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Die Zeitgene
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Ebook256 pages3 hours

Die Zeitgene

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About this ebook

Die Fortsetzung der Geschichte des Molekularbiologen Prof. Dr. Johann Baptist Schellberg. Kaum aus dem Koma erwacht, stürzt er sich in ein neues Projekt. Er vermutet hinter den zahlreichen Pseudogenen, versteckte Funktionen, die sogenannten Zeitgene. Mit ihnen hofft er eine Art Zukunftsgedächtnis aktivieren zu können. Sein Forscherdrang lässt ihn dabei alle Gefahren und Nebenwirkungen ignorieren. Der Selbstversuch hat fatale Folgen. Er beginnt Visionen zu empfangen und fühlt sich bedroht. Karin Grodberg die ihn mit dem genetisch verkleinerten Winston begleitet, unterstellt er Verrat. Es beginnt eine regelrechte Jagd um den halben Globus.

Hinweis: Um die Handlung zu verstehen ist es notwendig 'Reduktion - Der Mensch muss kleiner werden!' gelesen zu haben.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateNov 21, 2011
ISBN9783844213973
Die Zeitgene

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    Book preview

    Die Zeitgene - Christian Manhart

    Kapitel 1

    Vorwort

    Dies ist der zweite Teil der Geschichte die von den Forschungen des Professor Dr. Johann Baptist Schellberg erzählt. Im ersten Teil wurde er von Dr. Timmen durch Schüsse schwerverletzt. Nur knapp hatte Johann die anschließende Brandkatastrophe überlebt. Beide Beine mussten ihm anschließend amputiert werden. Er lag sechs Monate lang in einem komaähnlichen Schlaf. Kaum erwacht, hat er jedoch hochtrabende Pläne. Er möchte die vielen ungenutzten Gene des Menschen erforschen. Er vermutet hinter den zahlreichen, dieser so genannten Pseudogene, eine umfangreiche und komplexe Funktion, die bei entsprechender Aktivierung, eine Art Zukunftsgedächtnis ermöglichen soll.

    Karin, die einzige Überlebende der Familie Grodberg, welche im ersten Buch die verkleinerte Katze gefunden hatte, besuchte ihn während des Komas regelmäßig. Sie hatte neben Johann, auch Winston, ein genetisch stark verkleinertes Baby gerettet.

    Winston dürfte der kleinste lebende Mensch der Welt sein. Seine prognostizierte Körpergröße die er als Erwachsener erreichen könnte, dürfte kaum die fünfzig Zentimeter übersteigen. Doch Winston leidet immer noch an irreparablen Anomalien, wie viel zu kleine Augen und einer verkümmerten Zunge.

    Klaus Timmen, der Chef von Prometheus, litt immer noch stark unter dem Verlust seiner Mutter Carol. Doch seine Geschäfte entwickelten sich weiterhin prächtig. Niemand war bisher auf die Idee gekommen und ihn für das grausame Unglück, das er verursacht hatte, verantwortlich gemacht.

    Vieles lässt sich heute von uns beeinflussen und präzise steuern. Der Mensch ist in Bereiche vorgedrungen, die sich unvorstellbar klein und kompliziert darstellen. Die kompletten Baupläne der Lebewesen wurden bereits entschlüsselt, katalogisiert, definiert und für alle nutzbar gemacht. Wir wissen bereits mehr als einem großen Teil uns manchmal lieb ist. Zuviel vielleicht?

    Aber manches bleibt uns wohl für immer verschlossen.

    Das ist zum Beispiel die Zeit. Die Zeit ist eine feste Größe. Unabänderbar, ständig fortschreitend, durch nichts und niemanden auf zu halten. Oder doch?

    Jeder von uns kennt das Paradoxon der Zeitreisenden. Der Zeitreisende tötet seinen eigenen Großvater und vernichtet damit den Ursprung seiner eigenen Existenz. Zeitreisen die in die Vergangenheit führen, um dort Änderungen vorzunehmen, werden auch in Zukunft unmöglich sein. Obwohl so viele Menschen davon träumen. Unzählige Bücher sind darüber verfasst worden. Das Gleiche gilt für Reisen in die Zukunft. So weit ist das natürlich jedem bekannt.

