"Herbert wunschgemäß Felix": Roman einer Heimsuchung
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Der Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Oberlehn biegt auf seiner Fahrt nach Rostock bei Fehrbellin ab, um seinen alten Freund Per Olaf Höllerich zu einem Parteitag nach Rostock mitzunehmen. Herbert Wetter landet irrtümlich in der Armenkate statt in der Mühle von Per Olaf und erleidet dort einen Drehschwindel, der ihn außer Gefecht setzt. Im Krankenhaus Sommerfeld soll er auskuriert werden und wird beim ersten Besuch seines Freundes Per Olaf und dessen Frau Bernadette, der ehemaligen Jugendfreundin Herbert Wetters, zu einem Genesungsaufenthalt in der Schuftsmühle eingeladen.
Herbert erkennt mittlerweile, daß sein Freund letztlich ein Gauner ist, dessen ständiges Suchen nach Gewinn äußerst unbekömmlich ist.
Nach dem spektakulären Ableben Per Olafs richtet Herbert sich bei Bernadette ein und beide kommen sich näher. Bernadette bestärkt Herbert in seiner Absicht, das Amt hinzuwerfen, stärkt ihn aber gleichzeitig, eine andere Option zu wählen als einen Rücktritt. Gemeinsam mit anderen Betroffenen der Geschäfte Per Olafs planen sie eine Aufsehen erregende Wanderung von Kleinschuften nach Oberlehn.
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"Herbert wunschgemäß Felix" - Peter Schönhoff
Peter Schönhoff
Herbert wunschgemäß Felix
Roman einer Heimsuchung
Ich bin am Ende der Wanderung Herbert Wetters angekommen. Ich hab ihn losgeschickt und jetzt ist er da, wohin er wollte. Er ist jetzt gut aufgehoben. Herbert hatte seinem letzten Gesprächspartner geraten, eine Brunnenwache einzusetzen. Brunnen sind gefährdet, hatte Herbert zuletzt gesagt und dann, dass man für ein vernünftiges Leben kaum mehr einrichten könne, als einen gut gehenden Brunnen.
„Aber sicher, sage ich laut und komme in die Gegenwart zurück.. Ich meine die Anfälligkeit von Brunnen und Peter denkt, ich will noch `ne Flasche Bier. „Brunnen sind anfällig, die können jederzeit vergiftet werden.
, sage ich in sein verdutztes Gesicht und öffne die Flasche. Das Bier spritzt heraus und bekleckert meine liegende Holzfigur. Seit Wochen bin ich mit ihr beschäftigt. Sie soll ein Deutscher Genius werden, das ist mein Arbeitstitel. Ich hab das noch keinem gesagt. Deutscher Genius klingt doch sehr gestrig, klingt nicht nur alt sondern auch anmaßend. Bis jetzt weiß den Titel noch keiner. Da könnte es verhalten Häme und Spott hageln.
„Bier genau so, lacht Siegfried und bezieht sich auf die Anfälligkeit von Brunnen, die ich zu bedenken gegeben habe, eben gerade.. „ Bier wird zwar ständig kontrolliert, aber was wissen wir schon. Chemische und bakteriologische Untersuchungen konzentrieren sich auf bekannte Risiken. Aber die noch unbekannten fallen nicht auf. Weil man sie nicht kennt, so einfach ist das. Man kann nichts suchen, wenn einem nichts fehlt. Wie kommst’n drauf?
„Das ist genau richtig, sage ich. „Wenn einem nichts fehlt, hat man keinen Grund etwas zu suchen. Aber wer ist schon wunschlos. Irgend etwas fehlt immer. Sonst gäb’s keinen Antrieb. Selbst wenn du keinen Mangel leidest, sondern wenn plötzlich, sagen wir, etwas Außergewöhnliches passiert, also wenn sich was begibt, was gar nicht sein kann, stehst du da und fragst dich, wie es möglich ist, dass so etwas passiert. Obwohl man weiß, dass es das gar nicht geben kann. Daß es allen Gesetzen widerspricht. Das möchte man sich erklären. So gesehen fehlt einem doch etwas.
„Vielleicht der Durchblick", sagt Michael.
Siegfried fragt noch mal, wie ich drauf komme, auf den Brunnen eben und die Anfälligkeit.
