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Krankenhaus Melbeck - Disruption: Ein Sachroman über agile und schlanke Krankenhausführung
Krankenhaus Melbeck - Disruption: Ein Sachroman über agile und schlanke Krankenhausführung
Krankenhaus Melbeck - Disruption: Ein Sachroman über agile und schlanke Krankenhausführung
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Krankenhaus Melbeck - Disruption: Ein Sachroman über agile und schlanke Krankenhausführung

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About this ebook

Felix Bender ist Geschäftsführer des Melbecker Krankenhauses, als der Start-up-Milliardär Björn Meiersiek es übernimmt. Dessen Ziel: den Grundstein für einen Krankenhauskonzern legen, der das Patientenwohl wieder in den Mittelpunkt stellt. Gemeinsam mit der Ärztin Luise Pickart macht er sich daran, das Unternehmen von Grund auf umzukrempeln. Felix Bender taucht ein in eine völlig neue Welt, in der die alten Regeln der Krankenhausführung nicht mehr zu gelten scheinen. Er durchlebt wie im Rausch seinen persönlichen Entwicklungsprozess, während er gemeinsam mit Luise Pickart und dem jungen Lean Manager Steffen Ganz seine Organisation darauf vorbereitet, die eigenen Prozesse und ihre Führung neu zu erfinden.
Krankenhaus Melbeck – Disruption beschreibt Felix Benders Geschichte und dessen Transformation von einem traditionellen Krankenhausgeschäftsführer zu einer Führungskraft neuen Typs. Felix Bender lernt dabei nicht nur neue Methoden und Prinzipien kennen. Er verändert grundlegend seine Haltung gegenüber der eigenen Organisation. Er dringt immer tiefer in eine Welt fester Traditionen, scheinbar unverrückbarer Wahrheiten und tief liegender Widersprüche vor. Gemeinsam mit Luise Pickart und Steffen Ganz macht er sich ans Werk und in kürzester Zeit erschaffen sie mit ihrem Team die Station der Zukunft.
Krankenhaus Melbeck – Disruption gibt Einblicke: in das Leben und auch das Leiden eines Geschäftsführers. Es erzählt die lebendige Geschichte eines Krankenhausalltags und zeichnet einen Entwicklungsprozess nach, wie er einschneidender nicht sein könnte.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateFeb 19, 2020
ISBN9783750284036
Krankenhaus Melbeck - Disruption: Ein Sachroman über agile und schlanke Krankenhausführung

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    Book preview

    Krankenhaus Melbeck - Disruption - Jörg Gottschalk

    cover.jpg

    Jörg Gottschalk

    Krankenhaus

    Melbeck

    Disruption

    Ein Sach-Roman über schlanke und agile Krankenhausführung

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    Die Texte in diesem Buch sind mit großer Sorgfalt erarbeitet worden. Dennoch können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Eine Haftung des Verlages oder des Autors, gleich aus welchem Rechtsgrund, ist ausgeschlossen. Die in diesem Buch wiedergegebenen Bezeichnungen können Warenzeichen sein, deren Benutzung durch Dritte für deren Zwecke die Rechte der Inhaber verletzen kann.

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Bearbeitungen sonstiger Art sowie für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Dies gilt auch für die Entnahme einzelner Abbildungen und bei auszugsweiser Verwendung von Texten.

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

    Hinweis zum Gendern

    Eine konsequent gendergerechte Schreibweise stellt eine große Herausforderung dar. Ich möchte keinesfalls den eingetretenen Pfaden der ausschließlich männlich geprägten Begriffswelt folgen. Bei all meinen ernst gemeinten Versuchen der Vergangenheit musste ich jedoch leider erkennen, dass die Lesbarkeit der Texte leidet, bis hin zur völligen Unlesbarkeit. Aus diesem Grunde verzichte ich meistens und mit schlechtem Gewissen auf eine gendergerechte Sprache. Das bedeutet jedoch ausdrücklich nicht den Ausschluss des jeweils anderen Geschlechts oder die Festschreibung auf nur ein oder zwei Geschlechter. Frauen, Männer und all jene, die sich „dazwischen" oder anders identifizieren, mögen sich von den Inhalten dieses Buches gleichermaßen angesprochen fühlen.

    Jörg Gottschalk

    Impressum: 

    © 2020 by Jörg Gottschalk

    Autor und Herausgeber: Jörg Gottschalk, Berlin

    Lektorat: Juliane Trebus, Berlin

    Umschlaggestaltung: Jörg Gottschalk

    Verlag: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

    Bildnachweise Umschlagbilder:

    Weißer Hintergrund © yuriy / AdobeStock

    Fötus © Sebastian Kaulitzki / AdobeStock

    Mein persönliches Vorwort

    Felix Bender ist Geschäftsführer des Melbecker Krankenhauses, als der Start-up-Milliardär Björn Meiersiek es übernimmt. Dessen Ziel: den Grundstein für einen Krankenhauskonzern legen, der das Patientenwohl wieder in den Mittelpunkt stellt. Gemeinsam mit der Ärztin Luise Pickart macht er sich daran, das Unternehmen von Grund auf umzukrempeln. Felix Bender taucht ein in eine völlig neue Welt, in der die alten Regeln der Krankenhausführung nicht mehr zu gelten scheinen. Er durchlebt wie im Rausch seinen persönlichen Entwicklungsprozess, während er gemeinsam mit Luise Pickart und dem jungen Lean Manager Steffen Ganz seine Organisation darauf vorbereitet, die eigenen Prozesse und ihre Führung neu zu erfinden.

    Krankenhaus Melbeck – Disruption beschreibt Felix Benders Geschichte und dessen Transformation von einem traditionellen Krankenhausgeschäftsführer zu einer Führungskraft neuen Typs. Felix Bender lernt dabei nicht nur neue Methoden und Prinzipien kennen. Er verändert grundlegend seine Haltung gegenüber der eigenen Organisation. Er dringt immer tiefer in eine Welt fester Traditionen, scheinbar unverrückbarer Wahrheiten und tief liegender Widersprüche vor. Gemeinsam mit Luise Pickart und Steffen Ganz macht er sich ans Werk und in kürzester Zeit erschaffen sie mit ihrem Team die Station der Zukunft.

    Krankenhaus Melbeck Disruption gibt Einblicke: in das Leben und auch das Leiden eines Geschäftsführers. Es erzählt die lebendige Geschichte eines Krankenhausalltags und zeichnet einen Entwicklungsprozess nach, wie er einschneidender nicht sein könnte. Krankenhaus kann anders funktionieren – besser, für Patienten, Mitarbeitende und auch deren Eigentümer. Dafür müssen wir allerdings mit zahlreichen Prinzipien brechen, die wir heute noch für allzu selbstverständlich halten. Wir müssen bereit sein, jahrzehntelange Erfahrungen aus anderen Branchen sinnvoll auf unseren Krankenhausalltag zu adaptieren und sie konsequent umzusetzen. Politik, Konzerne und Krankenkassen sollten sich bemühen zu verstehen, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen und ihre Handlungen der letzten fünfzehn Jahre hatten - nicht nur für die Bilanzen oder das Gesundheitssystem insgesamt, sondern ganz konkret für Patienten und Mitarbeitende. Denn am Ende geht es doch genau darum.

