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Atme oder stirb!: Geschichte einer Lebenskrise
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Ebook250 pages3 hours

Atme oder stirb!: Geschichte einer Lebenskrise

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About this ebook

"Atme oder stirb!" ist der erste große Erfahrungsbericht
über Asthma. Als die Journalistin Monika Buttler die Diagnose
"Sie sind unheilbar krank" erhält, stürzt sie in die tiefste Krise
ihres Lebens. Erstickungsanfälle, Koma, Kündigung des
Arbeitgebers – es scheint keinen Ausweg zu geben. Verzweifelt
begibt sich die Autorin von Therapie zu Therapie: Akupunktur,
Thymus, Nebenhöhlen-Operation, Bachblüten, Hypnose u.a.
Bis die Behandlung bei einem Immunologen den Durchbruch
bringt. Ein sensibler, dramatischer und ermutigender Lebensbericht.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateDec 7, 2012
ISBN9783847625193
Atme oder stirb!: Geschichte einer Lebenskrise

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    Book preview

    Atme oder stirb! - Monika Buttler

    „Sie haben Asthma"

    Frau Dr. von Schacht wird langsam ungehalten. „Also, Kindchen, ich sagte es doch schon: Die Krankheit ist nicht heilbar. Es hat gar keinen Zweck, dass Sie jetzt von Arzt zu Arzt laufen. Sie holen sich einmal im Monat Ihr Rezept bei mir, und dann können Sie mit den Medikamenten ganz ordentlich leben."

    Diese Szene spielte sich 1987 in der Praxis einer Lungenfachärztin ab, und sie sollte sich im Laufe meiner siebenjährigen Leidensgeschichte noch öfter wiederholen, soweit es Besuche bei Schulmedizinern betraf.

    Alles hatte im Herbst 1985 ganz banal mit einem Schnupfen angefangen: Niesen, Erkältung, trockener Reizhusten.

    10. November 1985

    Ich begebe mich zu Dr. Paulsen, einem renommierten HNO-Arzt, und erhalte die Diagnose: „Verschattung der Nebenhöhlen". Sinusitis, sagt er, ein Wort, das ich noch nie gehört habe. Dr. Paulsen setzt sofort alles ein, um diesen unangenehmen Zustand zu beenden: Naseninhalation, Mikrowelle, pflanzliche Mittel. Aber von Mal zu Mal komme ich in schlechterer Verfassung in seine Praxis. Etwas hat sich an meiner Atmung verändert.

    „Das ist eine spastische Bronchitis, stellt Dr. Paulsen fest, als er meine keuchenden Geräusche hört. Kommentar beim nächsten Mal: „Das ist schon eine Vorstufe zum Asthma. Und bei einem weiteren Besuch: „Sie haben Asthma. Sie müssen von einem Facharzt behandelt werden."

    Man kann nicht sagen, dass in diesem Moment die Welt für mich einstürzte. Asthma? Das klingt irgendwie armselig, es klingt nach Lebensschwäche, und ich erinnere mich an ein Klassenfoto: Annette, ein zartes, liebes Mädchen mit gewaltigem Rundrücken. Mit sechzehn Jahren war sie an Asthma gestorben. Ich finde die Diagnose unerfreulich, aber nicht niederschmetternd, weiß ich doch naturgemäß nicht, was mich alles in den nächsten sieben Jahren erwartet: dass die Krankheit alle vierundzwanzig Stunden bei mir sein wird, dass ich Ewigkeiten der Todesangst durchleben werde, dass ich nirgendwo mehr werde hingehen können und dass ich eines Tages im Koma liegen werde.

    Der unerklärliche „Etagenwechsel" von der Nase zu den Bronchien ist weitergegangen, und es kommt zu jenem traumatischen Schockerlebnis, das sich für immer mit Angst, Entsetzen und Fassungslosigkeit in das Gedächtnis prägt: Ich erleide meinen ersten Asthmaanfall.

