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Grenzerfahrung - Der Trip meines Lebens: Lebe deine Träume anstatt sie nur zu träumen
Grenzerfahrung - Der Trip meines Lebens: Lebe deine Träume anstatt sie nur zu träumen
Grenzerfahrung - Der Trip meines Lebens: Lebe deine Träume anstatt sie nur zu träumen
Ebook462 pages6 hours

Grenzerfahrung - Der Trip meines Lebens: Lebe deine Träume anstatt sie nur zu träumen

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About this ebook

In meinem Leben lief im Grunde alles nach Plan und doch fehlte mir irgendwie etwas. Ich vermisste das Gefühl der inneren Zufriedenheit. Ich war neugierig nach dem Neuem, dem Unbekannten und war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung, einer Grenzerfahrung. Auf mich sollte die grenzenlose Welt, die Freiheit und das Abenteuer warten. Ausgestattet mit ein wenig Geld, einem Rucksack und einer Menge Mut begann ich als Backpacker zusammen mit einem Freund die Reise meines Lebens. Wir starteten in Indien und tauchten in eine Welt ein, die nicht gegensätzlicher zu der eigenen in Deutschland hätte sein konnte. Wir lernten Land, Leute und Kultur mit unzähligen Hochs und Tiefs in einer Weise kennen, die einem als normaler Tourist verborgen bleibt. In Nepal ging ich im Himalaya an meine körperliche Grenze und lernte eine Naturkulisse von einmaliger Schönheit kennen, während Singapur mit seiner glitzernden Modernen für den extremen Kontrast sorgte. Nordwärts durch Malaysia begegnete ich das Paradies auf Erden, lernte meine Liebe kennen und erfuhr, was es bedeutet angstgetrieben um sein Leben zu rennen. In Thailand wurden wir mit dem Massentourismus konfrontiert, tauchten in die Hangover-Welt von Bangkoks Nachtleben ein und fanden im Norden die notwendige Ruhe. Auf dem Weg über Laos nach Kambodscha traten wir schließlich durch ein Portal in die Vergangenheit. Wir lernten nicht nur das einfache Leben im laotischen Dschungel kennen, sondern stießen auch auf die menschlichen Grausamkeiten aus dem Vietnamkrieg. Kambodscha konnte unsere Reise mit seiner geschichtsträchtigen Hauptstadt, seinen paradiesischen Inseln und dem magischen Angkor Wat gebührend abschließen.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateAug 25, 2018
ISBN9783746756691
Grenzerfahrung - Der Trip meines Lebens: Lebe deine Träume anstatt sie nur zu träumen
Author

Kevin Czyrka

Nach dem Bachelorabschluss habe ich mich entschlossen, die Reise meines Lebens zu beginnen! Zur Verarbeitung der Erfahrungen und Empfindungen habe ich mich entschlossen ein Buch über genau jene Reise zu schreiben

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    Book preview

    Grenzerfahrung - Der Trip meines Lebens - Kevin Czyrka

    Grenzerfahrung - Der Trip meines Lebens

    Prologe

    Indien

    Nepal

    Singapur

    Malaysia

    Thailand

    Kambodscha

    Thailand 2.0

    Prologe - Wie alles begann  

    Es schien alles bereits vor über 23 Jahren angefangen zu haben. Dieses ungestüme Verlangen die Welt zu entdecken und sich dabei in Abenteuer oder gar Gefahren zu stürzen, hat ganz Gewiss ihren Ursprung bei meinen Eltern. Woher auch sonst? Seit ich denken kann, bereisen meine Eltern mit mir zusammen die Welt und interessieren sich seither für fremde Kulturen. Gepaart mit dem instinktiven Verlangen an die Grenzen des menschlichen Körpers und Geistes zu gehen, welches ich zweifeillos von meinem Dad vererbt zu haben schien, war es nur eine logische Konsequenz sich irgendwann, lediglich mit einem Rucksack und etwas Geld ausgestattet, auf den Weg in eine andere Weltregion zu machen. 

    Wenn mich nun aber einer nach dem Initialfunke fragt, der mich zu dieser Reise bewegte, werde ich wohl das Datum des 17. Januar 2012 nennen. An dem Tag landete ich gerade mit dem Flugzeug aus Australien. Ich hatte meine damalige Freundin, die dort ein Aupair-Jahr absolvierte, besucht und fuhr mit ihr im Mietwagen über einen Monat die komplette Ostküste von Brisbane bis Melbourne entlang. Was lediglich als Besuch zur Aufrechterhaltung unserer Beziehung geplant war, entwickelte sich für mich zu einem lebensverändernden Erlebnis. Auch wenn unsere Beziehung zerbrach, war ich von Australien und ganz besonders von dem Reisestil, dem sogenannten „Backpacking", einfach nur fasziniert! Diese Freiheit, die sich dort vor einem darbietet, dieses unendliche Gefühl von sämtlichen Problemen des Alltags befreit zu sein, ist schlecht in Worte zu fassen. Es ist eine komplett andere Welt, eine für mich total fremde. Als Gefangener unserer populistischen Konsumgesellschaft empfand ich das Backpacken inspirierend und zugleich befreiend. Gepaart mit dem Verlangen mich selbst einmal inmitten eines großen Abenteuers zu sehen, beschloss ich nach meiner Landung aus Australien eine längere Reise in einer Weltregion fremder Kulturen zu unternehmen.