    Als Menschen leben wir mit unseren Erfahrungen. Sie prägen uns und unser Denken. Wir verändern unser Bild von der Welt, sobald wir neue Erfahrungen sammeln. Oft brauchen wir dazu Beispiele, ein Bild vor Augen – ein Zukunftsbild, das unsere Fantasie anregt. Dieses Bild versuche ich in meinem Roman zu malen. Wie funktioniert das Krankenhaus, die Station der Zukunft und gibt es einen Weg dorthin?

    Als ich vor mehr als zwei Jahren mit dem Schreiben begonnen habe, bin ich gefragt worden, wieviel „Ich in meinem Buch stecken wird. Angesichts meiner Kritik und Empörung über viele Entwicklungen der letzten Jahre gab es nicht wenige Stimmen in meinem persönlichen Umfeld, die mich davor gewarnt haben, ein solches Buch zu schreiben. Die Einschätzungen lauteten von „mutig bis „wahnsinnig". Ich gebe zu, dass ich mit mir gerungen habe.

    Doch – Krankenhaus Melbeck ist und bleibt Fiktion. Ein Roman, in dem die Protagonisten für sich sprechen und ihre Meinung vertreten, leben, leiden und sich weiterentwickeln. Viele Ereignisse und Gespräche habe ich zwar so oder so ähnlich erlebt. Oder von ihnen gehört. Allerdings habe ich mich redlich bemüht, Personen, Namen und Situationen bis zur Unkenntlichkeit zu verfälschen. Niemand soll sich angegriffen fühlen. Oder ertappt. Oder imitiert. Ähnlichkeiten mit realen Vorkommnissen, Personen und Orten sind rein zufälliger Natur und von mir nicht beabsichtigt.

    Jörg Gottschalk

    Berlin, im Februar 2020

    Lesen Sie mehr auf:

    http://www.krankenhaus-melbeck.de/

    1 Prolog

    Kevin Perschke erhob sich aus seinem schweren, ledernen Schreibtischstuhl und ging mit zügigem Schritt der Tür entgegen. Er wollte seinen Besucher gebührend in Empfang nehmen. Er empfand es nicht nur als einen Akt der Höflichkeit, sondern als schlichte Notwendigkeit. Sein Amtszimmer im ehrwürdigen Altbau des Rathauses von Melbeck glich eher einem zu klein geratenen Festsaal mittelalterlicher Prägung als einem bescheidenen Büro, wie es vielleicht für den Bürgermeister eines Zwanzigtausendseelenstädtchens angemessen wäre. Ein Besucher konnte sich in den Weiten des Saales durchaus verlieren.

    Frauke Kapuske, seine Sekretärin, öffnete die Zimmertür und kündigte den Besucher formvollendet an: „Herr Bürgermeister, Herr Doktor Meiersiek wäre jetzt für Sie da."

    Hinter ihr betrat ein großer, sportlicher Mittvierziger den Raum. Volles, leicht angegrautes Haar, gesegnet mit dieser eleganten und energiegeladenen Kraft, wie man sie von Menschen kennt, die sich ihrer besonderen Bedeutung in der Welt stets bewusst waren. Er ging zügig, doch ohne besondere Hast auf Perschke zu, gab ihm zur Begrüßung einen angenehm kräftigen Händedruck und sagte: „Guten Tag Herr Bürgermeister. Ich freue mich, dass Sie so kurzfristig Zeit für mich haben."

    Was für ein Auftritt, dachte Perschke. Wie üblich tat er sich mit dieser Spezies Mensch schwer. Mit seinen fünfunddreißig Jahren fühlte er sich längst nicht mehr zu jung, auch nicht für diesen Job. Abitur, Studium, gewonnene Wahlen, eine wunderbare Frau, drei ebenso wunderbare Kinder, ein eigenes Haus – dafür hatte es schließlich gereicht. Doch in Gegenwart so überragender, Raum füllender Erfolgsmenschen fühlte er sich unsicher. Einmal mehr ärgerte er sich über sein Gefühl der Unterlegenheit.

    „Guten Tag, Herr Doktor Meiersiek. Ich freue mich ebenfalls. Schön, dass Sie mich besuchen." Perschke hoffte inständig, seine Unsicherheit zu überspielen, was ihm angesichts eines Größenunterschiedes von mehr als zwanzig Zentimetern und mehreren Milliarden Euro Vermögensdifferenz nicht ganz leichtfiel.

    Sein Gast lächelte. Er musterte Perschke kurz. „Sie sind jünger, als ich dachte."

    Für solche Anlässe hatte Perschke stets einige einstudierte Sätze parat. Politikerhandwerk. „Was heißt schon jung? Es gibt Dreißigjährige, die bereits Milliardenunternehmen führen, und zweiunddreißigjährige Bundeskanzler. Gemessen daran beginne ich doch sehr gemächlich." Er versuchte sich an einem gelassenen Lächeln.

    Meiersiek schmunzelte: „So habe ich es nicht gemeint. Sie müssen sich nicht für Ihr Alter entschuldigen. Im Gegenteil. Wollen wir uns setzen?"

    „Gerne, erwiderte Perschke ein wenig zu hastig und zeigte auf die kleine, gemütliche Sitzecke am äußersten Ende des Saales. Meiersiek nahm ohne Zögern am Fenster und mit Blick auf die Eingangstür Platz, auf dem Stammplatz des Bürgermeisters. Perschke zuckte unmerklich und wählte notgedrungen den Sitz ihm gegenüber. „Möchten Sie etwas trinken?, fragte er.

    „Vielen Dank, ich nehme ein stilles Wasser. Leider habe ich nicht viel Zeit. Doch mir ist es wichtig, ein Gesicht zu kennen und ein Gefühl für den Menschen zu bekommen, mit dem ich gemeinsame Vorhaben in die Welt bringe. Dafür braucht man ja nicht unbedingt viel Zeit."

    Perschke goss seinem Gast ein Glas Wasser ein und stellt dann die offene Flasche vor ihm auf den kleinen Glastisch.

    Der bedankte sich höflich und verlor keine Zeit mit unnötigen Kennenlernspielen: „Haben Sie mit allen Mitgliedern des Stadtrates sprechen können? Wie ist die Stimmungslage?"

    Perschke stellte seine Kaffeetasse vorsichtig auf dem Tisch ab in der Hoffnung, dass Meiersiek seine zitternden Hände nicht bemerkte. Er richtete sich auf und antwortete in ruhigem und verbindlichem Ton: „Ich habe in den letzten Tagen mit allen wichtigen Mitgliedern gesprochen, persönlich oder telefonisch. Ausnahmslos alle waren sehr angetan von Ihrer Idee und haben mir ihre Zustimmung signalisiert. Wir können also ohne Sorge den nächsten Schritt gehen."

