Der Schläfer
Von Gerhard Wolff
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Über dieses E-Book
Mohammed lebt mit seiner Familie als Manager in Köln. Er leidet unter den Demütigungen, denen Muslime in Deutschland und im Westen ausgesetzt sind. Da taucht sein alter Freund Rashid auf und erinnert ihn daran, dass er vor Jahren, während seiner Studienzeit, bei islamischen Gruppen mit dabei war und sich bei seinem Ausstieg versprach, als Schläfer zur Verfügung zu stehen. Nun wird er von Rashid in dessen Terrorgruppe hineingezogen. Im Umkreis dieser Islamisten radikalisiert sich Mohammed und ist willigt schließlich ein, sich an Selbstmordattentaten zu beteiligen. Wie wird sich Mohammed am Ende entscheiden?
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Der Schläfer - Gerhard Wolff
Der Schläfer
Demütigung
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Reihe Philosophico:
Demütigung
1
Der Mann verließ mit seinem Wagen, einem dunkelbraunen BMW-X 5, die vielbefahrene Schnellstraße und lenkte ihn auf die Abzweigung, die in eines der vielen Viertel der großen Stadt führte. Der Mann drosselte sein Tempo, weil er in eine 30er-Zone einfuhr. Langsam glitt er durch eine durch Bodenwellen, Blumen- und Sträucherbuchten verkehrsberuhigte Straße, die von rotgeklinkerten Häuschen mit schwarzen, schiefergedeckten Pultdächern gesäumt war, und deren Häuser nur von ebenso geklinkerten Garagen mit ebensolchen Pultdächern unterbrochen wurden. Vor den Häuschen lagen kleine Gärtchen mit Rasen, Blumenbeeten und wenigen Sträuchern, durchquert von kleinen asphaltierten Wegen zu den Haustüren. Auf den Gehwegen waren wenige Menschen zu sehen, schon tagsüber spazierten hier nur wenige Anwohner zum Luftschnappen sowie Besucher, auf der Straße spielten nur wenige Kinder, jetzt aber, am Abend, war die Straße menschenleer, noch dazu, wo die Dunkelheit des Septemberabends und der einsetzende Regen die Leute in ihre Häuser trieb. Nach dem langen, heißen Sommer, hatte eine Regenperiode eingesetzt und dunkle Wolken verstellten bereits am Tage die Sonne. Am Abend aber wurde es schnell dunkel.
Der Mann bewegte seinen Wagen mit aller Vorsicht durch das Wohnviertel und bog gleich darauf in die Garageneinfahrt eines Grundstücks ein. Das Garagentor öffnete sich, er parkte den Wagen in der Garage, nahm seinen Koffer aus dem Auto, während er gleichzeitig mit der Fernbedienung das Garagentor schloss und betrat das Wohnhaus durch eine Türe, die direkt in das Haus führte. Gleich darauf stand er in der Diele des Hauses, stellte seine Koffer ab, zog seine Jacke aus, ging zum Kleiderständer, hängte sie auf, wobei er ebenso routinemäßig wie am Morgen in den Spiegel neben der Garderobe schaute, am Morgen, um sich seines ordentlichen Aussehens zu vergewissern, am Abend, um immer wieder über seine Erschöpfung zu erstaunen und sich über sein Altern zu wundern. Er betrachtete sich jedes Mal einige Sekunden, dann winkte er gleichgültig ab, gleichgültig über den nichtabzuwendenden Verfall. Dabei konnte er sich wirklich sehen lassen. Er war ein großer Mann, 1 Meter 90 groß, muskulös vom Training im Fitness-Studio, das er zwei Mal in der Woche besuchte, aber trotzdem schlank. Er hatte kurze, schwarze Haare, dunkle, durchdringende Augen, eine Hakennase und ein kantiges, immer braungebranntes Gesicht, obwohl er nicht ins Solarium ging, das hatte er nicht nötig sowie ein ausgeprägtes Kinn, das sich leicht nach oben bog. Er hatte den Teint der Nachfahren der Ägypter, denn er hatte noch immer die ägyptische Staatsbürgerschaft, obwohl er mit seiner Familie nun schon seit fünfzehn Jahren in Deutschland lebte und auch vorher schon einige Jahre hier verbracht hatte. Normalerweise konnte man ihn schon von weitem an seinem weitausgreifenden Schritt und aufrechten Gang erkennen, aber heute Abend schien er eher zusammengesackt. Und er tat sein Spiegelbild nicht wie sonst mit einem gleichgültigen Wink als Kommentar über seine Vergänglichkeit ab, sondern betrachtete sich länger und nachdenklicher.