    Es hat genau ein Jahr gedauert bis sich konkrete Vorstellungen formten, die Welt erneut aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Im Jahr nach Australien schien mein Leben, vielleicht mehr als ich mir eingestehen wollte, aus den Fugen zu geraten. Aber der Traum nach purer Freiheit mit dem Ziel die Welt zu entdecken, loderte in mir weiter wie ein Feuer. Ich schwärmte immer wieder auf Partys oder auch auf der Straße, wie sehr mir Australien gefallen und wie viel mehr mich das Feeling als Backpacker beeindruckt hat. Ausnahmslos stoß ich auf interessierte Gesichter, doch nur bei einem merkte ich, dass ein ähnliches inneres Verlangen existierte. Björn Armbrecht, Studienkollege und guter Freund, liebt genauso sehr wie ich die Natur und das Abenteuer und war ganz gebannt etwas Neues kennenzulernen. Im „Vollsuff" formten sich schließlich die ersten Ideen, inwieweit man gemeinsam eine große Reise gestalten kann. Immer wieder sprach man davon, doch leider nie nüchtern; was einen ganz guten Eindruck vermittelt, welch' einen Lebensstil ich vor der Reise pflegte. Ich lebte nur so vor mich hin. Ich hatte zwar mit meinem Bachelorabschluss ein direktes Ziel vor Augen, doch alles andere schien sich immer mehr von mir zu entfernen. Die Welt um mich herum verschwamm. Für was genau verbringt man eigentlich ganze Lernnächte am Schreibtisch und was kommt nach dem Bachelor? Klar, allerorts wird vom Master gesprochen, aber will ich das wirklich? Was will ich überhaupt im Leben erreichen? Ich fühlte mich in meinem eigenen Leben entfremdet und suchte nach Antworten.

    Den finalen Entschluss gemeinsam nach dem erfolgreichen Abschließen des Bachelors in Robinson-Crusoe-Manier einen fremden Kontinent zu bereisen, fassten wir schließlich Anfang 2013. Wie genau wir dabei auf die Reiseroute oder gar auf die Ausführung im Einzelnen gekommen sind, wissen wir beide selber nicht mehr und ist im Grunde auch völlig egal. Nur eines war wichtig und zwar seine Träume zu leben und nicht nur zu träumen. Für uns stand fest, es muss sich in unserem Leben etwas verändern, wir brauchten eine neue Erfahrung. Eine Erfahrung, die uns mehr Weitblick gewährt und es uns ermöglicht sich selbst besser kennenzulernen. Die Frage wer bin ich eigentlich und was ist wirklich wichtig im Leben, stellte sich mir seit Australien immer wieder. Ist es der Konsum, dem man nacheifern soll? Ist es das Streben nach Macht und Geld oder eher familiäre Nähe? Wem kann ich im Leben eigentlich vertrauen? Wer sind meine wahren Freunde und wie erkenne ich diese? All das wusste ich mit ein paar Ausnahmen nicht so wirklich für mich zu beantworten. Der einzige Anker für mich war meine Familie, die immer zu mir stand. Aber reicht das wirklich, um glücklich zu sein? Und was bedeutet eigentlich Glück und Zufriedenheit? Ich fühlte mich innerlich aus dem Gleichgewicht gebracht!

    Schon als kleiner Junge wurde ich immer als liebenswert und vorbildlich bezeichnet. Einer, der es jedem Recht machte, Konflikte stets versuchte zu lösen und so gut wie nie schlechte Laune besaß. Ich war erfolgreich in fast allem was ich machte und war für manche gar ein Vorbild. Doch manchmal war der Schein größer als das Sein und ich versuchte mich hinter einem breiten Lächeln zu verstecken. Gelang dies nicht, ging ich immer häufiger mit Freunden feiern, lernte Frauen kennen und trank sehr viel. Ich lenkte mich selbst ab und floh vor einer Realität, die mir selbst immer fremder vorkam. Dabei versuchte ich nicht nur alles zwanghaft positiv zu sehen, sondern auch die Bedürfnisse anderer vor meine eigenen zu stellen. Beim Streben es anderen stets recht zu machen, immer Rücksicht zu nehmen und dabei einen guten Eindruck zu hinterlassen, vergaß ich regelrecht meine eigenen Anliegen und Sorgen. Ich ging in meinem Selbstzwang mit jedem gut auszukommen unter und es nahm mir zunehmend die Luft zum Atmen. Bei naiven Versuchen aus diesem Selbstzwang ausbrechen zu wollen, konnte ich zwischen wahren Freunden und allen anderen nicht mehr wirklich unterscheiden und verletzte Personen, die mir Nahe standen. Es war ein Teufelskreis.

    Zudem fühlte ich mich erdrückt von der Last, die ich mir bezüglich meiner beruflichen Zukunft selbst aufbürdete. Ich strebte nach Erfolg - um jeden Preis. Mein Ehrgeiz war dabei mein größter Feind und ich fühlte mich gefangen. Gefangen in einer Spirale, in der man nach immer mehr strebte. Das Beste war immer noch nicht genug und ein Versagen inakzeptabel! Auch wenn ich nach außen hin glücklich wirkte, war ich selten mit dem Erreichten zufrieden. Soll dies wirklich der Weg sein, den ich für meine Zukunft einschlagen soll? Der Weg, der mich im Leben mit Glück erfüllt? Oder sehe ich das Ganze einfach nur zu eng und sollte dem Leben freien Lauf lassen? Um genau dies und alle anderen Fragen für mich selbst klären zu können, entschied ich mich für genau diese Reise. Eine Reise, die mich verändern sollte. Ich wollte zu mir selbst finden, neue Einblicke und andere Lebensweisen kennenlernen und mein Gefühl der Freiheit neu definieren. Ich brauchte diese Reise, diese Art der Auszeit einfach, um alles um mich herum vergessen zu können. Es sollte an kein „Zurück" mehr gedacht und all die alten Gepflogenheiten, Ängste, Zwänge und gesellschaftlichen Normen hinter einem gelassen werden. Das Leben sollte freie Bahn haben und mich inspirieren.