    31. Dezember 1985

    Es fängt mit einem zwanghaften Reizhusten an, begleitet von zähem Schleim, der sich nicht lösen will. Schweißnass und mit rotem Kopf versuche ich auszuatmen; doch die Luftwege werden enger und enger, machen rasselnde Pfeifgeräusche, so dass ich in Panik Mengen an Luft schlucke, ohne sie wieder abgeben zu können. Mein Mann, der mich mit hochgezogenen Schultern über dem Tisch hängen sieht, schaltet sofort und bringt mich in die Krankenhaus-Ambulanz.

    Auf einem Bett sitzend, inzwischen sprachlos, trinke ich eine Lösung aus einem Becher. Wann hört es auf? Wann hört es auf? denke ich, und schließlich kann ich diese Worte auch über die Lippen bringen. „Es dauert nicht mehr lange", sagt der Arzt. Mein Mann wiederholt die Worte und hält meine Hand.

    Man lässt mich gleich dableiben. Die Universitätsklinik in Hamburg: mein erster Aufenthalt als Asthmakranke. Noch weiß ich nicht, dass ich in sieben Jahren achtmal im Krankenhaus sein werde. Es ist die Silvesternacht, das Jahr 1986 wird eingeläutet, und ich hoffe, bald wieder gesund zu sein. Die beiden alten Mitpatientinnen und ich sehen durch ein schmales Fenster einen kleinen Ausschnitt des Feuerwerkhimmmels, und die über 70-jährige weint, weil ihre Eltern sie als Kind weggegeben haben. Ich fühle mich nach einer Antibiotika-Behandlung aufgebaut und werde entlassen, „eine 46-jährige Patientin in gutem Ernährungs- und Allgemeinzustand."

    6. Januar 1986

    Die Wirkung der Antibiotika ist bald verpufft, und ich bin wieder in das alte Elend zurückgefallen: Tag und Nacht sind die Bronchien verengt und geben Geräusche von sich. Die Behandlung hat mein Hausarzt um die Ecke, Dr. Brockmann, übernommen. Er weiht mich in die Grundlagen der Asthma-Therapie ein und zeigt mir, wie man ein Dosier-Aerosol benutzt. Es ist ein kleines Gerät, ein Taschenspray, mit dem man sich per Druck ein bronchialerweiterndes Mittel in den Rachen sprüht. Dazu verschreibt er ein Medikament mit dem Wirkstoff Theophyllin, das ebenfalls die Bronchien erweitert. Ich denke, dass ich mit diesen gezielten Maßnahmen nun bald gesund werde.

    Davon kann aber keine Rede sein. Ich sitze wieder einmal bei Dr. Brockmann im Wartezimmer. Meine Geräusche erfüllen den ganzen Raum, ich ringe nach Luft, bin entnervt, und mir laufen die Tränen übers Gesicht. Erschrocken rufen die Patienten den Arzt und lassen mich vor. Dr. Brockmann gibt mir eine Spritze. „Was ist das bloß für eine Krankheit?, frage ich ihn, als der Krampf sich gelöst hat. „Es ist eine überschießende Reaktion, sagt Dr. Brockmann. Bei dieser „Erklärung" lässt er es bewenden und verabschiedet mich, mit beiden Händen meine Hand drückend.

