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Die verderbte Stadt: aus der Unterwelt Berlins
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Ebook474 pages6 hours

Die verderbte Stadt: aus der Unterwelt Berlins

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About this ebook

Nekropoden aus der Welt jenseits unseres Makrokosmos wollen alles zerstören. Um das Materielle zu schützen, wurden von den Alten Wesen die Leichenlichter als Barriere errichtet. Aber der Samen der Nekropoden kann diese durchdringen und dann Millionen und Milliarden von Jahren warten, bis die Bedingungen gut genug sind, in unsere Welt einzudringen und alles zu zerstören.

Richard Perlmann, ein Wissenschaftler, der sich mit Nekromantie befasst, erkennt einen solchen Versuch in der Kanalisation Berlins. Mit zwei Kollegen dringt er in die Unterwelt ein. Eine Mission, die gefährlich ist. Einer wird von Ghulen zerrissen, ein anderer von einem unterirdischen See verschluckt. Nur Richard kann sich der finalen Konfrontation stellen. Aber auch er büßt dabei sein Leben ein.

Sein Sohn Alexander liest in einer Mail, was sein Vater vorhat. Mithilfe des Geistes von John Dee, einem bekannten Gelehrten des Mittelalters, findet er einen anderen Weg ins verderbte Herz Berlins. Er sieht seinen Vater sterben, verschließt den Durchgang für die Nekropoden und verliert seinen Verstand.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateAug 14, 2015
ISBN9783737560337
Die verderbte Stadt: aus der Unterwelt Berlins

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    Die verderbte Stadt - Jörg Püschmann

    Die verderbte Stadt

    Die Welt - ein Tor Zu tausend Wüsten stumm und kalt!

    Wer das verlor, Was du verlorst, macht nirgends Halt.

    Friedrich Nietzsche; Vereinsamt (1887)

    Prolog-

    Ein kurzer Traum

    Über deinen Tod gäbe es so viel zu schreiben-und kei'm Lied könnte es gelingen

    mich zu erlösen von dem Leiden-welches die Gedanken bringen.

    Ich seh die alten Bilder prangen-die lange schon die Wand verzier'n

    und mit dem weisen Kranich sangen-die Toten die dereinst mit ihm zieh'n.

    So ziehe ich mit ihm von dannen,-doch hört man mich des nächtens schrein.

    Ich schließ die Flügel, seh' mich fallen.-Kein Lied könnt je ein Abschied sein.

    Nargaroth; Rasluka (2001)

    Ich stand an einem See; zumindest glaubte ich im Traum oder in meiner Vision, dass es ein See sei. Genau kann ich es nicht sagen. Ich sah mich selbst, durchscheinend wie einen Geist am Gestade stehen. Was hinter mir war, konnte ich nicht erblicken, aber aus dieser Richtung wehte ein Wind herüber, der von jenseits meines Vorstellungsvermögens kommen musste. Von jenseits der bekannten Grenzen von Raum und Zeit. Er war kalt, so kalt, dass sich meine Lebensgeister zurückziehen wollten. Wie nackt im eiskalter Winterlandschaft fühlte ich mich. Der Wind brachte den Geruch von Verderben, von Fäulnis mit sich, die ganze Kakophonie des Grauens. Jeder einzelne Alptraum, den ich jemals hatte, er zog mit dem Wind an mir vorbei, hin zu diesem Gewässer. Mir schauderte und nackte Angst kroch an meiner Wirbelsäule empor und füllte mich komplett aus, meinen Körper, meinen Verstand, meine Seele. Die einzige Gnade bestand offenbar darin, dass ich keinen Blick auf das Wasser erhaschen konnte, denn über dem Gewässer breitete sich Nebel aus, so dass alles in einer Entfernung von über 20 Meter meinem Blick entzogen war.

    Es war ruhig, eigenartig ruhig; nein; es war eher unheimlich still. Wenn jemals der Begriff Totenstille galt, so am Ufer dieses abartigen Wassers. Nichts regte sich und kein Laut drang an meine Ohren, die doch so sehr nach einem Geräusch gierten. Meine Sinne waren bis zum Zerreißen gespannt, alles war so fremdartig, dass nichts aus meiner Erkenntniswelt eine Hilfe bot. Kein Anhaltspunkt, an welchem mein gemartertes Gehirn sich hätte orientieren können; nichts Vertrautes, an dem meine Seele hätte Zuflucht finden können.

    Es war gespenstisch, zumal ich mich nicht erinnern konnte, wie ich an diesen unheimlichen Ort geraten war. Es war so surreal, so jenseits aller mir bekannten Erfahrungen. Und doch fühlte ich ganz tief in mir, dass dieser Schlund, diese Ausgeburt der Hölle fester Bestandteil einer Realität war, welche ich zu vergessen trachtete, welche ich weit von mir hinweg schob. Furcht packte mich ganz tief in meinem Inneren; ich fühlte mich unsagbar leer, leer und verloren. Das Wort Hoffnung schien so weit weg zu sein, dass es nicht einmal mehr eine Hülle war. Nein, an diesem Ort war keine Hoffnung, kein Vergeben, keine Zukunft, nicht einmal eine richtige Gegenwart. Dieser Ort war fleischgewordenes Miasma.