    Es stellte sich sehr schnell heraus, dass Björn ziemlich kongruente Ansichten von einem solchen Trip hatte und auch die Tatsache, dass im Vorfeld nur das Nötigste geplant wurde, spricht für sich und das befreite Leben eines Backpackers. Nachdem die typischen Reiseländer, wie die USA oder Australien für uns nicht in Frage kamen, blieben nur die Kontinente Afrika, Südamerika und Asien. Nach einigen Bieren und noch mehr Schnäpsen fiel unsere Entscheidung schließlich auf Asien. Es ist ein Kontinent, der nicht viel bereist wird, die Lebenserhaltungskosten gering sind, eine faszinierende Naturvielfalt besitzt und im Gegensatz zu Südamerika den großen Vorteil der Sicherheit bietet. Zudem unterscheidet es sich kulturell, gesellschaftlich und religiös stark von unserem Lebensstil und bot somit besten Voraussetzungen der Selbstfindung. Zu stark zivilisierte Länder wie Südkorea, Japan oder auch China reizten uns dabei deutlich weniger als die sogenannten Tigerstaaten und Indien. Wie genau unsere Wahl der Länder allerdings vonstattenging, weiß wohl nur das Bier, aber auf unserer Liste standen am Ende: Indien, Nepal, Singapur, Malaysia, Thailand, Kambodscha und Vietnam. Begonnen sollte in Indien. Warum? Keine Ahnung! Und so kam es dann auch, dass wir beide, mal wieder nicht ganz nüchtern, Mitte Januar recht spontan zwei One Way Tickets nach Bangalore in Südindien buchten. In den anschließenden Wochen informierte man sich flüchtig in Reiseforen und Reiseführern über die Länder und stattete sich dank Amazon recht unproblematisch mit entsprechendem Zubehör aus. Nicht zu vergessen die medizinischen Vorkehrungen, die getroffen werden mussten. Während Björn seinem Körper noch nie eine Impfung unterzogen zu haben schien, musste ich mir lediglich die exotischen Impfstoffe wie Enzephalitis und Meningokokkenmeningitis spritzen lassen. Den besonders für Indien empfohlenen Tollwut-Impfstoff war mir dabei aufgrund mangelnder Verfügbarkeit nicht vergönnt und bei Cholera sah mein Arzt kein Bedarf. Mit der Malaria war das leider so eine Sache, Björn und ich entschieden uns aber im Endeffekt dazu, unseren Körper nicht unnötigen chemischen Belastungen, die bei dauerhafter Einnahme nicht unerheblich sind, auszusetzen und nahmen so nur jeweils eine sündhaft teure Packung Malarone zur sofortigen Notfallbehandlung mit. Als eine der letzten Vorkehrungen wurde das Visum für Indien bei der indischen Botschaft in Hamburg beantragt. Bei allen anderen Visen setzten wir nach kurzer Recherche auf die Möglichkeit der Beantragung bei Einreise. Alles schien seine Wege zu gehen, bis es eines Abends an unserer WG-Tür in Kassel klingelte und unser späterer Indienreisegefährte Henning gut angeheitert vor uns stand. Nach einigen gemeinsamen Bieren in der WG-Küche kam unweigerlich das Thema Asienreise auf den Tisch und wie es der Zufall wollte, plante er zur gleichen Zeit ein ähnliches Abenteuer. Kurz nachgedacht und schon kam man zum Entschluss: „Man muss sich treffen"! Und so kam es dann auch. Wir planten zwar unabhängig voneinander unsere Reisen weiter, doch verbrachten wir letztendlich die ersten dreieinhalb Wochen in Indien gemeinsam und trafen uns auch an späterer Stelle noch einmal kurz wieder. So einfach und unkompliziert kann das Leben sein! Toll, warum kann es nur nicht immer so sein?

    Wochen vergingen, die Anspannung und Freude auf das ungewisse Abenteuer stiegen ins Unendliche. Jedem musste ich von meinem Plan unterrichten, doch nicht längst bei jedem stoß es auf Verständnis. Warum ausgerechnet so unterentwickelte Länder? Warum Indien, das ist doch so dreckig? Alles Vorurteile, der ich keiner Beachtung zu kommen ließ. Mein Entschluss stand fest und diese Reise, in genau dieser Ausführung, sollte mich verändern. Ich ließ mich von Niemand mehr beirren und hörte nur noch auf mein Herz. Ich folgte dem Ruf der Freiheit.

    Am 02. Mai 2013 um 20:18 Uhr war es dann endlich soweit. Der Tag der Tage, die Stunde der Stunden war gekommen und wir starteten die Reise unseres Lebens.

    Auch wenn ich an dieser Stelle nicht zu viel Vorweg nehmen möchte, stellt diese Reise alles für mich vorher dagewesene in Schatten und wird mich zweifellos bis an mein Lebensende begleiten. Es war ein sehr prägender Lebensabschnitt. Wir betraten am Frankfurter Flughafen das Flugzeug von Air India und ließen alles andere zurück. Es gab nur ein Ziel: Freiheit!

    An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal herzlich bei meinen Eltern und meiner Oma bedanken. Ich weiß wie schwer es euch gefallen ist, euern Sohn bzw. Enkel für ein knappes halbes Jahr in die unendlichen Weiten der östlichen Welt zu verabschieden, aber ich habe euch sehr lieb. Ihr standet immer zu mir, so auch bei dem Entschluss, diese Reise zu starten. Dafür danke ich euch sehr!