    Inzwischen habe ich mir Bücher über Asthma besorgt. Da muss ich wohl selbst dahintersteigen. Wozu bin ich schließlich Journalistin? Das wäre ja gelacht, wenn ich das nicht wegkriegen könnte. Ich erfahre, dass die Krankheit eine allergische, eine entzündlich-infektiöse und eine psychische Komponente hat. Außerdem lese ich zu meiner Überraschung, dass es eine Nervenerkrankung ist: Der Sympathikus arbeitet zu schwach, der Parasympathikus zu stark. Deshalb sind Asthmatiker in der Nacht zwischen vier und sechs Uhr, wenn der Parasympathikus Regie führt, den Anfällen besonders ausgesetzt. In seinem Buch „Sprechstunde Asthma gibt ein Spezialist aus Bad Reichenhall viele tröstlich formulierte Ratschläge, erklärt aber bedauernd, dass die Krankheit leider nicht heilbar sei. Ein weiteres Buch „Mit Asthma leben bringt mich gleich auf die Zinne. Ich will ja nicht „mit, sondern „ohne Asthma leben. Der Autor, der schon auf fünfzehn Krankheitsjahre zurückblicken kann, ist für mich ein unfähiger Schwächling. Ein drittes Buch „Das Asthma und seine Heilung, wenngleich aus der Nazi-Zeit stammend, kommt mir da schon eher entgegen. Ich arbeite es gründlich durch und mache mir eine Liste, was ich „forcieren und was ich „vermeiden" muss, um gesund zu werden. Gut sind zum Beispiel heiße Fußbäder, schlecht sind Federbetten.

    In unserem Schlafzimmer gibt es jetzt nur noch doppellagige Kamelhaardecken, und das schöne Wintergarten-Ambiente mit den vielen Pflanzen wird in Kürze der Vergangenheit angehören. Ein ägyptischer Arzt, den wir gerade zu Besuch haben, meint, dass ich alle Pflanzen entfernen müsse. Sie seien Sporenträger und Staubfänger – „schlecht für die Lunge". So muss ich mich mit den Palmen-Dessins auf meinen Chintzgardinen zufriedengeben. Für mich schönheitsdurstige Wohnjournalistin schon eine Einschränkung.

    28. März 1986

    Karfreitag bin ich allein in der Wohnung. Ich habe Kopfschmerzen und nehme eine Aspirin-Tablette. Langsam merke ich, dass die Bronchien immer enger werden. Ich fange an zu schnappen, gerate völlig aus dem Takt und reiße die Balkontür auf. Damals wusste ich noch nicht, dass Luftzufuhr völlig sinnlos ist. Es entbehrt „... nicht des Grotesken, dass der Asthmatiker von unbegrenzten Mengen Luft umgeben ist und es nicht fertigbringt, einen winzigen Teil davon den kurzen Weg von 30-50 cm durch die Luftröhre in seine Lunge zu befördern", schreibt der Ernährungsmediziner und Psychosomatiker Max Otto Bruker. Und warum kann er das nicht? Weil Schleim und Krampf die Bronchien verengen.

    Im Haus ist es totenstill. Alle scheinen über Ostern verreist zu sein. Ein Telefon habe ich nicht mehr, seitdem ich vierzehn Monate Telefonterror hatte. Ein Mosaikstein zu meinem Psychogramm: Nichts stört mich mehr, als wenn jemand in meine Privatsphäre eingreift. Ein anderes Steinchen: Ich bin der Meinung, dass man von keiner Sache zu abhängig sein sollte. Sei es vom Rauchen, vom Trinken oder eben vom Telefon. Ich sah einen amerikanischen Film, in dem eine junge Frau telefonisch fast zum Wahnsinn getrieben wurde. Während des ganzen Films dachte ich: Du kannst doch Siegerin bleiben, man muss doch kein Telefon haben. Natürlich wäre es dann kein Thriller geworden.

    An diesem Karfreitag wird mir mein telefonloser Zustand fast zum Verhängnis. Ich stehe, gekrümmt von einem Erstickungsanfall, auf unserem Erdgeschoss-Balkon, und gerade als ich ein paar rudernd-winkende Bewegungen zu den vorbeigehenden Passanten machen will, kommt mein Mann nach Hause. Er ist Iraner, Teppichkaufmann, und hatte einen Kundenbesuch gemacht. Er packt mich am Handgelenk und schleift mich zum Auto. In rasender Fahrt geht es bei Rot über die Kreuzung zur Ambulanz ins Uni-Krankenhaus. Der Arzt sucht meine Vene, während mein Kopf nach vorn fällt, und gibt mir Spritzen. Endlich, endlich hört alles auf, und ich kann zurückgelehnt ausruhen. Nach Stunden fahren wir wieder nach Hause. „Du warst schon blau angelaufen, sagt mein Mann. Und wie haben die mich wieder hingekriegt? „Mit Theophyllin- und Cortisonspritzen. Am ersten Tag nach Ostern beantrage ich einen Telefonanschluss

    Aspirin: Stoff für einen Krimi

    3. April 1986

    Ich sitze wieder in der Sprechstunde von Dr. Brockmann und berichte von meinem Erstickungsanfall.