    Dann begann sich die Wasseroberfläche leicht zu kräuseln, allerdings auf eine Art und Weise, die in unserem Universum einfach unmöglich war. Es widersprach jeder Vernunft und war deshalb absolut widerwärtig anzuschauen. Eine Erschütterung unterhalb der Wasseroberfläche war zu spüren mit allen verfügbaren Sinnen. Die Quelle schien tief unterhalb des widerwärtigen Gewässers zu sein. Die Erschütterung durchbrach die Wasseroberfläche und die Oberfläche kräuselte sich in jede nur erdenkliche Richtung. Eine riesige Blase quoll förmlich aus der Masse heraus, Wellen überlagerten sich nicht nur in konzentrischen Kreisen, nein, auch gerade Linien bildeten sich. Diese durchschnitten die Kreise und dabei bildeten sich neue Verwerfungen, Formen jenseits des menschlichen Vorstellungsvermögens.

    Ich hatte das Gefühl, dass sich auch die Realität kräuseln und verformen würde wie ein Spiegelbild im siedenden Wasser. Ja, wie sich das eigene Spiegelbild in einem deformierten Spiegel verzerrt und seltsame Formen bildet, so verformte sich die Realität ganz offensichtlich. Ihre Oberfläche brach auf und darunter verbarg sich die absolute Wahrheit; von welcher ich aber nur Schwärze, Kälte und eine böse Widerwärtigkeit wahrnehmen konnte. Die Wellen überlagerten sich weiterhin und hinter den bizarren Formen schien sich eine seltsame, abartige und vieldimensionale Gestalt zu formen. Unfassbar für das menschliche Auge, aber gerade noch fassbar für den menschlichen Geist. Aus dieser verderbten Stadt, die sich ganz sicher am Grunde des Gewässers (wobei ich tief in meinem Inneren nicht davon überzeugt war, dass dieses Gewässer überhaupt einen Grund hatte) befinden musste, schien Energie an die Oberfläche zu schießen. Durch diesen Schuss an Energie formten sich aus dem weichen Material Klauen unvorstellbarer Klarheit und Härte und unendlicher Dunkelheit. Sie tasteten blind und gierig nach meinem Körper, fanden meinen Hals und umschlossen ihn mit einem eisernen Würgegriff, aus dem es kein Entrinnen gab.

    Während die Luft aus meinen Lungen entwich, formten meine blutleeren Lippe mit einer letzten Kraftanstrengung Worte, deren Bedeutung sich meinen schwindenden Sinnen entzog:

    „Verderbt-verderbte Stadt-bis tief ins gottverlassene Mark hinein. Weiche aus meinem Universum-fahre zurück in die Hölle, aus welcher Du entstiegen bist. Das Tote zurück zu den Toten-hinweg von den Lebenden."

    Der Inhalt einer Mail verändert das Leben

    And He calls my name-First a whispering then louder

    And he wants me to follow-And to fall down. The Eternal Fire......

    Bathory; Enter The Eternal Fire (1987)

    Man kann sich manchmal gar nicht vorstellen, wie schnell das Leben aus den Fugen geraten kann. Gerade ist man noch mitten im Leben und alles geht seinen routinierten Gang. Und dann, innerhalb eines einzigen Momentes, wird das Leben einfach auf den Kopf gestellt und nichts ist mehr wie es mal war. Und ganz schlimm ist es, dass es von da einfach kein Zurück mehr gibt.

    Prolog in der Mitte der Geschichte

    In the streets of Berlin-I'll find you there

    Meet you there-In the streets of Berlin

    I'll take you far away from here

    Wild Dogs; Streets of Berlin (1987)

    Es war ein wunderschöner Herbsttag am Ende des Monats Oktober. Die Sonne erhellte die Straßenschluchten des Prenzlauer Bergs, schien den Menschen regelrecht ein Lächeln ins Gesicht zu treiben. Es blitzte und funkelte, wenn sich die Sonne in den Scheiben der Geschäfte und Restaurants sowie in den Autofenstern spiegelte. Sogar die Tristesse der steinernen Großstadt schien etwas Schönes an sich zu haben. Der Alltag, sonst eher grau und trübe, er glänzte. Das ganze Leben schien mit einer schimmernden Patina überzogen zu sein.

    Alexander Perlmann stand am Straßenrand und wartete geduldig darauf, dass die Ampel auf grün schalten würde. Er war erschöpft und verschwitzt von seiner langen Forschungsreise. Aber sonst war er ganz mit sich im Reinen. Erstaunlich, wie schnell sich die Dinge manchmal ändern können, wie blitzschnell die Realität aus den Fugen geraten konnte. In diesem Moment schien für ihn alles noch in bester Ordnung zu sein. Keine Stunde später würde für ihn die Welt zerbrochen sein und er versinken in einem Malstrom aus Tod, Verderben, Verzweiflung und Verdammnis. An diesem Spätherbsttag nahm das Grauen für Alexander seinen Lauf. Als er später einmal wehmütig an diese letzten Momente des Glücks und der Geborgenheit zurückdachte, da fragte er sich: Warum? Warum ich? Warum wir? Womit habe ich diese Apokalypse denn verdient? An wen auch immer diese Frage gerichtet sein mochte, er bekam bis zur letzten Seite dieses Buches keine Antwort. Es blieb nur der Ruf Gottes, der schon aus dem brennenden Dornbusch an Mose lautete: Wo warst Du, als ich die Welt erschuf?

    Alexander Perlmann; ein Name, der nicht nach großer weiter Welt klang. Aber er war in Kreisen der Wissenschaft nicht unbekannt. Er hatte schon mehrfach die entlegensten Orte der Welt bereist und Völker erforscht, von denen selbst Wissenschaftler vorher noch nicht wussten, dass sie überhaupt existierten.

    Er war ein Mittdreißiger und fiel mit einer Größe von etwa 1,80 Meter nicht unbedingt in der Masse auf. Mit seinen geistigen Fähigkeiten überragte er allerdings die meisten seiner Zeitgenossen.

