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Taifun
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Ebook125 pages1 hour

Taifun

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About this ebook

Kapitän MacWhirr ist im Auftrag einer englischen Reederei und unter siamesischer Flagge auf dem Dampfer Nan-Shan im Chinesischen Meer unterwegs. Das Schiff gerät in einen schweren Taifun und Kapitän MacWhirr und seine Crew müssen um ihr Überleben kämpfen. Das wird dadurch erschwert, dass sich an Bord mehrere chinesische Kulis befinden, die sich während des Unwetters um Silberdollars aus zerberstenden Seekisten streiten. Kapitän MacWhirr muss all seine kraft aufwenden, um den Streit beizulegen und heil den sicheren Hafen anzulaufen.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateOct 23, 2019
ISBN9783750246119
Taifun
Author

Joseph Conrad

Joseph Conrad (1857–1924) und Ford Madox Ford (1873–1939) gehören zu den bedeutendsten Erzählern der modernen Literatur des 20. Jahrhunderts. In seinen vielschichtigen, auch vieldeutigen Romanen und Erzählungen knüpfte Conrad oft an die Erfahrungen seiner Seemannsjahre an. Die Romane von Ford Madox Ford haben an Wertschätzung in den letzten Jahrzehnten ständig zugenommen und gelten heute ebenfalls als Klassiker; er arbeitete viel und eng mit Joseph Conrad zusammen, mit dem er mehrere Bücher verfasste.

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    Taifun - Joseph Conrad

    Taifun

    Taifun

    Joseph Conrad

    Joseph Conrad

    Taifun

    © 1903 by Joseph Conrad

    Erstmals erschienen 1903 in dem Erzählband

    Typhoon and Other Stories

    Aus dem Englischen von Elise Eckert 1908

    © Lunata Berlin 2019

    Inhalt

    Erstes Kapitel

    Zweites Kapitel

    Drittes Kapitel

    Viertes Kapitel

    Fünftes Kapitel

    Sechstes Kapitel

    Über den Autor

    Erstes Kapitel

    Die Gesichtszüge des Herrn Mac Whirr, Kapitäns des Dampfers Nan-Shan, schienen das vollkommene Widerspiel seines Charakters zu sein: sie boten keine bestimmten Merkmale weder von Festigkeit noch von Beschränktheit; sie drückten überhaupt keinerlei Eigentümlichkeit aus; sie waren einfach gewöhnlich, ausdruckslos und unbeweglich. Das Einzige, was sich in seinem Aussehen hie und da anzudeuten schien, war Schüchternheit; in den Geschäftszimmern der Reeder konnte man ihn nämlich, ein schwaches Lächeln auf dem sonnverbrannten Gesichte, mit niedergeschlagenen Augen sitzen sehen. Schlug er sie auf, so bemerkte man, daß sie blau von Farbe und offen und ehrlich im Ausdruck waren. Sein Haar, das blond und außerordentlich fein war, umschloß die kahle Wölbung seines Schädels wie ein Kranz von seidenem Flaume. Sein über der Lippe kurz abgeschnittener Bart dagegen war flammend rot und glich einem Gestrüpp von Kupferdraht, während über seine Wangen, mochte er sich noch so glatt rasieren, bei jeder Bewegung des Kopfes metallische Funken zu gleiten schienen. Er war unter Mittelgröße, etwas rundschulterig und so derb von Gliedern, daß seine Kleider immer um eine Idee zu eng für seine Arme und Beine zu sein schienen. Als ob er unfähig wäre zu begreifen, welche Anforderungen die Verschiedenheit der Breitegrade an die menschliche Kleidung stellt, trug er immer und überall einen braunen Filzhut, einen vollständigen Anzug von gleicher Farbe und plumpe schwarze Stiefel. Diese hafenmäßige Tracht gab seiner dicken Gestalt eine Art steifer, unbeholfener Eleganz. Eine dünne silberne Uhrkette zierte seine Weste, und nie verließ er das Schiff, um ans Land zu gehen, ohne einen eleganten Regenschirm allerbester Qualität, meist jedoch ungerollt, in seiner mächtigen, haarigen Faust zu halten. Der Obersteuermann Jukes, der seinen Kapitän bis an die Laufplanken begleitete, wagte es manchmal, in liebenswürdigstem Tone zu sagen: »Erlauben Sie, Herr Kapitän!« und sich mit aller Ehrerbietung des Schirmes zu bemächtigen; er hob ihn dann in die Höhe, schüttelte die Falten zurecht, drehte ihn im Nu zu einer zierlichen Rolle zusammen und händigte ihn dem Eigentümer wieder ein. Dabei machte er ein so grimmig ernstes Gesicht, daß Herr Salomon Rout, der Oberingenieur, der eben über dem Oberlicht seine Morgenzigarre rauchte, den Kopf zur Seite wandte, um ein Lächeln zu verbergen. »Ah! So! Dank' Ihnen, Jukes; dank' Ihnen!« pflegte der Kapitän anerkennend zu murmeln, ohne jedoch aufzublicken.

