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Berliner Miniaturen
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Berliner Miniaturen

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Das Buch enthält mehr als hundert Fotos mit kurzen Begleittexten über Skulpturen in Berlin. Die Stadt mit ihren Menschen und Gegenden, ihrer Kunst und Geschichte wird teils subjektiv, teils sachlich, häufig ironisch, aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Die biographische Tatsache, dass der Autor seine Jugend in Budapest verbrachte, spielt in die Beschreibungen mit hinein: der Soldat aus Treptow begegnet einem gewissen Ostapenko am Rande von Budapest; 1953 in Ostberlin und 1956 in Budapest verbindet nicht zuletzt die nach hinten gekämmte Frisur und die gleiche Badehose.
Die Eckpunkte der Entwicklung der Kunst im öffentlichen Raum Berlins von den Anfängen über die Berliner Bildhauerschule im 19. Jahrhundert bis hin zur zeitgenössischen Kunst finden genauso Erwähnung wie die Fragen, die der Einzug der modernen Kunst in den Stadtraum seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts aufwarf. Der jeweilige Standort der Plastiken gibt Anlass, die Gegenden um sie herum atmosphärisch oder architektonisch zu beleuchten, Denkmäler laden dazu ein, über die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu sprechen.
Man könnte die bebilderten Texte als urbane Scherben bezeichnen. Sie liegen herum, nebeneinander.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateMay 19, 2014
ISBN9783844295528
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    Berliner Miniaturen - Attila Schauschitz

    Attila Schauschitz

    Berliner Miniaturen

    Teile dieses Buches sind 2009 mit dem Titel »Berlin utcáin« beim Verlag Kalligram in Bratislava in ungarischer Sprache erschienen. Für die vorliegende Veröffentlichung wurde der Text erweitert und überarbeitet.

    Lektorat: Anikó Vinzelberg, Lacy Kornitzer

    Fotos: Attila Schauschitz, Smaragdenstadt-Fanpage (Wilhelms Tierpark), Axel Mauruszat (Der verschwundene Leiter), Andreas Steinhoff (Neuer Raum, alte Zeiten)

    Cover: Attila Schauschitz

    Berliner Miniaturen

    Attila Schauschitz

    Copyright: © 2014 Attila Schauschitz

    published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    ISBN 978-3-8442-9552-8

    »Und das ist schließlich alles, was man von einem Buch verlangt – dass es einen unterhält.«

    (Paul Auster: Stadt aus Glas)

