Gedichte: Gesammelte Werke
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Altmark, 2018
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Book preview
Gedichte - Eva Maria Möhring
Die Geschichte vom Auto (1992)
Wächst ein kleines Kind heran,
bekommt es seinen ersten Zahn,
stellt sich langsam auf die Beine,
macht den ersten Schritt alleine,
ob es hier ist oder dort,
„MAMA" ist sein erstes Wort.
Keiner kann es wohl bestreiten,
so war es zu allen Zeiten.
Nun hat die moderne Welt
alles auf den Kopf gestellt.
Neulich war ich ganz entsetzt,
dass mein kleiner Enkel jetzt,
als ich „MAMA, MAMA" fragte,
er als Antwort „AUTO" sagte.
Gedichte_Auto_xsSo kommt bereits beim kleinsten Fratz
die Technik auf den ersten Platz.
Kein Wunder, weil von früh bis spät
sich alles um das Auto dreht.
Es ist das Ziel unseres Strebens
und scheint der Mittelpunkt des Lebens.
Ob denn einst vor vielen Jahren
die Leute nicht auch glücklich waren?
Keiner hatte das Bestreben,
immer noch mehr Gas zu geben.
Und wenn in Kiel Tante Isolde
nach Köln zu ihrer Nichte wollte,
dauerte, ganz ohne Frage,
die Reise mindestens paar Tage.
Die Kutsche hat sie durchgeschüttelt,
auf Holperwegen durchgerüttelt.
Bestimmt war man gewohnt daran,
es gab ja keine Autobahn.
Und jeder trug es seinerzeit
mit einiger Gelassenheit.
Dass es nicht „so" blieb, uns beweist
der menschliche Erfindergeist.
Phänomenal, das war ganz glatt,
die Dampfmaschine von „James Watt".
Und wer kennt nicht die zwei Senioren,
Erfinder unser Kraftmotoren,
sie stehen ohne Konkurrenz,
der „Otto und „Carl-Friedrich Benz
.
Man sagt, dass sie die „Väter" sind
des Autos, unser liebstes Kind.
Vom heutigen noch weit entfernt,
gleich einem Kind, das laufen lernt.
Zuerst stieß man im ganzen Land
noch vielerorts auf Unverstand.
Ein Graus für Nase und für Ohren
die stinkenden Benzinmotoren.
Die meisten hielten gar nicht viel
vom knatternden Automobil
und hätten nie daran gedacht,
dass es einst Karriere macht.
Den Fortschritt konnte man erkennen,
rund „20" fuhr’s beim ersten Rennen
und danach nur 5 Jahr später
war’n es schon 100 Kilometer
pro Stunde, soviel „Sachen"
konnte man mit dem Auto machen.
Nach Jahren war’s schließlich gelungen
durch laufende Verbesserungen
des Motors und Karosserie,
dass es nicht mehr aussah, wie
eine Droschke, in der Tat,
das Auto hatte jetzt Format.
Die obere Gesellschaftsklasse,
die außerdem auch gut bei Kasse,
zählte bald zu den „Autofans"
und fuhr nun ihren „Daimler-Benz".
Ein Boom erfasste wie noch nie
die ganze Autoindustrie.
Bald gab es Firmen hier und dort,
von „DKW bis „Henry Ford
.
Die Länder wollten jetzt mit ihren
speziellen Typen konkurrieren.
Einen gab’s, der dachte dran,
dass sicherlich der „kleine Mann"
auch gerne wär’ Autobesitzer,
ihm reichte schon ein kleiner Flitzer.
Der „Porsche" hatte die Idee
und konstruierte den „VW".
Klein, robust und sparsam auch
in punkto Benzinverbrauch.
Später sollten sich die meisten
schließlich dieses Auto leisten.
Doch der „Diktator" hat das Sagen,
so wurde draus der Kübelwagen,
der, wenn’s auch Porsche nicht so wollte,
dann durch den zweiten Weltkrieg rollte.
Schließlich kam der große Krach,
der Krieg war aus, was kam danach?
Hier war’s schlimm und dort war’s schlimmer,
überall sah man nur Trümmer,
es war nicht leicht mehr, hier zu wohnen,
aufgeteilt das Land in Zonen,
welche alle Siegerstaaten
zur Verwaltung inne hatten.
Aber man war noch am Leben
und das hieß, nicht aufzugeben.
