Seelenreise: Indizienbeweis der Unsterblichkeit
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Den Anfangsverdacht, dass das Gehirn nur der "Arbeitsspeicher" sei, schöpfte der Autor bei der Analyse der Alzheimerschen Erkrankung. Die seltsame Dominanz des stabilen Altgedächtnisses bei Morbus Alzheimer ist neurophysiologisch unmöglich und lässt sich nur durch die Existenz einer nicht physischen Dimension der Persönlichkeit erklären. Dieser Anfangsverdacht wurde durch die Interpretation der Hirnstörungen Aphasie und retrograde Amnesie bestätigt.
Das Buch richtet sich an bildungshungrige Leser, die gern das Risiko eingehen, ihr gewohntes Weltbild in Frage zu stellen. Dabei werden naturwissenschaftliche Informationen über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns und seine Kooperation mit dem immateriellen Hauptanteil der Persönlichkeit vermittelt. Erkenntnisse der Psychoanalyse, der Neurophysiologie und der Quantenphysik bilden die Grundlage einer faszinierenden und mitunter schockierenden Aussage: die Identität des Menschen, seine Biografie, ist in einer nicht physischen Sphäre dynamisch "gespeichert", in der die persönlichen Daten nicht geschützt sind, in der es nicht selten zu Vertauschungen und "feindlichen" Interventionen kommt. Dies erklärt psychische Störungen, die von der Psychiatrie lediglich beschrieben und katalogisiert werden.
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Book preview
Seelenreise - Rainer Sörensen
Prolog
Der kleine Kieron malt mit grobem Buntstiftstrich Monster und Saurier. Von einem Tag auf den anderen ändert sich sein kreatives Verhalten. Er vollendet Aquarelle in Stile der Impressionisten. Die Presse nennt ihn „Mini-Monet".
Im Alter von vier Jahren verliert Aljoscha sein Sprachvermögen und verständigt sich mit Lauten, die von einem Schimpansen stammen könnten. Er verabscheut Kleider und Schuhe. Am liebsten würde er nackt auf Bäumen herumturnen.
Angela, als Kind in einer satanistischen Sekte auf grauenhafte Weise gefoltert und sexuell missbraucht, ist in psychotherapeutischer Behandlung. Der Therapeut hat in ihr mehrere Patienten und Patientinnen. Angela ist eine multiple Persönlichkeit.
Jan, ein sportlich-maskuliner Mann, Armeeoffizier, prominenter Journalist, aufgewachsen in einem, wie er sagt, wunderbaren Elternhaus, entschließt sich im fortgeschrittenen Alter zu einer operativen Geschlechtsumwandlung.
Mit diesen seltsamen Phänomenen konfrontiert, sprechen Hirnforscher von Stoffwechselstörungen im Zentralnervensystem. Sie behaupten, es seien Entgleisungen der Biochemie des Gehirns. – Was sonst?
Das „Sonst" ist Gegenstand dieses Buches.
Ein Nobelpreisträger scheitert und entdeckt die Welt des Geistes
The Magical Mystery Tour
is dying to take you away
The Beatles
Um es vorab zu sagen, das Scheitern war ein Erfolg, denn dem Forscher gelang es, wenn auch widerstrebend, einen wissenschaftlichen Trampelpfad zu verlassen, um in unbekanntes Gelände vorzudringen.
Es handelt sich um den Nobelpreisträger Sir John C. Eccles, der 1997 im Alter von 94 Jahren das Rätsel seines Lebens löste, das Rätsel, das auf dem Trampelpfad nicht zur Kenntnis genommen wird, denn für die Naturwissenschaft ist der Tod selbstverständlich das Ende der individuellen Existenz. Nachdem er sich von allen religiösen Jenseitsvorstellungen distanziert hatte, stellte Eccles vor seinem Tod die finale Frage: „Ist es nun wirklich so, dass dieses unser Leben einfach nur eine kurze Bewusstseinsperiode zwischen zwei Vergessenheitsperioden ist, oder gibt es irgendeine weiterreichende, transzendente Erfahrung, von der wir nichts wissen können, bevor sie uns zuteil wird?" (1)
Eccles, der sich wie kein anderer Hirnforscher mit der Architektur, der Feinstruktur und der Funktion des Zentralnervensystems beschäftigt hat, sah im reiferen Alter keine Perspektive mehr, psychologische Phänomene mit neurophysiologischen Prozessen zu erklären.
