Rostam und Sohrab: Eine Heldengeschichte in zwölf Büchern - Neuausgabe
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Rostam und Sohrab - Friedrich Rückert
Friedrich Rückert
Rostam und Sohrab
Eine Heldengeschichte in zwölf Büchern
Zu diesem Buch: Die Geschichte von Rostam und Sohrab, dem Vater, der seinen Sohn erst bei einem tödlichen Zweikampf auf dem Schlachtfeld kennenlernt, zählt zu den dramatischten und zugleich schönsten Sagen des Schahname. Das von Ferdausi (940-1020) verfasste iranische Nationalepos Schahname schildert Mythologie und Geschichte des Iran bis zur Eroberung des sassanidisches Weltreiches durch die Araber. Friedrich Rückert hat die Geschichte von Rostam und Sohrab in einer genialen Nachdichtung ersmals 1838 veröffentlicht. Seit dieser Zeit hat das Interesse an Schahname im deutschen Sprachraum nie abgenommen.
Über den Autor: Friedrich Rückert zählt zu den bedeutendsten deutschen Lyrikern und Mitbegründern der deutschen Orientalistik. Er wurde am 16. Mai 1788 in Schweinfurt geboren. Populär wurde Rückert zunächst mit seinen Geharnischten Sonetten
, die er unter dem Pseudonym Freimund Raimar gegen die napoleonische Besatzung schrieb. 1815 ging Rückert auf Anregung des Ministers von Wangenheim nach Stuttgart, wo er die Redaktion des poetischen Teils des Cotta'schen Morgenblatts für gebildete Stände übernahm. In dieser Zeit erschienen auch der Kranz der Zeit (1817) und Napoleon, eine politische Komödie in zwei Stücken. 1826 folgte Rückert einem Ruf als Professor der orientalischen Sprachen und Literaturen nach Erlangen.. Friedrich Rückert starb am 31. Januar 1866 in Neuses.
Friedrich Rückert
Rostam und Sohrab
Eine Heldengeschichte in zwölf Büchern
Herausgegeben von
Wolfgang von Keitz
Epubli
Die Ausgabe dieses Textes folgt der Erstausgabe von 1838.
Die Originalfoliierung wurde im fortlaufenden Text beibehalten.
Der Anhang enthält ein Glossar und gibt Auskunft zu Autor und Werk.
Rostam und Sohrab
Friedrich Rückert´
Herausgegeben von Wolfgang von Keitz
Neuausgabe als ebook, Februar 2011
© 2011 Wolfgang von Keitz
Umschlaggestaltung: Wolfgang von Keitz
Umschlagbild: Rostam trauert um Sohrab, Illustration aus einer persischen Handschrift
Published at epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN 978-3-86931-939-1
Dieses eBook ist für Ihre persönliche Nutzung lizenziert. Das eBook darf nicht an Dritte weitergegeben oder weiterverkauft werden. Wenn Sie das Buch an eine andere Person weitergeben wollen, kaufen Sie bitte eine zusätzliche Lizenz für jeden weiteren Rezipienten.
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Vorwort
1838 veröffentlichte Friedrich Rückert, seit 1826 Professor für Orientalische Sprachen der Universität Erlangen, im Verlag Theodor Bläsing Rostem und Suhrab - Eine Heldengeschichte in zwölf Büchern. Mit den einleitenden Worten „Lass aus dem Königsbuch der Perser dir berichten …" verweist er in der ersten Zeile auf das Schahname, das iranische Nationalepos, aus dem die Geschichte von Rostam und Sohrab, wie wir die beiden Helden heute nennen, stammt. Das Schahname, das Buch der Könige, gilt mit mehr als 50.000 Versen als das umfangreichste Epos der Welt. Es ist das Lebenswerk des Dichters Ferdausi, der 940 in Tus im Iran geboren wurde und dort 1020 hochbetagt verstarb.
Rückert arbeitete Zeit seines Lebens an der Übersetzung des Schahname, konnte die Arbeit aber nicht zu Ende bringen. Bei seinem Tod am 31. Januar 1866 war bis auf Rostem und Suhrab, das inzwischen bei S.G.Liesching in einer zweiten, leicht überarbeiteten Auflage erschienen war, kein weiterer Teil aus dem „Königsbuch der Perser" veröffentlich worden. Es sollte bis 1890 dauern, bis Edmund Bayer den ersten Band der Rückertschen Übersetzung unter dem Titel Firdosi’s Königsbuch (Schahname) bei Georg Reimer in Berlin aus dem Nachlass Rückerts herausbrachte. Der erste Band enthält die Sagen I bis XIII und endet genau an der Stelle, an der die Geschichte von Rostam und Sohrab beginnt. Der zweite, 1894 erschienene Band beginnt mit Sage XV und endet mit Sage XIX. Die Geschichte von Rostam und Sohrab, in dieser Zählung Sage XIV, fehlt, da sie sich, wie Edmund Bayer in der Einleitung vermerkte, „trotz intensiver Suche nicht habe auffinden lassen". Mit dem dritten, 1895 erschienen Band, der die Sagen XX bis XXVI enthält, endet die Übersetzung des Schahname von Rückert nach ungefähr 25.000 Versen.
