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Koller
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Koller

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Koller wird Student und schließt sich der Hochschulumweltgruppe an. Deren beide Leiter werden einer nach dem anderen ermordet, sodass Koller deren Nachfolger wird. Er verfolgt sine Ziele mit striktem Ernst und steht eines Tages dem Möder gegenüber, der jedoch fleiehen kann, nachdem ihn ein Überwachungspolizist anruft. Er flieht nach Polern und die Jagd auf ihn beginnt.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateNov 3, 2019
ISBN9783750210073
Koller

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    Koller - Hans Müller-Jüngst

    Koller wird Student

    Koller war in Mahnstadt umgezogen, nachdem er sich zu Hause völlig mit seinen Eltern zerstritten hatte und einfach seine Ruhe haben wollte. Er gehörte zu der Sorte Menschen, die gerne in sich gingen und nachdachten. Dabei war im Vorfeld gar nicht unbedingt klar, worüber er nachdenken wollte. Schon die Handlung, sich hinzusetzen, Ruhe zu haben und zu denken erfüllte ihn mit großer Zufriedenheit. Koller hatte sich in seiner Wohnung eigens einen gemütlichen Sessel hingestellt, in dem er manchmal stundenlang saß und nachdachte.

    Er war zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alt und hatte ohnehin vor, sein Elternhaus zu verlassen, denn mit spätestens 20 hieß es für seine Freunde und ihn, von Zuhause auszuziehen. Er hatte sein Abitur gemacht und eine „Ehrenrunde" drehen müssen. Er war nie ein herausragend guter Schüler gewesen, sein befriedigendes Abitur würde aber ausreichen, ihm die Tore für sein Weiterkommen zu öffnen.

    Koller lebte in den Tag hinein, seine Wohnung bezahlte sein Vater, auch seine Alltagsausgaben übernahm er. An Geld herrschte bei Koller zu Hause kein Mangel, und wenn er einmal ein wenig knapp bei Kasse war, brauchte er nur Bescheid zu sagen und bekam von seinem Vater eine Finanzspritze. Sein Vater war ein hohes Tier bei der Stadt und hatte von daher so manche Verbindung, die er in Anspruch nehmen und Koller Gutes tun konnte. Seine Mutter war ein stilles Pflänzchen, tat, was sein Vater sagte und redete ihm nach dem Mund. Während Koller zu Hause wohnte, war sie immer an ihm dran und nervte ihn mit irgendwelchen Belanglosigkeiten. So verlangte sie, dass er beim Saubermachen half, nahm aber selbst die Dienste von reichlich Putzpersonal in Anspruch.

    Mit ihren 50 Jahren gehörten Kollers Eltern für ihn zum „Alten Eisen", und Koller konnte eigentlich wenig mit ihnen anfangen. Beide waren sie von ihrer Körperfülle her eher im oberen Bereich angesiedelt und schon allein deshalb fand Koller sie wenig attraktiv. Das gleiche galt für den Freundeskreis, mit dem sie sich umgaben. Zu ihm gehörte ein dicker Mann, der immer, wenn er ihn begrüßte, sagte:

    „Meine Güte, bist Du aber groß geworden, weißt Du schon, was Du einmal werden willst?" Dabei interessierte ihn überhaupt nicht, was er scheinbar wissen wollte, denn er fragte jedes Mal, wenn er zu Besuch war, dasselbe.

    Koller war ein Einzelkind, und er war nicht traurig darum, keine Geschwister zu haben. So brauchte er auf niemanden Rücksicht zu nehmen, wenn er sich irgendwo zum Nachdenken niederließ. Eines Tages wurde ihm aber das Genörgel seiner Mutter zu viel, und als sich auch noch sein Vater auf die Seite seiner Mutter schlug, beschloss er, auszuziehen.