    Indien

    Bangalore - Das Chaos regiert

    Mit dem Flug nach Bangalore begannen fünf Wochen der Extreme in einem für mich unbekannten Land. Bei unserem planmäßigen Stopp am Hauptstadtflughafen New Delhi Airport, lernten wir die ersten anderen verrückten Deutschen kennen, die sich tollkühn in das Abenteuer Indien stürzten. Vor dem Umsteigen an unser finales Ziel wagten wir gemeinsam erste zögerliche Happen indischer Nahrungsmittel und Getränke. Das Bier schmeckte widerlich, aber der nicht definierbare Brei auf meinem Teller konnte sehr gut gegessen werden. Es ähnelte dem in Deutschland bekanntem „Nasi Goreng", schmeckte nur etwas fischiger und war natürlich schärfer. Vor Abflug tauschten wir noch voller Hoffnung mit den beiden neuen Bekannten unsere Telefonnummern aus, doch sollten wir nie wieder etwas von ihnen gehört haben. Es sollte der Anfang vieler Begegnungen ohne ein weiteres Wiedersehen sein, bei denen wir oftmals nicht einmal die Namen in Erfahrung bringen konnten.

    Nach einem vierstündigen Inlandsflug betraten wir schließlich erwartungsvoll den Boden von Bangalore. Unser Ziel war vorerst erreicht und das Abenteuer konnte beginnen. Was mich in Indien erwartet? Keine Ahnung, informiert habe ich mich jedenfalls über das „Heilige Land südlich des Himalayas kaum. Dies hatte nicht im Entferntesten etwas mit Planlosigkeit zu tun, sondern viel mehr mit dem unbekümmerten Verlangen nach Freiheit und Abenteuer. Jeglicher planerische Ansatz wurde von mir im Keim erstickt. Die Furcht nach dem Gefühl der Freiheitseinschränkung oder dem Gedanken jetzt habe ich etwas verpasst" war zu groß. Das Leben, die Reise, einfach alles sollte sich genauso entfalten, wie es die Situation ergab. Es sollte keine Grenzen, keine gesellschaftlichen Zwänge und auch keine Angst oder sonstige Einschränkungen geben. Ich ließ dem LEBEN freien Lauf.

    Am Flughafenterminal von Bangalore wurden wir von Henning, der extra für uns ein paar Tage zuvor aus Malaysia angereist war, in brütender Hitze herzlich empfangen. Er hatte bereits einige Jahre zuvor das Vergnügen mit diesem Indien, in dem wir nun gelandet waren und konnte uns so entsprechend auf die ersten Gefahren und Hindernisse beim Backpacken hinweisen. Und dies begann gleich damit, dass wir nicht wie die andere Handvoll Europäer das nächste Taxi aufsuchten, sondern in einen mehr oder weniger funktionstüchtig aussehenden öffentlichen Bus ohne Tür und Fenster einstiegen. In Europa würde man ein derart verrostetes Gefährt nur auf einem Schrottplatz anfinden, in indischen Großstädten ist es hingegen das Hauptverkehrsmittel. Meine anfängliche Skepsis den Bus überhaupt zu betreten, war dabei noch dem irrwitzigen Verlangen nach Sicherheit, einem Anhängsel westlicher Kultur, geschuldet, legte sich jedoch sehr schnell. Etwas mehr als eine Stunde dauerte schließlich die Fahrt ins Stadtzentrum und sonderlich gesprächig war dabei irgendwie keiner von uns. Ich, für meine Person, war von dem ersten Eindruck derart erschlagen, dass jegliche Kommunikation ausblieb. Man schwitzte in der stickigen Luft im Bus vor sich hin, bekam bei der eingequetschten Sitzposition Krämpfe in den Waden und war von der vorbeifahrenden Stadtlandschaft so überwältigt, dass kein klarer Gedanken gefasst werden konnte. So etwas Derartiges habe ich in meinem Leben zuvor noch nicht gesehen. Die gesamte Busfahrt lief wie ein Stummfilm vor dem inneren Auge ab. Überall Müll, die Luft lag in einem Dunst aus Sandstaub und Abgas, die Bauweise ähnelte einem Kriegsgebiet, auf den Straßen herrschte das reinste Chaos und die Menschen lebten unter ärmlichsten Bedingungen. Eindrücke, die mir so fremd waren und verarbeitet werden mussten. Doch wirklich viel Zeit blieb einem dafür nicht, denn gleich zu Anfang wurden wir mit den ersten Problemen konfrontiert. Es sollte der beispielslose Anfang einer unendlichen Geschichte sein, denn in Indien läuft nichts nach Plan und erst recht nichts mit Plan. Das vollkommende Gegenteil zu Deutschland.

