Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Margas Leben - Familien unter Hitler (2)
Margas Leben - Familien unter Hitler (2)
Margas Leben - Familien unter Hitler (2)
Ebook214 pages3 hours

Margas Leben - Familien unter Hitler (2)

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Der Autor hat die historischen Fakten in eine Familiengeschichte eingebunden, um nicht eine bloße historische Abhandlung zu schreiben, von denen es eine unermessliche Fülle gibt. Er möchte so den Versuch unternehmen, die gesellschaftlichen Entwicklungen zwischen den zeitgeschichtlichen Fakten deutlich werden zu lassen und sie auf diese Weise mit Leben füllen, damit sich auch junge Menschen mit dieser für Deutschland so wichtigen Weichenstellung beschäftigen. Im Mittelpunkt des Romans steht das jüdische Mädchen Marga, das mit seiner Familie in Amsterdam lebt und dort zur Schule geht, weil sein Vater nach Amsterdam versetzt worden war. Amsterdam ist somit ein Handlungsort, ein anderer ist Essen in Deutschland, wo Margas Tante Agnes, die Schwester ihrer Mutter, zusammen mit ihrer Familie lebt. Während Margas Vater als leitender Angestellter für eine deutsche Glasfirma in Holland arbeitet und Margas Familie deshalb in guten Verhältnissen lebt, ist Margas Essener Onkel Arzt und deshalb finanziell auch gut gestellt.Gerda und Manfred, Margas Cousine und Cousin, sind Studenten in Göttingen und Marburg. Werner, der Freund von Manfred, der in der Nachbarschaft wohnt, ist der Geliebte von Marga, Manfred bändelt mit Margas Freundin Petra an. Gerda, eigentlich das fünfte Rad am Wagen, ist aber eine eigenständige Persönlichkeit und fühlt sich durch die Pärchen in keiner Weise in ihrer Lebensführung beeinträchtigt, sie nimmt sich später Siegfried zum Mann. Werners Mutter, die nach dem Tod ihres Mannes ins gesellschaftliche Abseits abzudriften drohte, wird mit Margas Hilfe wieder eine attraktive Frau und sie ist wie auch Margas Tante Agnes politisch sehr engagiert. Sowohl in Margas als auch in der Essener Familie werden die sich im Deutschen Reich im Hinblick auf die Etablierung einer Führerdiktatur verdichtenden Ereignisse diskutiert.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateJan 31, 2014
ISBN9783847672432
Margas Leben - Familien unter Hitler (2)

Read more from Hans Müller Jüngst

Related to Margas Leben - Familien unter Hitler (2)

Related ebooks

Historical Fiction For You

View More

Related articles

Related categories

Reviews for Margas Leben - Familien unter Hitler (2)

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Margas Leben - Familien unter Hitler (2) - Hans Müller-Jüngst

    Marga und Petra fahren nach Hause

    „Habt Ihr auch nichts vergessen und überall noch einmal nachgesehen?", fragte Agnes.

    „Wir schicken Euch die Sachen, die Ihr hier liegen gelassen habt, natürlich nach, aber das dauert, bis die in Amsterdam ankommen!"

    „Ich glaube, dass wir alles eingepackt haben, so viel hatten wir ja auch gar nicht mit", antwortete Marga, und Petra und sie standen langsam auf, die Stunde des Abschieds war gekommen. Alle waren aufgestanden, um die beiden zum Abschied zu umarmen, Petra und Marga hatten sich fest vorgenommen, beim Abschied nicht zu weinen. Als Marga aber sah, dass Tante Agnes die Tränen in den Augen standen, als sie sie umarmte, konnte sie nicht mehr an sich halten und fing bitterlich an zu weinen, sie weinte, was das Zeug hielt, auch Petra weinte, und sie trockneten sich mit Servietten vom Tisch die Tränen.