    Man konnte ihn auf jeden Fall durchtrainiert nennen. Dies lag nicht unbedingt an einer sehr gesunden Lebensweise. Er war einfach so viel unterwegs in entlegenen Gegenden, so dass er keine Gelegenheit zu einem exzessiven Genuss von Lebensmitteln hatte.

    Durch die Strapazen der Forschungsreisen war sein Körper gestählt, ohne dass er an einen Bodybuilder erinnerte. Am ehesten hätte man ihn von der Statur mit einem Zehnkämpfer vergleichen können. Irgendwie war sein wissenschaftliches Leben auch zu vergleichen mit den Leistungen dieser Könige der Leichtathletik. Es gab keine einzelne Disziplin, in welcher er zur absoluten Weltspitze zu zählen wäre. Aber er war in vielen Disziplinen wesentlich besser als die meisten seiner Kollegen und kannte sich in verschiedensten Forschungsbereichen sehr gut aus.

    Alexander hatte sich niemals spezialisiert auf ein Forschungsgebiet, dies wäre seinem Naturell einfach zuwider gewesen. Er war seit Kindesbeinen an vielseitig interessiert. Unheimlich schnell gelang es ihm, Zusammenhänge herzustellen und er beherrschte perfekt die Kunst des Um-die Ecke-Denkens.

    Er bewunderte die Lebensleistung seines Vaters Richard Perlmann und er hatte von ihm die Geradlinigkeit und die Halsstarrigkeit geerbt. So ließ er sich genau so wenig verbiegen wie dieser, allerdings war er bei seinem Vorgehen immer etwas höflicher bzw. diplomatischer. Doch konnte er mit Klauen und Zähnen für etwas kämpfen, wenn er es einmal als richtig und wichtig erkannt hatte.

    Allerdings hatte Alexander nie ganz begriffen, weshalb sich sein Vater so auf das Thema Nekromantie innerhalb seiner Forschungen spezialisiert hatte. Richard war schon in sehr jungen Jahren ein geachteter Wissenschaftler gewesen. Allerdings hatte er sich durch seine Art der Kommunikation viele Gegner gemacht. Dies hatte im Laufe der Jahre dazu geführt, dass Richard nur noch wenige Freunde und Mitstreiter im Kollegenkreis fand und er immer weiter isoliert war. Kompromissbereitschaft war ein Fremdwort für ihn und er versuchte, seine Ziele um jeden Preis durchzusetzen. Dies führte in der Auseinandersetzung mit anderen Wissenschaftlern, aber auch mit der Politik und Sponsoren dazu, dass er kaum noch Fördergelder für seine Forschungen erhielt. Hinzu kam, dass er es in keinem Fachgebiet besonders lange aushielt und sich in immer abstrusere Forschungsthemen hinein bewegte.

    Allerdings hatte Alexander durchaus den Eindruck, dass sein Vater in seinem momentanen Forschungsschwerpunkt durchaus glücklich war und ihm die Meinung der wissenschaftlichen Öffentlichkeit völlig egal war.

    Dies war bei ihm, Alexander, nicht ganz so. Seine Forschungen waren so kostenintensiv, dass er sie ohne Sponsoren und ohne Ausschöpfung von Drittmitteln niemals durchführen konnte. Deshalb war er seit jeher zu einem Spagat gezwungen zwischen dem, was er eigentlich wollte und dem, was technisch und finanziell wirklich möglich war. Dies bereitete ihm oft Bauchschmerzen und er machte sich manchmal Gedanken darüber, ob das irgendwie geändert werden könnte. Deshalb genoss er es, dass er auf den Forschungsreisen, die er immer so lang wie möglich auszudehnen versuchte, weit weg war vom wissenschaftlichen Lehrbetrieb. So musste er keine Rücksicht mehr nehmen auf Menschen, die nur wenig Ahnung hatten aber dafür viel Geld.

    Zwischen Gegenwart und Vergangenheit

    Eine knarrende schwere Eichentüre ist die Pforte in eine längst vergessene Welt

    Der Glanz vergangener Tage matt, wie die stummen Spiegel an der Wand

    Goethes Erben; Die Tür in die Vergangenheit (1992)

    Alexander war seinem Vater dankbar dafür, dass er ihn zu einem aufrechten Wissenschaftler erzogen hatte, der mit dem, was er tat, gut leben konnte. Allerdings machte es ihm sein Nachname und damit der Ruf seines Vaters in den Anfangsjahren seiner wissenschaftlichen Laufbahn schwer. Dessen Forschungsgebiet hatte erst Richard zu einem Außenseiter gemacht und dies wurde auf Alexander automatisch übertragen. Lange Zeit wurde er nicht geachtet und respektiert. Nur wenige wollten ihn ernst nehmen.

    In diesem Zusammenhang erinnerte sich Alexander an einen Zwischenfall in seinem ersten Studienjahr in Berlin. Er saß mit 12 weiteren Kommilitonen in einem intensiven Seminar über verschiedene destruktive Kulte. Diese findet man recht häufig bei uralten Stämmen in entlegenen Gegenden unserer Erde. Dort, wo nur wenig Kontakt zur Außenwelt besteht, wo die Errungenschaften (Errungenschaften?) der modernen Zivilisation noch nicht Einzug gehalten haben, da gedeihen oft sehr seltsam anmutende Religionen. Wenn sich Alexander recht erinnerte, war dies sogar seine erste Begegnung mit Macumba. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nicht einmal gewusst, dass diese Religion überhaupt existierte.

    Sein Vater und er hatten ein äußerst enges Verhältnis, man konnte es auch symbiotisch nennen. Dies war dem Umstand geschuldet, dass seine Mutter, an die er sich nur wenig erinnern konnte, sehr jung bei einem tragischen Unfall ums Leben kam.

