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Die Genese Europas III: Der europäische Kontinent vom antiken Griechenland bis heute
Die Genese Europas III: Der europäische Kontinent vom antiken Griechenland bis heute
Die Genese Europas III: Der europäische Kontinent vom antiken Griechenland bis heute
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Die Genese Europas III: Der europäische Kontinent vom antiken Griechenland bis heute

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About this ebook

Die "Genese Europas" ist eine Vorlesung am Kölner "Campus für lebenslanges Lernen". Der letzte Teil der Trilogie beginnt bei der Restauration Europas im Anschluss an den Wiener Kongress 1815. Die Mächte Europas versuchten alles, um revolutionäre Erhebungen wie die Französische Revolution zu verhindern. Die Großmächte Preußen, England, Frankreich, Russland und Österreich führten auf dem Kontinent deshalb einen Wiederherstellung des "Status quo ante" durch. Trotzdem konnten sie nationale Erhebungen, soziale Unruhen und zahlreiche Revolutionen nicht verhindern.

Während des gesamten 19. Jahrhunderts blieb die "deutsche Frage" in der Mitte des Kontinents virulent. Die Frage, wer einem gemeinsamen Staat angehören sollte, entzweite die Delegierten der Frankfurter Paulskirche 1848. Als 1871 durch eine "Verpreußung Deutschlands" das Deutsche Kaiserreich gegründet wurde, schien die "deutsche Frage" vorerst gelöst. Aber spätestens mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wurde klar, dass die Deutschen in der Mitte des Kontinents mit ihrer Rolle im "Konzert der Großmächte" nicht einverstanden waren. Als sich das nationalsozialistische Deutschland aufmachte, die verhasste Friedensordnung von Versailles zu revidieren, ließ Adolf Hitler verlauten, die "deutsche Frage ist nur noch militärisch zu lösen."

Zwischen 1914 - dem Beginn des Ersten Weltkriegs - und 1945 - dem Ende des Zweiten Weltkriegs - hat sich der europäischer Kontinent in einem "zweiten 30jährigen Krieg" befunden, dem der "alte Krieg" bis 1989 folgte. Europa heute ist davon gekennzeichnet, dass es gelungen ist, den Konflikt zwischen Ost und West, zwischen Sozialismus und Kapitalismus friedlich aufzulösen. Europäische Politiker haben es geschafft, den scheinbar unauflösbaren Gegensatz zwischen der freiheitlicher Demokratie und einer zentralistischen Staatsordnung zu überwinden.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateJun 26, 2014
ISBN9783844297669
Die Genese Europas III: Der europäische Kontinent vom antiken Griechenland bis heute
Author

Matthias von Hellfeld

Matthias von Hellfeld ist promovierter Historiker und Journalist (WDR, VOX, Dt. Welle, ZDF, Deutschlandfunk, DRadioWissen), Autor zahlreicher historischer und politischer Sachbücher zur Geschichte Deutschlands und Europas und zum Rechtsextremismus. Zudem hat er zahlreiche TV- und Hörfunk-Beiträge zu historischen Themen verfasst. Er ist Dozent des Masterstudiengangs "OnlineRadio" der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg und beim Kölner Campus für lebenslanges Lernen, sowie Vertrauensdozent einer politischen Studienstiftung.

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    Book preview

    Die Genese Europas III - Matthias von Hellfeld

    Impressum

    Die Genese Europas III

    Der europäische Kontinent vom antiken Griechenland bis heute

    Teil 3 - Von der Restauration Europas (1815) bis zur Entstehung der Europäischen Union

    Matthias von Hellfeld

    published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

    Copyright: © 2014 Matthias von Hellfeld

    ISBN 978-3-8442-9766-9

    Matthias von Hellfeld

    Die Genese Europas III

    Der europäische Kontinent

    vom antiken Griechenland

    bis heute

    Teil 3

    Von der Restauration Europas (1815)

    bis zur Entstehung der

    Europäischen Union

    Inhaltsverzeichnis
    1.) Vorwort
    2.) Europa zwischen Restauration und Revolution

    Nationalismus und Liberalismus

    Die deutsche Nationalbewegung

    Alltag in Deutschland

    Europa zu Beginn des 19. Jahrhunderts

    Revolution in Frankreich

    Nation Building in Europa

    Schwarz – rot - gold

    Weberaufstand in Schlesien

    Am Vorabend der „deutschen Revolution"

    „Februarrevolution" in Paris

    Die Revolution von 1848/49 in Deutschland

    Die Deutsche Nationalversammlung

    Robert Blum und die Konterrevolution

    Die deutsche Frage III

    Friedrich Wilhelm IV.

    Industrielle Revolution

    Arbeitsbedingungen in Deutschland

    Proletarier aller Länder vereinigt Euch!