    Unser Bus hielt leider nicht dort, wo er hätte eigentlich halten sollen und auf Nachfrage beim Busfahrer blickten wir lediglich in ein leeres indisches Gesicht. Mit konstruktiver Hilfe konnten wir nicht rechnen und so wurde uns sehr schnell klar, dass man sich selbst helfen musste. Die Tatsache, dass sich die zahlreichen Tucktuck-Fahrer auf uns stürzten wie die Motten aufs Licht, bevor wir den Bus überhaupt verlassen hatten, erleichterte dabei einiges. Björn und ich ließen bei den anschließenden Verhandlungen den doch etwas erprobteren Henning den Vorrang und standen mehr oder weniger - blöd wie „Zweimeter Feldweg - neben ihm und beobachten das recht amüsante Geschehen. Aufgeregte kleine Inder kreisten um uns, wie Geier um ihre Beute, redeten in einer fremden Sprache wild durcheinander und schienen emotionsgeladen mit den Händen zu gestikulieren. Dass Henning bei dem ganzen Durcheinander den Überblick behielt, blieb uns „Anfänger ein kleines Rätsel. Für mich war die Verhandlung ein reines Chaos. Jeder wollte uns an unseren Zielort bringen, doch leider nicht zu angemessenen indischen Preisen. Im ersten Moment klangen die Angebote zwar in Ordnung, doch ließen wir uns von Henning einem besseren Belehren und studierten aufmerksam die Verhandlungsfortschritte zu unseren Gunsten. Tucktucks sind dreirädrige, nicht geschlossene Fahrzeuge mit niedriger Motorisierung, einer lauten Hupe, einem fahrradähnlichen Lenker mit nicht selten analogen Bremszügen und mit einer Sitzbank im Heck, die fast Platz für zwei Europäer bietet. Sie sind in ganz Asien und besonders in Indien sehr stark verbreitet und prägen vornehmlich das Straßenbild. Unsere Fortbewegung in den Städten beschränkte sich fast ausschließlich auf diese kleinen Gefährten. Sie waren zwar nicht sonderlich bequem, doch brachten sie einem nach manchmal nervenaufreibenden Verhandlungen preiswert und halbwegs sicher ans Ziel. Nachdem Henning schließlich einen angemessenen Preis mit einem der unzähligen Fahrern heraushandelte, zwängten wir drei uns mit vollem Gepäck ins Tucktuck und ließen uns zum bereits aus Deutschland gebuchten Hotel bringen. Als man an der staubigen Rezeption des selbsternannten Zwei-Sterne-Hotels einchecken wollte, sagte man uns jedoch in äußerst schlechtem Englisch, dass keine Reservierung für uns vorläge. Der Tucktuck hatte uns ausversehen oder mit Absicht - wir werden es wohl nie herausfinden - zum falschen Hotel gebracht. Lesen konnte man am Eingang leider auch nichts, da das Hotel vornehmlich von Touristen gemieden wurde und so auch jegliche Informationstafeln nicht in unserer Schriftsprache beschrieben waren. Das nenne ich mal einen guten Start in den Urlaub. Wir ließen uns jedoch von der kleinen Panne nicht beirren, starteten kurz darauf einen zweiten Versuch und fanden so auch tatsächlich unser richtiges Hotel. Die Zimmer wurden bezogen und auch wenn sich in uns die erste Müdigkeit ausbreitete, nutzte man die Pause um sich erstmals intensiv über die ersten Eindrücke auszutauschen. Der Quadratmeter große Schimmelfleck und die nichtexistierende Toilette im Badezimmer fielen uns dabei erst Stunden später auf.

    Von Hunger und Durst getrieben, trotzte man gen Abend weiterhin der Müdigkeit und kundschaftete den ins abendliche rot getauchten Stadtteil um unser Hotel herum aus und suchte sich ein nettes Restaurant. Ich war voller Energie und gierig nach neuen Erlebnissen. Und so wählte ich ganz zufällig als erste richtige Mahlzeit auf indischem Boden eine wahre Spezialität aus - das sogenannte „Chicken Tikka Massalla. Dabei handelt es sich um knochiges und knorpeliges Geflügelfleisch, getränkt in einer Soße mit der Gewürzmischung „Tikka Massalla, welches mit einer ordentlichen Portion klebrigem Reis serviert wird. Ein wirklich kulinarisches Highlight. Mir stand zwar schärfebedingt so sehr der Schweiß auf der Stirn, dass ich augenscheinlich zur Belustigung der einheimischen Kellner beitrug, aber es schmeckte mir derart gut, dass ich es in den fortlaufenden Wochen immer wieder bestellte. Die Tatsache, dass in Indien komplett auf Messer und Gabel verzichtet wird und nur in Ausnahmefällen ein Löffel benutzt wird, setzte uns drei vor unerwartete Schwierigkeiten. Scharfe soßige Gerichte mit den Händen zu essen, sei gekonnt, aber ich lernte schnell. Nach einiger Zeit fand ich sogar Gefallen an dem indischen Essensstil und konnte das Essen instinktiv und ohne große Mühe gen Mund befördern. Dem Umstand, dass es nicht der westlichen Etikette entsprach, vergaß ich regelrecht. Deutschland rückte für mich kulinarisch in den Hintergrund und das war auch gut so.

    Nachdem die Bäuche gefüllt waren, stolperte man noch ein wenig blind durch die Gassen und fand sich, u.a. durch einsetzenden Platzregen, schnell wieder im Hotelzimmer ein. Auf ein unvergesslich werdendes Abenteuer stießen wir drei symbolisch mit typisch deutschem Jägermeister an und ließen den Abend gelassen ausklingen. Ein zuerst geplanter Barbesuch, um den Beginn unserer Reise gebührend zu feiern, wurde durch eine Parlamentswahl in der Stadt vereitelt. Der Alkoholausschank war zu unserem Missfallen für das komplette Wochenende untersagt, aber wir nahmen es gelassen.

    ***

    Am nächsten Morgen strotzte ich nur so vor Aktivitäten-Drang. Die morgendliche schwüle heiße Luft ließ einen ohnehin nicht lange schlafen und so fand man sich bereits um neun Uhr in einem modernen indischen Café, namens „Coffee Jar, wieder. Etwas untypisch für das Land, aber der Rat sich langsam an das Essen zu gewöhnen, wurde beherzigt. Nachdem wir gesättigt waren und auch unseren aus Deutschland gewohnten Kaffee tranken, kundschafteten wir die Stadt frei nach dem Motto Hier mal gewesen, dort mal gewesen - alles ganz schön" aus. Auf unserer Sightseeing-Tour besuchten wir u.a. das Technikmuseum, das angrenzende Visvesvara Industrial, in denen einem die technischen Errungenschaften der Menschheit auf äußerst primitive Art und Weise vermittelt wurden, den protzigen Bangalore-Palast, den Botanischen Garten und den im Herzen des Business District liegenden 120ha großen Cubbon Park. Bei anhaltend brütender Hitze und strahlendem Sonnenschein war einem jeder Schatten Recht und so legten wir uns am Nachmittag nach erfolgreicher Stadtführung im Cubbon Park unter einen Baum. Ich beobachtete die zahlreichen exotischen Vögel, Affen und Eichhörnchen und versuchte mir einen schlüssigen ersten Eindruck über diese Stadt zu bilden. Ich scheiterte jedoch schon bei dem Versuch, denn der krasse Unterschied zu Europa in jeglicher Hinsicht, ließ sich nur sehr schwer in so kurzer Zeit beschreiben bzw. verarbeiten. Obwohl ich so gut wie alles hinter mir ließ und mich voll und ganz dem Land hingab, fühlte ich mich im Grunde noch extrem fremd. Bezüglich der Hitze und der staubigen trockenen Luft akklimatisierte ich mich aber recht schnell und hatte deutlich weniger mit der beißenden Sonne zu kämpfen als Björn, sofern ich immer vorbildlich ein Käppi trug und ausreichend trank. Die brütende Sonne kannte zu der Jahreszeit kein Erbarmen und brannte einem bei Unaufmerksamkeit im wahrsten Sinne des Wortes die Haut vom Knochen, mehrmaliges Auftragen von Sonnencreme am Tag wurde zur Routine. Es war eines der wenigen Pflichten, die ich in Indien als gegeben akzeptierte.