    Koller war ein gutaussehender junger Mann, und einige Mädchen waren hinter ihm her. Er hatte aber nur mit Ludmilla eine engere Beziehung, die noch während seiner Schulzeit angefangen hatte. Ludmilla war ein ausnehmend schönes Mädchen, und sie war darüber hinaus auch noch intelligent. Koller liebte es, wenn er sich heftig mit ihr stritt und am Ende wieder versöhnte. Um Ludmilla haben ihn so manche seiner Schulfreunde beneidet, und Koller zeigte sich mit ihr voller Stolz. Dann aber begann etwas in der Beziehung, das Koller immer abgelehnt hatte, Ludmilla begann zu klammern: sie malte sich ein Leben mit ihm aus und sah sich schon mit gemeinsamen Kindern und ihm in einem Einfamilienhaus. Koller fühlte sich noch viel zu jung, solche Gedanken vor sich herzutragen. Er gab Ludmilla zu verstehen, dass er sich ein Leben mit ihr zwar vorstellen konnte, es aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht planen wollte. Ludmilla war aber ganz befangen von der Vorstellung von einem gemeinsamen Leben mit Koller, und sie malte es sich in den schillerndsten Farben aus.

    Aber Koller sprang nicht auf ihren Zug und versuchte abermals, Ludmilla zu verstehen zu geben, dass er sich zu jung für solche Zukunftsplanungen fühlte, die sein gesamtes weiteres Leben betrafen. Er war nicht bereit, sich festzulegen und noch bevor er seinen weiteren Lebensweg geplant hatte, sein Leben in fertige Formen zu pressen.

    Eines Tages, Ludmilla war gerade zu Besuch bei Koller in der Wohnung, kam es zwischen den beiden zur Aussprache über diesen Punkt, und Koller legte Ludmilla dar, dass er sich auf keinen Fall in der Situation, in der er sich zu diesem Zeitpunkt befand, festlegen wollte, und auch Ludmilla wäre noch viel zu jung und zu unerfahren dafür:

    „Du kannst doch nicht ernsthaft erwarten, dass ich mich schon jetzt in der Rolle des Familienernährers sehe und ein Leben mit Dir und unseren Kindern führe!", sagte er zu Ludmilla, und Ludmilla sah ihn mit ihren großen Augen an:

    „Aber was willst Du denn, Du musst Dir doch Gedanken über Deine Zukunft machen!", antwortete sie, und so ergab ein Wort das andere, bis Koller die Notbremse zog und die Beziehung beendete. Ludmilla war wie vom Schlag getroffen und fiel in einen Weinkrampf. Sie raffte ihre Sachen zusammen und verließ Kollers Wohnung, ohne ihn noch einmal angesehen zu haben, ohne ein Wort des Abschieds.

    Koller war klar, dass er so mit wenigen Worten eine Beziehung zunichte gemacht hatte, die schon zwei Jahre währte, er fand den Schritt, den er gegangen war, aber richtig. Beinahe war er sich vorgekommen wie bei einem Ehepaar, das schon über Jahre zusammenlebte, Ludmilla putzte für ihn, sie bügelte seine Hemden, und sie kochte für ihn. Und obgleich ihn diese Dinge entlasteten, so lehnte er sie doch ab, weil er von seiner Partnerin etwas anderes erwartete und damit bei Ludmilla auf Unverständnis stieß.

    Das gesamte Freundesumfeld von Koller und Ludmilla war entsetzt zu erfahren, dass die Beziehung der beiden, die alle schon verheiratet gesehen hatten, mit einem Mal beendet war, und Koller hatte Mühe, sich zu erklären.

    Von Ludmilla sah man lange nichts mehr, sie wäre wieder eine Beziehung eingegangen und ähnliches, so verlautete es. Koller sah und hörte von ihr aber erst einmal nichts mehr.

    In der Zeit nach der Trennung empfing er regelmäßig alte Freunde in seiner Wohnung, spielte mit ihnen Karten und soff die Nächte durch.

    „Ludmilla und ich haben, wenn wir hier zusammen waren, gelebt wie ein altes Ehepaar, das wollte ich nicht länger mitmachen, dazu fühlte ich mich noch zu jung!", sagte Koller allen, die ihn auf seine Trennung von Ludmilla ansprachen.