In Wolfsburg hatten sie den Mut
zum Neuanfang und es ging gut.
Trotz aller Anfangsschwierigkeiten,
Trümmer, Not und Hungerleiden
lief, im Falle es noch unbekannt,
der 50.000ste vom Band
schon im Jahre ’49,
fast unglaublich, doch ich scherz nicht.
Der „VW" bald weltbekannt,
„Käfer" liebevoll genannt!
Im gleichen Jahr hat’s uns ereilt,
Deutschland wurde zweigeteilt:
„DDR und „BRD
,
das tat uns wohl allen weh.
Im Westen kam das Wirtschafswunder,
im Osten wurde es nicht bunter.
Vorerst war nicht dran zu denken,
ein eignes Auto mal zu lenken.
Doch wir Leute in der Zone
waren aber auch nicht ohne
eine Autoindustrie.
Diese wurde aber nie
den Bedürfnissen gerecht
und das war für uns Bürger schlecht.
Unser damaliger Staat
wollte zeigen was er hat,
mit den andern konkurrieren,
das hieß alles exportieren
was nicht niet- und nagelfest,
für uns blieb nur der schäb’ge Rest.
Darum blieben 40 Jahre
die Autos bei uns Mangelware.
Der „Wartburg" kam aus Eisenach,
da wurden Autowünsche wach.
Den fanden alle große Klasse,
doch welcher nicht sehr gut bei Kasse,
natürlich sicherlich die meisten,
sie konnten sich den gar nicht leisten.
Für die kam nur in Frage einer
und der war gleich paar Nummern kleiner.
Inzwischen ist er weltbekannt,
der heißgeliebte Papptrabant.
Er glänzte nicht mit Chrom und Nickel,
wir nannten ihn auch „Straßenpickel".
Doch jeder kannte seine Werte
als zuverläss’ger Weggefährte
und konnte wirklich von ihm sagen:
Ein Querfeldein-Geländewagen.
Ein „HOCH" erfasste die Familie,
von Tante Paula bis Ottilie,
kam endlich, endlich der Bescheid,
nach 13jähr’ger Wartezeit,
dass man am vorgeschrieb’nen Tage
anreisen muss zum Kaufvertrage,
um nach Entrichtung seiner „Kohlen"
dann durfte seinen „Trabi" holen.
Schön war’s, bekam man für sein Geld
auch die Farbe, die gefällt,
und hatte man damit kein Glück,
wer übte damals schon Kritik,
wenn es nicht so ging, wie man wollte,
na, Hauptsache der Trabi rollte
und schließlich beim „Genau hin seh’n"
fanden wir ihn auch sehr schön.
Vor Jahren dachte mancher Optimist,
bis ich ein Auto kaufe, ist
die Produktion schon so gestiegen,
dass jeder kann ’nen Wagen kriegen.
Es kam nicht so, wie er’s erträumte
und haderte, dass er’s bestell’n versäumte.
Der Pessimist dagegen hat für einen Wagen
sich unverzüglich in die Warteliste eingetragen.
Er ahnte gleich, nein besser wird das nie,
auch nicht in 20 Jahr’n mit unser Autoindustrie.
So mancher clev’re Bursche hatte sich gedacht,
dass man eventuell damit Geschäfte macht.
Er hat nicht nur für sich eine Bestellung laufen,
auch Opa sollte sich pro forma
einen Wagen kaufen,
und außerdem noch seine Ehefrau,
diese Voraussicht war sehr schlau,
wenn sie nach abgelauf’nen 13 Jahren
endlich an der Reihe waren,
hat der gewitzte Bursche mächtig überteuert
gleich Opas Wagen umgehend verscheuert.
Viele Autointressenten
hofften auf die Inserenten
in der Zeitung, die ihr’n „Alten"
länger wollten nicht behalten.
Dann schnell hin, doch welcher Schreck,
war das Auto längst schon weg.
Es wurde meistens schon bekannt
eh’ es in der Zeitung stand.
Gerade so ist’s uns vor langen
Jahren selbst ergangen.
Und wieder schauen wir, was in den Annoncen steht,
damit uns auch kein Angebot entgeht.
Beim ersten Anlauf haben wir auch Glück
und der Besitzer zeigte uns das gute Stück.