     „Lassen Sie uns mal den Tag rekonstruieren, sagt Dr. Brockmann, „haben Sie noch zusätzliche Medikamente eingenommen?

    „Ja, eine Aspirintablette", erzähle ich arglos.

     Dr. Brockmann schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. „Das dürfen Sie nie wieder tun. Aspirin und andere Schmerztabletten enthalten den Wirkstoff Acetyl-Salicyl, der für Asthmatiker tödlich sein kann. Tatsächlich: Als ich später den Beipackzettel zu Aspirin lese, taucht dort das Wort „Asthma auf. Auch in der Nahrung sind Salicylate enthalten, erfahre ich. Eine Allergologin gibt mir eine Liste mit Nahrungsmitteln und entsprechenden Mengenangaben, und wir kleben die Liste an die Kühlschranktür, damit Djamschid, mein Mann, danach einkaufen kann.

    Einige Jahre später, als ich mich durch das Asthma entstellt und als Belastung für meinen Partner und die orientalische Familie empfinde, bringe ich Aspirin wieder ins Spiel.

    „Du brauchst mir nur eine Tablette Aspirin ins Wasser zu tun, sage ich zu meinem Mann, „dann bist du mich endgültig los.

    Zeitweise empfinde ich mich hoffnungslos unattraktiv: die rasselnden und pfeifenden Bronchialgeräusche in den intimsten Stunden der Liebe, der Schleim, den ich beim Inhalieren in ein Gefäß spucke, das aufgedunsene Cortison-Gesicht. Aber dann wende ich die Bemerkung auch wieder ins Scherzhafte: „Also, ehrlich, Djammi, das ist Stoff für einen Fernsehkrimi. Ich habe die Dramaturgie schon im Kopf ..."

    Dr. Brockmann schlägt mir vor, eine Kur in der Asthma-Klinik Bad Lippspringe zu machen, die veränderte Luft würde mir guttun. Was, schon wieder in ein Krankenhaus? Seit Anfang des Jahres haben wir einen neuen Chefredakteur, und dieser Mann hat mich bisher nur krank kennengelernt. Was, wenn ich nun für immer krank bliebe? Ich könnte meine Stellung verlieren, und außerdem ärgert es mich, dass der Chefredakteur nie wissen wird, wie ich eigentlich bin: aktiv, sanguinisch, genießerisch, manchmal originell und in seltenen Stunden sogar eine „Powerfrau. Er hat nicht miterlebt, wie ich aus dem Urlaub zurückkam, spanische Musikkassetten mitbrachte und in weißer Kleidung in der Redaktion tanzte. Wie ich, zugegeben nach ein paar Gläsern Wein, losflirtete oder wie ich auf der Möbelmesse immer so „auf Empfang gestellt war, dass die Visitenkarten für Abendeinladungen nur so purzelten. Und nun hatte ich mir in der Redaktion geradezu einen schlechten Ruf als Alkohol-Abstinenzlerin erworben. Da Alkohol meine Atmung erschwerte, hatte ich es mir angewöhnt, keinen Tropfen Wein oder Sekt mehr zu trinken.