    Inhalt

    Der öffentliche Raum aus persönlicher Sicht

    Der Findling

    Der erste Reiter

    Unsere Ruinen

    Der Soldat in Treptow

    Stolpern in Berlin

    Zeitgetreue Generäle

    Ewige Suche

    Der Simulant

    Fußmonolog

    Aus Trümmern entstanden

    Straße der Rosen

    Der kleine General

    Erster Anlauf

    Wo der blaue Enzian blühte

    Purzelbaum

    In der Tiefe

    Das Gorgo-Mädchen

    Hart am Kleinen Wannsee

    Hauskonjugation

    Patriotisches Eisen

    Unvollendeter Kreis

    Ausgezogen

    Der Tolnai-Flamingo

    Süßes Daheim

    Weit und breit

    Würdevolle Gestalten

    Himmelstürmer

    Nackte Cadillacs

    Charlottenburger Momente

    In dichten Reihen

    Schatten in der Wand

    Auf den Spuren von Jaczo

    Der große Gärtner

    Menschenlandschaft

    Der fliegende 52er

    Unten im Süden

    Ein Garten im Kanal

    Unser Turnvater

    Die Stadt von Gropius

    Schilder in der Höhe

    Die Schleuder

    Der letzte Heizer

    Vom Erotischen zum Heroischen

    Im Klartext

    Unbequemer Pimmel

    Blumen und Wespe

    Gerüst

    Luxemburgs Rückkehr

    Lärm und Stille

    Nach der Schlacht

    Berlins Flammen

    M & E

    Unklare Zusammenhänge

    Emigranten

    Verdammter Nebel

    Wilhelms Tierpark

    Treffpunkt Rotary Club

    Gewichtiger Schmetterling

    Durch die Mauer

    Zerbrechliche Balance

    Der Reichshund

    Einer fehlt

    Ein toter Demonstrant

    Hutverfolgung

    Schaukelpferd

    Schwierige Stellung

    Sie dürfen sich küssen

    Unerschütterlich

    In der Verbannung

    Vergangene Kneipen

    Bismarck forever

    Durch und durch

    Serra contra Kabakov

    Der verschwundene Leiter

    Die zwei Mauerläufer

    Heimball

    Märkische Szenen

    Sezessionistischer Löwe

    Die Spachtelanbeter

    Durchlöchert

    Ein Gottbegnadeter

    Korrekte Pferde

    Krallen

    Neuer Raum, alte Zeiten

    Vor dem Absturz

    2 x Einstein

    Schön angerichtet

    Schmerzhafter Ausflug

    Steckenpferd

    Die große S-Bahn Runde

    Zwischen Erde und Himmel

    Hilfsbereite Hände

    Hasenspuren

    Im Neuköllner Wald

    Komplizierte Zeiten

    Quo vadis?

    Straßentheater

    Inventur in Köpenick

    Großer, kleiner Mann

    Der öffentliche Raum aus persönlicher Sicht

    Ilja Kabakov schrieb über seine Plastiken im öffentlichen Raum, dass sie alle drei Arten der möglichen Betrachter ansprechen sollten: den Anwohner, den Flaneur und den Tourist. Auch die vorliegende Arbeit über Berlin und seine Skulpturen versucht einem solchen Anspruch zu genügen. Sie wurde aus dem Blickwinkel sowohl eines Anwohners als auch eines Flaneurs geschrieben und möchte die so gewonnenen Eindrücke auch mit einem Touristen teilen.

    Das Buch enthält neunundneunzig kurze Texte jeweils mit mindestens einem Foto von einem Kunstwerk im öffentlichen Raum. Es handelt sich dabei weder um eine kunstwissenschaftliche Abhandlung noch um einen Reiseführer: In den mitunter literarisch gefärbten Texten wechseln sich sachliche Darstellungen, ironische Kritiken und Impressionen ab.

    Die biographische Tatsache, dass der Autor seine Jugend in Budapest verbrachte, spielt in die Beschreibungen mit hinein: Um die Medusa am Henriettenplatz erscheinen als Kulissen die bröckelnden Fassaden der Josefstadt, des 8. Bezirks in Budapest; der Soldat aus Treptow begegnet einem gewissen Ostapenko sowie der Hündin Laika; 1953 in Ostberlin und 1956 in Budapest verbindet die nach hinten gekämmte Frisur und die gleiche Badehose; der ungarische Schriftsteller OttóTolnai verzaubert die rosaroten Rohrleitungen über die Berliner Straßen in Flamingos, und Vater findet seine Ruhe als Heizer auf dem Tempelhofer Rangierbahnhof.

    Die Auswahl der Plastiken ermöglicht die Behandlung verschiedener Themen. Die Eckpunkte der Entwicklung der Kunst im öffentlichen Raum von den Anfängen über die Berliner Bildhauerschule im 19. Jahrhundert bis hin zur zeitgenössischen Kunst finden genauso Erwähnung wie die Fragen, die der Einzug der modernen Kunst in den Stadtraum seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts aufwarf.

    Ein anderer Faden verbindet die Beiträge, in denen es um Geschichte und Gegenwart der Stadt geht. Der jeweilige Standort der Plastiken gibt Anlass, die Gegenden um sie herum atmosphärisch oder architektonisch zu beleuchten, Denkmäler laden dazu ein, über die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu sprechen, während zeitgenössische Werke darauf verweisen, wie die Stadt oder die in ihr wirkenden globalen Unternehmen als Sponsoren das Gesicht Berlins durch öffentliche Kunst prägen.