    Koller ließ sich in der Zeit seines Lotterlebens etwas gehen, was sein Äußeres betraf, er rasierte sich nicht mehr und ließ sich die Haare wachsen, so bekam er einen schwarzen Vollbart und sein glattes Haar wuchs schnell bis auf seine Schultern. Inzwischen, wo das Haar allgemein kurz getragen wurde und man glatt rasiert war, fiel Koller auf, was ihn aber nicht sonderlich störte. Auch seine Kleidung vernachlässigte er, das hieß, dass er immer leicht schmuddelig herumlief und auf sein Aussehen nicht achtete, das hatte Ludmilla immer getan.

    Koller war schlank und athletisch, und er blieb es auch, so konnte er seine alten Sachen lange tragen. Er war 1.87 m groß und fiel von daher schon auf, wenn er sich auf der Straße unter Menschen bewegte, und so manches Mädchen drehte sich nach ihm um. Aber Koller stand nicht der Sinn nach Mädchen so kurz nach der gescheiterten Beziehung zu Ludmilla. Es gab da hin und wieder ein Techtelmechtel, er nahm schon mal ein Mädchen mit in seine Wohnung, das er in der Disco kennengelernt hatte, das war aber alles.

    Koller verbrachte seine Freizeit lieber mit seinen Freunden, und das bedeutete meistens, dass sie in seiner Wohnung herumhingen oder in die Kneipe gingen. Wenn er einmal nach Hause zu seinen Eltern kam, schaute ihn seine Mutter mit verstörtem Blick an, hielt sich aber mit Kommentaren zu seinem Äußeren zurück.

    Da war sein Vater anders, hausbackener, der fragte Koller nach seinen langen Haaren und seinem Vollbart, er bohrte aber nicht nach. Es kam dann auch schon das Gespräch nach Kollers weiterem Werdegang auf, und sein Vater regte an, dass er doch ein Studium aufnehmen sollte. Koller war nicht abgeneigt, konnte sich aber auf die Schnelle kein Studienfach vorstellen, das ihm gelegen käme:

    „Ich will mir die Sache mit dem Studium durch den Kopf gehen lassen und Dich dann informieren!", sagte er zu seinem Vater. Der gab sich mit Kollers Auskunft zufrieden, verwies aber noch auf den Einschreibetermin:

    „Denk daran, dass Du Dich zum rechten Termin einschreibst, sonst musst Du noch ein Semester rumhängen!" Die letzte Bemerkung seines Vaters hatte Koller getroffen, er war also ernsthaft daran interessiert, dass sein Sohn ein Studium aufnahm. Seine Mutter hielt sich da ganz zurück, wie das so ihre Art war. Wenn es früher um ernste Entscheidungen ging, führte immer Kollers Vater das Wort, und seine Mutter war damit einverstanden, bestenfalls sagte sie zu ihrem Ehemann:

    „Du wirst das schon richtig entscheiden." Diese Schwäche hasste Koller an seiner Mutter, sie war der Inbegriff der Spießerin

    Bis zum Einschreibetermin hatte Koller noch 4 Wochen Zeit, und die wollte er nutzen, um sich Studienfächer zu überlegen. Er beratschlagte sich mit Freunden, was denn für ihn in Frage käme, manche von ihnen wollten selbst studieren und überlegten für sich an Studienfächern. Für Koller war eigentlich längst klar, dass er Fächer für das Lehramt an Gymnasien studieren wollte, und er hatte Sport in die engere Wahl gezogen. Seine Freunde orientierten sich an „BWL, „Digitale Medien, „E-Commerce oder „Spanisch.

    „Du warst doch auf dem Gymnasium immer in „Deutsch ganz gut, nimm doch „Deutsch als Erstfach!, schlug einer seiner Freunde vor. Koller dachte an seine Schulzeit zurück und da besonders an den Deutschunterricht in der 10. Klasse. Sie nahmen den „Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist durch, und Koller war von Anfang an fasziniert von dem rechtschaffenen Bürger Kohlhaas, dem von der Obrigkeit Unrecht widerfuhr, was ihn zu einem Rebell machte. Kohlhaas war das Paradebeispiel für das Verhältnis zwischen Individuum und Staat, der Unrecht gelten ließ und Kohlhaas quasi zwang, sich aufzulehnen. Koller verkörperte bewundernd das Wesen von Kohlhaas vor anderen, auch wenn die Deutschstunde schon vorüber war, er war völlig eingenommen von „Michael Kohlhaas", sodass seine Mitschüler ihm den Namen Koller gaben. Er trug den Namen schon 5 Jahre und fand, dass er sich besser anhörte als Andreas Birtler, wie sein wahrer Name war. Koller war in der Lage, sich gepflegt auszudrücken und hat sich auch in den Deutschkursen in der Oberstufe durch interpretatorisches Geschick hervorgetan. Er hatte Deutsch als Leistungskurs im Abitur und eine 2 gemacht.