Rein äußerlich ist er ja ganz passabel,
doch dass sein Innenleben miserabel
sehen wir auf den ersten Blick,
drum ziehen wir uns lieber schnell zurück.
Und dann, wer hätte es gedacht,
ein Tipp aus unsrer Nachbarschaft!
Die hatten einen gut Bekannten
und der bekam einen Trabanten
ganz neu geliefert, drum braucht er
den alten sicherlich nicht mehr.
Mit Freuden waren wir bereit,
zu nutzen die Gelegenheit
und fuhren beide hoffnungsfroh
zu diesem Herren „Sowieso".
Dieser war nicht abgeneigt,
als er uns seinen Trabi zeigt,
ihn umgehend zu verkaufen,
zwar ist er 14 Jahr gelaufen,
doch überzeugt uns gleich ein Test,
dass er noch recht gut sattelfest.
Auch mit dem Preis war er ganz fair,
die andern wollten weitaus mehr
für ihren alten „Straßenpickel",
aus diesem Grund entwickel-
te sich das Geschäft zu beiderseit’
vollkommener Zufriedenheit.
Nun waren wir Besitzer
von diesem kleinen Flitzer,
und weil mein Ehegatte
technische Talente hatte,
konnte er sie entfalten
und ihn am Leben halten,
dass erst nach weiter’n 14 Jahren,
die wir mit ihm gefahren,
sein Autodasein endete
und noch manch Ersatzteil spendete.
Zum Schluss war er, genau betrachtet,
bis aufs Gehäuse ausgeschlachtet.
Ja, die Ersatzteilfrage
gab ewig Grund zur Klage
und eh’ ein Auto auf dem Schrottplatz endete,
man vorher alles Brauchbare verwendete.
Manchmal benötigte man nur
’ne Kleinigkeit zur Rep’ratur,
von „Hinz nach „Kunz
musste man laufen,
um’s irgendwo vielleicht zu kaufen.
Selbst die Autowerkstätten
sagten oft, ja, wenn wir hätten
dieses ganz bestimmte Teil,
kriegten wir den Trabi heil.
Sie müssen eh’ sie starten
noch eine Weile warten
bis zur Ersatzteillieferung,
dann bringen wir das Ding in Schwung.
Man bekam manchmal zu viel
vom „Ersatzteiltrauerspiel".
Ab und zu bekam mal ein
Bürger den Erlaubnisschein,
um zu fahr’n vom „Westen" her
per Auto in die „DDR",
und weil wir doch nur alle kannten
„Wartburgs, „Ladas
und „Trabanten",
war natürlich sehenswert
solch ein westliches Gefährt.
Mal eins zu haben, glaubt man kaum,
das bliebe wohl ein schöner Traum.
Später, als die Grenze fiel,
kannte jeder nur ein Ziel,
mit dem Trabi in den Westen,
um das Angebot zu testen.
Dort war bisher im ganzen Land
die „Rennpappe" noch unbekannt.
Nun kamen sie in großen Massen,
eroberten sich alle Straßen.
Zur DDR-Zeit konnt’ man sagen,
es war ein richt’ger „Einheitswagen",
dies Wort bekam von Anbeginn
der Wende einen neuen Sinn.
Man kürte ihn, genauso war es,
den Trabi als „Auto des Jahres".
Aber trotz der großen Ehrung
kratzten viele ihre Währung,
manche wenig, manche viel,
zusammen, mit dem einen Ziel,
endlich mal nach seinem Willen
sich den großen Wunsch erfüllen,
den man über Jahre hegte
und schon fast ad acta legte.
Endlich fühlten wir uns stark,
im Portemonnaie die Deutsche Mark,
d.h. nicht mehr abseitsstehen
und kann voll Bewund’rung seh’n,
wie solche schicken Wagen laufen
und kann sie nicht als „OSSI" kaufen.
So konnten’s viele nicht erwarten,
ein „Westauto" ganz schnell zu starten.
Bald waren keine mehr auf Lager,
Gebrauchte war’n der Kassenschlager.
Den Handel, den erfasst ein HOCH.
Die OSSIS, na die kaufen doch,
worauf sie drüben sitzenblieben,
das wurd’ im Osten nun vertrieben.
Mancher dacht’: „Jetzt oder nie!"
Und in der ersten Euphorie
von Opel, Ford und Golf verblendet
viel mehr von seiner Mark verwendet,
die eigentlich das Auto wert.
Vieles machten