    Abgesehen von temporären Installationen sind Kunstwerke im öffentlichen Raum für die Ewigkeit gedacht; dennoch verschwinden manche aus verschiedenen Gründen. In dieser Sammlung sind auch Werke enthalten, die inzwischen nicht mehr zu sehen sind – schließlich gibt es auch gute Argumente dafür, Verwandte aus dem Familienalbum nicht zu entfernen, nur weil sie gestorben sind.

    Die ästhetische Frage lautet: Was ist so außerordentlich anziehend an dieser grundsätzlich hässlichen Stadt? Auch wenn sie als Ganzes kaum existiert und in Stücke zerfällt, sind ihre Details unwiderstehlich und überwältigend. Sinn und Seele finden in ihr nie zur Ruhe. Sie hält Überraschungen bereit, schafft Spannungen, bleibt immer aufregend.

    Die Anziehungskraft Berlins, einer Metropole mit provinziellen Zügen, entfaltet sich allmählich. Beginnen könnte man mit den Parks, den Friedhöfen oder nicht zuletzt mit den Kneipen. Betrachtet man allerdings die Kunst im öffentlichen Raum als das Selbstbildnis einer Stadt, kann man von Berlin angesichts seiner mehr als 2400 Plastiken und Reliefs, dieser gigantischen Ausstellung unter freiem Himmel, behaupten, es gebe wenige Städte in Europa, deren Gesichtszüge markanter ausgearbeitet sind. Berlin ist deshalb auch anhand seiner Kunstwerke auf den Straßen und Plätzen nacherzählbar.

    Als sich die Frage stellte, wie die Texte angeordnet werden sollten, schien eine abwechslungsreiche Reihenfolge mehr Vorteile zu versprechen als eine systematische Gruppierung nach Themen, der historischen Zeit oder den jeweiligen Standorten der Skulpturen im Stadtraum.

    Man könnte die bebilderten Texte als urbane Scherben bezeichnen. Sie liegen herum, nebeneinander.

    Findling

    1912

    Im Schwarzen Grund

    Der Findling

    Am Anfang war der Stein. Der Stein der Kunst. Man zeichnete darauf, bemalte, bewunderte und betete ihn an. Zu Recht steht also auch dieser hier am Anfang, stellvertretend für alle Kunstwerke Berlins im öffentlichen Raum. Ein Stein, der nichts sagen will und doch viel bedeutet.

    Im hiesigen Sand, wo man sonst nur Kartoffeln und Spargel findet, wurde jeder Stein als ein kleines Wunder betrachtet und geschätzt. Bereits der Name Findling weist auf etwas Unerwartetes und Überraschendes hin. Die Berliner wussten ihn sich auch zu Nutze zu machen: Seit 1763 hatte jeder Brandenburger Bauer, der in die Stadt kam, zwei Feldsteine für den Bau von Straßen und Häusern in seinem Wagen mitzubringen.

    Dieser Findling mit einem Gewicht von fünfzig Tonnen tauchte 1912 im Süden der Stadt, in Dahlem, beim Bau der U-Bahn auf. Zunächst konnte er nicht einmal mit 16 Zugochsen bewegt werden. Mittels Flaschenzügen und Rundhölzern wurde er schließlich in zwei Wochen vierzig Meter weiter, zu seinem heutigen Standort geschleppt.

    Beträchtlichere Findlinge in Berlin sind denkmalgeschützt. Ihre kunsthistorische Bedeutung lässt sich kaum bestreiten. Es ist zum Beispiel anzunehmen, dass dieses Exemplar die BalloonFlower von Jeff Koons inspirierte. Nur wurde die aus dem Findling strömende wilde Sexualität durch die künstlerische Bearbeitung zu einer erotischen Ausstrahlung gemildert. Offenkundig ist auch die Verwandtschaft der Form mit dem Houseballvon Claes Oldenburg, und nicht einmal die Mobilität von diesem stellt einen Widerspruch dar, wenn man in Betracht zieht, dass die Unbeweglichkeit der Findlinge in historischem Maßstab nur eine Scheinbare ist.