    Ökonomischer Wandel

    3.) Der Weg zum deutschen Kaiserreich

    Otto von Bismarck

    Deutscher Bruderkrieg

    Der Norddeutsche Bund

    Österreich

    Italienische Befreiung

    England und Frankreich

    Machtkampf in Spanien

    Die Schlacht von Sedan

    Reichsgründung von oben

    Kaiserkrönung im Spiegelsaal von Versailles

    England am Ende des 19. Jahrhunderts

    Russland

    Spanien und Portugal

    Kulturkampf gegen Katholiken

    Sozialistengesetze

    Düstere Ahnungen

    Das Kaiserreich und Europa

    Afrika den Europäern!

    Europäische Außenpolitik

    1888 - Das Dreikaiserjahr

    4.) Vorkriegszeit in Europa

    Kaiser Wilhelm II.

    Vom Ende des „Phäakendaseins"

    Der deutsche Platz an der Sonne

    Radikaler Nationalismus

    Europas Hegemonie

    England

    Frankreich

    Russland

    Die Russische Revolution von 1905

    Deutsches Reich

    Die Julikrise 1914

    5.) Der zweite „Dreißigjährige Krieg" 1914 - 1945

    Der Erste Weltkrieg

    Europas Absturz

    Kriegsbeginn

    Stellungskrieg

    Waffen im Ersten Weltkrieg

    Kriegsziele

    Die Spaltung der SPD

    Revolution in Russland

    Der Frieden von Brest - Litowsk

    Die Kapitulation

    9. November 1918

    Waffenstillstandsabkommen

    Der Vertrag von Versailles

    Die Weimarer Verfassung

    Europa-Ideen

    Die Zwanziger Jahre

    Russland

    Die Gründung der Sowjetunion

    Stalin

    Italien

    Österreich

    Frankreich

    England

    Deutschland

    Die Weltwirtschaftskrise

    Adolf Hitler und die NSDAP

    Demokratie ohne Demokraten

    Reichspräsidentenwahl

    „Machtergreifung"

    Gleichschaltungen

    Europa wird braun

    Die deutsche Frage IV

    Antisemitismus

    Großdeutschland

    Der Weg in den zweiten Weltkrieg

    NS-Rassenpolitik

    Hitlers Judenhass

    Der Pakt der Diktatoren

    Der Zweite Weltkrieg

    Das Generalgouvernement

    „Blitzkriege"

    Die Luftschlacht um England

    Das Unternehmen „Barbarossa"

    Stalingrad

    Der „totale Krieg"

    Die Wannseekonferenz

    Holocaust

    D-Day

    Die Konferenz von Jalta

    Die deutsche Frage V

    6.) Der „Kalte Krieg"

    Nachkriegsordnung

    Prozesse

    Das Ende Europas

    NATO und Warschauer Pakt

    Deutsche Frage VI

    Frankreich in den 50er Jahren

    England in den 50er Jahren

    Die Sowjetunion in den 50er Jahren

    Spanien in den 50er Jahren

    Italien in den 50er Jahren

    Europa in den 50 Jahren

    Der Bau der Mauer

    Ostblock

    Jugoslawien

    CSSR

    Deutschlandpolitik

    Ost- und Entspannungspolitik

    Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa III

    DDR, CSSR und Polen

    Der „Historikerstreit"

    Europa

    Sowjetunion

    Glasnost und Perestroika

    Solidarnosc

    Revolution in der DDR

    Der Mauerfall

    CSSR

    Rumänien

    1990 - Chronik eines „deutschen Jahres"

    7.) Europa heute

    Europäische Union und Euro

    Die Gemeinsamkeiten der Europäer

    Das Europa der gemeinsamen Wurzeln

    Das Europa der Christen

    Das Europa der Aufklärung

    Das Europa der Parlamente

    Das Europa der Unterschiede und Gegensätze

    Das Europa der Freiheit und Demokratie

    Sozialstaat Europa

    Europäische Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit

    Magna Charta II

    8.) Verwendete und empfohlene Literatur

    1.) Vorwort

    Der vorliegende Text ist der dritte und letzte Teil meiner Vorlesung über die „Genese eines Kontinents, die ich am Kölner „Campus für lebenslanges Lernen – Zeit für Wissen halte. Ziel der Vorlesung ist es, die Wurzeln und Gemeinsamkeiten der europäischen Völker seit der Antike freizulegen und ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie sich Europa zu dem entwickelt hat, was wir heute erleben.

    Nach dem Ende der Kriege gegen Napoleon revidierten die europäischen Mächte die Ergebnisse der französischen Revolution von 1789. Die Könige und Regierungschefs führten Europa auf den Weg der Restauration, also der Wiederherstellung der früheren Verhältnisse. Dennoch konnten sie weder weitere Revolutionen noch den Prozess der „Nationenwerdung" verhindern, in dessen Verlauf ihre restaurative Ordnung über Bord geworden wurde.

    In der Mitte des Kontinents blieb während des gesamten 19. Jahrhunderts die „deutsche Frage virulent. Die Frage, wer einem gemeinsamen Staat angehören sollte, entzweite die Delegierten der Frankfurter Paulskirche 1848. Als 1871 durch eine „Verpreußung Deutschlands das Deutsche Kaiserreich gegründet wurde, schien die „deutsche Frage vorerst gelöst. Aber spätestens mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wurde klar, dass die Deutschen in der Mitte des Kontinents mit ihrer Rolle im „Konzert der Großmächte nicht einverstanden waren. Als sich das nationalsozialistische Deutschland aufmachte, die verhasste Friedensordnung von Versailles zu revidieren, ließ Adolf Hitler verlauten, die „deutsche Frage ist nur noch militärisch zu lösen."

