf war aufgrund der grässlichen Geräusche, die aus diesem Zimmer drangen, nicht zu denken.

    DICKIE Edwina und ihr Vater waren auf dem Weg zu Grahams Tanzschuppen und hatten noch mal rein geschaut… Sie waren nur eine Minute da –

    GRACE Das ist eine kleine Idiotin! Oh, Dickie, entschuldige. Mir war ganz entfallen, wie versessen du auf sie bist. Bist du doch, oder?

    ARTHUR Wenn du die Stellung gesehen hättest, in der ich die beiden letzte Nacht ertappt habe, hättest du dafür den Beweis.

    DICKIE Wir übten den Bunny Hug.

    GRACE Den was, mein Schatz?

    DICKIE Den Bunny Hug. Das ist ein neuer Tanz.

    CATHERINE helfend Ähnlich dem Turkey Trot – nur etwas kultivierter.

    GRACE Ich dachte, das wäre der Tango.

    DICKIE Nein, es ist mehr eine Art von Fox Trot. Irgendetwas zwischen Boston Glide und Kangaroo Hop.

    ARTHUR Wir kommen vom Thema ab. Egal, welches Tier für eure Verrenkung verantwortlich ist, Tatsache bleibt, du hast während dieser Ferien keinen Schlag für dein Studium getan.

    DICKIE Na ja, ich arbeite dafür extrem schnell – wenn ich erst einmal angefangen habe.

    ARTHUR Aus Erfahrung lässt sich diese Behauptung nicht beweisen.

    DICKIE Volltreffer, Vater. Heute Morgen schießt du dich ganz schön auf mich ein.

    ARTHUR Dickie, du musst langsam begreifen, dass ich keine zweihundert Pfund im Jahr ausgebe, damit du in Oxford den Bunny Hop lernst.

    DICKIE Hug, Vater.

    ARTHUR Die genaue Bezeichnung dieser Obszönität ist belanglos.

    GRACE Vater hat schon Recht, mein Schatz. Du musst in diesen Semesterferien mehr Tempo machen.

    DICKIE Ja, Mutter, ich weiß. Aber die Zeit ist fast schon wieder vorbei –

    GRACE seufzend Ich wünschte mir, du wärst so fleißig wie Ronnie.

    DICKIE heftig Das liebe ich. Jetzt wird ganz dick aufgetragen, also wirklich. Ronnie muss bei seinen albernen kleinen Hausaufgaben doch bloß zwei und zwei addieren.

    ARTHUR Jedenfalls ist Ronnie beim Addieren von zwei und zwei erfolgreicher, als du es in seinem Alter warst.

    DICKIE jetzt wütend Oh ja, ich weiß. Ich weiß. Er hat es

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