Rostam und Sohrab ist, anders als die nahezu wortgetreue Übersetzung des Schahname, eine freie Nachdichtung. Rückert gliederte den Text in zwölf Bücher. Rückert benutzte keine Paginierung sondern eine Foliierung, bei der nicht die Seiten sondern die Blätter (Folio) eines Buches gezählt werden.
Der Text unserer Ausgabe von Rostam und Sohrab folgt der Erstausgabe, übernimmt aber nicht die Orthographie sondern passt den Text an die heutige Rechtschreibung an. In einem Glossar werden zudem die heute nicht mehr gebräuchlichen Ausdrücke erläutert. Ein Verzeichnis der mythologischen Namen gibt Auskunft über Personen und Orte. Wie bereits Edmund Bayer in dem von ihm herausgegeben ersten Band des Schahname in der Einleitung vermerkt, schrieb Rückert die Eigennamen auf verschiedene Weise, so Sijamek und Siamek, Gajumarth und Gajomarth, Tamuhrat und Thamurath, Bizhen und Bischen, Ersheng und Erscheng oder Erzhengm Naudher und Nudher, Ka’us und Kaus oder Kawus, Chosro und Chosrow oder Chosru, usw. Diese Nachlässigkeiten mochten ihren Grund darin haben, dass Rückert, wie er selbst im poetischen Tagebuch von 1850-1866 bekannte, nicht nachschlug, was er früher geschrieben hatte. In der vorliegenden Ausgabe wurde die Schreibweise der Eigennamen Rückerts nicht übernommen sondern der heute üblichen Schreibweise angepasst. Das Problem, dass bei der Transkription iranischer Schriftzeichen in lateinische Buchstaben sich die Lautwerte der beiden Schriften nicht immer deckungsgenau übertragen lassen, bleibt naturgemäß bestehen. Auf die in wissenschaftlichen Veröffentlichungen verwendeten diakritischen Zeichen zur genaueren Bezeichnung der einzelnen Laute wurde in der vorliegenden Ausgabe weitestgehend verzichtet, um dem Leser die Lektüre zu erleichtern.
Mein besonderer Dank für seine tatkräftige Unterstützung gilt dem Geschäftsführer der Rückert-Gesellschaft Herrn Dr. Rudolf Kreutner.
Wolfgang von Keitz
Erstes Buch.
1.
Lass aus dem Königsbuch der Perser dir berichten
Von Rostam und Sohrab die schönste der Geschichten,
Von Heldenruhm, wie leicht er Frauenlieb’ erwarb,
Und wie der eigne Sohn, erlegt vom Vater, starb!
Held Rostam sprach, als er am Morgen war erwacht:
Auch heute hab’ ich nicht zu reiten in die Schlacht.
Afrasiab, der Fürst von Turan, lässet ruhn
Die Waffen, friedlich blüht das Reich von Iran nun;
Doch in der Friedensruh was soll ich selber tun?
Da rüstet’ er sich schnell zur Jagd, er band in Eile
Den Gürtel fest und hing den Köcher um voll Pfeile.
Den Bogen prüft’ er, ob er nicht die Kraft verlor;
Dann zog er aus dem Stall den edlen Hengst hervor.
Dem war die Weile dort wie seinem Herren lang;
Er wieherte vor Lust, als er ihn setzt’ in Gang.
Er schwang sich auf den Rachs und sagte nicht ein Wort
Den Seinigen im Haus, in Eile ritt er fort.
Der Mark von Turan zu wand’ er sein lockig Haupt,
Als wie ein Löwe, der nach seiner Beute schnaubt.
Wie zu der Turanmark er hingekommen war,
Die Heide nahm er da voll wilder Elche wahr.
Wie eine Rose war erblüht des Helden Wange
Vor Lust, er tummelte den Rachs mit raschem Gange.
Mit Pfeil und Bogen bald, mit Keul’ und Fangeschnur
Ein Dutzend Stücke warf er nieder auf die Flur.
Aus Dornen und Gesträuch und manchem Baumes Ast
Entzündet’ er darauf ein Feuer von starkem Glast.
Und als zu Kohlenglut war eingebrannt die Flamm’,
Erkor der Recke sich zum Bratspieß einen Stamm.