„Das ist eine lange Geschichte", antworte ich. Die werde ich jetzt nicht erzählen. Die Geschichte muß ich erst noch einholen. Wir sind hier auf dem sogenannten Kunstacker in Göpfersdorf einmal im Jahr zusammen und arbeiten jeder an einer oder mehreren Holzplastiken. Pleinairs gibt es viele im Land. Das hat seit der Einheit rapide zugenommen. Seit der Einheit gibt es Kettensägen für jedermann und Holz und einen überlebenswichtigen Zwang zur Selbstvermarktung.
„Vielleicht fehlt einem manchmal wirklich der Durchblick., sagt Michael wieder. „Das muß ja nicht an mangelnder Intelligenz liegen. Meistens fehlen einem die Fakten. Meistens ist man nicht informiert und klaubt sich dann mühsam durch das Gewirr von scheinbaren Tatsachen.
„Ich sage da nur: Herr K.. Kafka hat den armen Herrn K. fassungslos vor einem Nebel stehen lassen. Er kommt da nicht durch, ja nicht einmal in die Nähe, aber der Nebel kommt ständig zu ihm.", sagt Peter und setzt sich zu Sig und Anja an den rohen Rundtisch unterm Kirschbaum und schnitzt der Tischplatte Botschaften ein. Die Platte ist übersät mit geheimen und ungeheimen Zeichen, mit Pfeilen und Federn und Pentagrammen und Gesichtern und Gesichten.
„Letzten Winter, im Februar, es war am Rosenmontag...", spinne ich meinen Faden und setze mich zu den anderen untern Kirschbaum. Über uns hat der Baum eine kräftige grüne Tarnkappe über gezogen. Mit vielen weißen Blüten darin. Die Kirschen kommen aber nicht recht voran, es ist zu kalt.
„Vielleicht krieg ich das nicht mehr zusammen, es ist ja schon eine Weile her", sage ich und weiß, dass es nicht die vergangene Zeit ist, die meine Geschichte gemacht hat. Sie muß wohl gerade jetzt entstehen und aussehen, als wäre sie schon sehr alt.
„Am Rosenmontag. Ich wachte wieder mal sehr früh auf. Das Aufwachen ist bei mir ein Ritual. In den ersten wachen Sekunden kann ich bestimmen, ob ich ganz munter werden will oder doch nicht. Das ganz oder nicht, ja oder nein geht bei mir völlig emotionslos. Ich beschloß aufzuwachen.
Ein weißes, kaltes Licht lag vor dem Fenster. Mit einem flüchtigen Blick sah ich, dass es geschneit hatte. Vielleicht die ganze Nacht durch, denn selbst der Kugelahorn am Hofrand war eingeschneit.
Ich weiß noch, dass ich mit Grausen an den langen Winter dachte und an den Ölpreis und dass bei diesem langen Winter meine Öltanks durch einen Strudel geleert würden. Während ich mir die Jeans überzog sah ich auf dem zugeschneiten Hof so etwas wie einen grauen Schatten. Es war aber kein Schatten, sondern ein Abdruck.
Ich sah durch mein Schlafzimmerfenster den Abdruck eines menschlichen Körpers. Mitten auf dem Hof lag eine virtuelle menschliche Figur. Ich starrte auf das Abbild und konnte es nicht fassen. Was mich aber eigentlich erstaunte war nicht der Körperabdruck im Schnee. Es war etwas anderes. Es gab da keine Fußspuren. Stellt euch das vor, keine Fußspuren.
So angestrengt ich auch in den Schnee starrte, ich konnte keine Spuren sehn. Die gesamte Schneefläche rund um den Abdruck war glatt und unbeschädigt."
Jetzt mach ich eine Pause. Bis hierher ist es schon eine erstaunliche Geschichte geworden. Anja, ich sehe es ihr an, hat die Situation genau vor Augen. Anja denkt in Bildern.
„Und da war noch etwas", gebe ich eins drauf.
„Über dem Kopf war eine Schrift. Es war aber noch nicht hell genug die Buchstaben zu entziffern. Weil die Kälte, die durchs Fenster zog, sehr streng war, zog ich Hemd und Pullover über. Ich hätte ja auch runter gehen können, aber ich wollte es von oben sehen. Durch das offene Fenster. Ich dachte : so geschehen Zeichen und Wunder. Ich sagte mir, dass es doch wohl Spuren geben müsste, denn irgend jemand ist hierher gelaufen und hat die Schrift in den Schnee gekritzelt und hat sich lang hinfallen lassen, ist aufgestanden und wieder gegangen.
Das müßte man sehen, denn so ist der Ablauf. Daß jemand sich einfach gerade fallen lässt, ist schon möglich, aber genau so gerade wieder aufstehen kann selbst ein Akkrobat nicht.’"