    Aber was, wenn es noch andere, sagen wir natürliche Wege geben würde, in die Abläufe der Zeit einzudringen. Wege und Optionen die nicht so ohne weiteres in unsere Vorstellung von der Zeit passen würden. Natürlich nicht, um sie zu verändern. Aber sie zu beobachten, vorher zu sehen. Zu erkennen was passieren wird. Unser Gehirn, unsere Sinnesorgane sind unter gewissen Umständen in der Lage, Eindrücke und Erlebnisse aus der Vergangenheit und der Zukunft plastischer darzustellen, als wir das bisher kennen. Wenn man nur die richtigen Gene dafür zum Leben erwecken würde.

    Johann Schellberg, frisch erwacht aus dem Koma, ist es während seines sechsmonatigen Komatraumes klar geworden. Es muss diese Sinnesorgane für die Zeit geben. Wir haben alle ein Gedächtnis. Auch Tiere und Pflanzen verfügen über ein Gedächtnis. Das heißt Zeitabläufe, Geschehenes wird automatisch gespeichert und können jederzeit wieder abgerufen werden. Aber unser Erinnerungsvermögen zeigte mitunter große Lücken. Während bei manchen dressierten Tieren die Erinnerungen ein Bestandteil ihrer Dressur sind. Sie haben sich Abläufe gemerkt und können sie jederzeit nutzen. Wir Menschen tun uns viel schwerer mit der Einordnung von Erlebnissen. Sie prägen uns nicht immer. Im Gegenteil: Psychologen versuchen mit allerlei Tricks schlechte, belastende Erlebnisse auszublenden. Kriegs- und Unfallopfer, Opfer von Vergewaltigungen und Gewaltverbrechen würden sonst ein Leben lang unter den Erinnerungen leiden. Vielleicht gibt es sogar Gene die uns in der Bewältigung von Erinnerungen helfen könnten?

    Aber etwas Wichtigeres als die Vergangenheit stellt für uns eindeutig die Zukunft dar. Sie macht uns unendlich neugierig. Wie verhält es sich mit der Zeit die vor uns liegt? Warum können wir sie nicht sehen, erahnen oder spüren?

    Johann glaubt zu wissen warum.

    Die Natur hatte diese Funktion ursprünglich vorgesehen, sie aber nicht genutzt, weil sie sich als total unpraktisch erwiesen hatte. Die Lebewesen würden sich bei der Nutzung unablässig vor der Zukunft fürchten. Die Natur würde in eine Art Schockstarre verfallen. Die notwendige Entwicklung und Evolution würde gestoppt werden. Wenn alle wüssten, was vor ihnen liegt, wie ihr Tun und das der anderen enden wird, niemand würde mehr etwas unternehmen. Raubtiere würden erfolglose Jagden von vornherein gar nicht erst unternehmen. Beutetiere ließen sich nur noch bei einwandfreier Gefahrenlage blicken. Die Lebewesen würden ihr gesamtes Dasein unablässig in Frage stellen. Es wäre ein endloses Taktieren von Beute und Raubtieren.

    Deshalb ist der Blick in die Zukunft nur für einzelne ausgewählte Wesen oder Personen aus einer Spezies eine echte sinnvolle Bereicherung. Sie könnten als eine Art Beschützer einer bedrohten Art dienen.

    Welche Zusammenhänge gibt es in unserem Gehirn, wenn jemand Fähigkeiten besitzt in die Zukunft zu blicken? Bei Untersuchungen von Tieren wurden bisher keine besonderen auffälligen Abnormitäten gefunden. Wenn es denn solche Fähigkeiten tatsächlich geben sollte, wie wird die Zukunft im Gehirn wahrgenommen und analysiert? Oder ist alles nur Einbildung, kein realer Sinneseindruck.

    Aber bisher war noch kein Forscher in der Lage das Geheimnis zu entschlüsseln, warum Tiere Gefahren schon im Voraus wittern konnten. Immer wieder wurde angeführt, bei Tieren würden durch Veränderungen der Luft, des Luftdruckes feine Änderungen der Temperatur, Vibrationen der Erde, ihr Fluchtreflex ausgelöst. Doch inzwischen verfügten wir Menschen über noch viel feinere Messverfahren. Müssten wir nicht über weitaus bessere Warnsysteme verfügen wie die Tierwelt? Warum spürten die Menschen die Gefahren durch Erdbeben, Tsunamis oder Feuersbrünsten nicht? Wo sind unsere feinen Antennen für derartige Gefahren geblieben?

