Wildbach im Würgegriff der Geheimdienste: Grabenkrieg am Gartenzaun - Band 2
By Jörn Kolder
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Wildbach im Würgegriff der Geheimdienste - Jörn Kolder
Dr. Rüdiger Bachmann macht die Siedlung unsicher
Der Fahrlehrer Jörg Kunze hatte dem Mathematiker nach bestandener Fahrprüfung drei Fahrzeuge zum Kauf vorgeschlagen: einen zwei Jahre alten Golf, einen Jahreswagen von Audi, und einen gebrauchten Jeep mit Dieselmotor. Der Golf wäre ein zwar gesichts- und einfallsloses Auto, aber sehr zuverlässig und würde sich zudem noch durch geringen Wertverlust auszeichnen. Den Audi könnte er empfehlen, da die Qualität bei dieser Marke ganz hervorragend wäre, aber da müsste man schon ein bisschen mehr Geld als für den VW in die Hand nehmen. Der Jeep hingegen würde die miesen Straßen um Wildbach herum und in der Landeshauptstadt am besten wegbügeln, man könnte – da man ja auch nicht jünger würde – bequem in ihn einsteigen und sich geradezu in den Sitz hineinfallen lassen. Gegen das Fahrzeug spräche allerdings, dass der Ami einen Haufen Sprit schlucken würde, die Qualität keineswegs auf deutschem Niveau sei und das Auto ziemlich lang wäre, was die Suche nach Parklücken schwierig werden ließ. Ein Vorteil wäre immerhin, dass das Fahrzeug sehr robust sei, und den einen oder anderen Rempler locker wegstecken würde, was man bei einem Fahranfänger wie Bachmann nicht ganz ausschließen könnte. Dr. Rüdiger Bachmann hatte sich sofort für den Jeep entschieden.
Kunze hatte es sich nicht nehmen lassen, den Mathematiker zu seinem Haus zu chauffieren. Er wollte selbst probieren, wie man das Dickschiff unter den Carport bugsieren konnte. Es war nicht einfach. Kunze musste dreimal ansetzen, um den Jeep dann endlich darunter abstellen zu können. Ob Bachmann das auch so hinbekommen würde bezweifelte er nach den gemeinsam verbrachten leidvollen Fahrstunden insgeheim. Aber irgendwann musste sein Freund ja flügge werden. Die Straßen in der Siedlung waren lediglich 2,50 Meter breit, da es sich um eine verkehrsberuhigte Zone mit einer Einbahnstraße handelte. Dazu kamen noch 80 Zentimeter breite Fußwege auf beiden Seiten. So ergaben sich 4,10 breite Verkehrsflächen. Da die Einfahrten zu den Garagen oder Carports immer rechts und links versetzt zueinander lagen standen einem Fahrzeugführer also gerade einmal 3,30 Meter zur Verfügung, um auf sein Grundstück zu fahren, oder es zu verlassen. Der Jeep war fast 5 Meter lang und breiter als übliche PKW. Man musste also rechtzeitig einen bestimmten Kurs einschlagen, um dann mit einer Kurvenfahrt die Einfahrt zu erwischen. Für Dr. Rüdiger Bachmann würde die Verkehrsteilnahme am nächsten Morgen also mit einer Rückwärtsausfahrt aus dem Carport beginnen.
Als der Mathematiker früh den Motor angelassen hatte jonglierte er (wegen der vielen Übungen an dem Gestell mit den Handfegern) gekonnt mit seinen Füßen, legte den Rückwärtsgang ein, und ließ die Kupplung kommen. Ohne einen Ruck bewegte sich das große Auto jetzt langsam und elegant aus dem Carport heraus. Er merkte aber bald, dass er das Lenkrad zu spät eingeschlagen hatte, und so die Kurve nicht kriegen würde. Bachmann fuhr erst einmal wieder unter den Carport zurück. Dann ließ er in seinem Kopf einige Berechnungen ablaufen und versuchte es erneut. Diesmal war er nahe dran gewesen es zu schaffen, aber es fehlten einige Zentimeter. Er fuhr wieder unter den Carport zurück. Dann stieg er aus (den Motor ließ er laufen) und betrachtete die Verkehrsfläche eingehend. Als er zum dritten Mal ansetzte und es fast geschafft hätte, hupte es wütend hinter ihm, und Bachmann rollte wieder unter den Carport zurück. Der vierte Anlauf sah ganz hoffnungsvoll aus, aber Bachmann wurde durch einen wild gestikulierenden Mann auf dem Fußweg rechts von ihm etwas aus dem Konzept gebracht.