    „Es war so schön bei Euch", schluchzte Marga und Petra sagte:

    „Ich werde nie vergessen, wie ich von Euch aufgenommen worden bin!" Die Mädchen umarmten Gerda, die auch kurz davor war, in Tränen auszubrechen, Frau Theißen sah Marga in die Augen und kämpfte auch mit den Tränen, Robert umarmte Petra und Marga und wünschte den beiden eine gute Heimreise. Die beiden nahmen ihre Rucksäcke auf und liefen mit Werner und Manfred zum Wagen, den ihnen Robert geliehen hatte. Manfred hatte das Dach geöffnet und Petra und Marga riefen bei der Abfahrt aus dem Wagen:

    „Bis zum nächsten Mal, alles Gute!"

    „Gute Reise, kam zurück, „bis zum Herbst in Amsterdam !, und weg waren sie. Petra und Marga wischten sich die Tränen aus ihren Gesichtern und dachten an die schöne Zeit in Essen zurück, als Manfred auf den Bahnhofsvorplatz fuhr und dort parkte. Sie stiegen aus dem Wagen, nahmen die Rucksäcke und liefen auf den Bahnsteig, Petra mit Manfred und Marga mit Werner, stellten sich getrennt voneinander dorthin und warteten eng umschlungen auf ihren Zug. Marga dachte wehmütig an ihren Ausflug nach Langenberg und ihren Tanzabend, ihr war noch gar nicht danach, wieder nach Hause fahren zu müssen, ebenso ging es Petra.

    Sie hatten noch eine Viertelstunde, in der sie sich umarmten und küssten, in der sie sich ihrer Liebe versicherten, bis die Durchsage für den D-Zug nach Amsterdam kam. Mit lautem Getöse schnaubte die D-Zug-Lok an ihnen vorbei, und als der Zug zum Stehen gekommen war, stiegen die Mädchen ein, sie versuchten, keine großen Umstände zu machen, was ihnen auch halbwegs gelang, sie stellten sich gleich an das geöffnete Fenster. Marga schaute Werner in die Augen, Petra blickte Manfred an, sie schwiegen, und als die Durchsage kam Bitte Zurücktreten und der Abfahrtspfiff ertönte, weinten die Mädchen wieder und winkten den Jungen so lange zu, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Der Augenblick des Abschieds war auch Werner und Manfred sehr nahegegangen und sie kämpften beide gegen ihre Tränen an, sie weinten aber nicht und fuhren wieder nach Hause. Die Mädchen saßen in ihrem Abteil mit einer Familie und deren Kindern, die sie anstarrten, weil sie so verweint aussahen:

    „So ein Abschied ist immer schwer!", sagte der Familienvater. Petra und Marga schwiegen die ganze Zeit und blickten aus dem Fenster, sie sahen zunächst noch die vielen qualmenden Schlote der Fabriken, bis sie ins Münsterland kamen, wo von Industrie keine Spur war. In Wesel stieg die Familie aus dem Zug, und sie saßen allein in ihrem Abteil, plötzlich fand Petra ihre Sprache wieder und sie Fragte Marga:

    „Wann kommen wir denn in Amsterdam an?" Marga antwortete:

    „Wenn wir gut über die Grenze kommen und dort keinen langen Aufenthalt haben, so gegen 16.30 h. In Emmerich hielt der Zug erst einmal an der Grenze, und die Zollbeamten stiegen ein, sie schrien „Pässe! und hatten wieder einen scharfen Hund dabei. Als sie die Abteiltür aufrissen, kläffte der Hund sofort los und hing mit triefenden Lefzen an seiner kurz gehaltenen Leine.

    „Wohin fahren Sie?", fragte der eine Zollbeamte und Marga antwortete.