    Seine Mutter.... Tief in seine Gedanken versunken blieb Alexander stehen, mitten auf der Schönhauser Allee. Er war gerade dabei, die Straßenseite zu wechseln und befand sich nun in der Mitte der Straße, genau unter dem Viadukt der Hochbahn. Dort konnte man mit kleinen Unterbrechungen von der Eberswalder Straße bis hinauf zur Bornholmer Straße laufen. Dies hatte er schon immer gern gemacht. Es war für ihn eine Art Meditation, das Viadukt der U2 zu betrachten; er glaubte, jede einzelne Niete der riesigen Stahlträger zu kennen.

    Über ihn donnerte ein Zug der U2 in Richtung Pankow hinweg. Aber in seinem Denken war er viele Jahre zurückgereist und erlebte seine Mutter leibhaftig vor sich.

    Er blieb einfach wie angewurzelt stehen. Alexander bemerkte nicht einmal den genervten Gesichtsausdruck anderer Passanten. Diese nahmen ihn nur als Hindernis wahr, welches sie umkurven mussten. Das kostete nur zusätzliche Zeit und Energie. Zwei Dinge, welche die Einwohner der Hauptstadt nicht zu haben schienen. Aber niemand von ihnen ließ sich durch dieses menschliche Hindernis aufhalten. Wie ein endloser Strom schlängelte sich die Masse Menschheit um ihn herum, ihn einschließend und doch gleichzeitig absondernd. Nur hin und wieder ließ eines dieser kleinen Moleküle im großen Ozean Mensch ein abschätziges Wort fallen, meist begann dieses mit A und hörte mit Loch auf. Berliner können wirklich sehr sehr herzlich sein.

    Aber Alexander kümmerte dies nicht und er bekam es auch gar nicht mit. Er war ganz und gar gefangen in einer anderen Zeit. Eine Zeit, welche offenbar schon so lange abgelaufen war und doch für ihn gerade präsenter war als die Gegenwart.

    Alexander hatte seine Mutter verloren, als er 8 Jahre alt war. Natürlich war es ein traumatisches Erlebnis für ihn.

    Es war ein sehr seltsamer Erziehungsstil, wie er im Nachhinein empfand. Aber es war der beste Stil, wie seine Eltern ihre eigenen Forschungen verwirklichen konnten und gleichzeitig seine Erziehung und ihn als Menschen nicht an den Rand drängen mussten.

    Seine Mutter, Inge Schlater, war eine sehr intelligente und wissbegierige junge Frau von 20 Jahren gewesen, als sie seinen Vater Richard Perlmann, unwesentlich älter, kennen lernte. Sie beschäftigte sich mit Literatur, besonders das Werk von H.P. Lovecraft hatte es ihr angetan. Die Abgründe der menschlichen Seele, welche sich in vielen der Werke von ihm darstellten, faszinierten sie sehr. Sie mochte auch seinen Schreibstil mit den langen Schachtelsätzen.

    In Berlin fand damals ein Seminar statt zum Thema Totenerweckung in der Literatur; am Beispiel der Werke von Lovecraft. Und da Richard zum damaligen Zeitpunkt begonnen hatte, sich mit dem Thema Nekromantie auseinanderzusetzen, war er ebenfalls bei dieser Veranstaltung zugegen.

    Die Veranstaltung soll sehr anregend gewesen sein, so hatte es ihm Richard einmal erzählt, als Alexander selbst schon erwachsen war und studierte. Es gab eine große Kontroverse darüber, auf welche realen Ereignisse sich Lovecraft in seinen Geschichten bezog. Richard selbst vertrat vehement die These, dass dieser Mann weniger Schriftsteller als Forscher gewesen wäre und wohl eigene Experimente oder Augenzeugenberichte verlässlicher Menschen dokumentiert und etwas aufbereitet hatte. Inge hatte dieses ganze Thema bisher nur aus literarischer Sicht betrachtet. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass man diese Fragestellung aus einem solchen Blickwinkel betrachten konnte. Außerdem war sie fasziniert, mit welcher Konsequenz der junge Mann seine Meinung vertrat. Keiner der anderen Teilnehmer vertrat ähnliche Ansichten und er wurde eher gemieden als akzeptiert. Aber dies schien Richard nichts auszumachen. Das imponierte Inge heftig. Es war ja auch nicht so, dass er keine Argumente für seine Thesen vorgebracht hätte. Aber niemand wollte auf ihn hören.

    Nach dem Termin kamen die beiden ins Gespräch. Beide fingen an, ihre Beharrlichkeit im jeweiligen Fachgebiet zu bewundern. Aus der gegenseitigen Bewunderung wurde im Lauf der Zeit Liebe.

    Und aus dieser Liebe heraus entstand Alexander. Beide Eltern hatten eine Vereinbarung getroffen. Natürlich musste Inge nach der Entbindung eine ganze Weile zu Hause bleiben. Aber schnell fing sie wieder an, sich in ihre Forschungen zu stürzen. Anfangs machte sie so viel wie möglich von zu Hause aus. Richard war derjenige, der sich auf Reisen begab. Oft arbeiteten beide sogar Hand in Hand, denn er forschte, um Geld zu bekommen, viel im Bereich Lovecraft und seiner Inspirationen. Dieses Gebiet interessierte natürlich auch Inge stark und manchmal konnte sie ihm sogar Kontakte vermitteln, an die Richard bei seiner Reputation nie herangekommen wäre.