    Meiersiek zögerte kurz: „Ich mache mir keine Sorgen. Ich möchte nur keine bösen Überraschungen erleben. Was wir in dieser Stadt vorhaben, wird für alle Beteiligten ein Erfolg werden. Darin sind wir beide uns ja einig. Ihre Stadt bekommt etwas, sie trägt dabei keinerlei Risiko und für den sehr, sehr unwahrscheinlichen Fall, dass es doch schiefgeht, gewinnen Sie trotzdem. Worüber also sollte ich mir Sorgen machen? Der Gast schaute Perschke durchdringend an. „Nein. Ich möchte vermeiden, dass es auch nur den kleinsten Unwillen oder Ärger gibt oder schädliche Diskussionen geführt werden. Ich möchte den absolut positiven Rahmen schaffen. Den braucht eine solche Angelegenheit, damit alle Beteiligten ihren Job machen können und es ein Erfolg wird.

    Perschke nickte zustimmend.

    Meiersiek fragte: „Werden Sie mit allen sprechen?"

    „Nun ja, antwortete der Bürgermeister zögerlich, „ich hatte eigentlich nicht vor, alle zu kontaktieren. Wenn Sie jedoch meinen, dass das wichtig ist, dann kann ich das natürlich gerne tun. Es bleiben ja noch ein paar Tage bis zur Ratssitzung am Freitag.

    Meiersiek nippte an seinem Glas und schaute den Bürgermeister mit einem Blick an, der keinen Widerspruch als mögliche Reaktion kannte. „Ja, das wäre wohl besser. Vielen Dank. Gesundheitsversorgung ist nun einmal eine sensible Angelegenheit. Manchmal sogar eine politische Überlebensfrage. Wer weiß schon, wer wieder hinter welchem Busch lauert und auf den größten Moment in seiner Politikerlaufbahn hofft. Wenn Sie sich die Zeit nehmen können, würde es mich sehr freuen. Sollten Sie auf kritische Fragen oder Widerstände stoßen, dann informieren Sie mich bitte."

    „Das ist kein Problem. Perschke ließ in Gedanken seinen übervollen Terminkalender ablaufen. Geht schon, sprach er sich Mut zu. „Ich melde mich, sobald ich irgendwo Hindernisse erkenne.

    Meiersiek nickte zustimmend. „Danke. Was ist mit dem aktuellen Geschäftsführer, diesem Bender. Taugt der was?"

    Perschke dachte einen Moment nach. Wie offen sollte er ihm gegenüber sein? Besser nichts Wichtiges verheimlichen, entschied er. Menschen wie Meiersiek informierten sich sehr genau, bevor sie sich auf etwas festlegten. Dafür hatten sie Heerscharen von Leuten, die sie dafür bezahlten, jeden Stein umzudrehen. Die großen und die ganz kleinen. Wahrscheinlich wusste er längst alles über Bender, was es überhaupt zu wissen und nicht zu wissen gab. Sicher kannte er auch ihre gemeinsame Vergangenheit. Seine Meinung stand längst fest, da war er sich sicher. Vielleicht ein Loyalitätstest. Perschke antwortete: „Bender ist okay. Die Medisan AG hat ihn vor einem halben Jahr auf diesen Posten gesetzt. Zuvor war er in verschiedenen anderen Krankenhäusern des Unternehmens tätig. Als Stadt hatten wir bei der Besetzung kein Mitspracherecht. Ich habe aber keinen Grund dafür gesehen, zu intervenieren. Bislang scheint er seine Sache gut zu machen. Patientenzahlen und Umsätze steigen, die Kostensteigerungen der Vergangenheit nehmen ab. Soweit ich dem vorläufigen Jahresabschluss 2018 trauen kann, hat er den Verlust der Vorjahre um mehr als 10 Prozent verringert. Es gibt keine Skandale. Außerdem höre ich wenig aus dem Inneren, was in unseren dörflichen Stadtstrukturen ein sicheres Indiz dafür ist, dass er sich noch nicht allzu viele Feinde gemacht haben kann."

    „Das habe ich auch gehört."

    „Ich kenne Bender noch aus meiner Schulzeit. Er war immer sehr zielstrebig, sehr intelligent und äußerst kommunikativ. Ein korrekter und vorsichtiger Mensch. Ein wenig kopflastig, aber ein sympathischer Typ. Ich würde mir wünschen, dass wir es mit ihm versuchen." Ein Konjunktiv, dachte Perschke irritiert.

    Meiersiek lehnte sich auf der tiefen Couch zurück. Er wirkte entspannt, aber aufmerksam. „Mahler und Freitag, die aktuellen Chefs von Bender, verfügen über zwei Kriterien zur Auswahl von Geschäftsführern. Entweder sie suchen einen hörigen Diener, der straight, ohne Nachdenken und effizient ihre Weisungen umsetzt. Oder sie haben ein echtes Problem, dann suchen sie sich jemanden aus, der selbst denken kann. Was meinen Sie? Was trifft in Benders Fall zu?"

    Beide Alternativen gaben Perschke zu denken. Als hörigen Lakaien hatte er Bender nie gesehen. Eher als Denker und vorsichtigen Macher. Ein Problem hatten sie allerdings gehabt, als die Stadt ihr Krankenhaus vor drei Jahren an Medisan verkauft hatte, „verscheuert muss man wohl heute sagen. Der Verkauf war kein Ruhmesblatt gewesen. Doch das war vor seiner Zeit gewesen. Er erwiderte: „Wenn ich es recht bedenke, dürfte es eher die zweite Alternative sein. Ein echtes Problem. Die Stadt hat ihr Krankenhaus nicht ohne Grund verkauft, wie Sie sich denken können. Angesichts der finanziellen Löcher, die uns an den Rand unserer Handlungsfähigkeit gebracht haben, gab es kaum Widerstand. Weder von links noch von rechts.

    „Okay, bestätigte Meiersiek, „Sie meinen also, wir sollen es mit ihm versuchen?

    „Ja, ich halte ihn für fähig und vor allem für lernfähig. Wie ich höre, hat er einen konstruktiven Draht zu den Mitarbeitern, insbesondere zur Klinikleitung und dem ärztlichen Fachpersonal aufgebaut. Ich vertraue ihm." Perschke war sich nicht sicher, aber hatte er eine Alternative? Seinen ehemaligen Klassenkameraden und engen Freund über die Klinge springen lassen?

    „Gut, dann richten Sie ihm bitte aus, dass ich ihn am Freitag nach der Stadtratssitzung im Krankenhaus besuche. Dann sehen wir weiter. Ohne Hast leerte Meiersiek sein Glas und stieß sich elegant kraftvoll von der Couch ab. „Leider muss ich jetzt weiter. Wenn Sie etwas hören, rufen Sie mich jederzeit an. Meine Mobilnummer haben Sie ja. Vielen Dank für das Gespräch. Es war schön, Sie kennenzulernen.

    Perschke erhob sich ebenfalls und gab Meiersiek zum Abschied die Hand. „Wie haben Sie es geschafft, Medisan zum Verkauf zu bewegen? Das kommt für mich doch sehr überraschend. Man könnte meinen, dass es eine sehr teure Angelegenheit war."