„Mo? Bist du es?", konnte man plötzlich die Stimme seiner Frau hinter ihm hören. Sie nannte ihn Mo, die Abkürzung von Mohammed, sein Name war Mohammed Basri. Manchmal rief sie ihn auch Sef, das bedeutete auf Ägyptisch, der Wolf. Sie nannte ihn so, weil er hinter seinen Zielen so lange her hetzte, bis er sie erreicht hatte.
Er erschrak, richtete sich schnell auf, setzte ein Lächeln auf und versuchte seine Schwermut, die ihn niederdrückte zu verbergen. Er drehte sich herum und sah zur Küche, in deren Türe seine Frau stand.
Sie lächelte ihn voller Liebe und Zärtlichkeit an, ging zu ihm hin, nahm ihn in den Arm, küsste ihn, spürte dann, dass etwas nicht in Ordnung war, dass er gedrückt war. „Ist, ist etwas passiert?", wollte sie wissen.
Er bemühte sich um ein Lächeln. „Alles in Ordnung!"
Sie sah ihn fragend an. „Ich kenne dich doch, Mo?, meinte sie dann. „Irgendetwas stimmt doch nicht. Irgendwas bedrückt dich doch.
Er lächelte wieder. „Ach, stammelte er nur. „Beruhige dich! Nichts Ernstes!
Sie streichelte ihm über die Haare. „Bitte, sag mir doch, was los ist. Ich liebe dich und will nicht, dass du traurig bist!"
Er wich ihr schweigend aus, konnte sich aber auch nicht in eine gute Stimmung bringen.
„Ist was bei der Arbeit?"
Er nickte.
„Nun sag schon!"
„Ach, begann er und stotterte immer noch leicht. „Du weißt doch, dass der Posten des Abteilungsleiters zu besetzen war. Na ja, muss ich noch weiter reden?
„Sie haben ihn jemand anderem gegeben!", wusste sie, da sie in letzter Zeit des Öfteren darüber geredet hatten.
Er nickte. „Der Chef hat mich heute Abend noch ins Büro gebeten und mir es quasi im Vorübergehen gesagt. Ich durfte mich nicht einmal setzen. Er wollte es schnell hinter sich bringen, das war mir gleich klar!"
„Es war ihm wahrscheinlich peinlich!"
„Das sicher! Der Mann nickte. „Das ist sicher, nachdem, was ich alles für die Firma geleistet habe.
„Ja, du hast viel geleistet für den Betrieb, versicherte sie ihm. „Du hast ihm viel Gewinn gebracht.
Er sah sie mit solchem Blick an, dass ihr bewusst war, dass er es bestätigt wissen wollte.
Sie wiederholte, was er ihr schon oft erzählt hatte und was sie miterlebt hatte. „Du hast das Vertriebsnetz für den arabischen Raum aufgebaut, was der Firma einen neuen Absatzraum erschlossen hat und ihr viel Geld gebracht hat. Und du hast beste Kontakte geknüpft und sie so gepflegt, dass jetzt das Geschäft praktisch von alleine läuft. Sie atmete tief durch. „Du hast die beste Bilanz in der Firma, kein anderer kann solche Zahlen vorweisen. Und anstatt, dass sie dich zum Chef der Abteilung machen, setzen sie dir jemand anderen vor die Nase.
Mo nickte traurig.
„Na wenigstens hast du jetzt etwas von deinem Netzwerk. Vielleicht hast du ja jetzt ein bisschen weniger Arbeit und ein bisschen mehr Zeit für uns." Sie lächelte ihn an, wurde aber wieder ernst, als sie sah, dass sie ihn nicht aufheitern konnte
„Es ist klar, dass Dr. Bauer die Arbeit nicht mehr machen konnte. Er war alt, krank und geht ja auch jetzt in Rente. Aber ich habe sicher damit gerechnet, dass ich sein Nachfolger würde, erklärte er ihr nochmals. „Und nun das!