„Vielleicht doch, wenn er vorwärts gefallen ist.", sagt Michael.
Peter läßt sich neben seine Eichenkugel fallen. Er läßt sich einfach nach vorn fallen und fängt sich mit beiden Armen auf. Gesicht nach unten.
Lange kann er so nicht bleiben. Gesicht nach unten nimmt einem die Luft. Also legt er den Kopf zur Seite, und wir sehen sein Grienen. Die Arme hat er nach vorn ausgebreitet und die Beine leicht gespreizt.
Das Aufstehen geht nur, indem er die Beine anzieht und die Hände kräftig gegen den Boden stemmt. Uns ist jetzt klar, dass diese Art Aufstehen deutliche Spuren hinterlassen muss. Also konnte der Mensch auf meinem Hof, der Mensch?, also konnte dieses Wesen nur rücklings da gelegen haben.
„Vorwärts geht nicht, lacht Michael „Kannste vergessen. Aber vielleicht rückwärts.
Alle wissen, das geht auch nicht, aber Peter probiert das. Tatsächlich kann er den Oberkörper aufrichten, ohne die Arme benutzen zu müssen. Aber weiter geht’s nicht. Aus dem Sitz mit ausgestreckten Beinen aufstehen ist unmöglich.
„Das hab ich am Rosenmontag auch alles angestellt", sage ich. „Es war genau so vergeblich wie dein Versuch. Als es hell geworden war, konnte ich das Wort über dem Kopf der Figur lesen. ‚Felix’ stand da geschrieben."
„Ach ja?" fragt Anja.
„Felix! Der Glückliche ", sage ich.
„Wenn einem so etwas gelingt, kann man sich tatsächlich glücklich nennen, sagt Siegfried. „Aber krieg das erst mal hin. Im Kopf klappt so manches, da geht eigentlich alles.
„War einmal am Hofe von Eisennak", singe ich in die Runde und keiner weiß jetzt den Ansatz. Aber sie kennen mich und ich erkläre es in einer Kurzfassung: E.T.A. Hoffmann und Offenbach. Ja, im Kopf klappt so manches, da geht alles, gebe ich Siegfried recht.
Heute ist der Himmel eine undurchsichtige graue Decke, aber irgendwo darüber scheint die Sonne. Man sieht sie nicht und spürt sie nicht. Man ahnt sie aber.
Es ist kalt in diesem Mai. Vom nahen Sportflugplatz kommt kein Geräusch herüber. Sonst, bei schönem Wetter, hört man dauernd einen starten oder landen. Der fliegt über unseren Arbeitsplatz am Rande des Dorfes und wackelt mit den Tragflächen. Wenn Heiner mit dem Drachen kommt, könnte man ihn vom Himmel pflücken, so unwirklich nahe ist das. Der hängt wie eine rote Fliege im Himmel. Könnte man glatt wegklatschen. Aber heute ist es zu kalt. Die Thermik ist ungenügend. Obwohl ja der Motor die Thermik nicht benötigt. Aber bei der Kälte macht Fliegen eben keinen Spaß. Da sitzen die Piloten lieber am Hangar und träumen von schönem Flugwetter.
Das Land hier ist für’s Fliegen ideal. Der Flugplatz liegt auf einer Anhöhe und rings in den Tälern sind die kleinen Dörfer. Die Dörfer mit den seltsamen Namen wie Jückelberg und Flämmingen und Wolperndorf und Schwaben und Franken und Frohnsdorf, sogar Amerika gibt es hier. Vom Flugzeug aus sieht man diese Welt ohne Urteil, ohne Vorurteil. Man sieht einen kleinen Ausschnitt und dann wieder einen und so weiter.
„Hast du ganz deutlich Felix gelesen?, fragt Anja. Ich sehe, dass sie mir nicht traut.„Immerhin ist es gut erfunden.
, gibt sie zu.