Was ist Bewusstsein? Was ist Aufmerksamkeit? Immer noch wollen die Hirnphysiologen diese Fragen mit neuronalen Prozessen erklären. In der letzten Dekade des zwanzigsten Jahrhunderts, der Dekade der Hirnforschung, war man fest entschlossen, das Bewusstseinsproblem zu lösen – vergeblich.
Eccles hatte die Absurdität dieser Versuche bereits erkannt. Zur Erklärung des Bewusstseins und ganz schlichter Wahrnehmungsprozesse sah er sich genötigt, eine immaterielle Sphäre zu postulieren, aus der heraus der materielle Organismus gesteuert wird.
Hohn und Spott der Fachkollegen hielt sich in Grenzen, weil der Nobelpreisträger von einem prominenten Philosophen und Wissenschaftstheoretiker unterstützt wurde, von Sir Karl Popper. Popper unterscheidet drei Welten. „Welt eins, die materielle Welt, sie enthält die unbelebte und belebte Materie, dazu gehört das Gehirn. „Welt zwei
ist die Dimension des Bewusstseins und aller Formen des subjektiven Erlebens. „Welt drei" ist die Zone des Wissens der Menschheit, materiell gespeichert in Bibliotheken und in modernen elektronischen Speichermedien.
„Welt zwei, das ist Eccles' immaterielle Sphäre des „sich selbst bewussten Geistes
, der das materielle Gehirn steuert. Der Geist benutzt das Gehirn als Instrument. Eine musikalische Metapher bietet sich an: Der Geist ist der Pianist, das Gehirn das Klavier. Wenn man davon ausgeht, dass es eine übergeordnete außerkörperliche Instanz gibt, muss man die materialistisch-naturwissenschaftliche Vorstellung des individuellen Todes hinterfragen. Eccles: „Was geschieht beim Tode? Dann hört jegliche Hirntätigkeit für immer auf. Der sich seiner selbst bewusste Geist, der in gewissem Sinne eine autonome Existenz innerhalb von 'Welt zwei' geführt hat, stellt fest, dass das Gehirn, das von ihm so wirksam und erfolgreich ein ganzes Leben hindurch abgetastet, sondiert und kontrolliert worden ist, überhaupt keine Botschaften mehr gibt."
Wenn man die Theorie einer außerkörperlichen Dimension des Individuums weiter verfolgt, bekommen mehrere seltsame Phänomene eine überraschende Bedeutung: die Aphasie, die retrograde Amnesie, die relative Stabilität des Altgedächtnisses bei seniler Demenz, das Tourette-Syndrom, das Landau-Kleffner-Syndrom, die Schizophrenie und seltsame Veränderungen der Persönlichkeit, was im weiteren Verlauf des Buches zu beweisen ist.
Gegenwärtig gibt es ein internationales Milliardenprojekt, das sich ausschließlich auf „Welt eins konzentriert, die Simulation des Gehirns mit dem Computer, mit der die letzten Geheimnisse des menschlichen Geistes gelüftet werden sollen. Sir John und Sir Karl befinden sich inzwischen, losgelöst von „Welt eins
, in „Welt zwei". Sie lachen.
Da stimmt doch etwas nicht im Gehirn
Wer von der Quantenphysik nicht schockiert ist,
hat sie nicht verstanden.
Niels Bohr
Das Nervensystem lebender Organismen folgt dem Gesetz von Reiz und Reaktion. Eng verbunden sind Reiz und Reaktion beim einfachen Reflex. Zum Beispiel beim Patellarsehnenreflex zeigt sich, dass die Leitungsgeschwindigkeit auf den Nervenbahnen ziemlich langsam ist. Der Arzt schlägt mit dem Hämmerchen unter die Kniescheibe des Patienten. Der Reiz wandert zur Wirbelsäule hinauf und kehrt zurück zur Muskulatur des Oberschenkels. Der Unterschenkel schlägt nach oben aus.
Was geschieht bei komplexeren Vorgängen, bei denen das Gehirn eingeschaltet ist? Das Zentralnervensystem ist ja, was oft vergessen wird, primär eine Gemeinschaftseinrichtung der Sinnesorgane, wo die Reize abgeglichen und an das Reaktionsorgan weitergeleitet werden. Hier müsste die Reiz-Reaktions-Verzögerung viel größer sein als beim ohnehin langsamen Reflex. Wir beobachten und messen das Gegenteil. Blitzschnell erfolgt Reaktion auf Reiz. Bei schnellen Sportarten kann man sogar eine Gleichzeitigkeit von Reiz und Reaktion feststellen. Dies ist neurophysiologisch unmöglich, findet aber statt. Und, ganz unglaublich: Manchmal „erfolgt" die Reaktion vor dem Reiz. Nur so kann man sich das rasend schnelle Tischtennisspiel erklären.