    Ich fahre nach Bad Lippspringe. Dort ergreift mich wieder der unaufhörliche Husten. Elf Nächte lässt man mich durchhusten, dann kulminiert mein schlafloser Zustand in einem Nervenzusammenbruch, und man gibt mir Cortison-Tabletten. Eine unglaubliche Euphorie belebt mich: Ich eile die Treppen hoch, gehe schwimmen – dieses trügerische, nebenwirkungsreiche Mittel lässt mich wieder normal atmen. Meine Bettnachbarin, eine Frau um die fünfzig, wirkt ruhig und scheint sich in ihr Asthma-Schicksal ergeben zu haben. Die Krankheit habe zu einem Herzstillstand geführt, erzählt sie mir, sie sei klinisch bereits tot gewesen, und ihren Beruf als Buchbinderin habe sie vor längerer Zeit aufgeben müssen. Ihr Rücken ist schon verformt, die Schultern sind in Dauerstellung hochgezogen. Sie bittet die Ärztin, an das Infusionsgerät angeschlossen und mit Theophyllin „durchgespült" zu werden, allein mit Tabletten kann sie nicht mehr atmen.

    Ich halte mich anschließend in Gesellschaft von ein paar forschen Mittvierzigerinnen auf.

    „Und wenn dann die Wechseljahre kommen, nehme ich ein Hormonpflaster", äußert die eine fröhlich.

    Diese Zeit rückt auch für mich näher – im Krankenhaus werde ich 47 Jahre alt. Ich ziehe ein schickes, „feminines Kleid an, merke aber zu spät, dass ich kurz darauf ein Urin-Fläschchen durch die Gegend trage. Wie peinlich! Ein alter Mann schenkt mir einen Kristall-Anhänger. Sollte dieser ein Glücksbringer sein? Immerhin hatte Dr. Brockmann bei der Abreise gesagt: „Aus Bad Lippspringe ist noch jeder gesund zurückgekommen.

    Das war eine mitleidige Lüge. Dennoch bringe ich auch von diesem Klinik-Aufenthalt etwas mit. Unangenehmen Situationen etwas Positives abzugewinnen, war damals noch meine dominierende Lebenssicht. In der Klinik hatte man durch Tests ein verträgliches Kopfschmerzmittel für mich gefunden. Ich würde also beruhigt auf etwas zurückgreifen können. Während meiner beiden Schwangerschaften hatte ich mich strikt auf „Tiger-Balsam beschränkt, aber in den letzten Jahren hatten sich meine Kopfschmerzen zeitweise zur Migräne gesteigert und pflegten von allein nicht aufzuhören. Das alles und ein paar spärliche allergische Reaktionen, die man festgestellt hatte, wurden in einem „Allergiepass vermerkt, den ich nun immer bei mir tragen sollte.

    Mit Dr. Brockmann bespreche ich nach meiner Rückkehr meine Urlaubspläne. Inzwischen bin ich durch meine Atmungsprobleme schon so unsicher geworden, dass ich mich kaum noch reisefähig fühle.

     „Aber natürlich fahren Sie nach Italien, meint Dr. Brockmann, „ich gebe Ihnen Cortison-Tabletten mit.

    Ja, Italien – da müssten Körper und Seele wiederaufleben. Wieder einmal nach der Devise „Morgens Fango – abends Tango Erholung und Amüsement miteinander verbinden. Und wieder würde meine Reisepartnerin Ursel sein, wie damals im Sommer 1985 in Marokko, als ich noch kein Asthma hatte. „Vor dem Asthma, nach dem Asthma – das sollte bald die neue Zeitrechnung in meinem Leben werden.

    Meinen Mann kann ich wie gewöhnlich nicht zu einer Reise überreden. Er findet, dass mit dem Kerosin der Himmel verpestet wird, und außerdem könne er nicht ohne Unruhe sein Teppichlager zurücklassen. So sind wir in unserem 14-jährigen Zusammensein mal gerade eine Woche auf Ischia gewesen. Jedes Jahr spult sich das gleiche Kompromiss-Muster ab: vier Urlaubswochen mit „Ihm" zu Hause, zwei Wochen verreisen mit einer Freundin.