„Was hat dir denn der Chef gesagt?"
„Er hat mir eröffnet, dass jemand von außerhalb die Abteilung leiten wird, eine Jüngere als ich, der aber schon in einer anderen Firma diese Position inne hatte, trotz seines niedrigen Alters also schon Erfahrung hat. Eine Frau Dr. Engels."
„Eine Frau?", rief Salah überrascht aus.
Er holte tief Luft. „Ja, auch das noch. Er sah sie verbittert an. „Sie haben mir eine Frau vor die Nase gesetzt.
Salah verstand ihn, begriff aber, dass sie beschwichtigen musste. „Du wirst schon mit ihr klar kommen. Du kommst doch mit allen klar!"
Er verzog die Miene. „Sie wollen halt jemanden mit Doktortitel, wegen der Repräsentation, erläuterte er sachlich. „Das habe ich damals nach dem Studium versäumt.
Sie hatten an der Universität in Hamburg BWL studiert und sich dort auch kennengelernt.
„Du hast für uns darauf verzichtet, Mo", erinnerte sie ihn an die Zeit, als sie die Familie gründeten und dringend Geld brauchten.
„Ja, meine kleine Salah!"
Sie war tatsächlich eine kleine Person, auch etwas mollig, mit Rundungen am ganzen Körper, so wie er es liebte. Sie hatte trotzdem ein hübsches Gesicht mit sehr langen, pechschwarzen Haaren, so wie er es liebte. Er hatte sich sofort in sie verliebt, als sie sich an der Universität begegnet waren. Es war Liebe auf den ersten Blick.
„Und du hast damals dein Studium für uns ganz aufgegeben, weil unser Babu kam!, erinnerte er sie daran. „Das wollen wir mal nicht vergessen.
„So hat jeder sein Opfer gebracht!"
Ihr ältester Sohn hieß Abdarrahman, aber sie nannten ihn Babu. Sie hatten noch drei Kinder, zwei Mädchen und einen Jungen. Für die Familie hatte sie ihr Studium aufgegeben. Nun arbeitete sie halbtags in einem Büro als Sekretärin.
Sie sah ihn fragend mit ihren dunklen Augen an. „Bereust du es?"
Da wurde sein Gesicht von einem ehrlichen, strahlenden Lächeln überzogen. „Du hast mir sehr viel Freude gebracht, Salah", versicherte er.
Sie bemerkte es, wusste, dass er an ihre Ehe, an sie und vor allem an ihre vier Kinder dachte. Auch sie strahlte vor Glück.
„Nein!, meinte er. „Ich bereue nichts. Allah hat mir mit euch das größte Geschenk gemacht. Er hat mein Leben reich gemacht!
, versicherte er.
Da drückte sie ihn ganz fest. „Dann genieße das und sei nicht traurig. Erfreue dich an uns und habe einen friedlichen und glücklichen Abend."
„Ja, du hast Recht!" Dann sah er sie doch nochmals nachdenklich an.
„Noch was?", wollte sie wissen.
„Ach, ich überlege nur, ob es wirklich wegen des Doktortitels ist?"
Sie schüttelte den Kopf. „Oh, nein! Bitte nicht die üblichen Minderwertigkeitsgefühle."
Er sah sie nun kritisch an. „Du solltest dieses Argument nicht immer so leicht wegschieben! Er ließ sie los. „Ich habe immer das Gefühl, dass ich zurückgestoßen werde, weil ich kein Deutscher bin, sondern Ägypter. Und dass wir Muslime sind und keine Christen.
Er sah sie angestrengt an.
Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, das auszudiskutieren. Zu viele Abende hatten sie so schon darüber gestritten und waren in schlechter Stimmung ins Bett gegangen. Sie war klug geworden.
„Dann lass dich mal von deiner Frau heute Abend so richtig verwöhnen!, lachte sie laut. Sie sah ihn mit einer Mischung aus Liebe und Spaß an. „Ich werde deine Dienerin sein, was immer du willst!
Er lächelte sie genüsslich an. „Zunächst habe ich nur Hunger!"