    „Nach Amsterdam", in diesem Moment sah der Zöllner in Margas Pass ihren jüdischen Nachnamen und er blökte los:

    „Sie sind ja Jüdin, Sie sollten wissen, dass Juden im Deutschen Reich nicht mehr so gern gesehen sind, also hüten Sie sich davor, noch einmal wiederzukommen!" Er gab Marga ihren Pass zurück, Petras Nachname Gerrits gab ihm keinen Grund zur Beanstandung. Wortlos zog er den ununterbrochen kläffenden Hund zurück und verließ das Abteil wieder, die Abteiltür knallte er mit lautem Krach zu.

    „Wie kann man nur so dreist sein", fragte Marga entrüstet, jemandem ins Gesicht zu sagen, dass er nicht erwünscht ist, weil er Jude ist? Petra entgegnete:

    „Das ist der neue Ton in Deutschland, daran muss man sich wohl jetzt hier gewöhnen, als Jude hat man in diesem Land keinen leichten Stand mehr." Kurze Zeit später setzte sich der Zug wieder in Bewegung, er hielt wegen des Zolls auf holländischer Seite nicht noch einmal an, und die Mädchen fuhren weiter Richtung Amsterdam.

    Sie erreichten bald Utrecht und liefen eine halbe Stunde danach in die Centraal Station ein. Die Mädchen beschlich ein Gefühl aus Freude und Trauer, Freude darüber, dass ihre Heimatstadt sie wieder hatte und Trauer, weil sie doch einige Zeit von ihren Liebsten getrennt wären. Sie liefen auf den Bahnhofsvorplatz und blickten den Damrak hinunter, den sie vor ein paar Wochen alle zusammen entlanggelaufen waren. Sie schlenderten die Touristenstraße langsam entlang, bis sie zum Dirk-van-Hasseltssteeg kamen und Petra und Marga trennten sich fürs Erste voneinander. Marga bog in die Verbindung zur Herentstraat ein, und als sie die Tuinstraat erreichte, schlug ihr Herz höher. Sie sah ihr Elternhaus vor sich liegen, und in der Haustür stand Doris und wartete mit geöffneten Armen auf ihre Tochter. Marga rannte los und ließ sich von ihrer Mutter auffangen und umarmen:

    „Meine Liebe Marga, schön dass Du wieder zu Hause bist", rief Doris vor Freude aus. Marga kam sich vor, als wäre sie endlos lange von zu Hause fort gewesen, sie ging langsam ins Haus und beäugte alles, als hätte sie das Hausinnere noch nie gesehen. Doris führte ihre Tochter in die Küche, und dort stand auf dem Tisch eine Schwarzwälder Kirschtorte, Marga bekam den Mund nicht mehr zu, als sie sie sah:

    „Mama, meine Lieblingstorte!", schrie sie und setzte sich gleich an den Tisch. Aber Doris schickte sie zum Händewaschen wie ein kleines Mädchen, das musste nach der langen Zugfahrt sein.

    Als Marga wiederkam, hatte Doris ihr ein Stück Torte auf ihren Teller gelegt, und Marga aß mit Heißhunger ihren Lieblingskuchen. Doris schenkte ihr eine Tasse Kaffee ein und fragte sie, wie es denn noch in Essen gewesen wäre? Marga antwortete:

    „Kann ich nicht erst einmal meine Torte aufessen, danach werde ich Dir alles erzählen? Und Doris wartete, sie fragte, ob Marga nicht noch ein Stück von der Torte haben wollte, aber Marga winkte ab: „Vielleicht später noch einmal! Im Anschluss fing sie an zu erzählen, sie berichtete bis ins kleinste Detail von allen Dingen, die sie in Essen erlebt hatte und beantwortete akribisch genau die Rückfragen von Doris. Den absoluten Schwerpunkt setzte sie in ihren Schilderungen bei Werners Mutter:

    „Du kannst Dir nicht vorstellen, wie sich die Frau verändert hat!" Sie wusste gar nicht, mit welchen Worten sie den Verwandlungsprozess von Frau Theißen am treffendsten wiedergeben konnte, ihre Mutter hörte jedenfalls sehr interessiert zu.