    Nun also zum zweiten Mal nach Montegrotto-Abano. Mein Gesicht hat sich zwar durch das Cortison etwas gerundet, aber das steht mir eigentlich ganz gut. Ursel und ich besuchen ein Tanzlokal und werden unablässig aufgefordert. Nicht schlecht, mit siebenundvierzig so gefragt zu sein. Lästig ist nur, dass ich immer wieder auf die Toilette verschwinden muss, weil mir der Schweiß in Strömen den Rücken herunterläuft und meinen seidenen Overall schon völlig durchnässt hat. Die Haare sind zur Duschfrisur geworden. „Abbagnato, sagen die Italiener, und es stört sie nicht im mindesten. Auch in den nächsten Jahren werde ich beim Tanzen „abbagnato sein.

    Der Schweiß zeigt die Schwäche meines Körpers an. Ich bin ernsthaft krank. Oder sollten das die Vorboten der Wechseljahre sein? Nein, dann müssten es mehr „Wallungen" sein, und die lerne ich erst zwei Jahre später kennen. Trotzdem lasse ich einen Hormontest machen – er ist völlig in Ordnung. Mich beschäftigt die Frage, ob eine noch nicht feststellbare Hormonveränderung mein Asthma verursacht haben könnte. Ich schreibe einen Brief an einen renommierten Hormonforscher an der Uniklinik Hamburg und erhalte als Antwort einen Anruf seiner Assistentin.

     „Nein, Sie brauchen nicht zu einem Gespräch zu kommen, sagt sie. „Der Herr Professor lässt Ihnen ausrichten, dass es damit nichts zu tun hat.

    Mehr als ein halbes Jahr ist vergangen, und ich bin noch immer krank. Wenn ich nicht gerade einen fieberhaften Infekt habe, gehe ich in die Redaktion und bringe mich mit der Medikamenten-Chemie einigermaßen über die Runden. Im Fotostudio ist es für die Kollegen schon ein gewohnter Anblick, dass ich die Medikamententasche herausnehme, mir Wasser für die Tabletten hole und mein Sprühgerät benutze. Seit meinem dreißigsten Lebensjahr war ich sehr oft krank, fast immer im Zusammenhang mit Operationen. Aber ich habe mir kaum Gedanken darüber gemacht. Für mich war es wie ein Naturgesetz: Erst bin ich krank, und dann werde ich wieder gesund. Willenskraft und Training waren dabei selbstverständliche Helfer.

    Der erste tiefe „Schnitt in mein bis dahin ungetrübtes Leben kam mit 31 Jahren, als ich wegen eines Bandscheibenvorfalls an der Wirbelsäule operiert werden musste. Es war die schmerzhafteste Operation in meinem bisherigen Leben; ich musste ein halbes Jahr mit der Arbeit pausieren und verlor deshalb meine Stellung als Redakteurin. Von Anfang an tat ich alles, um schnell wieder auf die Beine zu kommen. Der Arzt wollte, dass ich in einer Gipsschale schlafe, aber da wäre ich mir wie eine Leiche vorgekommen. Ich ließ mir als „Alternative ein Stützkorsett verpassen und griff die Idee des Pflegers auf, täglich an einem Laufwagen zu üben. Ich erinnere mich noch, als ich nach dieser strapaziösen Zeit zum ersten Mal wieder in einem See badete. Es war gleichsam eine neue Geburt, ich sprang wie ein Delphin in die Höhe und ließ mich voller Freude zurück ins Wasser klatschen. Doch ich hatte einen Tribut zu entrichten: Nun waren nur noch leichte Koffer mit Reißverschluss oder auf Rollen angesagt, und der Rücken musste mit Schwimmen und Massagen ständig locker gehalten werden. Erst Jahre später dachte ich darüber nach, warum ich rückenkrank geworden war und musste mir eingestehen, dass ich diesen schmerzvollen Zustand selbst verschuldet hatte. Mein damaliger Mann und ich mussten zu der Zeit unbedingt einen VW-Porsche haben und bretterten, mehr liegend als sitzend, mit dem kaum gefederten Gefährt tagtäglich über die Straßen. Und statt nach dem Redakteursjob meinem Körper am Abend etwas Gutes zu tun, stauchte ich meine Lendenwirbel,

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