„Gestern hätte Heiner fast den Reibach seines Lebens gemacht, sagt Michael. „Ich war abends noch auf ein Bier und ne Bratwurst auf dem Flugplatz. Viel war nicht mehr los, es waren vielleicht noch fünf Flieger da und ein Fremder. Die Bratwürste auf dem Rost waren schon eingeschlafen, weil das Feuer ausgegangen war. Der Fremde wollte Heiners Drachen mieten. Stellt euch das vor, der hat das Dreifache geboten. Der wollte nur einen Rundflug machen. Haben Sie überhaupt eine Lizenz?, hat Heiner gefragt. Tatsächlich hatte der Mensch mehrere Lizenzen, amerikanische. Da war uns alles klar. Erst hat das keiner gemerkt. Der Mann sprach fließend Deutsch. Nur sein R klang wie Oberlausitz. Der Fremde war den ganzen Tag hier. Er ist mit einem Jeep durch die Gegend gefahren und hat sich die Dörfer angesehen. Jetzt wollte er sie von oben begucken. Echt deutsche Idylle. Besser als Disney- Land. Weil echt. Die Amerikaner lieben echt deutsche Idylle. Sie geben dafür viel Geld aus. Zum Fliegen war es aber dann zu spät geworden.
„Hat der auf dem Flugplatz übernachtet?" frage ich.
„Der wollte nach Leipzig zurück. Aber heute will er seinen fälligen Rundflug machen."
„Dann sehen wir ihn ja", meint Siegfried.
„Vielleicht ist die Figur auf deinem Hof auch geflogen, Sebastian", gibt Siegfried zu bedenken und lacht unsiNach dem Überlesen der ersten Zeilen geschah es: er merkte plötzlich, wie ihm schwindlig wurde. Die Mühle vor ihm senkte sich mit rasender Geschwindigkeit von links oben nach rechts unten. Er konnte sich nicht mehr auf dem Sitz halten und kippte nach vorn in den Boden aus Ziegelmehl.
Was ist das?, dachte er und versuchte aufzustehen, fiel aber immer wieder auf die rechte Seite zurück. Außerdem war ihm plötzlich hundeelend, er erbrach sich in den Ziegelstaub.
Zunächst aber stellte er mit Genugtuung fest, daß er keine Angst hatte. Der Schweiß lief ihm zwar über das Gesicht, aber das war kein Angstschweiß. Sein erster Gedanke war der an einen Schlaganfall. Da spitzte er die Lippen und pfiff, so laut er konnte.
Er pfiff den Ohrwurm aus den Siebzigern- so wie es kommt, so ist es recht- und da sah er auf einmal durch die geöffneten Finger seiner linken Hand, die er instinktiv vor die Augen gehalten hatte, Angela Davis über sich.
„Jetzt werde ich wirklich verrückt, sagte er laut, „Angela Davis...
„Was suchen sie hier?", fragte Angela Davis mit einer Männerstimme.
„Per Olaf, den Junker Galloway", antwortete er brav zurück
und schloß sogleich wieder die Augen mit der linken Hand.
Junker Galloway! Er versuchte sich zu erinnern, woher er den Namen hatte.
„Wir müssen einen Arzt holen", sagte eine Mädchenstimme.
„Soll ich dir mal was sagen, erwiderte Angela Davis „der Kerl liegt hier nackt auf unserem Grundstück und pfeift einen Oldie. Wenn der nicht besoffen ist, fress ich ‚nen Besen.
Jetzt roch er das Mädchen. Es kam ganz nahe an sein Gesicht
und sagte: „Der ist nicht blau, der muß zum Arzt."
Das Mädchen hatte ein ganz kleines bißchen nach Terpentin
gerochen, nach Terpentin und Druckerschwärze.
Die i' s liegen ganz rechts, Bernadette, dachte er, gleich neben den großen M's und wer das nicht im Blut hat, kommt nicht durch.
Er hörte das Mädchen sagen : „Wir rollen ihn auf meinen Mantel, er kann doch so nicht liegen bleiben. Achtung, Herr! Hat der Herr auch einen Namen?", fragte sie.
„Herbert Wetter", sagte er und bemühte sich, gut zu artikulieren, weil er bemerkt hatte, daß ihm mit der trockenen Zunge im Rachen, das Artikulieren schwer fiel und er nicht den Eindruck eines Schlaganfalls erwecken wollte
*
„Der Journalist ist dran". Bernadette reichte Per Olaf den Apparat.
Per Olaf zögerte einen Augenblick, es hatte ihn gerade wieder ein Schluckauf geplagt, den er wie immer mit einem Schluck Weißwein zu bekämpfen suchte. Das war jetzt nicht die beste Zeit für ein Telefonat.
Vielleicht aber wollte der Pfeifer sich endlich entschuldigen für den gemeinen Artikel im Fehrbelliner Anzeiger
. Daß dann der Junker Galloway
erschienen war, nahm Per Olaf nicht als Entschuldigung hin. Gemein war der Schriebs vorher. Pfeifer schrieb schließlich für seine Zeitung, Per Olafs, Zeitung. ‚Nestbeschmutzer,’ raunte Per Olaf vor sich hin.