    Aber das Ergebnis dieser insgesamt mehr als 30 Jahre dauernden Kriegsphase zwischen 1914 und 1945 war für den Kontinent verheerend. Deutschland und Europa wurden geteilt und zum Spielball des Ost-West-Konfliktes. Dennoch ist es mit Diplomatie, Ausdauer und Geschick auf beiden Seiten des „Eisernen Vorhangs" gelungen, diesen scheinbar unauflöslichen Konflikt zwischen der freiheitlichen Demokratie auf der einen und der sozialistischen Gesellschaftsordnung auf der anderen Seite friedlich zu lösen. Diese Fähigkeit und die vielen gemeinsamen kulturellen, historischen, politischen und künstlerischen Wurzeln verbinden die europäischen Völker.  Sie sind nun aufgerufen auf dieser Grundlage eine gemeinsame europäische Ordnung zu schaffen, die all jenen Werten verpflichtet ist, die auf diesem Kontinent erdacht, erstritten und erkämpft worden sind: Demokratie und Verfassungsstaat, Religions- und Glaubensfreiheit, Parlamentarismus und Partizipation des Volkes, Freiheit und Menschenrechte. Millionen Männer und Frauen aus Europa haben im Laufe der vergangenen 2500 Jahre ihr Leben dafür gelassen, dass diese Ideen und Ziele sich durchgesetzt und immer noch Gültigkeit haben. Auf ihren Schultern stehen die heute lebenden Generationen.

    Köln, im Sommer 2014

    Matthias von Hellfeld

    2.) Europa zwischen Restauration und Revolution

    Nationalismus und Liberalismus

    Die Beschlüsse des Wiener Kongresses zielen auf die Wiederherstellung und Bewahrung der „alten Ordnung – also der politischen Zustände vor Beginn der Französischen Revolution - ab. Der Erhalt der alten Ordnung ist oberstes Ziel der Politik der europäischen Herrscherhäuser. Aufkommende nationale oder liberale Strömungen werden mit allen Mitteln unterdrückt. Der Anlass die Schrauben der Repression in Europa fester zu ziehen, bietet sich am frühen Nachmittag des 23. März 1819, als ein junger Mann an der Haustür des Dichters und russischen Staatsrates August von Kotzebue (1761 – 1819) klingelt, sich als „Herr Heinrichs ausgibt und Einlass findet. Aber kaum hat „Herr Heinrichs die Wohnung des Dichters betreten, zieht er plötzlich einen kleinen Dolch aus dem Hemdsärmel und sticht mit dem Ruf „Du, Verräter des Vaterlands! dreimal auf den Körper von Kotzebues ein. An Lunge und Herz getroffen bricht das Opfer zusammen und stirbt. Karl Ludwig Sand, wie „Herr Heinrichs" in Wahrheit heißt, versucht anschließend sich auf gleiche Weise ums Leben zu bringen, wird aber vorher verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Nach einem Jahr kommt es vor dem Hofgericht des Niederrheins zum Prozess, an dessen Ende Karl Ludwig Sand zum Tode durch das Schwert verurteilt wird.

    Für den österreichischen Außenminister und Architekten der Restauration Europas, Clemens Fürst Metternich (1773 – 1859) , ist der Mord an August von Kotzebue mehr als nur die Handlung eines geistig zurück gebliebenen Einzeltäters. In der Kanzlei Metternichs ist man überzeugt, dass Karl Ludwig Sand im Auftrag einer Verschwörung gegen die bestehende Ordnung gehandelt hat. Und damit ist die Tat ein willkommener Anlass, die Daumenschrauben der Repression innerhalb des Deutschen Bundes anzuziehen.

    Die deutsche Nationalbewegung

    Im August 1819 beraten Österreich und Preußen auf einer Konferenz in Karlsbad, wie der Unruhe im Deutschen Bund zu begegnen sei. Die dort gefassten Beschlüsse, werden am 31. August 1819 veröffentlicht: Sämtliche Universitäten stehen nun unter der Aufsicht eines „außerordentlichen, landesherrlichen Bevollmächtigen, die Pressefreiheit wird aufgehoben, die Zeitungen unterliegen einer strengen Zensur, liberal gesinnte Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen werden entlassen, Turnvereine und geheime Burschenschaften verboten. Per Dekret ist Deutschland damit in die vorrevolutionären Zeiten zurück „verordnet worden. Die deutschen Fürsten haben nun ein von der Bundesversammlung in Frankfurt abgesegnetes Instrumentarium, um der Unruhe mit polizeilichen Mitteln Herr zu werden. Ihre Angst ist nicht unberechtigt. Zur 300. Wiederkehr der Veröffentlichung der Thesen des Reformators Martin Luther haben sich zwei Jahre zuvor - Ende Oktober 1517 - viele tausend Burschenschaftler mit schwarz-rot-goldenen Fahnen in der Hand auf der Wartburg versammelt. Das Gedenkfest hat eher den Charakter eines Gottesdienstes gehabt, bei dem um eine kühne Tat für die „nationale Sache" gebetet wurde. Für die Burschenschaftler ist der Mönch aus Eisleben dabei Vorbild gewesen.