    Später, als er sich immer mehr spezialisierte auf das Thema Nekromantie, trennten sich ihre Wege im Bereich der Forschung. Es war aber jeweils nur einer der beiden unterwegs auf Forschungsreisen. Das gemeinsame Kind sollte nicht unter ihren Forschungen und ihrer wissenschaftlichen Arbeit leiden. Sie wollten die Betreuung und Erziehung nicht in die Hände von fremden Menschen legen. Und keiner von beiden sollte auf seine wissenschaftliche Arbeit verzichten. Dafür waren beide viel zu sehr Workaholics und ein Großteil ihres Lebens wurde einfach bestimmt von ihrer Leidenschaft für die Arbeit.

    So erfuhr Alexander immer die Liebe seiner Eltern und genoss ihre Zuneigung, auch wenn meist nur ein Elternteil bei ihm zu Hause war. Dies empfand er allerdings nie als Mangel. Beide pflanzten in ihm den Samen der Neugierde und der Wissbegierde. Aber beide hatten natürlich verschiedene Herangehensweisen. Je nachdem, wer gerade zu Hause war, setzte sich eher die gründlich-analytisch-vorbereitende Art der Mutter durch oder das vorwärts stürmende, jedes Hindernis durchbrechende Vorpreschen von Richard.

    Als Alexander 8 Jahre alt war, es war im Sommer, da war gerade seine Mutter wieder einmal unterwegs, um ihre Forschungen nicht nur zu Hause, sondern an realen Objekten zu betreiben. Sie war in die USA geflogen, in die Nähe des ehemaligen Wohnortes von Lovecraft. Irgendwo im Dschungel der Großstadt sollte es einen tiefen Brunnen geben, welcher stark an den in Pickmanns Modell erinnerte. Diesen wollte sie untersuchen.

    Ihre Gruppe war mit allem Notwendigen ausgestattet. Am dritten Tag der Forschungsarbeiten war es an Inge, in den Brunnen hinab zu steigen.

    Nun, von ihren Forschungskollegen war später nicht mehr sehr viel zu hören. Richard hatte seinem Sohn 10 Jahre später erklärt, dass er glaube, keiner von ihnen würde mehr leben. Bei der polizeilichen Vernehmung machten diese jedenfalls sinngemäß folgende Aussagen:

    Wir ließen Inge an einem langen Seil in den Brunnen hinab. Wir hielten das Ganze für ziemlich sicher, denn wir hatten ihn schon an den zwei Tagen davor untersucht und nie war es zu irgendwelchen Zwischenfällen gekommen. Der Brunnen war seit langer Zeit trocken. Kein bisschen Flüssigkeit war an seinem Boden mehr zu sehen und auch der Geruch sagte eindeutig, dass der letzte Rest Wasser hier schon vor ewiger Zeit verflogen sein musste. Am Grunde des Brunnens gingen einige Gänge in verschiedene Richtungen ab und man erkannte gemauerte Ruinenreste. Diese konnten wir uns nicht erklären, denn laut historischer Dokumente hätte es diese an der Stelle überhaupt nicht geben dürfen. Sonst fand sich keine Besonderheit in den Gängen, aber wegen dieser Reste entschlossen wir uns, Inge noch einmal in den Brunnen hinab zu lassen.

    Wir standen mit Funkgeräten in Kontakt, auch wenn die Kommunikation in diesen Schächten nicht einfach war. Sie mag etwa eine halbe Stunde da unten gewesen sein, als sie durch das Rauschen zu vernehmen war: Na dies ist ja hier eine seltsame Sache. Da sind Risse in den Ruinenresten. Aber sie scheinen fast künstlichen Ursprungs zu sein. Das muss ich mir einmal näher ansehen.

    Danach war kurze Zeit Ruhe, bevor auf einmal schreckliche Schreie zu uns nach oben drangen. Dazu war das Funkgerät auch gar nicht nötig, diese Schreie hätten wir durch alle Mauern der Welt gehört. Es war in ihnen Todeskampf, Qual, Leid und unendlicher Schmerz zu hören. So schnell wir konnten, zogen wir an der Leine. Der Widerstand am anderen Ende war wesentlich größer als es durch nur eine Person erklärbar gewesen wäre. Aber wir kümmerten uns nicht darum, sondern zogen einfach aus Leibeskräften. Wir waren voller Panik, Verzweiflung und Angst. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hatten wir Inge aus dem Brunnen heraus gezogen.

    Sie war bleich und ihr Gesicht war über und über mit Blut verschmiert. Dies sah zwar gefährlich aus, aber da war etwas, was wesentlich schlimmer war. Da war etwas, was uns vor Angst erstarren ließ. Das war ihr Gesichtsausdruck. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und schaute durch uns hindurch. Was sie sah, wissen wir nicht, aber es muss das furchtbarste Grauen gewesen sein, was es im Leben nur geben kann. Ihre Haare standen wirr nach allen Seiten vom Kopf ab. Ihre Kleidung hing nur noch an Fetzen von ihr herab. Sie sah aus, als ob sie auf einen Schlag um den Verstand gekommen wäre. Speichelfäden rannen ihr am Mundwinkel herunter, ihre Hände griffen fahrig wild in der Luft herum. Sie schaffte es nicht mehr, einen einzigen zusammenhängenden Satz herauszubringen. Wir wollten Inge festhalten, aber es war uns unmöglich. Immer wieder entwand sie sich unserem Griff, schlug um sich und brabbelte Silben vor sich hin. Es waren Worte, die für uns einfach keinen Sinn ergaben.

