Transzendierung des Ichs und christliche Botschaft: Eine Deutung christlicher Glaubensinhalte aus spiritueller Sicht
By Anton Weiß
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Book preview
Transzendierung des Ichs und christliche Botschaft - Anton Weiß
Zusammenfassender Überblick
Die Grundlage für alles, was ich geschrieben habe, ist meine erschütternde Erfahrung im Jahr 2005. Es war das Begreifen, wie sehr unser Dasein vom Ich her bestimmt ist und dass es darum geht, dieses Ich zu transzendieren. Aufgrund dieser Erfahrung zeigte sich mir die christliche Botschaft in einem völlig neuen Licht. Viele Aussprüche Jesu über z. B. die unnötige Sorge, die sich die Menschen machen, zeigten die Sorge des Ichs um seinen Bestand. Die Ursünde (Erbsünde), von der in der christlichen Botschaft die Rede ist, erscheint als die Befindlichkeit im Ich, in der sich der Mensch mit dem Eintritt in dieses Leben vorfindet. Es besteht in der Abtrennung von seinem Urgrund, von seiner Quelle, und damit von Gott. Das entspricht der Vertreibung aus dem Paradies. Schwerwiegende Folgen dieser Getrenntheit sind die Entfremdung des Menschen von sich selbst, von seinen Mitmenschen und von der Natur. Angst, Sorge, Verlangen und Gier sind die Folgen.
Bei Jesus kreist alles Denken um einen einzigen Begriff: Reich Gottes. Was damit gemeint ist, kann offensichtlich nicht direkt gesagt werden, deshalb verwendet er viele Gleichnisse; das bedeutendste ist das vom „Schatz im Acker". Eines scheint klar: Es liegt in uns, in jedem Menschen verborgen; es ist das, was von anderen als Selbst, als Höheres Wesen, Wesenskern, wahrer Mensch, innerer Mensch oder anderen Begriffen bezeichnet wird. Und dieser innere Mensch kann nicht anders in Erscheinung treten als durch den Tod des Ichs, denn dieses hindert dieses Selbst an der Teilhabe am Leben. Dieser Tod ist symbolisiert im Tod Jesu am Kreuz, aber auch schon in der geplanten Opferung Isaaks durch Abraham.
Wenn durch Jesu Auferweckung die Überwindung des Todes gezeigt wird, dann kann das nicht den Tod des Körpers meinen, sondern den Tod des Ichs des Menschen, denn im Ich ist der Mensch tot, weil er durch sein Denken unfähig ist, am Leben teilzuhaben. Der Tod des Ichs führt daher zum neuen Leben, das in der Taufe symbolisiert ist.
Wenn von Jenseits die Rede ist, dann meint das nicht ein Jenseits der Welt oder ein Jenseits des Lebens, also nach dem Tod, sondern ein Jenseits des Ichs; es wird deshalb als jenseits erlebt, weil es dem Zugriff des Versandes entzogen ist.
Je mehr der Mensch im Ich steht, umso mehr unterliegt er den Mächten der Finsternis – dem Unbewussten. Das Unbewusste erscheint als Böses, weil es der Mensch an der Teilhabe an seinem Leben ausschließt, ihm den Zugang zum Leben versperrt..
Wer begreift, dass das Ich transzendiert werden muss, gerät an die absolute Grenze, weil der Mensch als Ich das Ich nicht hinter sich lassen kann. Alles, was er tut, geschieht immer von seinem Ich her. Das führt in die Verzweiflung, aus der allein die neue Lebensweise hervorgeht, wie Phönix aus der Asche.
Zum Schluss werden noch einzelne Aussprüche Jesu beleuchtet, wie: „Werdet wie die Kinder, „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin
oder „Kehret um" u. a..
Vorwort
Da ich in verschiedensten Schriften die umwälzenden Erfahrungen beschrieben habe, die mir im Jahr 2005 zuteil wurden, bitte ich den Leser um Verständnis, wenn ich in der vorliegenden Abhandlung auf diese Schriften verweisen werde. Ich versuche natürlich, die für das Verstehen notwendigen Zusammenhänge darzulegen und bitte nochmals um Verständnis dafür, dass ich mich dadurch andererseits gezwungen sehe, in früheren Schriften geäußerte Gedanken zu wiederholen.
Einführung
In dem für mich schicksalhaften Jahr 2005 habe ich Erlebnisse gehabt, die mir gezeigt haben, worum es im Leben geht: um die Transzendierung des Ichs. Da ich im christlichen Glauben aufgewachsen bin und Religion für mich immer die entscheidende Komponente im Leben war, bedurfte es für mich keines großen Nachdenkens, um die entscheidenden Parallelen zu urchristlichem Gedankengut zu sehen. In meinen Schriften habe ich an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen. Es erschien mir aber reizvoll, diese Parallelen mehr oder weniger umfassend darzustellen, was hiermit geschieht.