    Aber für Martin Luther ist 1517 die römische Kirche der Gegner gewesen. Jetzt 300 Jahre später ist es das als Fremdherrschaft empfundene politische System. Dagegen stellen die Anwesenden politische Forderungen, die einer Revolution gleichkommen:

    Schaubild 1

    [Politische Forderungen der „nationalen Bewegung" 1817]

    Aber die Gralshüter der Restauration, allen voran der österreichische Außenminister Clemens Fürst Metternich, erkennen die Signale von Wartburg nicht und glauben mit der Androhung staatlicher Gewalt, die öffentliche Ordnung gewährleisten zu können. Kurzfristig ist diese Strategie von Erfolg gekrönt, langfristig aber lassen sich nationale und liberale Strömungen nicht unterdrücken.

    Alltag in Deutschland

    Zumal viele Deutsche 1816 und 1817 durch Hungersnöte und Wirtschaftskrisen in eine existenzielle Krise gedrängt werden. Der tägliche Überlebenskampf lässt bei vielen Menschen wenig Zeit übrig, sich über die zukünftige Gestaltung ihres Staates Gedanken zu machen. Aber die andauernde Unterdrückung der Meinungsfreiheit, die unübersehbare Präsenz von Polizei und Staat, die für jeden sichtbare Verfolgung von so genannten „Demagogen" sorgen für eine unheimliche Stille im Land. Mitglieder der studentischen Burschenschaften, Angehörige von verdächtigen Turnvereinen und Universitäten werden verfolgt, verhaftet oder amtsenthoben. Ernst Moritz Arndt, Turnvater Jahn und viele andere lernen preußische Gefängnisse von innen kennen

    oder müssen das Land verlassen. Während die staatliche Rasterfahndung auf vollen Touren läuft, ziehen sich viele Menschen ins Private zurück, verzichten auf jede Form der politischen Betätigung. Es zählt das Eigene, der Rückzug ins Private wird zum Programm.

    Zwischen 1815 und 1850 ist die Zeit des Biedermeier in Deutschland ein Reflex auf die von vielen Menschen empfundene Entfremdung und Sinnentleerung. Sie sehnen sich nach einem idyllischen, harmonischen Leben, das sie vor Urbanisierung und Industrialisierung schützt und besinnen sich auf die Natur und elementare Werte, die ihnen Schutz in turbulenten Zeiten gewähren sollen. Im Mittelpunkt dieser Kultur steht die bürgerliche Familie, die sich keine großen Sprünge erlauben kann, dazu sind die meisten zu arm. Das Land leidet unter den wirtschaftlichen Schäden der Kriege gegen Napoleon, die das Land ausgezehrt haben. Und gleichzeitig stehen sie am Beginn einer längeren Friedenszeit mit arbeitslosen Soldaten, die die einzigen sind, die sich über diesen Zustand beklagen. Unter den Augen des Polizeistaats macht sich dennoch eine oberflächliche Heiterkeit breit, die den beschaulich gekleideten Familienvater nebst Gattin und einer größer werdenden Kinderschar beim Sonntagsspaziergang hervorbringt. Die Zahl der Kinder steigt rapide, als habe es einen Knopfdruck gegeben, der den biologischen Ausgleich für die hohen Verluste der vorangegangenen Kriege in die Wege leitet. Bis zum Jahr 1848 erhöht sich die Bevölkerungszahl des Deutschen Bundes um ein Drittel, was die Landwirtschaft vor Probleme stellt, denn so viele Mäuler kann sie nicht stopfen. Die Armut ist in manchen Gegenden so groß, dass die örtlichen Verwaltungen regelrechte Bettelzüge zusammen stellen, die nach einem festgelegten Turnus durch die umliegenden Dörfer ziehen, um Lebensmittel zu erbetteln. In den Städten geht es nicht viel besser, das Heer der Gelegenheitsarbeiter steigt mit dem täglich größer werdenden Elend.

    Europa zu Beginn des 19. Jahrhunderts

    Nationalismus und Liberalismus sind in diesen Jahren zwei Seiten einer Medaille. Die Forderung nach nationaler Einheit und Selbstbestimmung ist verbunden mit dem Wunsch nach einer liberalen Verfassung, die den Menschen gleiche Rechte und Pflichten garantiert. Da sich diese Forderungen in Deutschland nicht durchsetzen lassen, blicken viele Intellektuelle sehnsuchtsvoll über die Landesgrenzen, wo Befreiungskämpfe den ersten Nationalstaaten Europas zum Durchbruch verhelfen.