Er setzte sich in den Korbsessel auf der Terrasse und sagte kurz: „Jabitte."
„Pfeifer", kams aus dem Telefon.
„... womit kann ich ihnen weiterhelfen, Herr Pfeifer?"
„Mir nicht, sagte Herr Pfeifer, „sie können Herrn Wetter, Herbert Wetter, weiterhelfen. Der hat sie auf meinem Grundstück vermutet und einen Infarkt gehabt. Jetzt liegt er im Klinikum Sommerfeld . Ich wollte es nur gesagt haben, weil seine Sachen und sein Auto...
usw..
Jetzt war eine längere Pause, ‚mein Grundstück, haha, Herr Pfeifer, das werden wir noch sehen' schoß es Per Olaf durch den Kopf, bis Per Olaf kurz „Danke , ich laß das Zeug holen" sagte und auflegte.
„Hebbatt, Per Olaf nickte Bernadette bedeutungsvoll zu und fügte an: „Die Fahrt nach Rostock fällt wohl aus.
Dann erzählte er ihr, daß Hebbatt
einen Herzinfarkt erlitten habe und das ausgerechnet auf dem besagten Grundstück und daß er schwer danieder läge im Klinikum Sommerfeld und sie jetzt seine Klamotten und sein Auto holen sollten, denn das sei man ihm schuldig.
„Was für Klamotten?, fragte Bernadette, „haben die ihn etwa ausgeraubt?
Was sollte er darauf antworten, er wußte es nicht.
„Vielleicht haben sie ihn frei gemacht, damit er Luft..." Per Olaf winkte vage mit der Hand und vollendete den Satz nicht.
Schade, dachte er, wir wollten doch von Rostock aus mal kurz in'n Puff nach Hamburg, wird wohl nichts.
Bernadette hatte bis jetzt an einem Sonnenuntergang über dem See
gearbeitet.
Sonnenuntergänge waren ihre Spezialität, sie malten sich flott von der Hand und wurden gern gekauft.
Ihre Aquarelle trugen neben den Titeln und der Signatur auch noch eine Art Impressum, das sie wie ein Zertifikat verkaufte: gemalt mit echten englischen Aquarellfarben und Kolinski-Marderpinseln. Darauf hatte sie die junge Druckerin in Per Olafs Industriemuseum gebracht.
Inga, die Druckerin, war Absolventin irgendeiner Kunsthochschule in Sachsen und druckte eigene Künstlerbücher, die Per Olaf über verschiedene Galerien und Buchhandlungen zu vertreiben trachtete. In den Büchern führte das Impressum immer die Angabe der gebrauchten Schrift und des verwendeten Papiers. Bernadette hatte Inga manchmal eingeladen, hatte ihr die Aquarelle gezeigt und um Meinung gebeten.
Irgendetwas müßte wohl noch anders gemacht werden, meinte Bernadette und Inga hätte sich beinahe an einem Dinkelkeks verschluckt. Zum Glück fuhr aber Bernadette fort: Es müßte so ein seriöser Hinweis auf das Material vermerkt werden.
, worüber Inga sich beinahe noch einmal verschluckt hätte und dann den Rat gab, doch unbedingt die Farben und die Kolinski-Marderpinsel zu
erwähnen.
Bernadette löste jetzt den Knoten ihres prächtigen Kupferhaares, schüttete das Wasser auf die Freifläche vor der Terrasse, legte säuberlich die chinesischen Pinsel auf das zierliche Trockengestell, schloß den Farbkasten und sagte:
„Wenn du ohnehin nicht nach Rostock fährst, könnte ich ja mitkommen, denn einer muß doch Herberts Wagen fahren."
Herr Pfeifer erwartete sie bereits. Herberts Sachen hatte er auf den Kühler des Autos gelegt.
„Die Klamotten sind noch naß , sagte er. Die Papiere und die Autoschlüssel sollten sie selber suchen, vielleicht wären sie in der Jacketttasche. „Ich hab mich nicht dran vergriffen.
Es war alles tatsächlich schnell gefunden und in weniger als einer dreiviertel Stunde waren sie in Sommerfeld.
Per Olaf und Bernadette stapften den gebohnerten Flur im Haus sechs C entlang, ein ansehnliches, barockes Paar, stets auf der Hut, nicht auszurutschen. Per Olaf im grauen Trachtenjanker und blauen Tuchhosen, Bernadette im Landhauskleid mit