    Insgesamt betrachtet, empfand ich Bangalore mit seinen deutlich über 10 Millionen Einwohnern als eine äußerst chaotische Stadt ohne wirkliches Highlight, in der Armut und Reichtum Tür an Tür lebt. Das kosmopolitische Bangalore ist Zentrum der boomenden indischen IT-Industrie und wurde in den letzten Jahren zum Aushängeschild des digitalen Outsourcings westlicher Industriestaaten. Dies konnte man fast in jeder Straße beobachten. Türmende Müllberge, auf denen Menschen Seite an Seite mit streuenden Hunden verzweifelt nach Essen suchten, befanden sich oftmals keine 50m von unzähligen schillernden Hochhäusern entfernt, aus denen Anzug- und Krawattenträger in ihre Luxusfahrzeuge stiegen. Die völlige Ignoranz der wohlhabenden Gesellschaft gegenüber den verarmten Menschen, deren Lebenssinn nicht selten darin bestand, gebrauchte Plastikbecher in einander zu stapeln und zu sammeln, war erschreckend. Noch niemals in meinem Leben sah ich so viel Armut an einem Ort, ein Ausmaß welches sich die meisten in Deutschland noch nicht einmal vorstellen können. Auch ich konnte es zuvor nicht. Bilder und Berichte aus Fernsehen oder Zeitung sind dabei nicht annähernd so prägend, wie die knallharte Realität hautnah mitzuerleben. Millionen Menschen kämpfen in den Städten sprichwörtlich tagtäglich ums Überleben.

    Fehlende Medizin und Hygiene, schlechte Trinkwasserqualität und der Mangel an Nahrungsmitteln kostet vielen sogar das Leben – täglich! Einerseits interessant, aber anderseits vornehmlich erschreckend. Der Kapitalismus in seiner krassesten und menschenverachtendsten Form. Unsere Welt und unsere Art zu leben ist grausam und kennt keine Gnade. Für mich war es ein Schlag ins Gesicht, dessen Schmerz mir den Weg zu einem neuen Weltbild ebnete. Die erschreckende Lebensweise und das Klima sind allerdings nicht die einzigen krassen Unterschiede zum friedlichen und behutsamen Deutschland. Einhergehend mit dem enormen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum in urbanen Gebieten, stehen die meisten indischen Städte kurz vor dem infrastrukturellen Herzinfarkt. Bangalore war dabei ein sehr gutes Beispiel. Ein U-Bahn- bzw. S-Bahn-System suchte man verzweifelt und das Straßennetz war hoffnungslos verstopft. Die Tatsache, dass in Indien kolonialbedingt Linksverkehr herrscht, war dabei das geringste Problem. Auf den Straßen fand tagtäglich eine explosive Mischung aus Krieg und Chaos statt. Für meinen Geschmack grenzte es fast an ein Wunder, dass wir es tatsächlich immer irgendwie schafften die Straßenseite verletzungsfrei zu wechseln. Ein unbeschreibliches Chaos, welches sich in dem Dunst aus Smog und Sand, begleitet von einem tosenden Hupkonzert, auf den Straßen abspielte - Verkehrsschilder, Fahrbahnlinien, gar rote Ampeln wurden ignoriert und haben für die meisten Einheimischen keinerlei Bedeutung. Dass die teilweise zum Lastentransport dienlichen Esel auf den regulären acht Fahrbahnen - je nach Fahrzeugbreite wurden sie allerdings teilweise zu 10-16 Spuren - nicht verrückt wurden, ähnelte fast einem unerklärlichen Phänomen. Anfangs war die Angst beim Überqueren der Straße noch ein ständiger Begleiter, doch als man erst mal den Bogen heraus und sich an die indischen Straßenverhältnisse angepasst hatte, fand man immer recht zügig einen Weg durchs Getümmel. Alles eine Frage der Gewöhnung. Einzige Regel die zu beachten war: „Je lauter die Hupe und je größer das Gefährt, desto mehr hat man Vorfahrt". Fußgänger ohne Signalton standen somit ganz unten in der Hierarchiestruktur und mussten sich allen anderen unterordnen.

    Eine weitere Besonderheit, die eine Erwähnung wert ist, sind die Umspann- und Trafostationen in den Städten. Sie sind metastabile Konstruktionen aus verrostetem Stahl oder vermoderndem Holz, die oft mitten in Fußgängerzonen und nur hinter Maschendrahtzäunen stehen, über die Europäer problemlos hinübergreifen und spannungsführende Teile anfassen können – mit der Sicherheit scheinen es die Inder wirklich nicht so zu haben. Zudem ist es überall dreckig und staubig und die unzähligen Schlaglöcher zwingen einen beim Sightseeing ständig mit wenigstens einem Auge nach unten zu schauen. Zum Teil glich die Stadtlandschaft mehr einer Erdbebenregion, als einer aufstrebenden Wirtschaftsmetropole.