    Die Polizisten hakten an dieser Stelle immer wieder nach, denn dies war für sie die einzige Chance herauszufinden, was unten im Brunnen wirklich geschehen sein mochte. Letztlich hatten die Forscher in verschiedenen Räumen gesessen und zu Protokoll gegeben, was sie genau vernommen hatten. Gleich war bei allen, dass sie von der Zahl 12 berichteten. Diese Zahl hatte sie schon genannt, als sie aus dem Brunnen herausgezogen war. In immer schnellerem Tempo und mit steigender Lautstärke rief sie diese Zahl. Dazwischen kam immer wieder das Wort Tentakel vor.

    Und eine ganze Reihe von Worten, welche Inge in diesem Zusammenhang benutzt hatte.

    Dies ergab aber überhaupt keinen Sinn für die Forscher und für die Polizisten erst recht nicht. Sie konnten sich nur darauf einigen, dass es gefährlich klang. Nicht nur das, es klang böse und gefährlich. Da die Laute und Silben in unseren Sprachen gar nicht wiederzugeben waren, klangen sie bei den Forschern etwas unterschiedlich. Am ehesten entsprach ihnen folgende Lautschrift:

    Krath a`lyktm chruktra lyah querff lártyrhh cherith ia

    Für die Forscher klang es wie ein finsterer Fluch, für die Polizisten einfach nur beängstigend.

    Viel mehr hatte sie nicht gesagt. Kurz nach diesen Worten verdrehte Inge ihre Augen, blickte auf gen Himmel und verschied.

    Danach riefen die geschockten Kollegen die Feuerwehr und die Polizei und der ganze Vorfall nahm seinen bürokratischen Lauf. Inge wurde natürlich obduziert. Was die Ärzte dort sahen, konnten sie nicht erklären. Organisch war Inge kerngesund, eine junge Frau im Vollbesitz all ihrer Kräfte. Aber es fand sich eine Merkwürdigkeit in ihrem Blut. Mit dem war eine seltsame Veränderung vorgegangen. Es hatten sich weder die Farbe noch seine chemische Zusammensetzung geändert. Aber es schlug unter dem Mikroskop Blasen. Winzige kleine Blasen stiegen auf, um gleich darauf zu platzen und wieder zurückzufallen. Es gab keine erkennbare Ursache dafür und es gab keine Begründung, welche die Ärzte dafür anführen konnten.

    So blieb den Ärzten nur, Inge einfach für tot zu erklären.

    Ich bin mir ganz sicher, dass das Blut von Inge heute noch gut verschlossen in Laboren von Geheimdiensten und anderen, noch geheimeren Organisationen liegt und regelmäßig untersucht wird. Vielleicht kann man ja damit eine Waffe herstellen. In dieser Geschichte jedoch taucht es nicht mehr auf. Genau so wenig tauchte der Leichnam wieder auf.

    Zwar durfte Richard ihn offiziell abholen und auch beerdigen, aber in Wahrheit ist er betrogen worden. Der gesamte Körper seiner Frau ruht in einem Kryo-Tank, mitten im dunklen Herzen der USA und irgendwann, irgendwann wird er wieder untersucht werden. Seid Euch dessen sicher. Dies ist nicht der erste Fall und wird nicht der letzte sein. Selbst in Deutschland in den Katakomben des Bundeswehrkrankenhauses sollen einige Tanks stehen. Dort liegen in flüssigem Sauerstoff tiefgekühlt einige Leichen. Mit den Menschen wurden militärisch-medizinische Versuche durchgeführt. Und nun wartet man auf die richtige Technik, die Leichen wieder zum Leben zu erwecken. Vielleicht können sie der militärischen Forschung noch wertvolle Hinweise liefern.

    Das war es, was Alexander erfahren hatte über das Leben seiner Mutter und ihr Ende. Seit dieser Zeit war das Verhältnis zu seinem Vater noch intensiver geworden. Und nun saß er hier in diesem Seminar und Alexander hatte intensiv gelauscht und seine Schlüsse gezogen. Eine seltsame Religion, so weit entfernt von seinen Vorstellungen und doch auch sehr faszinierend ob ihrer Exotik.

    Im Laufe des Seminars war selbstverständlich die Sprache auch auf Nekromantie gekommen. Die Totenerweckung und Kommunikation mit Toten ist ein integraler Bestandteil von Macumba.

    Viele der Kommilitonen hielten Totenerweckung für pure Phantasie und taten alles als Humbug ab. Sie verbannten sie quasi ins Reich der Fabeln und der Phantasie.

    Andere wiederum konnten sich durchaus vorstellen, dass man irgendwie Kontakt aufnehmen könne zu den Seelen der Verstorbenen. Dann wurde intensiv darüber diskutiert, wer in der Geschichte der Wissenschaft schon versucht hatte, Tote zum Leben zu erwecken.

    Dabei fiel automatisch der Name Richard Perlmann, denn im deutschsprachigen Raum war er der einzige Wissenschaftler, der sich ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzte und auch praktisch erforschte.

    Zu ihm war die Meinung der Studenten sehr einhellig. Sie bezeichneten seinen Vater als Spinner und Phantasten. Sie bewunderten wohl seine Intelligenz und seinen Forscherdrang. Allerdings hatten sie offenbar die Lehrmeinung der Fachwelt über Richard eingesogen und diese nur halbverdaut hier wiedergegeben.

    Wie kann man nur sich mit solch abartigen Themen auseinandersetzen? Wie kann man sich als einzelner Wissenschaftler nur so über die allgemeine wissenschaftliche Lehrmeinung hinwegsetzen? Wie kann man seine Intelligenz verschwenden auf ein solch widerwärtiges Thema, mit dem man sich zum Gespött macht? Wie kann man nur in einer solchen wissenschaftlichen Sackgasse enden?