    Erstens wanderten sie, als solche noch Moränen genannt, während der Eiszeit aus Skandinavien und dem Baltikum hierher. In Fachkreisen ist es außerdem ein offenes Geheimnis, dass die Findlinge sich immer noch bewegen, sich gegebenenfalls auf den Weg machen. Man hält es allerdings für eine allzu kühne Deutung, dass eine Art Sehnsucht nach menschlicher Gesellschaft der Grund dafür wäre.

    In diesem Zusammenhang soll die neueste Geschichte des seit je von Legenden umwobenen Dahlemer Findlings wie folgt zurückgegeben werden. Man beruft sich dabei auf einen Gast einer benachbarten Kneipe. Er saß dort einsam und dachte gerade über die Vergänglichkeit der Zeit nach, als zu später Stunde der Findling in den Raum dröhnte und ihm Fragen nach dem Preis der hiesigen Schnäpse stellte. Nach jeder Antwort zuckte er zusammen und rollte schließlich mit überraschender Geschwindigkeit hinaus. Am nächsten Tag stand er wieder auf seinem gewohnten Platz. Seitdem hat man aus ihm kein Wort mehr herausbekommen.

    Andreas Schlüter

    Reiterstandbild des Großen Kurfürsten 1700

    Schloss Charlottenburg, Ehrenhof

    Der erste Reiter

    Vor dem Schloss Charlottenburg verdient das dortige Exemplar der Reiterstandbilder, die man normalerweise nicht einmal eines Gähnens würdig findet, einen respektvollen Blick. Das Werk Andreas Schlüters war die erste Reiterstatue nicht nur in Berlin, sondern auf deutschem Boden. Sie erinnert an die Jahre um die Wende des 17. zum 18. Jahrhundert, als das Fürstentum Preußen-Brandenburg die ersten Schritte auf dem langen, mühsamen Weg unternahm, Europa nicht nur militärisch, sondern auch kulturell ebenbürtig zu werden.

    Um diese Zeit wird in Berlin die Kunst- und die Wissenschaftsakademie gegründet und anstelle von Italienern oder Franzosen – wie in anderen deutschen Fürstentümern auch – ein deutscher Künstler, eben Andreas Schlüter, zum Hofbildhauer ernannt. Mit anderen Worten steht man hier vor dem Beginn der Selbstständigkeit der bildenden Künste in Berlin.

    Das Denkmal für Friedrich Wilhelm (1640–1688), den Großen Kurfürst, bietet dem heutigen Betrachter das angenehme Gefühl zu erkennen, was hier dargestellt wird: oben ein Reiter und unter ihm vier Figuren in verschiedenen Posen. So einfach war es aber auch damals nicht, die Kunst zu verstehen. Das Pferd spricht noch einigermaßen für sich, aber dem lebensnahen Profil und der zeitgetreuen Perücke des Fürsten widersprechen die gepanzerte Weste und die antike Hülle. Zur Erklärung müsste man also vor Augen halten, dass Schlüter eine Tradition fortsetzte, die das Reiterstandbild Mark Aurels auf dem Platz vor dem Kapitol in Rom begründete. Auch die vier Figuren, die nach einem mittelalterlichen Motiv aus Italien als Sklaven identifizierbar wären, hätten im 17. Jahrhundert in Brandenburg nicht viel zu suchen gehabt, wenn Schlüter die Gestalten aus der Kriegsbeute nicht zu Symbolen der vier Grundtypen von Gemütsarten erhoben hätte.