    Da er gerade so viel und nicht mehr Einbildungskraft besaß, als er von einem Tag auf den andern brauchte, so erfreute er sich einer ruhigen Selbstgewißheit, und aus demselben Grunde lag ihm auch jede Überhebung ferne. Man betrachte seine Vorgesetzten und man wird finden, daß die mit einem reicheren Maße von Einbildungskraft begabten am ersten empfindlich, herrisch und anspruchsvoll sind; jedes Schiff aber, das Kapitän. Mac Whirr befehligte, war eine schwimmende Wohnung der Harmonie und des Friedens. Ihm war es in der Tat so wenig möglich, sich zu einem höheren Gedankenfluge aufzuschwingen, als es einem Uhrmacher möglich ist, einen Zeitmesser ohne andere Werkzeuge als eine Schrotsäge und einen zwei Pfund schweren Hammer herzustellen.

    Doch die wenig anziehende Lebensgeschichte von Männern, die so völlig in den Tatsachen der nackten Wirklichkeit aufzugehen scheinen, hat auch ihre geheimnisvolle Seite. In Kapitän Mac Whirrs Falle war es zum Beispiel ein ungelöstes Rätsel, was in aller Welt den wohlgeratenen Sohn eines Krämers in Belfast veranlaßt haben mochte, seinen Eltern davonzulaufen und zur See zu gehen. Und doch hatte er gerade das getan, als er fünfzehn Jahre alt war. Bei Licht betrachtet, würde diese Tatsache genügen, um in uns die Vorstellung einer ungeheuern, mächtigen Hand zu erwecken, die unsichtbar in den Ameisenhaufen der Erde hineinfährt, Schultern packt. Köpfe zusammenstößt und die verblüfften Gesichter der Menge nach ungeahnten Richtungen hin- und nie gekannten Zielen zuwendet.

    Sein Vater vergab ihm seinen törichten Ungehorsam nie ganz. »Wir hätten ihn ja entbehren können, wenn das Geschäft nicht gewesen wäre,« sagte er später manchmal, »und er noch dazu unser einziger Sohn!« Seine Mutter weinte viel nach seinem Verschwinden. Da er nicht daran gedacht hatte, eine Mitteilung zu hinterlassen, so wurde er für tot betrauert, bis endlich nach acht Monaten sein erster Brief aus Talkahuano kam. Dieser war nur kurz und enthielt die Bemerkung: »Wir hatten sehr schönes Wetter zu unsrer Fahrt.« Doch war in des Schreibers Augen offenbar das einzig Wichtige, was er zu berichten hatte, die Tatsache, daß sein Kapitän ihn an eben dem Tage, wo der Brief geschrieben wurde, als ordentlichen Matrosen angenommen und auf die Schiffsartikel verpflichtet hatte. »Weil ich die Arbeit leisten kann,« fügte er erklärend hinzu. Die Mutter vergoß wieder viele Tränen, während der Vater seinen Gefühlen durch die Worte Luft machte: »Tom ist ein Esel.« Er war ein wohlbeleibter, mit natürlicher Schlauheit begabter Mann und konnte es bis ans Ende seines Lebens nicht lassen, im Verkehr mit seinem Sohne halb mitleidig über ihn, wie über einen nicht ganz vollsinnigen Menschen zu witzeln.

    Die Besuche Mac Whirrs in seiner Heimat waren natürlich selten, und so schrieb er im Laufe der Jahre eine Reihe von Briefen an seine Eltern, durch die er sie über seine verschiedenen Beförderungen, sowie über sein Hin und Her auf dem weiten Erdenrunde auf dem laufenden erhielt. In diesen Mitteilungen waren Sätze wie die folgenden enthalten: »Die Hitze ist hier sehr groß«; oder: »An Weihnachten trafen wir auf einige Eisberge.« Die alten Leute lernten nach und nach alle möglichen Namen von Schiffen und ihren Führern kennen – Namen von schottischen und englischen Schiffseigentümern – Namen von Meeren, Meerengen, Vorgebirgen – ausländische Namen von Häfen für Bauholz, für Reis, für Baumwolle – Namen von Inseln und Halbinseln und endlich den Namen der jungen Frau ihres Sohnes. Sie hieß Lucy. Es kam ihm nicht in den Sinn zu erwähnen, ob er den Namen hübsch fand. Und dann starben die Eltern.