Durch das hin und zurück des Autos hatte sich mittlerweile eine mächtige Dieselabgaswolke entwickelt, die genau in Richtung des aufgeregten Mannes zog. Generaloberst a. D. Fritz Langsack musste einen Brechreiz unterdrücken, denn er stand inmitten der stinkenden Dieselwolke. Bachmann kriegte diesmal die Kurve, rollte dann langsam auf der Straße vorwärts und hob eine Hand zum Gruß, um dem zappeligen Mann auf dem Fußweg so symbolisch einen guten Tag zu wünschen. Dieser deutete das als eine Provokation und zeigte dem Mann im Jeep seinen erhobenen Zeigefinger. Bachmann verstand die Aufregung nicht und fuhr weiter. Als er sich dem Waldrand näherte ergab sich ein neues Problem.
Als die Leute nach und nach in die Siedlung eingezogen waren hatte es einen genau abgestimmten Plan gegeben, wann welche Umzugsfirma wie lange vor welchem Haus mit ihren LKW stehen durfte. Der Bebauungsplan hatte extra eine Einbahnstraße vorgesehen, um die erwarteten vielen Kinder nicht durch gegenläufigen Verkehr zu gefährden. Für die Umzugsprofis war auch die rechtwinklig abknickende Straße am Waldrand keine Herausforderung gewesen, für Dr. Rüdiger Bachmann schon. Er hatte zwar vor dem Abzweig Schwung geholt, aber geriet mit dem rechten Vorderrad auf den Fußweg. Auf dem dazugehörigen Grundstück machte sich ein Mann gerade daran, in sein Auto zu steigen. Bachmann fuhr mit qualmendem Auspuff wieder ein Stück zurück, kam aber beim zweiten Anlauf nun mit beiden rechten Rädern auf den Fußweg. Der Mann verfolgte seine Manöver mit verbissener Miene und rief etwas, was Bachmann aufgrund des dröhnenden Diesels nicht verstehen konnte. Die nächste Kurve schaffte er ebenfalls im zweiten Anlauf, und dann hatte er freie Fahrt aus der Siedlung heraus.
Auf Arbeit hatte er die Dinge noch einmal Revue passieren lassen, und einige Berechnungen angestellt. Zweifellos war die zur Verfügung stehende Fläche für ein Fahrzeug wie seines zu gering ausgelegt. Er würde also niemals mit einem Zug das Grundstück befahren, oder verlassen können. Unter optimalen Bedingungen könnte er mit zwei Anläufen auskommen. Das gelang ihm zum Feierabend dann doch nicht. Er würde nochmals an der Lenkradstellung feilen müssen. Als er nach drei Versuchen unter dem Carport eingeparkt hatte, fand er dann einen Zettel in seinem Briefkasten.
„Ich lasse mir Ihre Lärmbelästigung und Umweltverschmutzung nicht mehr länger bieten! Wenn sich das nochmals wiederholt, werde ich gegen Sie vorgehen! Generaloberst a. D. Langsack."
Dr. Rüdiger Bachmann hatte dann abends noch einige Berechnungen angestellt. Er hatte jetzt einen ganz anderen Ansatz gewählt. Statt vorwärts einzuparken und rückwärts herauszufahren, würde er ab morgen die Reihenfolge umkehren. Wie ihm eine lange Formel bewiesen hatte, könnte er es mit einem Anlauf schaffen. So gegen 21 Uhr stellte er die Tafel auf die Terrasse, nahm sich einen Whisky mit und zündete sich eine Zigarre an. Zutiefst versunken in das Zahlenwerk entging ihm vollkommen, dass in dem Haus rechts neben ihm krachend Fenster geschlossen wurden, und hinter diesen ein Mann wie Rumpelstilzchen hin und her und auf und nieder sprang.