Die Umkehr der Zeitrichtung gehört zum Forschungsalltag der theoretischen Physik. Schon Albert Einstein degradierte die Zeit zur veränderlichen Größe. Der Physiker John A. Wheeler sieht in der Zeit nicht mehr als eine psychologische Hilfsfunktion: „Zeit ist, was verhindert, dass alles auf einmal passiert. Überhaupt: Quantenphysik zerstört die Logik. Hätten die Physiker ein Maskottchen, dann wäre es die lächelnde Katze aus dem Märchen von Lewis Carroll „Alice im Wunderland
. Wenn die Katze verschwindet, dann bleibt, wenn sie es will, ihr Lächeln zurück. Die Quantenphysik ist wie ein Messer ohne Klinge, an dem der Griff fehlt. Ein Teilchen ist kein Teilchen, weil es eine Welle ist; eine Welle ist keine Welle, weil sie ein Teilchen ist.
Zeit ist Illusion. Irrsinn! Die Katze schmunzelt und nimmt gelassen zur Kenntnis, dass Ursache auf Wirkung folgt, was zum Beispiel Experimente mit Photonen demonstrieren. Photonen sind klein und unanschaulich, deshalb verwandeln wir sie in einem Gedankenexperiment in Lastwagen.
Ein Lastwagen nähert sich der Station, in der für Lastwagen zwei Kassenschalter geöffnet sind. Dieser Lastwagen ist nicht irgendein Lastwagen, es ist ein seltsamer Super-Lastwagen, der sich in zwei Lastwagen aufspalten kann. Wenn die Schalter nicht besetzt sind, was gelegentlich vorkommt, dann passiert nur der Super-Lastwagen die Station, ohne zu bezahlen. Wenn sie besetzt sind, dann spaltet sich der Super-Lastwagen in zwei Lastwagen auf, die jeweils Maut bezahlen müssen. Der Finanzchef der Autobahngesellschaft gibt nun eine Dienstanweisung: Sollte der Super-Lastwagen, ohne die Maut zu bezahlen, die Station passieren, weil beim Schichtwechsel die Schalter gerade nicht besetzt sind, dann sollten die Schalter auch dann noch blitzschnell besetzt werden, wenn der Super-Lastwagen soeben die Sperrlinie überquert hat. Die Kassierer befolgen die Anweisung und siehe da: Der Trick des Finanzchefs funktioniert, die Maut klingelt in beiden Kassen, weil nun zwei Lastwagen die besetzten Schalter passieren. Der Trick hat den Super-Lastwagen aus der Zukunft, in die er sich weiterhin bewegt, auf rätselhafte Weise in die Vergangenheit zurückgeholt. Die Zeit ist zurückgelaufen.
Zurück zum menschlichen Gehirn, in dessen Synapsen, den Verbindungsplatten zischen den Nervenzellen, sich Prozesse in der Nähe des Quantenniveaus vollziehen. Auch hier kann man die Drehung der Zeitrichtung experimentell messen. 1979 führte der Physiologe Benjamin Libet ein Experiment durch, das Philosophen und Naturwissenschaftler in helle Aufregung versetzte. Völlig überrascht registrierte er im Elektroenzephalogramm, dass die Entscheidung zu einer Körperbewegung auf die tatsächliche Bewegung folgte. Im Mittelpunkt der Diskussion stand nun die Frage: Hat der Mensch einen freien Willen, wenn der Wille Resultat des Ziels ist?
Aus quantenphysikalischer Sicht stellt sich diese Frage nicht, weil sie auf einer naiven Zeitvorstellung beruht. Hätte Libet gefolgert, dass im Zentralnervensystem die Gesetze der Quantenphysik gelten, dann wäre der Zweifel am freien Willen beseitigt. In einer Welt, in der das Gesetz von Ursache und Wirkung nicht verletzt ist, lebt der Mensch unfrei, eingezwängt in das deterministische Korsett von Reiz und Reaktion. Die Quantenphysik löst die strenge Kausalität auf und ermöglicht so freie willentliche Entscheidungen.