    Mac Whirrs Hochzeit fand zur festgesetzten Zeit statt, nicht lange nach dem großen Tage, an dem er sein erstes Kommando erhalten hatte.

    Alle diese Ereignisse hatten sich viele Jahre vor dem Morgen begeben, an dem der Kapitän sich im Kartenhause dem auffallenden Tiefstande eines Barometers gegenüber sah, dem zu mißtrauen er keinen Grund hatte. Wenn man die Vorzüglichkeit des Instrumentes und anderseits die herrschende Jahreszeit, sowie die augenblickliche Lage des Schiffes auf der Erdkugel in Betracht zog, so mußte dieser Tiefstand in hohem Grade unheilverkündend erscheinen. Allein das rote Gesicht des Mannes verriet nichts von Beunruhigung. Vorzeichen waren für ihn nicht vorhanden; ja, er war nicht imstande, die Bedeutung einer Vorhersage zu erfassen, bis ihre Erfüllung sie ihm dicht unter die Augen rückte. »Das Barometer ist gefallen, und zwar ordentlich,« dachte er. »Es muß ungewöhnlich schlechtes Wetter in der Luft liegen.«

    Die Nan-Shan befand sich auf dem Wege vom Süden nach dem Vertragshafen von Futschou. Ihre untern Räume bargen eine Warenladung und außerdem hatte sie zweihundert chinesische Kulis an Bord, die nach einigen Arbeitsjahren in verschiedenen tropischen Kolonieen nach ihren heimatlichen Dörfern in der Provinz Fokien zurückkehrten.

    Der Morgen war schön. Die glatte See hob sich ohne eine Perle Schaumes. Am Himmel stand die Sonne von einem eigentümlichen weißen Nebel wie von einem Hofe umgeben. Das ganz von Chinesen besetzte Vorderdeck zeigte in buntem Gemisch dunkle Gewänder, gelbe Gesichter und schwarze Zöpfe – dazwischen viele nackte Schultern, denn es war windstill und die Hitze drückend.

    Die Kulis lagen träge herum, schwatzten, rauchten oder starrten über die Reling; einige schöpften Wasser und begossen einander damit; andre hatten sich auf Luken hingestreckt um zu schlafen, während wieder andere in Gruppen von sechs Köpfen um eiserne Präsentierbretter hockten, die mit Tellern voll Reis und winzigen Teetassen bedeckt waren. Jeder einzelne Sohn des himmlischen Reiches führte seine gesamte Habe mit sich – eine hölzerne Kiste mit klirrendem Schloß und messingbeschlagenen Ecken, die die Erträgnisse seiner Arbeit enthielt: ein und das andre Feierkleid, etwas Weihrauch, ein wenig Opium vielleicht, Stücke namenlosen Plunders von eingebildetem Werte und ein kleines Häufchen Silberdollars. Diese letztern waren auf Kohlenausladern erworben, im Spiel oder durch einen kleinen Handel gewonnen, aus der Erde gegraben, in Bergwerken, auf Eisenbahnlinien oder im toddrohenden Schilfmoor unter viel Mühe und Schweiß errungen – mit unermüdeter Geduld gesammelt, mit Sorgfalt gehütet, mit wilder Gier geliebt.

    Ungefähr um zehn Uhr hatte eine Querdünung F1 vom Formosakanal her eingesetzt, ohne jedoch unsre Passagiere viel zu beunruhigen, da die Nan-Shan mit ihrem flachen Boden, ihren Schlingerkielen und ihrer großen Breite den Ruf eines außergewöhnlich stetigen Schiffes genoß. Obersteuermann Jukes pflegte in Augenblicken gehobener Stimmung am Lande von ihr zu rühmen, daß das alte Mädchen ebenso gut sei wie schön. Kapitän Mac Whirr wäre es nie eingefallen, seine gute Meinung so laut und in solch phantastischen Ausdrücken auszusprechen. Sie war zweifellos ein gutes Schiff und auch noch nicht alt. Es war noch keine drei Jahre her, daß sie in Dumbarton auf Bestellung einer kaufmännischen Firma in Siam – Sigg &

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