    Den Anfang machen die Spanier, die sich 1820 gegen die reaktionäre Herrschaft Ferdinands VII. (1784 – 1833) auflehnen. Nach einem Aufstand muss der spanische König notgedrungen die Konstitution der Cortes von 1812 wieder herstellen. Da aber bereits 1810 in der Cortes von Cadiz ein liberale Verfassung erarbeitet worden ist, die dem König ausführende Rechte und der Cortes das Gesetzgebungsrecht zuerkennt, ist die Herrschaft Ferdinands VII. an die Cortes gebunden. Aber Ferdinand sendet einen Hilferuf nach Frankreich, von wo 1823 eine militärische Intervention gestartet wird, die den König wieder in das hergebrachte absolutistische System einsetzt. Dennoch: Der Anfang ist gemacht und der Funke des Aufruhrs springt schnell über ins benachbarte Portugal.

    Portugal wird seit dem 17. Jahrhundert absolutistisch regiert. Die portugiesische Ständeversammlung – die Cortes - ist zum letzten Mal 1669 einberufen worden und die Weigerung sich an der Kontinentalsperre Frankreichs gegen England zu beteiligen, bewirkt 1808 die Besetzung durch französische Truppen. Nach den Vorbildern im benachbarten Spanien revoltieren portugiesische Liberale gegen die politischen Verhältnisse. Im Sommer 1820 beginnt der Aufstand einige Offiziere in Porto, wodurch die „liberale Revolution" ausgelöst wird. Ein Jahr später wähnen sich die Revolutionäre am Ziel, denn 1821 wird die erste Verfassung für das Land verabschiedet. Portugal ist nun eine konstitutionelle Monarchie, in der sowohl die Inquisition, als auch die Feudalherrschaft und die Vorrechte der katholischen Kirche abgeschafft sind. Widerwillig kommt König Johann VI. (1767 – 1826) aus Brasilien, der Kolonie Portugals, zurück und akzeptiert die veränderte politische Lage.

    In England ist das victorianische Zeitalter angebrochen – benannt nach der langen Regierungszeit von Königin Victoria (1819 – 1901). Das Vereinigte Königreich befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines weltweiten Einflusses. Die an das Parlament gebunden Krone ist bei den Untertanen akzeptiert und beliebt. Victoria ist die erste englische Monarchin, die auch Kaiserin von Indien ist. Die industrielle Revolution, die in England ihren Anfang nimmt, sorgt für eine wachsende Wirtschaft. Das und das hohe Ansehen der Königin haben – vermutlich – revolutionäre Strömungen auf den britischen Inseln verhindern können.

    In Griechenland beginnt am 25. März 1821 die erste erfolgreiche Revolution gegen das restaurative Herrschaftssystem des Osmanischen Reichs. Obwohl es anfänglich   militärische Niederlagen gibt, gelingt es den Revolutionären zahlreiche Inseln einzunehmen. Der entscheidende Schlag aber ist im April 1821 die Einnahme Athens. Ein Jahr später wird eine erste Verfassung Griechenlands verabschiedet. Als Ägypten auf Seite der Osmanen in den Konflikt eingreift, scheint die griechische Revolution verloren, aber England, Russland und Frankreich stützten die griechischen Aufständischen. In der Schlacht von Navarino kann eine englisch-russisch-französische Armee am 20. Oktober 1827 die griechische Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich sicherstellen. Im September 1831 wird mit dem bayrischen Prinzen Otto (1815 – 1867) ein neuer König gewählt. Griechenland wird eine konstitutionelle Monarchie, die bis zum Militärputsch 1974 erhalten bleibt.

    Auch in Italien finden nationale Befreiungskämpfe statt, die aber von Österreich niedergeschlagen werden. Der massive Einsatz des Militärs und die zeitweilige Besetzung der Halbinsel führen dazu, dass die alte, restaurative Ordnung wieder eingesetzt wird. Der Sieg der Revolution ist – fürs erste jedenfalls – verhindert. Nach dem österreichischen Sieg in Italien ist Europa am Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Ausnahme Griechenlands fest in der Hand der Restauration – garantiert von Russland, Österreich und Preußen.

    Revolution in Frankreich

    Dramatischer sind die Vorgänge in Frankreich, wo seit 1824 der Bourbonenkönig Karl X. (1757 – 1836) regiert. Ein Jahr vor seinem Regierungsantritt haben französische Truppen den Aufstand in Spanien niedergeworfen und König Ferdinand VII. von Spanien wieder zur Macht verholfen. Den Anhängern einer europäischen Revolution ist mit dieser Niederlage ein heftiger Dämpfer versetzt worden. Diese Situation nutzt Karl X. aus, in dem er in Frankreich die Pressefreiheit einschränkt und drakonische Strafen für eher lächerliche Vergehen verkündet. Das bringt ihm den Ärger seiner Untertanen ein, die der liberalen Opposition bei den Wahlen 1828 die Mehrheit in der Zweiten Kammer verschaffen. Zwei Jahre später wird die Opposition so stark, dass sich Karl X. als Gegenmaßnahme zu einem Staatstreich verleiten lässt.