    „Du kennst sie nur als in sich gekehrte graue Maus, hässlich, unansehnlich, das ist völlig vorbei,. Du glaubst es nicht, nur durch andere Kleidung und eine neue Frisur sieht sie um mindestens zehn Jahre jünger aus, sie benimmt sich auch wie ein junger Mensch, das ist alles so schwer zu beschreiben, Du musst es in der Realität sehen, ich soll Dir und Max von allen herzliche Grüße bestellen und ausrichten, dass sie sich schon alle auf den Herbst in Amsterdam freuen."

    Doris bedankte sich für die Grüße und fragte aber doch noch einmal nach Werners Mutter, sie konnte sich einfach nicht vorstellen, wie aus dieser nichtssagenden Frau mit einem Mal eine blühende Rose hätte werden sollen. Aber Marga wiederholte einfach nur ihre Schilderungen, zu der äußeren Veränderung wäre auch noch eine innere gekommen: „Frau Theißen gibt sich jetzt selbstbewusst, was sie ja vorher nie getan hat, am Samstagabend waren wir zum Tanzen in der „Zornigen Ameise und dort ist sie von einem Verehrer angehimmelt worden, sie konnte ihn aber abschütteln. Als Doris das hörte, wollte sie es kaum glauben, sie beließ es dabei und fragte Marga nach dem Fahrtverlauf, besonders danach wie es an der Grenze zugegangen wäre. Doris berichtete zuerst von ihrer unangenehmen Grenzerfahrung, die sie mit Max hatte machen müssen, danach schilderte Marga ihre Erfahrung an der Grenze:

    „Ich bin von einem unverschämten Zollbeamten darauf aufmerksam gemacht worden, dass Juden im Deutschen Reich in Zukunft nicht mehr gern gesehen wären, und dabei wurde ich ständig von einem scharfen Schäferhund angekläfft, ich hatte ähnliche Erfahrungen bei meiner ersten Einreise nach Deutschland an Ostern machen müssen."

    „Davon hast Du ja damals gar nichts erzählt!", sagte Doris vorwurfsvoll. Solche Dinge blieben eben unerwähnt, sie wurden nicht in Amsterdam und nicht in Essen ausgebreitet, auch Robert hatte nichts von seinem unangenehmen Erlebnis mit der beschmierten Mauer vor der Praxis und der zerborstenen Fensterscheibe erwähnt. Vielleicht war das ein Fehler, man wollte sich aber einfach nicht die gute Stimmung vermiesen.

    „Hat es Petra auch so gut in Essen gefallen?", fragte Doris und Marga antwortete:

    „Petra ist jetzt mit Manfred zusammen, es hat wohl aber schon damals gefunkt, als Werner und Manfred hier waren, die beiden sind sich nun endlich nähergekommen."

    „Wie schön!, sagte Doris, „das freut mich aber für Sie und ich wünsche Ihnen, dass ihre Beziehung eine Zeit lang halten wird, das wünsche ich Dir und Werner natürlich auch!

    „Was hat sich denn hier ereignet, während ich weg war?", fragte Marga und Doris entgegnete:

    „Es ist nichts Nennenswertes geschehen, alles läuft seinen normalen Gang, es passiert nichts Außergewöhnliches." Um 17.00 h kam Max von der Arbeit nach Hause, und auch er freute sich riesig, seine Tochter in seinen Arme nehmen zu können. Marga musste alles noch einmal erzählen, was sie so erlebt hatte, und auch Max bekam ganz spitze Ohren, als Marga von der Verwandlung erzählte, die Frau Theißen mitgemacht hatte.

    „Du kannst es Dir einfach nicht vorstellen und musst sie in Wirklichkeit erleben, sagte Marga, „Du wirst Deinen Augen nicht trauen, wenn Frau Theißen im Herbst hier bei uns erscheinen wird. Marga nahm ihren Rucksack, öffnete das kleine Vorderfach und zog die Schachtel mit dem Füller heraus.