    Perschke meinte, ein kurzes Lächeln in Meiersieks ansonsten ausdruckslosem Gesicht zu erkennen. Nicht gekünstelt, nicht selbstgefällig, eher nüchtern und beinahe triumphierend.

    „Es war nicht schwer und es war nicht teuer. Im Aufsichtsrat der Medisan gibt es äußerst fähige Leute, die mir einen Gefallen schulden. Und irgendwann muss man seine Schulden begleichen. Der Verkauf geht zum 1. Mai über die Bühne. Ich fahre von hier aus zum Notar und unterschreibe die Verträge. Dann geht es sofort los. Es ist alles vorbereitet. Wir geben dazu am Freitag eine Presseerklärung heraus. Er machte einen Schritt auf die Tür zu. „So, jetzt muss ich aber wirklich los. Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche. Wir sehen uns am Freitag um 10:55 Uhr im Sitzungssaal.

    Perschke ging voran, öffnete die schwere, dunkle Holztür und verabschiedete seinen Gast.

    Der nickte ihm und Frau Kapuske zum Abschied höflich zu und verließ wortlos das Zimmer. Rein, raus. Keine Diskussionen. Einhundert Prozent Ergebnis. Perschke war beeindruckt.

    2 Exekution

    Achim Mahler beugte seinen Oberkörper unmerklich vor. Der untersetzte Mittfünfziger kniff die Augen zusammen und sah Felix Bender mit festem Blick an.

    „Das EBITDA der Medisan-Klinik Melbeck sinkt den dritten Monat in Folge. Es liegt aktuell bei kaum 1 Prozent. Das ist der Stand März, also in der Regel der stärkste Monat des Jahres. Das ist kaum besser als in den Jahren zuvor. Ihre Liquidität ist gegenüber Dezember um weitere 15 Prozent gesunken und ihre MES-Kennzahlen sehen ebenfalls nicht besonders gut aus. Können Sie mir bitte erklären, was bei Ihnen los ist? Mahler kniff die Augen zusammen, sodass seine dichten Brauen wie ein bedrohlicher Vorhang über seinem Gesicht lagen. „Wir haben Sie geholt, damit wir in Melbeck zügig den Turnaround schaffen. Wir haben Sie mit Sicherheit nicht geholt, damit Sie es noch schlimmer machen!

    Er lehnte sich in seinem schwarzen Konferenzstuhl zurück und blickte erst seinen Kollegen Lennart Freitag an, den medizinischen Vorstand des Unternehmens. Dann wendete er sich Bender mit maskenhaft grimmiger Miene zu. Sein Rücken blieb dabei kerzengerade, als ob er jeden Augenblick aufspringen und seinem Gegenüber an den Kragen gehen wollte. Mahler war kaufmännischer Vorstand der Medisan AG, des fünftgrößten Krankenhauskonzerns in Deutschland. Er regierte über sechsundzwanzig Krankenhäuser, dreißig medizinische Versorgungszentren und diverse Servicegesellschaften. Damit war er verantwortlich für mehr als vierundzwanzigtausend Angestellte und mehr als zwei Millionen Patienten pro Jahr. Er hatte ein Wörtchen mitzureden in der Szene.

    „Herr Bender, Sie hatten als neuer Geschäftsführer sechs Monate Zeit, Ihr Krankenhaus unter die Lupe zu nehmen und eine für uns nachvollziehbare Planung vorzulegen, wie Sie das Unternehmen in Fahrt bringen wollen. Anstatt uns endlich Hoffnung zu machen, korrigieren Sie Ihren Forecast für das laufende Jahr nach unten. Können Sie mir das bitte erklären?"

    Bender bemühte sich, ruhig zu bleiben. Er wusste, dass dieser Vorstand viel redete, aber wenig zuhörte. Was auch immer er sagen würde, es würde wie eine Ausrede klingen. Er gab sich einen Ruck und sagte: „Die Planungen von Lars Lokowski, meinem Vorgänger, waren vom ersten Tag an unrealistisch. Trotz nachweisbar steigender Sachkosten und kräftiger Tariferhöhungen geht der Plan 2019 davon aus, dass unsere Kosten stabil bleiben. Und das bei einer angesetzten Leistungssteigerung für das Jahr 2019 von mehr als 8 Prozent. Landesweit gehen wir von einer sinkenden Bevölkerungsdichte und von einem allgemeinen Patientenwachstum von maximal 3 Prozent aus. Unser Plan sieht also ein überproportionales Wachstum bei gleichzeitiger Kostensenkung in Größenordnungen von 8 bis 10 Prozent vor. Ich halte das nicht nur für unrealistisch, sondern für utopisch." Er hatte es gesagt. Es gab nun kein Zurück mehr.

    Mahler blieb ungerührt. Er schien nicht wütend zu sein, zumindest ließ er sich nichts anmerken. Wie immer. Ein völlig kalter Fisch, dachte Bender. So kalt wie seine Exceltabellen.

    Mahler seufzte. „Utopisch wäre, wenn Sie und Ihre Leute unter unseren Erwartungen blieben. Ihr Vorgänger hat uns seine Planungen für 2019 bis in das letzte Detail erklärt. Unser Controlling hat die Zahlen geprüft. Wenn Sie wirklich recht hätten, wären alle anderen außer Ihnen ziemliche Deppen, meinen Sie nicht? Der Vorstand inbegriffen. Wollen Sie mir das sagen?"

    Das Gespräch nahm eine Wendung, die Bender in dieser Schärfe nicht erwartet hatte. Er schien einen wunden Punkt bei Mahler getroffen zu haben. Oder Mahler spielte nur wieder sein Spiel. Sein Vorstandsspiel. Insgeheim hatte Bender gehofft, die völlig unrealistischen Annahmen, die Lokowski ihm als Erbe hinterlassen hatte, aus der Welt schaffen zu können. Nun schwante ihm, dass es nicht Lokowskis Luftschloss gewesen war, sondern das des Vorstands. Welchen Sinn konnte es haben, eine Wirtschaftsplanung aufrechtzuerhalten, die kein vernünftiger Mensch jemals so aufgestellt hätte? Bender schaute Mahler an und wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als dieser mit langsamer, beängstigend ruhiger Stimme weitersprach:

    „Herr Bender, Sie können wirklich von Glück reden, dass Ihre Probezeit seit vier Tagen beendet ist. Wahrscheinlich hätte ich Sie ansonsten heute gefeuert. Ihnen ist vermutlich die Situation nicht ganz klar. Ein Krankenhaus an diesem Standort, mit faktischer Alleinlage, überschaubarer Größe und mit den Ressourcen unseres Konzerns im Rücken muss mittelfristig ein EBITDA von mindestens 15 Prozent erzielen. Davon ist dieser Laden weit entfernt. Mahler fixierte ihn mit hartem Blick. „Es gibt sicher sehr viele überaus gute Gründe, warum Sie dieses Ziel nicht erreichen. Nach denen suche ich aber nicht. Ich will sie nicht einmal hören. Sie sind engagiert worden, um die Wende einzuleiten und unsere Erwartungen zu erfüllen. Wenn Sie sich dazu nicht in der Lage fühlen, dann haben Sie genau jetzt die Gelegenheit, das zu sagen. Er musterte Bender einen Moment lang, ließ seine Worte wirken. „Ansonsten kann ich Sie nur bitten, Ihren Job zu erledigen. Ein Krankenhaus zu führen ist schließlich kein Ponyhof, auch wenn Sie das vielleicht glauben. Uns sitzen die Banken und der Aufsichtsrat im Nacken. Wenn Sie uns nicht bald klare Signale senden, wie Sie Ihre Ziele umsetzen wollen, werden wir Ihnen erst ein paar wohlmeinende, aber sicher zündende Vorschläge unterbreiten und dann Ihr gesamtes Investitionsprogramm überprüfen. Ich glaube nicht, dass das in Ihrem Interesse liegt."