    Zumindest daher konnte man eine Affinität zum Studienfach Deutsch herleiten, und Koller war auch gar nicht abgeneigt, das Studienfach zu belegen. Das Ergebnis der langen Gespräche mit seinen Freunden war am Ende, dass er sich an der Hochschule in Mahnstadt in den Fächern Deutsch und Sport für das Lehramt am Gymnasium einschrieb. Er informierte sofort seinen Vater, dass er von da an Student wäre und unterrichtete ihn über seine Fächerwahl.

    „Ich wusste immer schon, dass einmal etwas aus Dir werden wird", sagte Kollers Vater zu seinem Sohn und gab damit seiner Zufriedenheit Ausdruck.

    Die Aufnahme des Studiums war ein Einschnitt für Koller, weil sein Leben von da an getaktet war, je nachdem, wie seine Veranstaltungen lagen. Ansonsten änderte sich für ihn aber nicht so viel, er war in der privilegierten Situation, eine eigene Wohnung zu haben, während seine Freunde und Bekannten in Wohngemeinschaften oder in Wohnheimen lebten. Im schlimmsten Fall lebten sie weiterhin zu Hause, was man aber aus Geldgründen verstehen konnte.

    Immerhin bestand sein alter Freundeskreis weiter fort, was seinen Freunden und ihm Sicherheit verlieh, und man traf sich zwar seltener, aber regelmäßig oder hing bei Koller ab. Nur so ganz exzessiv wie früher ging das nicht mehr, denn schließlich musste jeder sein Studium bewältigen, und das verlangte allen doch einiges ab. Aber Koller kam prima mit den Anforderungen des Studiums zurecht. Er konnte mit dem Bus zur Hochschule fahren und hatte es von daher leichter als seine Kommilitonen, die zum Teil mit dem eigenen Wagen angefahren kamen.

    Ganz allmählich pendelte sich während des 1. Semesters Kollers neues Leben ein. Das Hochschulleben gefiel ihm sehr gut, und er bekam auch schnell Anschluss an das Studentenleben, er lernte viele Kommilitoninnen und Kommilitonen kennen und traf sich später auch außerhalb der Hochschule mit ihnen.

    Schon in der Anfangszeit wurden wilde Partys gefeiert, sie fanden noch in der Hochschule statt, man feierte im Audimax und alle ließen sich dort blicken. Der AStA war der Veranstalter der Feten und hatte immer eine Band engagiert. Koller ging zu Anfang noch unschlüssig durch die Reihen der Kommilitonen, man kannte sich ja nur oberflächlich. Es gab welche, die er in seinen Veranstaltungen gesehen hatte, man hatte aber kaum einmal miteinander gesprochen.

    Koller forderte Mädchen zum Tanz auf, und man verlor sich danach wieder aus den Augen. So war auch der Hochschulalltag zu Beginn noch gestaltet, man besuchte seine Veranstaltungen und ging danach seiner Wege, Koller fuhr dann immer in seine Wohnung und dachte nach, wie das so seine Art war. Das intensive Nachdenken, das manchmal Stunden dauerte, und zu dem er sich immer in seinen gemütlichen Sessel gesetzt hatte, ließ allerdings mehr und mehr nach. Das lag daran, dass ihn sein Studium regelrecht in die Pflicht genommen hatte, und er kaum Möglichkeiten für sich sah, seine Tage selbst zu planen. Erst allmählich kristallisierten sich solche Freiräume an den Abenden heraus, und man traf sich in den einschlägigen Kneipen.