Die NSA schlägt in Wildbach auf
Paul Lange, wie sich Frank Kanpersky jetzt nannte (und dessen Identität er absolut verinnerlicht hatte), hatte dem Wirt des Dorfgasthofes in Wildbach, Heiner Drechsler, sein konkretes Eintreffen am Tag seiner Abreise gegen 8 Uhr früh aus den USA per Mail an die Adresse „Drechsler-International House Wildbach.de" mitgeteilt. Er würde 19 Uhr 36 aus Frankfurt am Main kommend in Dresden landen, und sich dann per Taxi nach Wildbach begeben, um den Ort dann (so würde es zumindest der Routenplaner sagen) ungefähr 30 Minuten später erreichen zu können, da man die Autobahn ein ganzes Stück nutzen könnte. Eine halbe Stunde auschecken dazugerechnet, würde er wohl so gegen 21 Uhr da sein. Da der Dorfgasthof ja bis 22 Uhr offen sei würde er in jedem Falle rechtzeitig vor dessen Schließung eintreffen. Da es zwischen den USA und Deutschland eine Zeitverschiebung von 5 Stunden gab, sollte Drechsler die Mail so gegen 3 Uhr morgens bekommen haben und damit mehr als genug Zeit gehabt haben, diese zu lesen. Seltsamerweise hatte Lange nicht die von Drechsler angeforderte Lesebestätigung der Mail erhalten.
Das lag daran, dass der Wirt nach der Buchungsanfrage des Amis für das Zimmer (wie er es dem Gemeinderat ja angekündigt hatte) sofort tätig geworden war, und Baumaßnahmen anlaufen ließ. Sein Plan war gewesen, zunächst ein Zimmer komplett umbauen zu lassen, so dass Lange dort über einen ordentlichen Sanitärtrakt verfügen würde. Da er davon ausging, dass der Mann als Handelsvertreter möglicherweise ab und an Kontakt zu seiner Zentrale wegen verschiedenster Dinge aufnehmen müsste, war auch die Installation eines Internetanschlusses vorgesehen. Die mit der Verlegung der Kabelkanäle beauftragten Leute der „Neue Lehmann Bau GmbH" hatten sich mühsam vom Keller des Dorfgasthofes her bis in das erste Obergeschoss hocharbeiten müssen. Für die Bauarbeiter war das absolutes Neuland gewesen und eine Zeichnung, wie die Sache funktionieren sollte, gab es auch nicht. Drechsler hatte ihnen lediglich erklärt, dass er den Anschluss in diesem Zimmer unbedingt benötigen würde. Während die Installation des Sanitärtraktes durch eine andere Baufirma planmäßig abgelaufen war, mussten Lehmanns Leute mächtig improvisieren. Irgendwie bekamen sie das dann auch hin. Das Kabel wurde vom Anschluss im Keller dann etwas unkonventionell mittels eines Strickes durch den Kabelkanal bis in das Gästezimmer durchgezogen. Da es in der Hälfte des Weges wohl irgendwo etwas fest gehangen hatte, mussten die Männer dann erhebliche Kraft aufwenden, um es weiter vorwärts zu bewegen. Dabei hatte sich unbemerkt an einem leichten Knick des Kabelkanales ein hervorragendes Plastikteil in die Litze des Kabels eingegraben und diese aufgerissen.