Das Gehirn erweist sich als Instrument des freien Willens. Beherbergt es auch das Lebensgedächtnis, die biografische Identität?
Randnotiz:
Computerprozesse laufen getaktet nur in eine Zeitrichtung. Eine Umkehr der Zeitrichtung ist in der Informationstechnologie unmöglich.
Alzheimer und das Rätsel der Vergangenheit
Vergangenheit ist das einzig Wirkliche im Leben.
Alles was ist, ist Vergangenheit.
Anatol France
Die Mutter erkennt ihren Sohn nicht mehr, wohl aber seine Kinderfotos. Menschen mit Demenzerkrankungen verlieren die Orientierung in der Gegenwart, aber die Erinnerung an die ferne Vergangenheit bleibt erhalten. Diese Dominanz des Altgedächtnisses ist neurophysiologisch unmöglich, findet aber statt. Erfahrungen werden durch Verdickung von Synapsen (Verbindungsstellen zwischen den Nervenzellen) in Erregungsmustern gespeichert. Dominant, also robust gespeichert, sind die synaptischen Speicherungen des Neugedächtnisses, während das nur noch filigran gespeicherte Altgedächtnis mangels häufiger Reaktivierung verblasst. Seltsamerweise verschwindet das stabile Neugedächtnis bei Alzheimer und seniler Demenz zuerst, das Altgedächtnis aber bleibt weitgehend erhalten.
Fehldiagnose bei seniler Demenz
Das folgende Protokoll einer Psychiatrie-Vorlesung ist fiktiv, knüpft aber an an eine reale Situation in einer ZDF-Talkshow von Markus Lanz im Mai 2010, in der eine gebildete demente Dame in beeindruckender Weise ihr Problem reflektiert.
Diagnose: Senile Demenz (Vorher Fehldiagnose: Schizophrenie)
Patientin, 72 J., sehr gepflegt, wirkt jugendlich, spricht flüssig,
akademische Ausbildung, war Dolmetscherin für Französisch und Spanisch
Symptomatik:
Das aktuelle Kurzzeitgedächtnis ist fast völlig ausgefallen.
Die Vergangenheit ist so real wie die Gegenwart.
Dialog Professor / Patientin
Prof.: Sie haben ein Notizbuch bei sich, warum?
Pat.: Ich zeichne eine Skizze von diesem Raum, damit ich den Ausgang finde, ohne Hilfe. Ich schreibe Ihren Namen auf, mit Eselsbrücke.
Prof.: Mit Eselsbrücke?
Pat.: Wenn Sie Ihre Brille abnehmen würden, dann könnten Sie O.W. Fischer sein, der Schauspieler.
(Gelächter)
Prof.: Würden Sie mich nach der Vorlesung wiedererkennen?
Pat.: Ja, aber nur über diese Eselsbrücke. Sonst wüsste ich nicht mehr, wer Sie sind.
Prof.: Haben Sie Sorge, dass Ihnen die Situation hier entgleitet?
Pat.: Nein, aber ich muss mich sehr konzentrieren.
Prof.: Warum?
Pat.: Ich sehe Sie deutlich, aber ebenso deutlich eine andere Szene.
Prof.: Was sehen Sie?
Pat.: Ich sehe eine Frau, die ein Gewand aus Goldplättchen trägt... und ein Flügel-Diadem... Außerdem hat sie noch eine ovale Goldplatte vor dem Mund, das ist Schmuck.
Prof.: Wer ist diese Frau?
Pat.: Das ist die Herrin von Kao, eine Priesterin. Sie führt nackte, junge Männer in die Arena – mit dem rituellen Befehl, sich gegenseitig im Kampf zu töten.
Prof.: Sehen Sie diese Frau leibhaftig?
Pat.: Ja und nein. Ich sehe sie auf einem Rekonstruktionsgemälde und als Mumie. (Pat., Prof. und Studenten lachen) Sie wurde zusammen mit einer Dienerin, einem Kind und einem Wächter fürstlich bestattet.
Prof.: Ist das Phantasie oder Erinnerung?
Pat.: Das ist deutliche Erinnerung an Szenen einer Reise an die Ausgrabungsstätte von Kao in Peru. Das ist in der Nähe der Stadt Trujillo am Pazifik. Ich war als Dolmetscherin dabei.
Prof.: Wie realistisch ist die Erinnerung?
Pat.: Die Vergangenheit ist so