Die vorliegende Arbeit beansprucht in keiner Weise theologische Korrektheit. Das würde ständig zu Rechtfertigungen führen, die lediglich einen intellektuellen Reiz hätten. Es geht mir in erster Linie darum, meine Erlebnisse im Licht derjenigen christlichen Glaubensinhalte darzustellen, die sich mir schlichtweg aufdrängen. Insofern darf man auch keinesfalls Vollständigkeit erwarten.
Vorgeschichte
Vielen heutigen Menschen sagt die christliche Botschaft nichts mehr, da sie als ein mehr oder weniger tradierter Glaube an überliefertes Gedankengut aufgefasst wird. Schon Karl Rahner hat gesagt, dass Glaube in heutiger Zeit nur mehr möglich ist, wenn Erfahrung dahinter steht, „oder er wird nicht mehr sein (aus dem Gedächtnis zitiert). Um aber Glaubenserfahrung zu machen, muss ein elementares Interesse daran vorhanden sein, ganz nach dem Jesuswort: „Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird euch hinzugegeben werden
(nach Mt 6,33) (alle Bibelzitate nach „Die Bibel", Einheitsübersetzung Altes und Neues Testament; Herder 2009, sofern nicht anders angegeben; die Abkürzungen entsprechen dem üblichen Gebrauch: Gen für das erste Buch Moses etc.).
Dieses elementare Interesse aber kann man heute kaum mehr irgendwo sehen. Das Hauptinteresse der meisten Menschen besteht heute darin, ihren Wohlstand zu mehren. Die Kirchen haben es nicht verstanden, die christliche Botschaft für den modernen Menschen verstehbar zu machen. Sie beschränken sich in der Regel zu sehr auf ein Für-wahr-Halten von Glaubensinhalten. So stehen die Erfahrungen des Lebens moderner Menschen nicht mehr in Verbindung mit der christlichen Botschaft, und das müsste durchaus nicht so sein.
Die katholische Kirche hat es in den Anfängen der Tiefenpsychologie versäumt, darin eine Chance für eine Neuinterpretation christlichen Gedankenguts zu sehen. Gerade die psychologischen Erkenntnisse hätten für ein tiefgehendes neues Verständnis christlicher Glaubensinhalte erkannt werden müssen, was aber nicht geschah. Kein Wunder, dass heute der Psychotherapeut an die Stelle des Priesters und Beichtvaters getreten ist.
Sehr wohl hat es aber einzelne Personen im Raum der Kirche gegeben, die schon früh erkannt haben – z. B. Josef Goldbrunner in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts –, dass die Psychologie eines C. G. Jung sehr nahe an christliche Grundwahrheiten heranreicht. Für mich, der ich damals Theologie studierte, waren seine Bücher wegweisend.
Mein Leben verlief im wahrsten Sinne des Wortes „katholisch, d. h. allumfassend. Neben Psychologie interessierten mich vor allem andere Religionen, insbesondere die östlichen, ganz besonders aber der Zen-Buddhismus. Hier fand ich, besonders durch das Buch von Eugen Herrigel „Zen in der Kunst des Bogenschießens
das, was ich als Kern der religiösen Ausrichtung verstand: Dass es etwas geben muss, das dem Verstand nicht zugänglich ist und das dennoch in das Leben des Menschen einbrechen kann. So verstand ich auch die geheimnisvollen Gleichnisse Jesu vom Reich Gottes. Ich spürte, dass es da etwas gibt, was dem Zugriff des Menschen entzogen ist. C. G. Jung bezeichnet dies als eine „schwer zu erringende Kostbarkeit", worauf das Gleichnis vom Schatz im Acker oder der kostbaren Perle ebenfalls hinweisen. Mein ganzes Leben war darauf ausgerichtet, diese Kostbarkeit zu erlangen. Was ich aber konkret hatte, war lediglich der Glaube daran, dass es das gibt. Mit zunehmendem Alter stellte ich fest, dass die meisten Menschen diesen Glauben, diese Hoffnung, dass es etwas gibt, was den Verstand übersteigt, längst aufgegeben und sich den Freuden und Genüssen des Lebens zugewandt hatten. Die Wissenschaften lieferten ein Erklärungsmodell für die Entstehung und Entwicklung der Welt und des Lebens, das den Glauben an einen Gott überflüssig machte. Da es mir nie eingeleuchtet hat, dass es eine Welt ohne Verursacher geben kann, merkte ich, dass ich mit meinen Auffassungen ins Abseits geriet und behielt weitgehend meine Überzeugungen in meinen privaten Kontakten für mich. Da ich Religionslehrer war, hatte ich ja in den Klassen, die ich unterrichtete, ein Betätigungsfeld für sie.
Immer blieb in meinem Leben die