Der Elche feistesten steckt’ er an diesen Baum,
Der wog in seiner Hand nicht eines Vogels Flaum.
Er drehte wohl den Spieß, dass fein der Braten briete
Auf allen Seiten gleich und nirgend ihm missriete.
Und als er gar nun war, nahm er ihn vor und saß
Am grünen Boden hin mit guter Lust und aß,
Wobei er auch das Mark im Knochen nicht vergaß.
Gesättigt schritt er nun hin, wo ein Wasser lief,
Zur Gnüge trank er auch, dann legt’ er sich und schlief.
Am Rand des Baches lag der Held, den heißen Tag
Ausschlafend, und sein Ross ging weidend frei im Hag.
2.
Als Rostam lag und schlief und an sein Ross nicht dachte,
Da kamen Türken her, ein sieben oder achte.
Die sahn ein edles Ross frei weiden in dem Bann
Von Turan, und zu sehn zum Rosse war kein Mann.
Worauf sie sich alsbald das Ross zu fangen schickten:
Sie hättens nicht gewagt, wo sie den Mann erblickten!
Da kamen sie dem Rachs mit ihrer Fangschnur nah;
Aufschnaubt’ er wie ein Leu, da er die Fangschnur sah.
Nicht wollte sich der Rachs geduldig lassen fangen,
Es wäre schlimm zuvor erst einigen ergangen.
Den Kopf vom Rumpfe riss dem einen sein Gebiss;
Derweil ein Hufschlag zwei zu Boden hinten schmiss.
Der kühnen Türken so getötet lagen drei,
Das kriegerische Ross war noch von Banden frei.
Doch unverdrossen stürmt’ herbei der andre Tross
Und warfen übers Haupt mit Müh die Schnur dem Ross.
Gebändigt führen sie’s zur nahen Stadt in Eil,
Es wär’ um vieles Gold ihr Fang nicht ihnen feil.
Es sei von hoher Art, ersahn sie an den Zeichen;
Jedweder wollte Teil am edlen Hengst erreichen.
Sie fürchteten, der Raub werd’ ihnen bald entführt;
Nicht lange bliebe solch ein Schatz unaufgespürt.
Da brachten sie geschwind ihn zu der Stuterei,
Dass seines Samens doch teilhaftig jeder sei.
Ich hörte, dass er dort auf zwanzig Stuten sprang,
Die alle seiner Wucht erlagen beim Empfang.
Und nur von einer ward getragen Leibesfrucht;
Zu Großem war bestimmt das Fohlen edler Zucht.
3.
Doch Rostam, wie er dort von seinem Schlaf erwachte,
Das erste war sein Ross, an das er wieder dachte.
Er blickt’ umher und sah sein Ross nicht mehr im Hag;
Verlaufen hatt’ es ihm sich nie vor diesem Tag.
Laut rief er ihm; sonst kam’s auf leisen Ruf herbei;
Nun kam es nicht; da sprang er auf mit lautem Schrei.
Er suchte rings im Hag, er spähte durch die Flur,
Von seinem Rosse fand er hier und dort die Spur,
Es selber fand er nicht und rief: O weh! Verloren
Hab’ ich, derweil ich schlief, mein Ross gleich einem Toren.
Was soll ich ohne Ross mit dieser Rüstung tun?
Des Rittes lang gewohnt, geh ich zu Fuße nun?
Was werden Türken, wenn sie mir begegnen, sagen,
Dass ich den Sattel muss, statt mich der Sattel, tragen?
Verlaufen hat sichs nicht, das ist nicht seine Art;
Nun desto schlimmer, wenn es mir gestohlen ward!
Doch lang bleibt nicht der Rachs des Rostam unbekannt;
Auffinden werd’ ich ihn, der mir den Rachs entwand!
Kam wohl, derweil ich schlief, ein ganzes Türkenheer?
Denn einem einz’gen ist der Rachs zu fangen schwer.
Doch den Gedanken ist vergebens nachzuhangen;
Auf, rüste dich zum Gang, weil dir dein Ross entgangen!
So sprach er unmutsvoll und schwieg und schaute stumm
Noch eine Weile sich nach seinem Rösslein um;
Denn immer dacht’ er noch, es müsste wiederkommen:
Wer auf der Welt sollt’ ihm haben den Rachs genommen?
Als aber doch der Rachs nicht wiederkommen wollte,
Macht’ er sich endlich an den sauren Gang und grollte.
Mit Waffen und Geschirr belud er sich und sprach
Noch viel mit sich, indem er ging den Spuren nach.
Die Spuren leiteten zur Stadt Samangan ihn,
Die dort im Abendstrahl zu ihm herüber schien.
4.
Er sprach: Das ist die Stadt, in der ein König sitzt,
Der es mit Turan jetzt und hält mit Iran itzt,