    Mein erster Eindruck von der Stadt und Indien war insgesamt betrachtet ein ziemlich krasser. In diesem Land war einfach alles anders als in unserem Deutschland. Aber genau dies machte es für mich so aufregend und interessant. Genau das wollte ich – das Extreme, das Neue, das Andere! Ich fühlte mich zwar noch lange nicht in Asien emotional und psychisch angekommen, doch ich fühlte mich großartig.

    ***

    Zwei Nächte in der chaotischen Metropole Bangalore haben uns fürs Erste gereicht und so begaben wir uns bereits am Morgen des dritten Tages nach einem Baguette mit Käse, Butter und Gurken guter Dinge ins 139km südlichere Mysore. Die für indische Verhältnisse relativ kurze Anreise stellte sich allerdings als ein großes Abenteuer heraus! Erstens, die Inder können trotz zweiter Landessprache höchstens zu 20% Englisch und dann meistens auch nur sehr dürftig, sodass sich die Suche nach dem richtigen Abfahrtsort für Busse nach Mysore als äußerst kompliziert herausstellte. Zweitens, jeder nur seinen eigenen Vorteil sieht und einem eine teure Taxifahrt oder ein überteuertes Busticket irgendeines Touristenbüros eines Freundes oder Verwandten dritten Grades verkaufen will. Vertrauen und Glauben schenken konnte man leider wenigen. Sobald man etwas Hoffnung schöpfte, jemanden gefunden zu haben, dem man Vertrauen konnte, wurde man spätestens nach der vermeidlichen Nettigkeit auf den Boden der Tatsache zurückgeholt. Man konnte sich nur auf sich selbst verlassen, andernfalls war man verlassen. Eine Weisheit die uns in Indien stets begleitete und zu diesem Land genauso dazu gehört, wie die Weißwurst zu Bayern.

    Nach zahlreichen Stadtbusfahrten, in denen wir zu dritt eine digitale Variante von Siedler von Catan auf dem Smartphone spielten und uns dadurch indirekt wieder in eine altbekannte Welt zurückzogen, erreichten wir gegen Mittag eine Fernbushaltestelle.

    Was nun folgte, sollte zu einem unvergesslichen und zugleich prägenden Erlebnis werden. Am Schalter kauften wir uns ein Economy-Busticket für umgerechnet 1,10 Euro pro Person und verzichteten bewusst auf die komfortablen klimatisierten Busse der Oberschicht. Auch wenn Henning uns davor warnte, wollten Björn und ich unbedingt die geballte Power indischer Fortbewegung erleben. Wir warteten auf unseren Economy-Bus, der so wurde uns gesagt alle 15 Minuten hätte kommen sollen. Doch waren fast alle ankommenden Busse schon so voll, dass an ein Einsteigen zu dritt mit drei großen Rucksäcken nicht zu denken war. Wie eine wilde Herde Rinder stürmten jedes Mal alle wartenden Menschen zur Tür, schmissen katapultartig ihre Taschen in den Bus und schoben sogar kleine Kinder durch die Busfenster, bevor wir auch nur realisieren konnten, dass es sich dabei um unseren Bus handelte. Es herrschte Anarchie! Die Busse hielten mal hier, mal dort und keiner konnte uns auch nur im Entferntesten eine ansatzweise hilfreiche Antwort geben. Bei jedem ankommenden Bus musste man sich erneut mit vielen Fragen bei unzähligen Passanten über das Fahrtziel informieren, denn leider waren sämtliche Informationen in Hindi-Schrift. So warteten wir in der sengenden Hitze, bis schließlich ein Bus etwas leerer schien und uns die Hieroglyphenfolge auf dem Bus bekannt vorkam.

    Wir spielten unsere körperliche Überlegenheit gegenüber den schmächtigen Indern aus und drückten uns an allen ohne Erbarmen vorbei. Björn ergatterte dabei einen VIP-Platz direkt auf einem staubigen abgenutzten Ersatzreifen neben dem Busfahrer. Henning und ich hatten hingegen etwas weniger Erfolg, schafften es allerdings im Gegensatz zu einer riesigen meuternden Menge wartender Inder auch noch in den Bus hinein. Im Endeffekt war der Bus so überfüllt, dass sich wegen uns und der großen Rucksäcke, einige aufgebrachte Männer im und am Bus anfingen zu schlagen. Die Stimmung wurde immer aufgeheizter und obwohl der Bus den Busbahnhof schon in Richtung Hauptstraße verlassen hatte, hielt er nochmals an. Der Busfahrer signalisierte uns, dass wir wohl besser aussteigen sollten. Wir wussten gar nicht so recht wie uns geschah. Wir sahen das Problem nicht, aber an ein klärendes Gespräch war nicht wirklich zu denken. Am Busausgang flogen weiterhin munter die Fäuste und als Henning die ersten Schläge abbekam, entschieden wir uns den Rat des Busfahrers ohne weitere Fragen zu befolgen. Natürlich mussten wir uns dafür wieder an der ganzen tobenden Meute im Gang vorbeischieben, wobei ich scheinbar einen an meinem Rucksack festgebundenen Wanderschuh verlor. Dieser wurde jedoch von einer freundlichen Dame aus dem Fenster auf die Straße geworfen.