    „Seht mal, was ich von Frau Theißen geschenkt bekommen habe, das ist der Füller Ihres Mannes gewesen, und Sie hat ihn mir geschenkt, weil Sie der Ansicht ist, dass ich Ihr zu Ihrem neuen Leben verholfen habe." Doris und Max betrachteten das gute Stück und Max sagte:

    „Das ist ein sehr kostbarer Füller", und er nahm ein Blatt aus der Schublade des Küchentisches und machte einige Schreibversuche mit dem Montblanc-Füller.

    „Toll, wie der schreibt", sagte Max bewundernd und er verwendete beim Schreiben seines Nachnamens ganz ähnliche Schleifen wie Marga. Auch Doris schrieb etwas mit dem Füller und meinte:

    „Der schreibt ja beinahe von selbst", und ihr Schrifttypus glich dem von Marga, sie verwendete aber nicht so viele Schleifen, den Namen Rozenbaum schrieb sie in einer weichen mädchenhaften Schrift, die schön und sauber war. Der Füller stand auch Doris sehr gut, und sie schien ein Auge auf ihn zu werfen, aber Marga machte unmissverständlich klar, wem der Füller gehörte, nämlich ihr. Max fragte, ob sich das diktatorische Regime in Deutschland noch einmal von seiner schlimmen Seite gezeigt hätte, und Marga erzählte von dem Vorkommnis, als die zwei SA-Männer den unbescholtenen Mann zusammenschlugen, der es dem beherzten Einschreiten von Frau Theißen zu verdanken hatte, dass die SA-Männer ihre Schläge einstellten. Doris und Max wollten erst gar nicht glauben, was Marga da erzählte, dass ausgerechnet die blasse und kraftlose Frau Theißen den SA-Leuten Furcht eingeflößt haben sollte, aber Marga bestand darauf, dass es so war wie sie erzählt hatte.

    „Du hast ja noch drei Wochen, in denen Du Dich zu Hause auf Dein Studium vorbereiten kannst, hast Du in der Zeit etwas Bestimmtes vor?", fragte Doris ihre Tochter, aber Marga erwiderte:

    „Nein, nichts Bestimmtes, ich werde mich häufig mit Petra treffen und mit ihr reden, mehr nicht!"

    „Weißt Du, ob Onkel Robert irgendwelche unangenehmen Dinge in der Praxis erlebt hat?", fragte Max und Marga antwortete:

    „Er hat nie etwas davon erzählt, und ich glaube, dass er sich mit seiner Praxisarbeit sehr wohl fühlt!" Doris hatte die Wohnzimmerfenster geöffnet, um die gute Sommerluft hineinzulassen, man konnte die Vögel singen hören, was Marga aber am meisten das Gefühl gab, wieder zu Hause zu sein, war das Läuten der Glocken der Westerkerk, sie empfand ein unbeschreibliches Glücksgefühl, als sie sie hörte. Marga ging auf ihr Zimmer und öffnete gleich das Fenster, um das Glockengeläut hören zu können, sie legte sich auf ihr Bett und dachte an Werner, sie schloss die Augen und träumte, wie sie zusammen den Glockenturm bestiegen hatten und glücklich waren, der Klang der Glocken verkörperte alles, was ein schönes Leben in Amsterdam ausmachte. Marga lief später noch einmal nach unten, über die Treppe, die sie hinuntergeschlichen war, als sie nachts das Zimmer von Werner erreichen wollte und mit Manfred das Bett getauscht hatte. Doris und Max saßen im Wohnzimmer und blickten ihre Tochter an:

    „Na, ist es schön, wieder zu Hause zu sein?", fragte Max, Marga nickte nur uns setzte sich zu den beiden.