    Johann war sich sicher, dass es eine ganze Reihe von Genen gab, die verborgene und ruhende Funktionen in so komplexen und leistungsfähigen Gehirnen wie sie die Säugetiere besitzen, aktivieren können. Auf diese Idee, dass es genetische Grundlagen geben könnte war seines Wissens bisher noch niemand gekommen. In der Vergangenheit hatte man auch noch keinen der erklärten Seher oder Wahrsager untersuchen, geschweige denn sein Genmaterial analysieren können.

    Johann war erwiesenermaßen kein weltfremder Spinner. Natürlich war die Idee alle Menschen zu verkleinern in gewisser Weise verrückt und anmaßend. Aber es war möglich. Das Versuchsbaby Winston erinnerte ihn jeden Tag daran.

    In die Zukunft blicken zu können, war ein wiederum ein äußerst reizvoller Gedanke. Immer wieder erinnerte er sich an die langen, fast endlos wirkenden Träume während seines Komas. Es gab in der Vergangenheit eine Unmenge von so genannten Sehern, Propheten und Wahrsagern. Woher und wie hatten sie ihr Wissen bezogen? Hatten sie vielleicht die richtigen Gene dafür?

    Johann hatte es sich in den Kopf gesetzt diese Fragen zu beantworten und wissenschaftlich nachzuweisen, dass alle Lebewesen grundsätzlich dafür vorbereitet waren, in die Zukunft zu blicken. An diesem Projekt, dürften auch keine moralischen Bedenken aufkommen. Denn das Aktivieren von Genen, ist nicht gleichzusetzen mit Veränderungen und Eingriffen in die bestehende genetische Programmierung. Sie ist lediglich eine Erweiterung.

    Kapitel 2

    Neuanfang

    Im Schwesternzimmer blinkte aufgeregt das Lämpchen von Zimmer 4. In Zimmer 4 lag seit fast einem halben Jahr der Komapatient Professor Schellberg mit den amputierten Beinen. Ungläubig setzte Schwester Manuela ihre Kaffeetasse auf den Tisch. Sollte er...?

    Sie stand auf und nahm vorsichtshalber ihren Piepser mit. Ihre Haare zum Pferdeschwanz gebunden, wippten, als sie im Laufschritt zu Zimmer 4 lief. Routinemäßig klopfte sie an der Tür und öffnete sie einen Spalt. Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen, als sie Johann aufrecht im Bett sitzen sah. Sie drückte automatisch den Knopf auf ihrem Piepser. Der Stationsarzt wurde dadurch alarmiert.

    „Dr. Schellberg? Hallo? Wie geht es ihnen?"

    In Windeseile war sie an sein Bett geeilt und hielt ihn an der Schulter fest. Empört sah er sie an.

    „Wo bin ich? Wie komme ich hierher? Was ist mit meinen Beinen passiert? Was soll das mit den Schläuchen?"

    Manuela drückte ihn sanft zurück in die liegende Position.

    „Lehnen Sie sich bitte wieder zurück. Der Doktor kommt sofort. Bitte bleiben Sie ruhig liegen."

    Sie stellte an einem seitlich angebrachten Hebel die Lehne so hoch, dass sich Johann in einer bequemen halbsitzenden Stellung anlehnen konnte. Hinter ihr kam der Diensthabende Arzt Dr. Orter zur Tür herein.

    „Na, das ist ja mal eine Überraschung. Herr Dr. Schellberg. Sie sind wach, das freut uns sehr, nicht wahr Manuela?"

    Dr. Orter machte sich sogleich an eine Untersuchung von Johann. Doch Johann hatte anderes im Sinn als sich einer neurologischen Untersuchung zu unterziehen. Er wollte schleunigst die lästigen Schläuche loswerden. Gleichzeitig war ihm an einer Aufklärung über die Umstände gelegen, die ihn in diese Lage gebracht haben. In den letzten Minuten dämmerte ihm langsam, dass er wohl eine längere Zwangspause genommen hatte. Er musste unbedingt alles über sich erfahren. Abwechselnd musterte er den Arzt und die Schwester.