    Privatdozent Doktor Lennart Freitag, der medizinische Vorstand, hatte bis dahin wort- und regungslos neben Mahler auf seinem Stuhl gesessen, vor sich seinen Laptop, den der Mediziner stets bei sich hatte, als wäre es sein unverzichtbares zweites Ich. In diesem Moment schaute er auf und ergriff erstmals das Wort: „Bis jetzt haben wir hauptsächlich über Geld gesprochen, Herr Bender. Ihr Ergebnis und ihre MES-Kennzahlen sind das eine, Ihre Qualitätskennzahlen das andere. Wir haben Ihnen die Kennzahlen bereits im letzten Monat zugeschickt und warten bis heute auf eine Stellungnahme von Ihnen. Freitag streckte entspannt seine langen Beine aus und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Ich habe in diesem Haus selten derart viele rote Ampeln gesehen. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Erklärung. Leider können wir über das Thema jetzt nicht mehr ausführlich sprechen, dafür reicht die Zeit nicht. Er tippte mit dem Finger auf den Tisch. „Ich benötige von Ihnen zu allen Kennzahlen, die entweder rot markiert sind oder sich seit Dezember verschlechtert haben, aussagekräftige Begründungen und nachvollziehbare Maßnahmen, mit denen wir diese Defizite in Zukunft abstellen werden. Diese Informationen benötige ich bis Donnerstag. Wenn Sie Unterstützung brauchen, melden Sie sich. Allerdings gehe ich davon aus, dass Sie das alleine hinbekommen."

    Freitag schaute wie nebenbei auf seinen Laptop. Offensichtlich versiegte sein E-Mail-Strom niemals. Bender wartete auf den Tag, an dem er eine Mail von Freitag bekam, während sie miteinander sprachen. Derartige Geschichten kursierten bereits im Unternehmen.

    Bender wurde nervös. „Das sind nur noch zwei Tage, erwiderte er. „Ich werde unsere Medizincontrollerin einschalten müssen und vermutlich die verantwortlichen Chefärzte befragen. Bis nächste Woche Donnerstag müsste das zu machen sein.

    Freitag musterte ihn leidenschaftslos, fast schon verächtlich, und antwortete dann mit seinem typisch spöttischen Lächeln: „Wir benötigen Ihre Erläuterungen diesen Donnerstag, nicht nächsten. Am Wochenende werden unsere Leute die Aufsichtsratssitzung am Montag vorbereiten. Zwei Tage müssen Ihnen wohl oder übel reichen. Er schaute nach rechts zu seinem Kollegen. „Es tut mir leid, ich muss jetzt los. Donnerstag also! Er stand auf, packte seinen Laptop und verließ ohne ein Wort des Abschieds den Raum.

    Bender saß wie betäubt auf seinem Platz. Er konnte nicht glauben, was er gerade erlebte.

    Mahler übernahm nahtlos das Gespräch: „Wir haben uns sehr viel von Ihnen versprochen, Herr Bender. Ich würde es bedauern, wenn unsere Zusammenarbeit ein schnelles Ende nehmen würde. Sie sind zwar jung, doch ich hatte eigentlich das Gefühl, dass Sie wissen, was Sie wollen. Er blickte Bender durchdringend an. „Ich war mir sicher, dass sie es schaffen können. Ich hoffe sehr, dass ich mich nicht in Ihnen täusche. Bender versuchte vergeblich, dessen maskenhafte Miene mit seinen Worten in Einklang zu bringen. „Was Sie vielleicht nicht wissen, fuhr Mahler fort, „ist, dass wir nicht deshalb so erfolgreich sind, weil wir tolle Pläne aufstellen. Nein. Wir halten sie sogar ein. Immer! Ob so oder so. Leider ist mein Kollege wegen der Banken etwas nervös. Der Aufsichtsrat denkt über einen Verkauf der Melbecker Klinik nach. Es liegt uns ein interessantes Angebot vor, das zu verlockend ist, als dass man es ignorieren könnte.

    Bender zuckte irritiert zusammen. Seine Gedanken fuhren Amok. Diese Information war ihm neu und veränderte die Situation vollkommen. Als wäre nichts geschehen setzte Mahler seinen Redestrom fort: „Am Montag wird das Angebot im Aufsichtsrat behandelt. Niemand kann heute sagen, wie dieser Vorgang enden wird. Vermutlich können wir die Entscheidung noch bis Juni aufschieben. Wer weiß. Vieles wird davon abhängen, wie wir als Vorstand argumentieren. Doch wenn wir keine sehr guten Argumente an die Hand bekommen, werden wir verkaufen und den Erlös für günstige Zukäufe im Süden der Republik verwenden. Denen dort unten geht es gerade derart schlecht, dass die Kommunen uns ihre Kliniken für ein wahres Handgeld vor die Füße werfen. Blöd für die, gut für uns. Er verzog sein Gesicht zu einem gehässigen Grinsen. „Geschenkten Gäulen schaut man bekanntlich nicht ins Maul. In diesem Fall wäre es das dann mit Melbeck, ein kurzes brandenburgisches Abenteuer. Und vermutlich auch für Sie. Mahler lächelte. „Eigentlich will ich ja nicht verkaufen, doch um es deutlich zu sagen: Wir brauchen Ergebnisse und vor allem Liquidität. Und das schnell. Qualitätsprobleme können wir schon gar nicht gebrauchen. Rote Ampeln im Qualitätsbericht sind gar nicht gut, überhaupt nicht. Wie Sie wissen, sitzen im Aufsichtsrat keine Mediziner. Diese Leute interessieren sich ausschließlich für Geld und Ampeln. Rot ist schlecht, Grün ist gut. So einfach ist das. Er beugte sich vor. Die Szene hatte etwas Verschwörerisches. „Prüfen Sie nach, wie Ihre Leute die Daten erfassen. In anderen Häusern haben wir festgestellt, dass der eine oder andere Arzt, Medizincontroller oder auch Geschäftsführer etwas übereifrig darin ist, sich selbst schlechtzucodieren. Man kann sich rote Ampeln auch herbeischreiben. Finden Sie die Fehler in Ihrer Dokumentation und korrigieren Sie die Daten rückwirkend zum Januar, soweit das technisch möglich ist. Ich werde der IT die Anweisung erteilen, die rückwirkende Dateneingabe freizugeben, ohne dass Ihre Änderungen protokolliert werden. Er hielt kurz inne. „Okay, das war’s dann für heute. Machen Sie sich an die Arbeit. Mahler stand auf, nickte Bender kurz zu und verließ den Raum. „Angenehmen Rückflug, schickte er ihm im Hinausgehen hinterher. „Alles Gute."