„Hunger?", grinste sie ihn an.
„Auf Essen!"
Sie sah ihn mit gespielt enttäuschter Miene an. „Denk an die Pflichten, die dir der Koran auferlegt!"
Er schüttelte erheitert den Kopf. „Lass uns erst Mal was essen, dann sehen wir weiter."
2
„Also dann, komm zum Abendessen!", lächelte sie und ging zurück in die Küche, um das Essen aufzutragen.
Er durchquerte schnell den großen Wohnessraum, der modern eingerichtet war, ging zum Arbeitszimmer, stellte seine Aktentasche ab, ging zurück zur Essecke.
„Weißt, was heute für ein Tag ist?", fragte er unvermittelt.
Sie hielt in ihrem Tun inne. „Natürlich!, wusste sie. „Aber denk nicht auch noch daran, das macht dich zu traurig.
„Wie könnte ich nicht an meine toten Kameraden denken?"
„Ja, das kannst du wohl nicht verdrängen. Sie dachte nach. „Dann denke daran, aber rege dich nicht auf. Erinnere dich, gedenke, aber im Stillen. Ich will nicht, dass die Kinder etwas davon erfahren. Lass uns heute Abend unseren Frieden.
Er nickte.
„Rufst du noch die Kinder?", bat sie ihn aus der Küche.
Er öffnete die Türe zur Diele. „Abendessen!", rief er nach oben, wo die Kinderzimmer waren.
Im selben Moment konnte man die Kinderstimmen hören, die ihm von oben antworteten.
Eine Türe wurde aufgerissen. „Papa!", rief ihm ein Mädchen zu und rannte die Treppe hinunter.
Er eilte zur Treppe und breitete die Arme aus. Keinen Augenblick zu spät, denn das Mädchen war bereits in blindem Vertrauen abgesprungen. Er fing sie auf, umklammerte sie fest, wirbelte sie herum. Sie lachten beide aus vollem Hals. „Komm zu mir, Fatima!", rief er laut lachend vor Glück aus. Das Mädchen war elf Jahre alt.
„Papa, endlich bist du da!"
Er hielt inne, sah sie an, drückte sie fest.
Gepolter war auf der Treppe zu hören. Er sah nach oben. Zwei Kinder tauchten auf, noch ein Mädchen und ein Junge. Sie hielten bei ihrem Vater, er umarmte sie und küsste sie auf die Wange.
„Abi!, begrüßte er seinen zwölfjährigen Sohn, der eigentlich Abdullah hieß, wie auch seine vierzehnjährige Tochter. „Aischa, Liebes!
Er zog sie beide mit seinen Armen zu sich, während die Kleinste sich noch immer an ihn klammerte.
„Kommt ihr zum Essen!", bat die Mutter, die bereits alle Schüsseln auf den Tisch gestellt hatte.
Da ließen die Kinder den Vater los und liefen ins Esszimmer.
„Babu fehlt noch!", stellte der Vater fest. Babu, sein Erstgeborener, war fünfzehn Jahre alt.
„Ach, der sitzt sicher wieder am Computer und hört nichts wegen seiner Headphones!", wusste sie.
Er nickte, ging nach oben, klopfte an der Zimmertüre, keine Reaktion, er öffnete vorsichtig.
Zu seiner Überraschung war es in dem Zimmer dunkel und Babu saß auch nicht am Computer. Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte er seinen Sohn in seinem Bett, den Kopf in das Kissen vergraben. „Das Essen ist fertig, Babu!", wiederholte er liebevoll.
Vom Bett kam keine Reaktion, keine Antwort, nicht einmal eine Regung.
Da ging er hin, bemerkte, wie der Junge schluchzte, setzte sich zu ihm, nahm ihn in den Arm. „Was ist denn, Babu?"
Der Junge fuhr herum und stürzte in seine Arme. Er bebte vor Schluchzen.
Mo nahm ihn in den Arm und hielt ihn fest, drückte ihn an sich. „Was, was ist denn?"
Der Junge weinte.
„Sag mir doch, was ist, dann kann ich dir vielleicht helfen!"
Der Junge weinte noch eine Weile, dann ein letztes Schluchzen, dann sah er seinem Vater in die Augen. „Ach, die sind so gemein zu mir!"