    „Dr. Orter, hätten Sie bitte die Güte und befreien mich von diesen Infusionsschläuchen und vor allem diesem Katheder. Das ist sehr ...unangenehm."

    „Natürlich, Schwester Manuela..."

    „Ähh, also ich..."

    „Herr Dr. Schellberg, Schwester Manuela macht so etwas nicht zum ersten Mal. Haben Sie nur Vertrauen."

    Schwester Manuela hatte inzwischen einen Rolltisch herangefahren auf dem alles Notwendige bereit lag. Die Prozedur dauerte nur wenige Minuten. Dr. Orter erklärte sich bereit mit Johann in die Cafeteria zu fahren und mit ihm etwas zu trinken. Dabei konnte er ihm das Unglück, welches zum Verlust seiner Beine führte, näher erörtern. Johann durfte nur Wasser trinken. Geschockt reagierte er auf die Nachricht, sechs Monate im Koma gelegen zu haben.

    „Sechs Monate! Ich habe sechs Monate im Koma gelegen? Mein Gott. Und meine Beine. Wer hat mir meine Beine abgeschnitten? Ich muss alles darüber wissen. Jetzt gleich sofort. Los fangen Sie schon an!"

    „Warten Sie doch ab, ich erzähle ihnen alles was ich über ihren Unfall weiß.

    Also, Sie arbeiteten in ihrem Institut in Tübingen und an jenem Unglückstag gab es einen terroristischen Überfall auf Sie und ihre Mitarbeiter. Es waren international operierende Wirtschaftsterroristen. Sie wurden dabei mehrmals angeschossen. In die Arme und die Beine. Die Narben an ihren Armen sind die Andenken daran. Man konnte Sie in allerletzter Sekunde retten. Das Gebäude wurde mit dem Brandbeschleuniger von schätzungsweise 5000 Liter flüssigem Brennstoff regelrecht eingeäschert. Die Feuerwehr war völlig machtlos. Soweit bekannt wurde, gab es außer ihnen keine Überlebenden. Das Inventar und Laboreinrichtung waren nur noch Asche. Bedauerlicherweise natürlich auch die gesamte Forschung. ...Tut mir leid für Sie.

    Sie hatten bei dem Anschlag sehr viel Blut verloren. Man verlegte Sie umgehend hierher ans Klinikum Würzburg. Bedingt durch den Blutverlust und die schweren Gewebeverletzungen blieb den Ärzten nichts anderes übrig, als die zerfetzten Gliedmaßen zu amputieren."

    „Alles vernichtet? Meine gesamte Arbeit? Ein Terrorakt? Ich versteh das nicht."

    „An was können Sie sich den erinnern? Wo waren Sie, als man auf Sie geschossen hatte?"

    „Ich habe momentan keine Ahnung. Die Erinnerung daran fehlt mir vollständig. Vielleicht fällt mir ja in ein paar Tagen etwas ein."

    „Unter Umständen kann ihnen ihre Freundin weiterhelfen. Sie wird bald kommen. Sie besucht Sie fast täglich. Ihr kleiner Sohn wird Sie bestimmt auf andere Gedanken bringen, glauben Sie mir."

    „Mein Sohn?"

    Johann blieb der Mund offen stehen. Sein Sohn? Wie sollte er zu einem Sohn kommen? Eine Freundin hatte er auch noch. Was war alles geschehen? Johann hatte keine Erinnerung. Nichts. Ja, das Institut und die Forschung, das wusste er alles noch. Aber die Geschehnisse vor dem Unfall waren wie weggeblasen.

    „Dr. Schellberg? Alles in Ordnung?"

    „Ja, ja, ich habe nur nachgedacht. Es ist alles so weit weg. Ich werde eine Zeit lang nachdenken müssen. Ich danke ihnen. Bringen sie mich jetzt bitte in mein Zimmer zurück. Wann kann ich entlassen werden? Spricht etwas dagegen, wenn ich sie mich bevorzugt behandeln, damit ich so rasch als möglich wieder arbeiten kann?"