    Alles Gute. Stille. Bender blieb wie angewurzelt auf seinem Stuhl sitzen. Gefühlte Stunden später griff er nach seiner Tasche, zittrig, mit leerem Kopf. Er stand auf und ging langsam an der Empfangstheke vorbei zum Ausgang. Mahlers Sekretärin nahm keine Notiz von ihm. Das Verhalten einer Sekretärin ist das Stimmungsbarometer des Chefs, dachte Bender zermürbt. Diese Jahrhundertformel wird sich wohl niemals ändern.

    Er entschied sich für die Treppe, stieg die vier Etagen hinab zum Ausgang und stand wenig später auf der Königsallee, der prominenten Düsseldorfer Einkaufsstraße. Wie zum Hohn strahlte ihm die Sonne direkt ins Gesicht. Er blinzelte. Am Himmel war keine Wolke zu sehen. Von allen Seiten liefen Menschen an ihm vorbei, bepackt mit prall gefüllten Tüten, den hastigen Errungenschaften ihrer Shoppingaktivitäten auf dem Prachtboulevard. Männer und Frauen mit Aktentaschen schwärmten in ihre Büros. Der Verkehr vertrieb die Stille und erstickte selbst das laute Gurren der Tauben, die wild entschlossen schienen, auch noch die letzten Krümel von der Straße zu picken.

    Bender nahm das muntere Treiben kaum wahr. Wie in Trance hielt er das nächste Taxi an und ließ sich schwer in den hinteren Sitz sinken. „Zum Flughafen bitte."

    Der Taxifahrer schaltete wortlos das Taxameter ein und fädelte sich vorsichtig in den Verkehr ein.

    Bender hatte selbst lange in Düsseldorf gelebt und wusste, dass es in dieser Stadt zwei Arten von Taxifahrern gab: unfreundlich schweigsame Autisten oder rheinisch-fröhliche Dauerquatscher. Er hoffte inständig auf das Erstere. Das Glück fuhr mit ihm. Fünfzehn Minuten später stieg er am Terminal aus und gab dem Taxifahrer für sein Schweigen und auf Kosten der Firma ein üppiges Trinkgeld. Eine kleine Rache, wie er dachte, die leider unbemerkt bleiben würde. Aber man weiß ja nie. Controlling kann er ja, der Vorstand.

    Der Flug war ohne Probleme verlaufen. Nur mit Handgepäck bewaffnet besaß man sogar am Flughafen Berlin Tegel eine gute Chance, ohne Verzögerungen den Ausgang zu erreichen. Bevor Bender den Motor seines Audi Q5 startete, den er morgens im Parkhaus 1 des Flughafens abgestellt hatte, rief er Nina Laufer an, seine Sekretärin, die strahlende und gute Seele der Verwaltung.

    „Laufer, Medisan-Klinik Melbeck, guten Tag. Was kann ich für Sie tun?", meldete sie sich wie immer formvollendet.

    „Hallo Frau Laufer, Bender hier. Ist alles klar? Irgendetwas Besonderes für mich?"

    „Hallo Herr Bender. Schön, Sie lebendig zu hören. Ja, es ist alles klar und nein, es gab nichts Besonderes für Sie. Wie war es in der Dinohölle?" Dinohölle nannten sie im Konzern hinter vorgehaltener Hand die Düsseldorfer Zentrale. Niemand erinnerte sich mehr an den Ursprung dieser Bezeichnung. Wahrscheinlich hoffte man, die Zentrale würde bald ebenso aussterben wie die Dinosaurier.

    „Wie immer und noch schlimmer. Danke der Nachfrage, ich weiß Ihr Mitgefühl sehr zu schätzen. Ich bin jetzt auf dem Rückweg vom Flughafen. Vermutlich werde ich gegen 15 Uhr im Büro sein. Würden Sie bitte Frau Esser und Herrn Pohl bitten, sich bereitzuhalten? Ich will sie treffen, sobald ich da bin."

    „Ich sage den beiden Bescheid. Sie halten sich dann auf Abruf."

    „Vielen Dank, bis gleich."

    „Gute Fahrt."

    Bender beendete das Gespräch und fuhr, tief in Gedanken versunken, aus dem Parkhaus. Er schlängelte sich durch den mittäglichen Berliner Stauverkehr auf der Stadtautobahn in Richtung Norden. Die Strecke bis zur Klinik betrug exakt 114 Kilometer. Es lagen also 65 Minuten Autofahrt vor ihm, 65 Minuten Zeit, um nachzudenken.

    Seine Lethargie war in verhaltenen Tatendrang umgeschlagen. Noch während des Fluges hatte er sich tief in seine dunklen Gedanken fallen lassen. Viel zu tief. Das Prinzip einer Schreckensherrschaft, grübelte er über das Gespräch nach, hinterließ stets seine Wirkung. Bei jedem. Auch bei ihm. So sehr man sich auch von ihr abzugrenzen versuchte, gleichgültig tat, von sich und seiner Leistung überzeugt war: Sobald sie zuschlug, mutierte selbst ein ausgewachsener Mann zu einem hörigen Kind, das vor den Erwartungen der Erwachsenen in Echtzeit zusammenschrumpft. Zu ihnen aufblickte. Und sich dann aufmachte, um die verlorene Anerkennung wiederzugewinnen.

    Bender kannte diesen Mechanismus zur Genüge. Wenn er ehrlich war, kannte er es gar nicht anders. Er versuchte, sich gegen diesen niederschmetternden Effekt zu wehren. Er wusste, dass es ihn unnötig klein machen und lähmen würde. Und dass er es nicht nötig hatte. Doch was hat schon das Hirn zu melden, wenn das Gefühl die Kontrolle übernahm. So sehr er sich innerlich gegen den belastenden Druck seiner Vorgesetzten wehrte, er würde ihn jedes Mal wieder dazu anstacheln, sein Bestes zu geben. Und das ärgerte ihn maßlos.

    Völlig irrational, sinnierte er. Jeder halbwegs gebildete Mensch ist sich sicher, dass ein solcher Führungsstil in der heutigen Zeit nicht mehr funktioniert, nicht mehr funktionieren darf. Das Dilemma ist nur, dass er doch funktioniert. Zumindest über eine gewisse Strecke. Der Mensch giert nach Anerkennung. Ob er will oder nicht. Es war schon eine Weile her, da hatte er in einem sehr persönlichen Gespräch einem etablierten Chefarzt die Frage gestellt, warum der sich durch den Ton und die Schärfe seines damaligen Verwaltungsdirektors derart unter Druck setzen ließ. Der Verwaltungsdirektor war damals dreiunddreißig Jahre alt, Neuling und wirkte wie ein Milchbubi. Der Chefarzt – damals stattliche zweiundfünfzig Jahre alt, erfolgreich, vergleichsweise vermögend und für die Klinik existenziell wichtig – hätte den Druck einfach an sich abprallen lassen können. Seine Antwort hatte ihn überrascht: „Ich will den Ärger nicht." Auch mit diesem Mann hatte der Druck etwas gemacht. Wo Ärger ist, ist die Energie. So ist das. Da kann die schlaue Literatur sagen, was sie will.