Der Vater sah ihn fragend an. „Wer? Wer ist gemein zu dir?"
„Meine Klassenkameraden."
„Deine Klassenkameraden?", wiederholte der Vater und überlegte, was nun wieder los war. Es hatte schon des Öfteren Ärger mit Klassenkameraden gegeben, oft waren es die üblichen Dummheiten des Kindesalters, häufig aber auch Angriffe gegen seine Kinder wegen ihres dunklen Teints, ihrer Namen und ihrer Herkunft. Bisweilen war es auch der Neid, denn seine Kinder erzielten alle guten Noten.
„Und, und was ist genau geschehen?"
„Ach, unsere Klasse hat jetzt eine Gruppe bei „Whatsapp.
Er holte Luft. „Du weißt schon, wo man sich gegenseitig Botschaften schickt."
„Zum Beispiel die Ergebnisse der Mathehausaufgaben." Er verzog die Miene.
Babu nickte. „Ja, ja, das auch! Er sah seinen Vater vorsichtig an. „Im Moment ist es „in
, sich gegenseitig zu mobben, also fertig zu machen."
„Ich weiß, was mobben bedeutet!", erklärte der Vater besorgt.
Der Junge schwieg.
„Und im Moment bist du dran?"
Babu schüttelte den Kopf. „Ich bin schon eine ganze Weile dran, ich bin eigentlich immer dran. Er begann wieder zu weinen. „Egal, um was es gerade ging, es war immer so, dass ich gemobbt wurde. Schon von Anfang an, seit ich in der Gruppe bin. Und wahrscheinlich auch schon vorher.
Er fing wieder an, zu weinen.
Mo wurde von einer Mischung aus Erbitterung, Verzweiflung und Zorn ergriffen. Er versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. „Zeigst du mir mal so einen Eintrag?"
Der Junge nickte, stand auf und schaltete seinen Computer ein. Mo setzte sich neben ihn. Als das Programm geöffnet wurde, las er laut vor. „Hurensohn, Nuttensohn, Kaffer, Neger … Er konnte nicht mehr weiter lesen. Er dachte nach. Dann wandte er sich an seinen Sohn. „Ich werde morgen mit der Lehrerin reden!
, versprach er Babu. „Das wird aufhören, das verspreche ich dir!" Er versprach es ihm, unsicher, ob er dieses Versprechen halten könnte. Er kannte die anderen Eltern.
Babu sah ihn hoffnungsvoll an.
„Jetzt komm mit, das Essen wartet!"
„Ich, ich habe keinen Hunger!"
„Kommt nicht in Frage! Wer kämpfen muss, muss auch essen", befahl der Vater und versuchte zu lachen.
Da standen sie beide auf und gingen hinunter ins Esszimmer.
3
„Ah, Ful mit Bastirma!", rief der Vater aus, als er und der Junge sich an den Tisch setzten.
Auf dem Tisch stand eine riesige Schüssel, in der sich das Bohnengericht mit Geflügel gulaschartig vermischt befand. Die anderen hatten bereits Platz genommen, warteten jedoch auf den Bruder und vor allem auf das Familienoberhaupt.
Der Vater hob die Hände und sprach ein Dankgebet zu Allah. Dann wünschte er ihnen einen guten Appetit.
Alle nahmen sich von dem Fladenbrot, das auf einer der Schüsseln lag, das andere Gericht aßen sie mit den Fingern.
„Nicht mit der linken Hand, Fatima!, belehrte Mo seine jüngste Tochter Fatima. „Du weißt, das ist die unreine Hand.
Das Mädchen zuckte mit der Hand zurück, dachte kurz nach und holte sich dann mit der rechten Hand etwas aus der Schüssel.
Nun aßen sie eine Weile schweigend.
„Warum isst du denn nichts, Aischa?, fragte die Mutter plötzlich ihre große Tochter. „Hast du keinen Hunger?
Das Mädchen schwieg, während die anderen weiter aßen.
Die Mutter blickte das Mädchen nun mit zunehmend besorgterer Miene an. „Bist du krank?"
„Ich finde es furchtbar, dass wir mit den Händen essen!", rief sie plötzlich aus.