    Nachdem über 200 Abgeordnete dem König das Recht zur Ministerernennung streitig gemacht haben, kommt es zum Eklat: Karl X. löst am 25. Juli 1830 die zweite Kammer auf, schränkt das Wahlrecht ein, verschärft die Pressezensur und verringert die Zahl der Abgeordneten. Das französische Volk ist damit fast wieder in der Situation, unter der es vor Beginn der französischen Revolution 1789 zu leiden gehabt hat. Die „Juli-Revolution", die daraufhin 48 Stunden später in Paris ausbricht, dauert drei Tage, bevor sie siegreich zu Ende geht. Am 29. Juli 1830 ist das Königtum der Bourbonen zusammen gebrochen, das Militär ebenso aus der Stadt vertrieben wie der König. Die französische Republik ist gerettet.

    Die bürgerliche Mehrheit der Zweiten Kammer trägt daraufhin Louis Philippe (1773 – 1850), dem Herzog von Orléans, unter der Bedingung die französische Krone an, dass er die Errungenschaften der französischen Revolution akzeptiert. Die Trikolore wird wieder die französische Nationalflagge und die „Marseillaise die Nationalhymne. Louis Philippe ist der erste französische König, der die Krone aus den Händen des bürgerlich-liberalen Parlaments erhält. Damit ist Frankreich eine konstitutionelle Monarchie, in der König und Parlament nach Recht und Gesetz die Geschicke des Volkes lenken. Die Inthronisierung dieses „Bürgerkönigs markiert gleichzeitig auch das Scheitern der europäischen Nachkriegsordnung. Der König wird durch das Parlament berufen und kann sich nicht mehr auf irgendein „legitimes" Erbfolgerecht seiner Familie berufen. Damit ist einer der Grundsteine zerstört, auf denen die Garantiemächte des Wiener Kongresses 1815 die europäische Nachkriegsordnung aufgebaut haben.

    Nation Building in Europa

    Die Niederlande bekommen 1813 mit der Krönung von König Wilhelm I. (1772 – 1843) ihre Unabhängigkeit. Vorher ist das Land von den Truppen Napoleons besetzt gewesen. Beim Wiener Kongress wird den Niederlanden noch das Gebiet des heutigen Belgiens hinzugefügt. Die niederländische Verfassung von 1848 ist für das Land ein Meilenstein, denn mit der Einführung der Ministerverantwortung ist der Weg zu einer demokratisch verfassten konstitutionellen Monarchie vorgezeichnet.

    Auch Italien bleibt von den revolutionären Erhebungen nicht unberührt. Die ersten nationalen Aufstände sind aber deshalb nicht erfolgreich, weil sich die Revolutionäre nicht auf ein gemeinsames Ziel und eine von allen vertretene Strategie verständigen können. Die italienischen Revolutionäre müssen sich zunächst der Übermacht des österreichischen Militärs geschlagen geben. Die nationale Befreiung Italiens wird erst 1870 erfolgreich sein, aber die Ideen von Giuseppe Mazzini (1805 – 1872) und Giuseppe Garibaldi (1807 – 1882), die für die nationale Selbstbestimmung aller Völker kämpfen, hinterlassen ihre Spuren.

    Auch polnische Nationalisten versuchen sich von der Fremdbestimmung durch die Politik des russischen Zaren Nikolaus I. zu befreien. Unterstützt vom polnischen Heer wagen Offiziere und Intellektuelle den Aufstand gegen die Besatzer, müssen aber in der Folgezeit militärische Niederlagen hinnehmen. Durch massiven Militäreinsatz kann der russische Zar die Macht im Land erhalten, aber der polnische Aufstand löst überall in Europa und gerade auch in Deutschland große Begeisterung aus. 1846 wird der Plan eines weiteren Aufstands in Polen den russischen Besatzern verraten. Der Aufstand scheitert.

    Die Auswirkungen der „Julirevolution" in Paris sind auch in anderen europäischen Staaten zu spüren. Der Funke springt zunächst nach Belgien über, wo sich die Revolutionäre nach einjährigem Kampf erfolgreich gegen die niederländische Herrschaft durchsetzen. Im Londoner Vertrag vom 15. November 1831 wird Belgien schließlich anerkannt. In der bald darauf erlassenen belgischen Verfassung ist das Volk der Souverän, dessen Volksvertretung – wie in Frankreich – den König wählt. Auch in der Schweiz rühren sich nationale Kräfte und erreichen bis 1848 die Verabschiedung einer neuen Verfassung für die schweizerische Eidgenossenschaft, deren Merkmal die bis heute gültige Referendumsdemokratie ist.