    Die Studenten bevorzugten Kneipen, in die er vorher nie gegangen war, man wusste eben, dass das Studentenkneipen waren, die auch den Studenten vorbehalten bleiben sollten. Koller fühlte sich in der Kneipe auf Anhieb sehr wohl, besonders in der einen, dem „Kakadu, in der er sich immer mit seinen Kommilitonen traf. Sowie er abends Zeit hatte, ging er in den „Kakadu, das waren für ihn nur 10 Minuten zu laufen.

    In der Mitte des Schankraums befand sich die Theke, an die sich die Leute rundum stellten und ihr Bier tranken. Dort stellte sich auch Koller immer hin, meistens neben einen Bekannten von der Hochschule und bestellte sich ein großes Bier. Die Musik war nie so laut eingestellt, dass man sich nicht unterhalten konnte, und Koller führte viel Gespräche an der Theke, meistens politische.

    Sein jeweiliges Gegenüber schwang gleich auf die politische Ebene ein, und das war zu diesem Zeitpunkt die Klimadebatte. Alles drehte sich darum, wie man das „2°C-Ziel von Paris" erreichen konnte. Dieses Ziel wurde auf der Weltklimakonferenz in Paris im Jahre 2015 von 195 Staaten verabschiedet. Der Temperaturanstieg sollte auf der Erde bezogen auf das Jahr 1850 um weniger als 2°C steigen, und dazu musste der Ausstoß an Treibhausgasen bis 2050 um 40-70% reduziert werden, bis 2100 sogar um 100%!

    Koller stieß das Thema gegenüber Rainer, seinem Kommilitonen aus dem Deutschseminar, nur an, und schon sprudelte es aus Reiner nur so heraus. Rainer war sehr beschlagen in der Klimadebatte, das merkte man gleich. Mit zunehmendem Alkoholkonsum erschöpften sich aber seine Redebeiträge in Versatzstücken aus dem Klimabereich: „globale Erwärmung, „Klimawandel, „Polschmelze, „Treibhauseffekt usw. Also gab Koller zu verstehen, dass sie beide doch besser aufhörten, über das Klima und seine Gefährdungen zu diskutieren, weil sie doch schließlich immer betrunkener wurden und an ein ernsthaftes Gespräch deshalb nicht mehr zu denken war.

    Koller ging zu fortgeschrittener Stunde wieder nach Hause, denn er hatte am nächsten Tag ein schweres Sportprogramm zu absolvieren und musste deswegen nach Möglichkeit ausgeruht sein. Er frühstückte nie sehr viel, meistens nahm er sein bisschen Müsli im Stehen und trank ein Glas Milch dazu. So machte er es auch am nächsten Morgen, und er rannte im Anschluss wie sooft im Dauerlauf zur Bushaltestelle. Er konnte von seiner Haustür aus den Bus schon kommen sehen und musste manchmal neben ihm her rennen, um ihn noch zu kriegen. Die Leute, die an der Haltestelle warteten, kannte ihn schon und baten den Busfahrer dann, so lange stehen zu bleiben, bis Koller den Bus erreicht hatte.

    Als Koller an der Hochschule ankam, ging er in den Sporttrakt zur Umkleide und zog sich sein Sportzeug an. Anschließend lief er auf den Platz nach draußen, denn es sollten an diesem Tag ein 1000 m-Lauf und am nächsten Tag ein 400-m-Lauf stattfinden. Sie waren um die 30 Studenten im Sportseminar und Koller war bei der ersten Laufgruppe für den 1000-m-Lauf. Er trug seine neuen Spikes, die er sich noch vor Studienbeginn gekauft hatte. Seine 1000-m-Leistung als Schüler lag bei 3:10 in der Oberstufe, und er wollte bei dem dann anstehenden 1000-m-Lauf nicht dahinter bleiben.

    Die 1000 m entsprachen 2.5 Stadionrunden, und man lief sie natürlich nicht gleich im Sprinttempo, sondern man teilte sich die Strecke ein. Erst ab den letzten 300 Metern ging man in den Sprint über, wenn man die Energie noch hatte.

    Koller wärmte sich auf, wie das auch seine Mitläufer taten. Beim Aufwärmen ging es um die Herstellung einer optimalen psycho-physischen Verfassung und der Dozent hatte sich einige spielerische Elemente für die Aufwärmphase überlegt.