    Bender wusste, dass er seine dunklen Gedanken rasch vertreiben musste, sein Gefühl von Unterlegenheit, Unsicherheit. Sobald er die Klinik betreten würde, musste er wieder stark wirken. Ruhig. Gefasst. Wissend. Das verlangte seine Rolle als Geschäftsführer von ihm. Er durfte sich keine Schwäche anmerken lassen.

    Also schaltete er sein Gehirn um. Diesen Kniff hatte er in den Jahren als Geschäftsführer gelernt und zunehmend professionalisiert. „Aufpumpen" nannte er diesen Vorgang. Dreimal tief durchatmen, zweimal lächeln und manchmal, wenn es ganz schlimm kam, einmal laut fluchen. Was gar nicht so einfach war, wenn man versuchte, zu lächeln. Und sofort schlüpfte er in seine Rolle als selbstbewusster Geschäftsführer, als würde er als Rockstar auf der Bühne stehen und achtzigtausend Menschen in seinen Bann ziehen müssen. Das ganze Leben ist eine große Show, dachte er. Dann lächelte er. Das tat er immer, wenn er über seine Möglichkeiten nachsann, sich für erlittene Demütigungen zu rächen. Und er würde seine Möglichkeit bekommen. Zumindest hoffte er es.

    Bevor er es sich versah, parkte er sein Auto auf dem Geschäftsführerplatz unmittelbar vor dem Haupteingang der Klinik. Er stieg aus, packte seine Tasche und strebte zügig durch den Haupteingang seinem Büro im ersten Stock des Verwaltungsbereiches entgegen. Die Tür seines Sekretariats stand wie immer offen. Er begrüßte Frau Laufer mit einem freundlichen Lächeln und bat sie, ihm erst einen starken Kaffee zu besorgen und dann Frau Esser und Herrn Pohl zu ihm zu schicken. Schließlich hatte er keine Zeit zu verlieren. Er ging durch das Sekretariat in sein Büro, das wie immer einer chaotischen Aktenhölle glich. Sorgfältig gehütete Berge aus Unterschriftsmappen, Zeitschriften und Konzeptpapieren begruben seinen Schreibtisch und ließen ihm kaum Platz zum Atmen. An diesem Ort hat die Digitalisierung jedenfalls noch keinen Einzug gehalten, ärgerte er sich jedes Mal wieder. Er setzte sich auf den überdimensionierten Schreibtischstuhl und schaute aus dem Panoramafenster mit Blick auf das angrenzende Krankenhausgebäude. In Melbeck schien wieder einmal die Sonne.

    3 Qualität ist grün – oder rot

    Kaum hatte Bender seinen Kaffeebecher mit dem matten Medisan-Schriftzug geleert, riss ihn seine Sekretärin aus seinen Tagträumen.

    „Herr Pohl und Frau Esser sind jetzt drüben. Wollen Sie noch einen Kaffee?"

    „Nein, vielen Dank. Die beiden werden mich sicher wachhalten. Ich gehe sofort rüber."

    Bender schenkte Frau Laufer sein gewinnendstes Lächeln. Sie war seit mehr als fünf Jahren als Sekretärin der Verwaltung tätig. 35 Jahre alt, verheiratet, blitzgescheit, oft amüsant schlagfertig und gesegnet mit einer derart sportlichen Figur, dass man sie auch für eine Top-Ten-Spielerin im Damenprofitennis halten könnte. Sein Vorgänger hätte keine bessere Wahl treffen können, dachte er oft. Und das sicher nicht nur wegen ihres Aussehens.

    Mit dem Neubau des Verwaltungsgebäudes hatte Bender sich in letzter Minute gegenüber von seinem Büro einen kleinen, gemütlichen Besprechungsraum einrichten lassen. Sein Büro stand nur für besondere Situationen oder Personen zur Verfügung. Es musste ja nicht jeder sein Chaos sehen.

    Fünf Minuten später saßen sie zu dritt an dem hellen Holztisch: Konstantin Pohl, der Pflegedirektor, Kerstin Esser, die Qualitätsmanagerin, und Bender. Die Sonne schien durch die großen Fenster und beleuchtete die Runde, ganz so, als wollte sie die aufkommende Nervosität der Besucher mit aller Macht vertreiben. Auf dem Tisch standen, sorgsam drapiert, Getränke, Tassen und Gläser. 

    Pohl ergriff als Erster das Wort: „Wie war es in Düsseldorf?

    Bender nickte nachdenklich. „Das Gespräch war kurz, aber äußerst klärend. Ich habe dem Vorstand unsere aktuelle Situation geschildert und unsere überarbeiteten Planungen für die nächsten Monate vorgestellt. Um es kurz zu machen: Der alte Plan bleibt in Kraft. Die Ziele sind gesetzt. Wir werden unsere Leistungen steigern und unsere Kosten weiter senken. Doktor Freitag und Herr Mahler haben sehr deutlich gemacht, wie wichtig es ihnen ist, dass wir unsere Ziele erreichen. Er nippte an seinem Glas und fuhr fort: „Einige Häuser im Süden der Republik sind kräftig in die roten Zahlen gerutscht. Das drückt gewaltig auf das Ergebnis und die Liquidität im Konzern. Sie wissen ja: Wenn das Bargeld ausgeht, dann gibt es kein Halten mehr. Bilanzielle Verluste sind unangenehm, aber Liquiditätsprobleme können sich sehr schnell zu einem Flächenbrand entwickeln und von heute auf morgen wirklich bedrohlich werden. Sinkende Ergebnisse, hohe Investitionen und die geplanten Zukäufe führen dazu, dass wir derzeit anscheinend sehr hart an unseren Liquiditätsgrenzen kratzen. Deshalb hat der Vorstand mich gebeten, über das geplante Maß hinaus Liquidität zu schaffen und dem Konzern zur Verfügung zu stellen.

    Pohl hatte ausdruckslos zugehört. Er war einer der Menschen, die ihre Mimik stets im Griff haben. Er fragte: „Wie kommt der Vorstand darauf, dass gerade wir den Konzern retten können? Wir haben April und laufen direkt in die Sommerflaute. Unser aktueller Leistungsrückstand wird in den letzten Monaten des Jahres kaum aufzuholen sein."

    „Da könnten Sie recht haben, gab Bender widerwillig zu. „Deshalb sollten wir zügig auf die Suche nach Geld gehen, Kosten senken und alles versuchen, um die Sommerflaute ausfallen zu lassen.

    Pohl schaute ihn irritiert an. „Okay, nichts leichter als das. Was sollen wir tun?", fragte er schließlich.

    Bender mochte seine nüchterne Art. Er schätzte ihn. Kein ewiges Lamentieren, keine kritischen Fragen zum falschen Zeitpunkt.

    „Darüber sprechen wir gleich, antwortete Bender. „Wir müssen erst etwas anderes klären.