    „Nein, prinzipiell keineswegs. Ihre Verletzungen sind weitgehend ausgeheilt. Aber ohne gründliche Neurologische Untersuchungen und eine mehrwöchige Rehabilitation kann ich sie nicht gehen lassen. Ich würde ihnen aber dringend dazu raten, anschließend noch ein paar Tage länger zu bleiben. Sie sollten auch nicht unterschätzen, dass sich ihre Muskulatur durch das monatelange Liegen stark zurückgebildet hat. Das wird Sie am Anfang sehr viel Kraft kosten. Ein paar Aufbauübungen mit unseren Physiotherapeuten können da Wunder bewirken. Aber überlegen Sie es sich. Es hat keine Eile. "

    Johann blickte nach unten auf seine Beinstümpfe. Sie ragten unbedeckt unter seinem Krankenhausnachthemd hervor.

    „Wenn Sie möchten, dass wir Sie noch auf ihr Leben mit dieser Behinderung vorbereiten, sind wir gerne bereit dazu. Es wird leichter für Sie werden als Sie denken. Später, wenn sich ihre Muskulatur komplett erholt und regeneriert hat, sind auch Vollprothesen möglich. Sie könnten damit fast so laufen wie ein Gesunder. Dementsprechendes Training vorausgesetzt."

    „Das wäre vielleicht gar nicht so schlecht. Aber Sie müssen wissen, ich habe viel zu tun. Ein neues sehr wichtiges Forschungsprojekt wartet bereits auf mich. Ich habe sechs wichtige Monate meines Lebens verloren."

    Nun war Dr. Orter einigermaßen irritiert. Der Mann war vor einer halben Stunde aus einem halbjährigen Koma aufgewacht, wusste praktisch nichts mehr über den Vorfall, der in diese Lage gebracht hatte und sprach von einer wichtigen Forschungsarbeit die er schnell anpacken wollte! Es war doch angebracht einige ausführliche Tests mit ihm durchzuführen. Er hatte vermutlich doch einige Schädigungen seines Geisteszustandes hinnehmen müssen. Dr. Orter beschloss seine Einschätzung mit dem Oberarzt zu besprechen. Johann verabschiedete sich und versuchte mit seinen dünnen Armen ohne Erfolg den Rollstuhl vorwärts zu bewegen. Dr. Orter sah ihm besorgt dabei zu. Nachdenklich schob er ihn in seine Zimmer. Professor Schellberg war in bestimmten Kreisen sehr bekannt und geachtet. Nicht auszudenken, wenn so eine Kapazität der Wissenschaft dauerhaft verloren ginge.

    Johann vermisste seine Beine. Plötzlich nicht mehr gehen zu können, war eine grausame Erfahrung. So hilflos an das Bett gefesselt zu sein. Dazu war sein eigenes Institut abgebrannt und dem Erdboden gleichgemacht. Alles war vernichtet. Mit 5000 Litern an Brennstoff. Wer war so verrückt und hatte das getan? Seine ganze jahrelange und höchst erfolgreiche Arbeit umsonst. Er war, soweit konnte er sich noch erinnern, auf gutem Weg gewesen. Seufzend und unter größter Anstrengung mühte er sich unter Beihilfe von Dr. Orter vom Rollstuhl wieder in sein Bett. Erschöpft brachte er sich in eine liegende Position. Der Arzt hatte Recht: Seine Kraft in den Armen war bedeutungslos. Sie reichte kaum aus um sich wieder in das Bett zu ziehen. Johann seufzte und schloss die Augen. Kurz darauf schlief er ein.

    Johann hörte Stimmen und wachte auf. Eine der Stimmen davon, war ihm völlig unbekannt. Sie hatte keinen menschlichen Klang. Ein hohes Quieken ähnlich einem Katzengeschrei. Eine Katze hier im Krankenhaus? Hatte jemand eine Katze mitgebracht? Er blinzelte, um unbemerkt etwas sehen zu können.

    Eine junge Frau stand neben seinem Bett. Sie hatte eine Art menschliche Puppe auf dem Arm. Die Puppe bewegte sich heftig. Die Frau hatte große Mühe, die mit den Armen und Beinen heftig zappelnde Puppe festzuhalten. Er vernahm ihre Stimme die beruhigend auf die Puppe einredete. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor.

    Johann öffnete die Augen.

    „Johann! Du bist tatsächlich wach! Wie geht es dir? Erkennst du mich?"

    Karin setzte sich auf den Bettrand. Sie lächelte in freundlich an. Die Puppe auf ihrem Arm lächelte ebenfalls.