    Deutsche Nationalisten verfolgen die Vorgänge in Europa aufmerksam, aber eine ähnliche Revolte wie bei den Nachbarn gibt es in Deutschland nicht. Dennoch ist der Wunsch nach Veränderungen auch hier unübersehbar. Am 7. September 1830 stürmen Braunschweiger Bürger das Stadtschloss, ähnliches geschieht in Kassel, in Sachsen, in Hannover und in Göttingen, wo im Januar 1831 Studenten und einige Bürger unter Führung von drei Universitätsdozenten die Stadt für einige Tage unter ihrer Kontrolle haben. Wenig später bereiten 7.000 Soldaten aus Hannover dem Aufstand in Göttingen ein Ende. Noch drastischer wird es 1837, als Ernst-August (1771 – 1851), Herzog von Braunschweig-Lüneburg, den Königsthron in Hannover besteigt. Zeitgenossen beschreiben den neuen König von Hannover als jemanden, der schon alle „menschlichen Verbrechen außer dem Selbstmord begangen habe und genauso regiert er das Land auch. Er setzt die liberale Verfassung außer Kraft, was den Widerspruch von sieben angesehenen Göttinger Hochschullehrern provoziert. Sie bestehen auf der Gültigkeit der Verfassung von 1833. Aber König Ernst – August bleibt hart und schmeißt sie aus dem Land. Die „Göttinger Sieben erhalten überall in Deutschland Zuspruch, weil sie dem Wunsch vieler Menschen nach einem geeinten Staatswesen, das auf einer Verfassung mit Rechtssicherheit basiert, durch ihr mutiges Eintreten gegen die königliche Willkür Ausdruck verliehen haben.

    Schwarz – rot - gold

    Aber die Bekundungen des deutschen Einheitswillens münden in keine Bewegung, die von allen Deutschen getragen wird. Dennoch wächst die Zahl der Anhänger einer deutschen Einheitsbewegung. Sichtbarer Ausdruck ihrer Existenz ist ein Fest, das vom 27. bis zum 30. Mai 1832 vor den Toren des Hambacher Schlosses in der Pfalz stattfindet. Mehrere zehntausend Menschen sind zusammen gekommen, um für einen bundesstaatlichen Zusammenschluss Deutschlands zu demonstrieren. Das Fest wird beherrscht von schwarz-rot-goldenen Fahnen, deren Farbkombination an die Uniformen des Freikorps Lützow während der Befreiungskriege gegen Napoleon I. erinnert. Daran knüpfen die Teilnehmer des Hambacher Festes an und deklarieren die Farben des Freikorps zu den „deutschen Farben. Sie demonstrieren für die Einheit und Freiheit Deutschlands und für eine föderative deutsche Republik, die gleichberechtigter Partner in einem europäischen Staatenbund sein soll. Den Ruf nach einer Abkehr von der reaktionären „Heiligen Allianz kleidet der Schriftsteller Johann Wirth (1798 – 1848) in eine Klage über die „knechtische" Haltung der Deutschen gegenüber den Unterdrückern der nationalen Freiheit des eigenen Landes:

    „Die Regungen der Vaterlandsliebe sind uns unbekannt, was dem Vaterland Not tut, ist Hochverrat. (…) Wir helfen Griechenland befreien, wir trinken auf Polens Wiederauferstehung, wir zürnen, wenn der Despotismus der Könige den Schwung der Völker in Spanien, in Italien lähmt, (…) wir beneiden den Nordamerikaner und sein glückliches Los, das er sich mutvoll selbst erschaffen: Aber knechtisch beugen wir den Nacken unter das Joch der eigenen Dränger (…) Es wird kommen der Tag (…), wo ein selbst gewobenes Bruderband alle umschließt zu politischer Einheit und Kraft; wo die deutsche Flagge, statt Tribut an Barbaren zu bringen, die Erzeugnisse unseres Gewerbefleißes in fremde Weltteile geleitet und nicht mehr unschuldige Patrioten für das Henkerbeil auffängt, sondern allen freien Völkern den Bruderkuss bringt."

    Der romantisierende Nationalismus, von dem Johann Wirth und seine Zuhörer in Hambach schwärmen, verhallt in Deutschland zwar noch weitgehend ungehört, ist aber heute eine der demokratischen Traditionen der Bundesrepublik Deutschland.

    In Deutschland breitet sich zu Beginn der 30er Jahre Armut aus. Im Vergleich zu England, wo seit Anfang des Jahrhunderts die Industrialisierung einen ökonomischen Aufschwung bewirkt hat, sind die Länder des Deutschen Bundes unterentwickelt. Bis 1840 wandern knapp 200.000 Menschen aus, zehn Jahre später ist es fast eine halbe Million. Not und Armut sind so groß, dass zahlreiche Städte dazu übergehen, Armutswanderer mit strengen Vorschriften von ihrem Gebiet fernzuhalten. Das Problem der Massenarmut wird aufs Land verschoben und lässt dort die Frage aufkommen, ob ein geeinter Nationalstaat nicht viel besser mit Landstreicherei und Armut zu Recht kommen würde. Gleichzeitig glauben viele, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung nicht nur die materiellen Probleme lösen, sondern auch den gemeinsamen deutschen Staat würde schaffen können. Dabei sind industrielle Fertigung durch den Einsatz moderner Maschinen und Verbindung der einzelnen deutschen Staaten durch die Eisenbahn die Zauberworte, die eine glückliche Zukunft verheißen.