    Er sah Kerstin Esser an, seine Qualitätsmanagerin. Sie hatte bislang schweigend neben Pohl gesessen und fühlte sich ganz offensichtlich unwohl. Als Bender sich ihr zuwandte, zuckte sie zusammen. „Frau Esser, wir haben in diesem Monat ein Problem mit unseren Qualitätskennzahlen. Doktor Freitag hat mich heute darauf angesprochen. Können Sie mir mehr darüber sagen?" Er schaute sie freundlich auffordernd an.

    Sie ergriff zögernd das Wort, ohne ihren Blick von ihrem Laptop abzuwenden: „Ich habe die Daten gestern überflogen. Mehr Zeit hatte ich leider nicht. Ich konnte auf den ersten Blick keine Überraschungen erkennen. Die üblichen roten Ampeln in der Orthopädie, einige Verschlechterungen im Bereich der Geburtshilfe und in der Stroke Unit. Der Rest ist Standard."

    Bender bemühte sich um Beherrschung. Er hoffte inständig, dass sie seine aufkeimende Wut nicht spürte. „Was meinen Sie mit Verschlechterungen? Was darf ich unter Standard verstehen?"

    Esser fuhr zögernd fort: „Es gab im vorletzten Monat einen ungewöhnlichen Anstieg der Kaiserschnittrate und leicht erhöhte Mortalitätsraten im Bereich der gynäkologischen Onkologie. Auch die Orthopädie lässt qualitätsmäßig leicht nach. Außerdem hatten wir einen unerwarteten Anstieg von Patienten in der Stroke Unit zu verzeichnen, die wir, vermutlich aus Zeitgründen, nicht in jedem Fall leitlinienkonform behandelt haben. Die Einheit ist einfach zu klein, wie wir schon lange wissen. Und mit Standard meine ich, dass es in den anderen Bereichen nicht besser oder schlechter läuft als sonst."

    „Ich verstehe. In meinen Ohren hört sich das nicht gut an, gar nicht gut. Es fällt mir vor allem sehr schwer, schlechte Qualität als Normalität zu begreifen. Als Standard. Ihre Erklärungen klingen für mich ziemlich vage. Vielleicht. Vermutlich. Mich interessiert vor allem, was genau Sie unternommen haben. Sie sind doch Qualitätsmanagerin. Was also haben Sie gemanagt?"

    Esser schien innerlich zu beben. Ihre Gesichtsfarbe wechselte von blass zu dunkelrot. Als sie zu sprechen begann, durchzog ihre Stimme ein unüberhörbares Tremolo. „Unsere Chefärzte kennen die Probleme sehr genau. Genau wie Sie bekommen sie regelmäßig die Qualitätsberichte. Ich stehe jederzeit zur Verfügung, falls Sie Fragen haben. Allerdings hat mich bis heute niemand angesprochen. Noch nie."

    Bender verlor langsam die Geduld: „Frau Esser, Sie wussten, dass ich heute ein Gespräch mit dem Vorstand haben würde. Sind Sie nicht auf den Gedanken gekommen, mich über diese Entwicklung zu informieren?" Er hasste es mehr als alles andere, wenn er als unwissender Trottel im Vorstand nach allen Regeln der Kunst vorgeführt wurde. Vielleicht ist das ihre Form von Rache, dachte er. Gründe scheint sie ja zur Genüge zu haben.

    Esser richtete sich in ihrem Stuhl auf. Jetzt war sie es, die die Beherrschung verlor. Ungewohnt scharf konterte sie: „Sie haben mich in Ihren ersten Monaten nicht einmal nach diesen Daten gefragt. Es war für mich nicht zu erkennen, dass Sie oder irgendjemand sonst sich für diese Auswertungen interessiert, inklusive der Chefärzte. Außerdem, fuhr sie in bissigem Ton fort, „hat sich Ihr Vorgänger, Herr Lokowski, auch schon nicht dafür interessiert. Er hat die Auswertungen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit als einen bunten Haufen Lügen bezeichnet. Wenn ich mich richtig erinnere, hat er sie sogar als ‚Bullshit‘ tituliert. Jeden Monat werte ich aus, verbringe Stunden mit ihrer Aufbereitung, renne durch das ganze Haus, um die Erfassung der Daten zu verbessern und für die Zahlen zu werben. Aber niemand hat sich jemals mit den Ergebnissen beschäftigt. Was also, meinen Sie, soll ich tun, wenn selbst die Führung dieses Hauses sich nicht für Qualität interessiert?

    „Auch die Chefärzte nicht?" Bender schaute zu Pohl. Pohl schwieg.

    Dafür redete sich Esser immer weiter in Rage: „Nein, nicht, dass ich wüsste. Qualitätsdaten sind zwar gesetzlich vorgeschrieben und mittlerweile über alle Krankenhäuser einheitlich definiert. Wir nehmen sogar an freiwilligen Benchmarks teil und vermarkten die Zahlen, wo es nur geht und passt. Aber selbst unsere Chefärzte interessieren sich praktisch nicht für sie. Nur dann, wenn sie als Negativschlagzeilen in die Presse zu geraten drohen. Außerdem sind es mittlerweile derart viele Zahlen, dass wir vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen können. Der Konzern selbst kommuniziert hauptsächlich so beeindruckende Kennzahlen wie die Mortalitätsrate im OP. Sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt. „Als ob heutzutage noch irgendein Patient im OP sterben würde. Jeder weiß doch, wie sich das vermeiden lässt. Das ist purer Fake.

    „Wie lässt sich das vermeiden?", fragte Bender neugierig.

    „Indem Patienten rechtzeitig auf die Intensivstation geschoben oder gar nicht erst operiert werden. Auf der Intensivstation darf man sterben, im OP nicht. Niemals. Schon wegen der Kennzahl nicht." Esser lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Es schien, als wäre im Bruchteil einer Sekunde die gesamte Energie der letzten Minuten aus ihrem Körper gewichen.

    Pohl hatte bislang geschwiegen. Das konnte er gut, dachte Bender. Der Pflegedirektor wandte sich ihm zu und sagte mit ruhiger Stimme: „Wir dürfen das Desinteresse der Chefärzte an den Qualitätsdaten nicht mit Desinteresse an unserer Qualität verwechseln. Der Umgang mit den Zahlen ist nie geübt worden, es hat sich wirklich nie jemand für sie interessiert. Richtig ist, dass wir in einigen Bereichen unsere Schwachstellen haben. Wie andere Krankenhäuser auch. Wir sind jedoch definitiv nicht schlechter als andere. Wahrscheinlich ist unsere Krux, dass wir mittlerweile eine Erfassungsquote von annähernd 99 Prozent haben. Frau Esser sei Dank! Wir lassen nicht, wie unsere Kollegen, die schlechtesten 5 Prozent unter den Tisch fallen, obwohl das gesetzlich möglich wäre. Noch."

    Bender bohrte weiter: „Frau Esser, können Sie sich vorstellen, was Herr Mahler mit der Aussage gemeint haben könnte, dass manche Ärzte bei der Erfassung der Daten etwas übereifrig sind?"

    Esser

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