    „Schau mal, wen ich hier dabei habe, Johann. Kommt er dir bekannt vor? Das ist Winston. Schau, er kann es kaum erwarten zu dir zu kommen. Er hat immer mit dir gespielt während du im Koma warst."

    Karin setzte Winston auf seinen Schoß und der Kleine krabbelte augenblicklich los, in Richtung seines Gesichtes. Er gluckste und quietschte dabei vor Vergnügen. Johann hob die Hände, damit Winston nicht herunterfallen konnte. Winston streckte ein Händchen aus und patschte damit in Johanns Gesicht. In Johann öffneten sich die Erinnerungen. Immer klarer wurden Namen, Bilder und Zusammenhänge in seinem Gedächtnis. Winston war ihr Star gewesen. Er war mit Karin und Bernhard im Institut gewesen. Er hatte ihnen die Forschung gezeigt. Karin hatte Winston herausgenommen. Am Abend hatten sie du dritt noch endlos lange diskutiert. Aber dann war der Film vorerst zu Ende. Johann betrachtete ausgiebig den Winzling der mit seinen kleinen Händchen versuchte, die große Nase von Johann zu greifen. Johann genoss das Gefühl von diesem wunderbaren künstlich geschaffenen Wesen berührt zu werden. Er riskierte einen vorsichtigen Blick zu Karin.

    „Na, was sagst du? Er mag dich. Wir haben dich sehr oft besucht, weißt du."

    Sie nahm die dürre Hand von Johann. Mit der anderen streichelte sie über seine Wangen. Deutlich spürte Sie die Knochen darunter.

    „Gott sei Dank, bist du wieder aufgewacht. Weißt du eigentlich wer ich bin?"

    Johann hatte plötzlich Tränen in den Augen. Sehr genau war da die Erinnerung an Karin, wie Sie im Babysaal gestanden hatte und hemmungslos geweint hatte. Damit hatte alles angefangen. Winston hatte es inzwischen geschafft und sich seiner Nase bemächtigt. Er drückte und zerrte daran herum. Mit seiner Piepsstimme begleitete er lautstark seine Erkundung.

    „Karin. Ich kann es noch nicht begreifen. Wie ist das alles passiert? Woher hast du denn unseren Winston? Du musst mir alles erzählen. Mir fehlt eine ganze Menge. Eigentlich fast alles."

    „Natürlich, ich werde es dir alles haarklein erzählen, Johann. Der Arzt sagt, wenn du darauf bestehst, darfst du schon bald nach Hause gehen. Entschuldige..."

    „Ist schon in Ordnung, ich werde mich wohl oder übel daran gewöhnen müssen nicht mehr gehen zu können. Wo wohnst du denn und was hast du seither gemacht?"

    „Ich wohne mit Winston hier in Würzburg. Wir haben ein nettes Haus gemietet. Alles andere ist eine lange Geschichte, Johann. Am Besten, ich erzähle es dir wenn du zu Hause bist. Dein Freund Bernhard Hollmann wird sich auch sehr freuen, dass du wieder wach bist. Er hat mir sehr geholfen. Du kannst übrigens gerne bei mir wohnen, solltest du nicht zurück zu deiner Mutter wollen."

    „Ach ja, meine Mutter. Kennst du Sie?"

    „Ja, Sie war erschüttert als man ihr das Unglück mitteilte."

    „Karin ich muss zurück in die Universität. Ich muss unbedingt weiterarbeiten. Ich habe unendlich viel zu tun."

    „Du wirst doch nicht dieses Irrsinnsprojekt weiterführen wollen? Sag, dass das nicht wahr ist! Außerdem gibt es jemand der gar nicht erfreut sein wird über deine Genesung…"

    „Klaus Timmen!"

    „Du hast es erfasst. Er wird dich augenblicklich umbringen lassen, sollte er erfahren, dass du diese Forschung fortführen willst. Johann überleg dir das!"

    Karin hatte den letzten Satz sehr leise, fast unhörbar ausgesprochen.

    „Ach, das glaube ich nicht. Er hätte doch genug Gelegenheit gehabt, während ich im Koma lag. Aber nein. Nein, keine Angst, ich werde das Projekt natürlich nicht weiterverfolgen. Das ist vorbei. Diese Forschung muss unter offiziellem

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