Als ein Laptop am Tag der Abreise des NSA Mitarbeiters zu Probezwecken im für ihn vorgesehenen Zimmer an die Dose gehangen worden war, war noch alles in Ordnung gewesen, und die Internetverbindung für Wildbacher Verhältnisse gar nicht einmal so übel. Der Bauunternehmer Lehmann selbst hatte dann noch einen letzten Kontrollgang unternommen, und das Kabel im Keller am Anschluss aus optischen Gründen etwas straff gezogen. Diese Aktion hatte allerdings dafür gesorgt, dass das bereits beschädigte Kabel seine eigentliche Funktion nun nicht mehr erfüllen konnte, da es an der Knickstelle jetzt zum Teil gerissen war. Somit hatte Drechsler auch keine funktionierende Internetverbindung mehr, wovon er aber nichts mitbekam, weil er den Tag über persönlich noch einen ordentlichen Budenschwung in Langes Zimmer durchgeführt hatte. Der Ami sollte sehen, dass er in einem seriösen Haus untergekommen war.
Lange hatte in der Buchungsanfrage den kommenden Tag als Anreisedatum angeben, war aber auf Drängen seiner Vorgesetzten doch schon einen Tag früher als geplant aufgebrochen, da die Sache die höchste Dringlichkeitsstufe erhalten hatte. Drechsler wollte den Abend in Wildbach dann noch mit ein bisschen Entspannung ausklingen lassen, da er wegen der anstehenden Begegnung mit seinem ersten internationalen Gast schon ziemlich aufgeregt war. Bislang hatten höchstens ein paar Handwerker im Gasthof übernachtet. Die einzigen Gäste in der Gaststube zu dieser Zeit waren vier Leute aus dem Dorf gewesen, die ein paar Runden Skat gedroschen hatten und gegen 19 Uhr verschwunden waren. Drechsler hatte dann einen Kumpel angerufen und sich bei ihm zum Bier trinken und Fußballgucken eingeladen.
Paul Lange war über die Zustände am Dresdner Flughafen schon erstaunt gewesen. Zuvor hatte er in Washington eingecheckt und in Frankfurt am Main einen Zwischenstopp eingelegt. Als er an seinem Zielort die Abfertigungshalle betreten hatte, waren ihm zwei Dinge aufgefallen. Einerseits das recht ungewöhnliche Gebäude. Die große und hohe Halle war wohl aus einem ehemaligen Hangar entstanden, denn er sah frei liegende Stahlträger, die geschickt mit modernen Materialien kombiniert worden waren. Alles strahlte einen Eindruck von Weite und Luftigkeit aus. Andererseits hätte es dieser Großzügigkeit kaum bedurft, denn Lange sah nur wenige Menschen in dem riesigen Gebäude. Einige Geschäfte waren zu sehen, aber alle waren geschlossen. Offensichtlich hatte der Airport ein kleines Auslastungsproblem. Die Schlange der Taxen vor dem Gebäude war jedoch lang, und Lange stieg in das erste Fahrzeug ein. Als er sein Ziel genannt hatte, hatte der Fahrer wortlos genickt und war losgefahren. Der Mann schien kein Betrüger gewesen zu sein, denn er setzte seinen Fahrgast ungefähr 30 Minuten später in einem fast vollständig im Dunkeln liegenden Dorf ab. Lange stand direkt vor dem Dorfgasthof. Dieser lag im Finsteren. Als er an der Tür geklinkt hatte, hatte er feststellen müssen, dass die Tür verschlossen war.
Sein Plan hatte erste Risse bekommen, denn seine Vorgesetzten bei der NSA hatten ihn verpflichtet, sie unbedingt noch an seinem Ankunftstag über den Gang der Dinge zu informieren. Dafür benötigte Lange aber einen Internetanschluss, der ihm im Zimmer des Gasthofes felsenfest zugesagt worden war. Warum der Gasthof nicht geöffnet war, hatte er sich nicht erklären können. Lange hatte zwar nicht die Nerven verloren, aber auch nicht richtig gewusst, wie es jetzt weitergehen sollte. Um die Information sicher absetzen zu können musste der NSA Mann einen kleinen unscheinbaren Kasten nutzen, der zwischen Internetanschluss und Laptop geschaltet werden sollte. Man musste lediglich