    Das Werk, das ursprünglich im Zentrum Berlins stand, wurde im Zweiten Weltkrieg abgebaut und außerhalb der Stadt in Sicherheit gebracht. Seine Rückkehr im Jahre 1947 führte zu einem Fiasko: Die mehrere Tonnen schwere Statue versank im Wasser, als man sie auf dem Seeweg nach Berlin transportieren wollte. Etliche Jahre später wurde sie geborgen, und trotz des aus Ost-Berlin angemeldeten Anspruchs nicht in die sowjetische Besatzungszone gebracht, sondern vor dem Schloss Charlottenburg im britischen Sektor zur Ruhe gesetzt.

    Henry Moore

    Liegende, 1956

    Hanseatenweg 10

    Unsere Ruinen

    Die Plastiken Henry Moores waren unter den ersten modernen Werken, die in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aus den Museen unter freien Himmel kamen, wo sie dann zum Opfer vom Vandalismus wurden. Eine sitzende Figur wurde mit Pech vollgeschmiert und mit Federn bestreut. Eine andere, ähnlich wie das auf dem Foto gestaltete Liegende, mit blauer Farbe übergossen. Sie wurde damals in einem Leserbrief mit einer verstümmelten Leiche in fortgeschrittenem Stadium der Verwesung verglichen. Diese Beschreibung wird auch der Skulptur vor dem Gebäude der Akademie der Künste im ehemaligen Westberlin – abgesehen von der bei Toten ungewöhnlichen Körperhaltung – ziemlich genau gerecht.

    Moores Akt verbirgt, wenn auch keine erotische, so doch eine gewisse intellektuelle Spannung gegenüber den oft gesehenen, für manche vielleicht schon zu langweiligen und harmonischen Darstellungen der Frauenkörper. Die Frage drängt sich auf: Warum sieht sie so aus?

    Stellten wir der Skulptur selbst die Frage, würde sie womöglich antworten: Ich bin ein modernes Kunstwerk und will weder schön noch selbstverständlich sein. Genauso wenig möchte ich vollendet und abgeschlossen daliegen, also etwas darstellen, was nicht oder nur äußerst selten existiert. Man könnte annehmen, ich würde einfach nur so unter der Sonne dahin schmelzen, doch die Sache ist komplizierter. Ich spreche davon, dass das Leben unvollendet, hässlich und verstümmelt ist, und was meine Gliedmaßen angeht, kann ich dem ungarischer Schriftsteller nur beipflichten, der schrieb: Alles beginnt bei den Beinen, das Böse greift zuerst dort an. Und der Beobachtung dieses Prozesses an uns selbst kann nur der Tod ein zweifellos wohltätiges Ende bereiten.

    Ich verstehe ja, dass Sie bei all den Problemen, die Sie haben mögen, nicht auch noch solche Dinge ungebeten ins Gesicht gesagt bekommen wollen. Deshalb habe ich ein gewisses Verständnis für die Körperverletzungen, die man uns zufügt, denn – wie Dario Gamboni so treffend schrieb – »vor allem im öffentlichen Raum übten die Skulpturen eine symbolische Gewalt aus, der die physische Gewalt der Ikonoklasten antwortete«.

    Ich kann sogar nicht ausschließen, dass die Zerstörung das Werk geradezu vervollkommnet, denn sie führt in diesem Fall die vom Künstler beabsichtigte Unvollständigkeit zu Ende. Deshalb gefiel mir der Hammer, den der Künstler bei einer Parkausstellung in Biel 1980 neben seine Arbeit legte. Er forderte die Zuschauer auf, ihren Instinkten freien Lauf zu lassen und das Werk sozusagen zu beenden. Die traurige Pointe der Geschichte war, dass man den Hammer geklaut und ihn bei Skulpturen eingesetzt hatte, für die er nicht vorgesehen war.

    J. W. Wutschetitsch, J. S. Belopolski

    Sowjetisches Ehrenmal, 1949

    Treptower Park

    Der Soldat in Treptow

    Wenn unsere Gedankenwelt damals, im – nach eigener Auskunft – fortschrittlichsten Gesellschaftssystem

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