    „Ich bin in Gedanken noch ganz in Essen, sagte sie, „aber als ich eben die Glocken der Westerkerk gehört habe, fühlte ich mich gleich in meine Heimatstadt versetzt, kurze Zeit später legte sie sich schlafen.

    Beim Frühstück am nächsten Morgen gab es wieder nur das holländische Brot, aber Marga hatte keine Schwierigkeiten damit und streute auf eine Schnitte ihren geliebten Hagelslag, das war etwas, das sie in Deutschland vermisst hatte. Doris las im „Telegraaf und blätterte die Zeitung durch, bis sie auf die Seite mit den Auslandsnachrichten stieß, „Reichsnährstand in Deutschland gebildet stand da geschrieben, und Doris las die Überschrift vor.

    „Was ist das denn schon wieder?, fragte Marga und Doris las den Bericht ganz vor. Aus ihm wurde ersichtlich, dass am 13. September 1933 der sogenannte „Reichsnährstand gebildet worden war, dessen Aufgabe es sein sollte, die Produktion, den Vertrieb und die Preise landwirtschaftlicher Produkte zu lenken, er war eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit eigenem Haushalts-, Beitrags- und Beamtenrecht. Alle landwirtschaftlichen Kräfte wurden danach in die Reichsbauernschaft eingegliedert und waren Zwangsmitglieder. Mit der Bildung des „Reichsnährstandes wurde die gesamte Landwirtschaft im Deutschen Reich gleichgeschaltet, fasste Doris den Artikel im „Telegraaf zusammen.

    Dahinter stand natürlich die Idee der NSDAP, auch die Bauern auf ihre Seite zu ziehen und der Landflucht Einhalt zu gebieten. Durch die staatliche Lenkung der Landwirtschaft wurde vielen Bauern eine Existenz gesichert, die ohne die NSDAP vielleicht gezwungen gewesen wären, aufzugeben. Der massive Eingriff in die wirtschaftliche Eigenständigkeit des landwirtschaftlichen Bereiches entsprach auch dem „Blut und Boden-Gedanken der Nationalsozialisten, er war ein zentrales Element ihrer Ideologie, so der Kommentator im „Telegraaf. Das Blut galt als das Sinnbild für die Abstammung und der Boden als die Quelle der Nahrungsgewinnung und als Lebensraum. Insofern war die Bildung des „Reichsnährstandes" nur die logische Konsequenz im Sinne der NS-Ideologie gewesen. Über den Eingriff in das freie Spiel der Marktkräfte hinaus war dieser Schritt ein zutiefst ideologisch begründeter gewesen, er verdeutlichte, wie ernst es den Nationalsozialisten mit der Gleichschaltung war. Gleichschaltung meinte die Vereinheitlichung des gesamten gesellschaftlichen und politischen Lebens mit dem Ziel, den als zerstörerisch angesehenen Pluralismus in Staat und Gesellschaft aufzuheben.

    „Vor diesem Hintergrund muss man auch die Aufhebung der Parteien verstehen, meinte Marga, „Parteien sind ja Ausdruck eines pluralen Willensbildungsprozesses mit allen damit verbundenen Kontroversen, die NSDAP versteht sich ja auch nicht als Partei, wenngleich der Begriff Namensbestandteil ist, sondern als Bewegung, was eine Geschlossenheit im Willen und einen Gemeinschaftsgedanken suggeriert. Doris schenkte beiden noch eine Tasse Kaffee ein und sagte nur:

    „Wer weiß, wo das alles noch in Deutschland enden soll?" Plötzlich schellte es, Marga öffnete und begrüßte Petra.

    „Petra, schön Dich wiederzusehen!, sagte Doris zur Freundin ihrer Tochter, „wie hat es Dir denn in Essen gefallen? Petra erwiderte, dass Marga ja sicher schon alles erzählt hatte, „ich bin jetzt mit Manfred zusammen."

    „Das weiß ich doch schon längst und ich wünsche Euch beiden, dass

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1