    Alles in allem war das keine schöne Erfahrung! Ziemlich aufgebracht, frustriert und fragend nach dem Grund des Rausschmisses machten wir uns wieder zurück zum Busbahnhof, wo wir uns kurz von dem Schock erholten und schließlich einen erneuten Versuch starteten. Dieses Mal war der Bus erheblich leerer, es ging bei Weitem nicht so hektisch zu und unsere Rucksäcke wurden sogar im Gepäckfach unterm Bus verstaut. Ein Service, an dem in allen Bussen zuvor nicht zu denken war. Dass das Gepäckfach aber nur von einer rostigen verbogenen Schraube als Bolzen mit viel Mühe und Not verschlossen gehalten wurde und es auch sonst mit der (Verkehrs-)Sicherheit nicht weit herging, muss man in Indien einfach hinnehmen.

    Den wirklichen Grund unseres Rausschmisses werden wir wohl nie erfahren, doch sind wir uns ziemlich sicher, dass es bei dem kleinen Aufstand um uns ging. Vielleicht wollten einige nicht akzeptieren, dass wir Touristen mit dicken Rucksäcken wertvollen Platz im Bus belegten, zumal wir uns in deren Augen ein höherwertiges Busticket locker hätten leisten können. Zwar haben sie mit dieser Einstellung nicht ganz Unrecht, doch haben wir uns bewusst für diese Art der Fortbewegung entschieden. Das indische Leben sollte uns inspirieren, die Augen öffnen und ein wenig mehr über unsere Welt lehren. Wir wollten schlicht und einfach alles hautnah miterleben und scheinbar gehören solche Erfahrungen einfach dazu.

    ***

    Mysore - Magische Momente

    Nach einer vierstündigen Fahrt über staubiges und trostloses Gelände erreichten wir erschöpft die Ein-Million-Einwohner Stadt Mysore, 139km südlich von Bangalore. Mit Ende unserer ersten Überlandfahrt war ich mir indes fast sicher, dass in den einheimischen Straßenkarten nur Städte mit einem kleinen Punkt versehen werden, die bereits die Millionen-Einwohnergrenze überschritten hatten. Alles andere gilt in dem überbevölkerten Land als Dorf.

    Aus den zahlreichen Rikscha-Fahrern, die uns direkt allesamt das vermeintlich günstigste und beste Hotel anpriesen, suchten wir uns den am wenigsten Aufdringlichen aus und ließen uns für kleines Geld zum Gouvernement Hotel Mysore bringen. Bevor wir eincheckten, vereinbarten wir noch mit dem Fahrer, dass er uns am nächsten Tag für umgerechnet drei Euro pro Person den ganzen Tag die Sehenswürdigkeiten der Stadt inklusive Umgebung zeigt - ein wirklich verlockendes Angebot. Nach kurzer Besichtigung des sehr spartanisch aber sauberen Hotelzimmers, erhielten wir an der Rezeption den Tipp, dass der „Maharaja's Palace zufällig heute für eine Stunde von unzähligen Glühbirnen hellerleuchtet sei. Dieses Spektakel wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen und machten uns unverzüglich auf in Richtung Palast. Auf dem Weg dorthin trieb uns jedoch der Hunger noch kurz in ein kleines ranziges Restaurant an einer dunklen Straßenecke. Wir nahmen auf den bunt zusammengestellten Plastikstühlen Platz und wurden von allen Seiten kritisch gemustert. Man fühlte sich etwas behaglich und auch der Blick in die Speisekarte brachte keinerlei Erkenntnis. Ratlosigkeit stieg in uns auf. Es wurden ungefähr 20 verschiedene Dosa-Gerichte angeboten und leider hatte von uns keiner auch nur im Entferntesten eine Ahnung was Dosa überhaupt bedeutet. Bei Nachfrage beim Kellner las dieser lediglich in einer ruhigen monotonen Art und Weise die Speisekarte vor: Plain Dosa, Massalla Dosa, Set Dosa...". Wir konnten uns vor Lachen kaum halten und entschieden uns aber nach einigen hin und her, weiterhin unter kritischer Beobachtung der anderen Gäste, für die ersten fünf Gerichte auf der Karte. Wir ließen uns, wie so oft, einfach überraschen. Wie sich nach dem Servieren auf einem bunten abgenutzten Polymerteller herausstellte, ist Dosa eine Art Pfannkuchen aus Maismehl, die mit den verschiedensten Variationen gefüllt wurden. Sie sind typisch und berühmt für die Stadt. Auch wenn dieses Gericht nicht zu meinen Favoriten gehörte, schmeckte mir die Variante mit scharfer Kartoffelfüllung am besten. Nachdem für insgesamt unter drei Euro die Mägen zum Bersten gefüllt waren, verließen wir das gruselige Restaurant wieder und begaben uns auf direkten Weg zum erleuchteten Palast. Schon von weitem ließ sich der Palast erahnen. Das majestätische Profil wurde durch 100.000 Glühbirnen so sehr hervorgerufen, dass man minutenlang mit offenem Mund einfach nur die Magie des Ortes aufsog. Man genoss die magische Atmosphäre. Nachdem die Lichter nach einer Stunde leider wieder erloschen, ließen wir uns mit einer Rikscha zurück zum Hotel fahren.

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    Der nächste Morgen begann bei Björn und mir mit dem Einwerfen einer Imodium Akut. Die Nacht zuvor war von einem abwechselnden Toilettenbesuch geprägt. Aufgrund akuter Magenprobleme waren medizinische Vorkehrungen für die bevorstehende Sightseeing-Tour unabdingbar. Zu groß war die Angst den Tag nicht ohne Zwischenfall überstehen zu können. Nach dem Frühstück, jeder eine „Dosa, stand unser Rikscha-Fahrer ungewohnt pünktlich vor dem Hoteleingang und brachte uns zunächst hoch hinaus auf den nahe gelegenen „Chamundi Hill, von dem wir aus einen guten Blick über die gesamte Stadt hatten. Auf dessen Gipfel stand der „Sri-Chamundeshwari-Tempel" mit beeindruckend kitschiger Statue. Die Statue zeigte einen buntbekleideten Hindu mit überdimensionierter Machete

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