    Voraussetzung dafür ist der 1834 geschaffene Deutsche Zollverein, dem am Anfang neben Preußen die Königreiche Bayern und Sachsen sowie Darmstadt, Hessen und Thüringen angehören. Die Attraktivität eines gemeinsamen Wirtschaftsraums sorgt dafür, dass bis 1866 das Königreich Hannover und das Herzogtum Nassau sowie die Grafschaften Oldenburg und Baden beitreten. Bald danach folgen die norddeutschen Herzogtümer Schleswig, Holstein und Mecklenburg-Schwerin. Während die Ökonomen kühl kalkulierend vor allem die wirtschaftlichen Vorteile für den Transport von Waren und Personen sehen, erkennen die nationalen Revolutionäre im Deutschen Zollverein den Vorläufer eines deutschen Staates. Und tatsächlich entwickelt der Deutsche Zollverein eine beträchtliche politische Schubkraft. Aber trotz Zollverein und großen Anstrengungen bleibt die Industrieproduktion hinter den Bedürfnissen zurück. Die Verwendung von leistungsstarken und kostengünstigen Maschinen kommt nur schleppend voran, was besonders in der deutschen Stoffindustrie, die sich der starken englischen Konkurrenz zu erwehren hat, zu Verwerfungen führt. Englische Großhändler greifen auf billige Importe aus den Kolonien zurück und können so die deutschen Händler unterbieten. Die Antwort der deutschen Großhändler ist eine gnadenlose Senkung der Einkaufspreise.

    Weberaufstand in Schlesien

    Bei den Webern in Schlesien führt das zu chaotischen Zuständen. Trotz harter Akkordarbeit ist der Lohn für die Weber derart niedrig, dass sie nicht mehr überleben können. Unterernährung, hohe Kindersterblichkeit und unbändiger Zorn auf die Zustände, in denen sie leben müssen, sind die Folgen. Am 3. Juni 1844 entlädt sich die Wut der Weber in der schlesischen Kleinstadt Peterswaldau: Sie stürmen die Fabrik des Großhändlers und legen sie in Schutt und Asche. Die Nachricht vom „Weberaufstand" verbreitet sich wie ein Lauffeuer, wenig später sind mehr als 3.500 Weber an der Revolte beteiligt. Obwohl sich ihr Zorn ausschließlich gegen die Geschäftspraktiken der Großhändler richtet und auch nur deren Gebäude zerstört werden, fühlen sich auch die Adligen Schlesiens ihrer Haut nicht mehr sicher. Auf ihren Wunsch werfen eilig herbeigeführte preußische Soldaten den Aufstand blutig nieder. Wahllos schießen sie auf die Demonstranten, elf werden getötet – darunter Frauen und Kinder – viele von ihnen verhaftet.

    Der Aufstand der schlesischen Weber, dem wenig später der Dramatiker Gerhard Hauptmann (1862 – 1946) ein literarisches Denkmal setzt, schlägt fehl, die Aufständischen werden vor Gericht gestellt und zu hohen Haft- und Prügelstrafen verurteilt. Der Aufschrei gegen die jämmerliche Situation, in der sich die Arbeiter befinden, ist die erste „proletarische Revolution, von denen es in Deutschland und Europa in der Folgezeit noch einige geben wird. 1844 aber reagiert die sächsische Regierung mit harten Strafen und Repressionen. Überall in Deutschland werden einige Tausend Berufsverbote und Landesverweise ausgesprochen. Am Vorabend des Revolutionsjahres 1848 gibt es in Deutschland einerseits zahlreiche nationale „Spinner und Phantasten, die das Land verherrlichen und der eigenen Geschichte unkritisch und irrational gegenüberstehen. Andererseits wollen Teile der Nationalbewegung Deutschland politisch befreien und entwerfen zu diesem Zweck zahlreiche programmatische Zukunftskonzepte.

    Aber auch in anderen Ländern brodeln nationale Bewegungen, die nur mühsam von Polizei und Militär in Schach gehalten werden können. Der italienische Revolutionär und Jurist Giuseppe Mazzini ist nach London ins Exil gegangen und beobachtet von dort den italienischen Befreiungskampf des „Risorgimento. Sein Ziel ist die „Selbstbestimmung der europäischen Völker, die durch eine Befreiung und Einigung aller Völker des Kontinents erreicht werden könne. Gemeinsam mit einigen anderen

    Aktivisten gründet er den „Comitato europeo. Mazzinis Konzept strebt die Errichtung einer „europäischen Republik an – ein „Europa der Völker. Im gleichen Jahr fordert der Vorsitzende des ersten europäischen Friedenskongresses, der Schriftsteller Victor Hugo (1802 – 1885) in Paris die „Vereinigten Staaten von Europa. Beeindruckt von den revolutionären Aktionen in vielen europäischen Ländern, vor allem aber von der „Februarrevolution" 1848 in Frankreich, hat der Literat eine Vision:

    „Ein Tag wird kommen, wo diese beiden gewaltigen Staatengruppen, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Vereinigten Staaten

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