    Dies war der Tenor der vorgetragenen Meinungen. Alexander hatte gar keine andere Möglichkeit als aufzustehen und für seinen Vater zu sprechen:

    „Ihr seid also der Meinung, mein Vater, Richard Perlmann (hier die ersten dummen Gesichter, denn sie hatten nicht gewusst, dass dies sein Vater war) wäre nur ein Spinner, der seine Zeit und seine Intelligenz vergeudet auf der Suche nach einer Sache, die völlig unvorstellbar ist und innerhalb der Naturgesetze nicht existieren kann? Sicher, innerhalb unserer Naturgesetze mögen Totenerweckungen unmöglich sein. Aber wie kann man so engstirnig sein wie ihr? Glaubt Ihr etwa wirklich, dass diese Gesetze endgültig sind? Es gibt so viele Möglichkeiten, nein, Wahrscheinlichkeiten, welche diese Gesetze außer Kraft setzen. Diese Naturgesetze sind doch nicht allgemein gültig. Nein, sie gelten ja doch nur unter bestimmten Bedingungen. Dies lernt man schon an der Realschule im Physikunterricht.

    Und ihr mögt Recht haben damit, dass mein Vater kein einfacher und bequemer Mensch ist. Aber solche Leute bringen die Welt auch nicht voran. Es sind die Querdenker, es sind die Querulanten, es sind die, welche die ausgetretenen Pfade verlassen, die uns und die Menschheit voranbringen. Hätten wir nie die bekannten Wege verlassen, dann würden wir noch immer in Höhlen wohnen und hätten uns nicht weit weg von unseren tierischen Verwandten entfernt.

    Es ist mir verständlich, dass ihr seine Leidenschaft nicht teilt. Ich begreife, dass sein Weg nicht der Eure sein kann. Aber ich begreife nicht, wie ihr so über ihn urteilen könnt, ohne ihn zu kennen. Ich vermute sogar, dass ihr keinen einzigen seiner Artikel jemals gelesen habt. Aber nein, es ist schön, wenn man jemanden hat, auf den man Spott und Häme werfen kann.

    Ihr habt Recht damit, dass mein Vater nicht normal ist. Er ist aber nicht sonderbar, wie ihr denkt, sondern einfach besonders."

    Nun, seine Mitkommilitonen waren jung und unerfahren. Aber wie das in der Jugend so ist, man man beharrt auf seiner eigenen Meinung, selbst wenn sie ihnen nur aufoktroyiert wurde. Und vor allem dann nicht, wenn man in der Mehrheit war und sich damit groß und stark fühlte. Deshalb beschimpften sie nun auch Alexander. Sie nannten ihn den Sohn eines Pseudowissenschaftlers. Sein Vater suche nur die Bühne Forschung, um seine kruden Ideen in die Welt hinaus zu posaunen. Sie warfen ihm Größenwahn und Geltungsdrang vor, ohne je etwas wirklich Wertvolles für die Menschheit geleistet zu haben. Kurz und gut: Ein Wort gab das andere. Aus den Worten wurden Handgreiflichkeiten. Aus den Handgreiflichkeiten wurde eine handfeste Schlägerei.

    Dies war das Ende des Seminars. Natürlich zog Alexander den Kürzeren; denn die Übermacht war erdrückend. Aber dennoch schüttelte er mehrfach den Dozenten ab, der ihn von den anderen wegziehen wollte. Er hatte sich wacker geschlagen und den Namen seines Vaters ehrenhaft verteidigt.

    Zwar musste er danach ins Krankenhaus, um eine Schnittwunde am Gesicht verarzten zu lassen. Und am nächsten Tag hatte er mehr blaue Flecken am Körper, als er zählen konnte. Aber dies war es ihm wert gewesen.

    Ägyptens alter Fluch

    Osiris... Anubis... The underworld is yours

    Osiris... Anubis... I put my soul in your hands

    O Thou, God of the Dead

    Lead my soul to the judgement hall

    O Thou, Jackal Head

    Weigh my soul, I await your call

    Ahh... Egypt... Ahh

    Mercyful Fate; Egypt (1993)

    Die enge Verbindung zwischen Alexander und seinem Vater setzte sich auf wissenschaftlichem Gebiet nicht wirklich fort, zu unterschiedlich waren ihre Interessen und die Themengebiete, welche sie bearbeiteten. Aber kurz nach dem Studienende von Alexander gab es doch ein gemeinsames Forschungsprojekt. So konnten sie sich auch in der wissenschaftlichen Arbeit ergänzen.

    Alexander nahm im Rahmen eines Forschungsprojektes an Ausgrabungen in Ägypten teil und Richard bekam eine Einladung des Forschungsleiters, sich daran zu beteiligen. Zwar wurde er zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend gemieden, aber das Thema war jenseits des wissenschaftlichen Mainstreams angelegt und man wollte gern auf seine Erfahrungen zurückgreifen.

    Richard beschäftigte sich schon damals hauptsächlich mit Nekromantie. Er verwendete alle Kraft und Zeit darauf, alles über das widerwärtige Buch Necronomicon in Erfahrung zu bringen. Darin werden die schlimmsten Dämonen beschworen, die man sich nur vorstellen kann und alte Götter können wieder zum Leben erweckt werden. In diesem Zusammenhang suchte er auch nach Vorläufern des Buches oder Quellen, aus welchen es sich vielleicht hätte speisen können.

    Da kam ihm der Schwerpunkt dieser Forschungsreise genau recht. Das Projekt beschäftigte sich mit Zauberbüchern im alten Ägypten. Das alte Reich war nicht nur bekannt für seinen damals unerreichten wissenschaftlichen Fortschritt, z.B. in der Architektur und in der Astronomie. Gerade die Priesterkaste beschäftigte sich in gleichem Maße mit Astrologie und Zauberlehren.