Alle hielten überrascht inne und sahen sie an.
Sie blickten sie mit einem Gefühl aus Zorn und Enttäuschung an. Auf dem Gesicht der Mutter machte sich ein Ausdruck des Versagens breit.
Der Vater bemerkte es, legte seine Hand beruhigend auf ihre Hand und wandte sich Aischa zu. „Es ist einer unserer Bräuche, begann er leise, aber bestimmt. „Es ist einer unserer Bräuche, dass wir manchmal mit den Fingern aus einer Schüssel essen. Das soll die Zusammengehörigkeit unserer Familie zeigen. Das ist ein alter und wichtiger Brauch!
„Wenn wenigstens jeder von uns einen Löffel nähme!", warf das Mädchen ein.
„Aber ich sagte dir doch, dass es ein Brauch ist!, erklärte der Vater nochmals. „Und wir machen es doch nur manchmal, wenn wir uns an unsere Vorfahren erinnern wollen.
„Wenn wir das tun, dann ist es genau so, wie meine Klassenkameraden es mir vorwerfen!", rief Aischa verzweifelt aus.
Mohammed und Salah sahen sie entsetzt an. „Was, was meinst du damit!", fragte der Vater ehrlich.
Das Mädchen winkte mit Tränen in den Augen ab und schwieg.
„Was meinst du damit?, wollte Mo nun in strengerem Ton wissen. „Erkläre es mir!
Sie schwieg weiter.
„Sprich, wenn dein Vater dich dazu auffordert!" Er sah sie streng an.
Sie wagte es nicht, seinen Zorn zu erregen, also sprach sie. „Meine Klassenkameraden sind so gemein. Sie hänseln mich immer wegen meines Aussehens. Und sie sagen, wir würden sicher nicht mit Messer und Gabel essen. Und so ist das ja auch!"
„Aber, aber wir essen doch fast immer mit Messer und Gabel. Nur manchmal eben nicht. Heute halt mal nicht, weil wir unsere Zusammengehörigkeit zeigen wollen, indem wir aus einer Schüssel essen." Er sah sie fast bittend an.
Sie saß mit gesenktem Kopf da.
„Zuhause aßen wir immer auf dem Boden sitzend und nahmen uns alle mit der Hand aus der Schüssel!"
„Wenn wir wenigstens einen Löffel nähmen!, rief das Mädchen aus. „Aber so, so ist es genauso, wie die Deutschen sagen!
Sie begann vor Verzweiflung zu weinen.
Ihre Eltern und Geschwister sahen sie verlegen an.
Der Vater dachte nach. „Hol jedem einen Löffel und ein Schüsselchen, Salah!", bat Mo seine Frau und blickte traurig zu Boden.
Die Mutter stand auf und holte aus der Küche die Löffel.
4
Am nächsten Abend deckte die Mutter den Abendbrottisch gleich mit Tellern und Besteck für jeden ein. Alle bemerkten es und saßen deswegen ein bisschen betreten da, während sie schweigend aßen.
Schließlich durchbrach Salah die bedrückende Stille. „Was hat die Lehrerin gesagt?" Sie sah ihren Mann an, der am Morgen noch vor der Arbeit in der Schule gewesen war, um mit der Lehrerin über die Angriffe auf seinen Sohn im Internet zu sprechen.
Die Kinder, die alle Bescheid wussten, horchten auf.
Mo sah verlegen und auch ein bisschen verärgert von einem zum anderen. „Später!", bat er sie und sie aßen schweigend weiter.
Als sie zu Bett gegangen waren, fragte sie nochmals.
„Sie hat gesagt, dass sei normal!", knüpfte er an ihre Frage an.
„Normal?", fragte sie überrascht und runzelte die Stirn.
Er nickte. „Sie meinte, dass es sicher schlimm sei, dass solche Dinge über Abdarrahman im Internet stünden, dass wir es aber nicht überbewerten sollten."
„Nicht überbewerten? Wenn unser Sohn übel beschimpft wird?"
„Ja. Sie meinte, dass es bei pubertierenden Jugendlichen normal sei, dass man sich so beschimpfen würde. Das gehe hin und her und nach einer Weile höre es von