    Im Bereich von Oxyrhynchus wurden beim Forschungsprojekt Ausgrabungen in einem Bereich ganz am Rande des Ortes durchgeführt. Seltsamerweise hatten vorher dort keine Ausgrabungen stattgefunden. Dies war wirklich merkwürdig, denn der Ort galt als eine bedeutende Grabungsstätte. Dort wurden viele Papyrus-Texte gefunden, aus der hellenistischen, der römischen, der byzantinischen Epoche des alten Ägyptens. Selbst christliche Texte waren dort ausgegraben worden. Sie war einst die drittgrößte Stadt des Landes. Heute befindet sich an gleicher Stelle die Stadt Al Bahnasa.

    Seit 1968 befand sich im Besitz des British Museum in London ein Papyrus, welches den Titel Papyrus BM 10808 trug und eben bei Ausgrabungen in der antiken Stadt gefunden wurde. Dieser Text soll aus dem 2. Jahrhundert nach Christus stammen und beschreibt die Beschwörung von drei verschiedenen Fieberdämonen. Der Text war, wie andere mythologische Papyri jener Zeit in einem mittelägyptisch verfasst, aber durchsetzt mit neuägyptischen Elementen. Die Wissenschaft selbst interessierte sich damals weniger für den Inhalt. Das Papyrus war eher von sprachwissenschaftlichem Interesse, da hier eine Vermengung verschiedener Sprachen stattfand, welche wichtig war für das Verständnis der allgemeinen Sprachentwicklung.

    Das Forschungsprojekt, an welchem Alexander und sein Vater Richard teilnahmen, beschäftigte sich aber doch mit dem Inhalt des Werkes. Es gab Spezialisten der Sprachwissenschaft, die gewisse Übereinstimmungen in Sprache und Ausdruck meinten zu sehen zwischen diesem Papyrus und den Papyri Graecae magicae. Letztere entstanden etwa zur selben Zeit. Sie enthielten Invokationen, Sprüche und Formeln zu verschiedensten Nutz- und Schadzaubern. Aber es fanden sich im Inhalt auch Beschwörungen verschiedener Geister und Götter. Im Prinzip enthielten sie das esoterische Weltbild der späten Antike und veranschaulichten die griechische, die ägyptische und die jüdische Weltanschauung der damaligen Zeit. Außerdem fanden sich in den Papyri auch liturgische Texte, welche im ägyptischen Tempelkult verwendet wurden.

    Die Forscher vermuteten nun, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Papyri geben müsse. Deshalb wollten sie in der Nähe der alten Ausgrabungsstätten suchen, ob sich nicht Beweise für ihre Behauptung finden ließen. Und Richard selbst hoffte, hier an dieser bedeutungsvollen Grabungsstätte einen Hinweis auf das Buch Necronomicon zu finden. Und wenn nicht auf das verderbte Buch direkt, dann doch auf einen Vorläufer oder Wegbegleiter.

    Die Ausgrabungen dauerten sehr lange und verliefen fast gänzlich erfolglos. Mühselig wie der Sand durch ihre Finger und Siebe rann, so rann auch die Zeit ihrer Forschung vorbei und sie fanden nur wenige Spuren im Sand.

    Erst ganz am Ende, als ihre Hoffnung schon in den Wüstensand gesickert war, da sichteten sie einen kleinen quadratischen Raum, ganz am Ende eines kleinen Abhanges. Dort wurden schon keine Gebäude mehr vermutet, denn die alten Zeichnungen, auf denen der Ort dargestellt war, hörten schon viele Meter vorher auf.

    Es war eigentlich pure Verzweiflung, welche die Forscher getrieben hatte, an dieser Stelle zu graben. Der Sand hatte kleine Dünen aufgeschüttet, welche wie kleine Wellen auf dem Ozean Muster bildeten und einen friedlichen Eindruck vermittelten.

    Aber in der Mitte dieser Sandwellen zeichnete sich eine Brechung ab. Da gab es ein ganz anderes Muster im Sand, was auf etwas Hartes unter der Oberfläche hinwies. Denn nur so konnte der Sand daran gehindert werden, die gleichen Formen zu bilden wie an den anderen Stellen. Da nirgendwo anders ein Ausgrabungserfolg absehbar war, konnte man auch diesen kleinen Strohhalm nutzen und hier graben. Dies war die Überlegung der gesamten Forschergruppe.

    Dies taten die Forscher und ihre Helfer auch. Nach nur wenigen Zentimetern Sandschicht klirrten die Spaten und anderen Werkzeuge gegen einen harten Widerstand. Dieser tat sich auf und man konnte ihn mit den Werkzeugen nicht einfach brechen. Deshalb wurde, soweit es ihnen möglich war, der Sand um diesen Raum herum abgetragen.

    Es war sehr merkwürdig, dass hier ein einzelner rechteckiger Raum stand, völlig entfernt von den anderen Ruinen und ohne Verbindung zu etwas anderem.

    Es gab nur diesen Raum, kein Fenster, keine Tür schien hier zu existieren. Sprengen und Aufbrechen kam für die Forscher so nicht in Frage und deshalb standen sie am Gebäude und wussten nicht weiter. Aber dann kam Richard der Gedanke, dass es vielleicht einen Zugang von unten geben könnte.

    Nun, die meisten Kollegen bezweifelten diese Möglichkeit, da es absolut untypisch gewesen wäre für die damalige Architektur. Aber die Neugier und das wissenschaftliche Interesse obsiegte über die vorhandenen Zweifel. Deshalb wurde per Klopfen an den Mauern versucht herauszufinden, in welcher Ecke ein Eingang zu finden sei.

    Dies

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