    „Es geht bei dem 1000-m-Lauf darum, dass jeder weiß, wo er läuferisch steht, in allen Fällen kommt Eure Laufzeit aus der Schule und Ihr habt auch noch im Kopf, wie Ihr die Strecke einteilen müsst, orientiert Euch also an diesen Vorgaben!" Und während der Dozent sprach, machten die Studenten Stretching-Übungen, ganz vorsichtig, um sich nicht schon vor dem Lauf allzu sehr zu belasten. Die Temperatur war mit 20°C optimal zum Laufen, und die Studenten gingen auf die Startpositionen. Dort mussten sie sich an die Startlinie stellen, die nach außen hin ein wenig in die Laufrichtung vorgelagert war. Der Dozent stellte sich mit einer Startpistole an den Rand und gab das Kommando:

    „Auf die Plätze-fertig-..., und bei „los gab er für alle vernehmbar den Startschuss ab, Alle waren darauf hingewiesen worden, dass, wenn jemand dreimal einen Fehlstart verursachte, er disqualifiziert werden würde. Und dann ging es los, Koller hatte einen Mittelplatz in der Läuferreihe und hielt sich auf dem dritten Rang. Er hatte sich vorgenommen, sein Lauftempo ganz allmählich zu steigern, was leichter gesagt als getan war.

    Es gab nach dem Start wie immer bei Läufen, bei denen man sich seinen Platz erobern muss, leichte Rangeleien unter den Läufern als es darum ging, von außen nach innen zu laufen. Aber Koller ließ sich durch die Drängeleiversuche der anderen nicht aus der Bahn bringen. Er fühlte sich von Anfang an sehr wohl in seinen neuen Spikes, er hatte ein Modell ausgesucht, das sich optimal an den Fuß anpasste, Dazu hatte er ein Video machen lassen, über das gute Sportgeschäfte zu der Zeit verfügten.

    In der Hälfte der 1. Runde hatte jeder seinen Platz gefunden und lief dem Führenden hinterher, der ein ordentliches Tempo vorgab. Koller ließ das halbe Feld überholen, er wollte Kraftreserven für den Endspurt sparen.

    Als die Hälfte des Laufes vorüber war, hatte sich das Läuferfeld doch ziemlich in die Länge gezogen, und Koller begann allmählich, sein Tempo zu erhöhen. Die anderen hielten eine Zeit lang mit, als Koller aber noch schneller wurde und zu überholen begann, ließen sie sich zurückfallen. Es liefen 7 Läufer in dem Feld und Koller hatte auf dem letzten 300 Metern noch 2 Läufer vor sich. Auf der Zielgeraden gab Koller dann alles, was in ihm steckte und überholte auch tatsächlich die Läufer, die noch vor ihm waren, er lief als Erster durchs Ziel und kam ganz langsam wieder zur Ruhe.

    Es dauerte lange, bis sich seine Atemfrequenz soweit normalisiert hatte, dass er wieder reden konnte und ansprechbar war. 03:08 sagte ihm der Dozent, und Koller freute sich riesig über seinen Erfolg. Damit hatte er seine Leistung aus der Oberstufe noch übertroffen, und er führte seinen Erfolg auf seine neuen Spikes zurück. Am nächsten Tag würde er die 400 Meter laufen und hoffentlich ebenso erfolgreich sein.

    Um die Mittagszeit hörten sie auf dem Sportplatz auf und gingen in die Umkleiden. Als sich Koller soweit umgezogen hatte, ging er mit seinen Kommilitonen in die Mensa, um zu Mittag zu essen. Die Mensa war auch nicht voll, weil gerade die Mittagspause angebrochen war, und die Studenten aus ihren Seminaren noch nicht eingetroffen waren. Koller ging mit seinem Sportkollegen Pascal an die Essensausgabe und ließ sich ein Hauptgericht mit Suppe, Kartoffeln, Schnitzel, Salat und Schokoladenpudding geben. Pascal nahm einen Bohneneintopf und setzte sich mit Koller an einen freien Tisch.

    „Hast Du Dir eigentlich einmal überlegt, welchen Schaden Du der Umwelt mit Deinem Schnitzel zufügst?", fragte Pascal plötzlich vorwurfsvoll. Koller war regelrecht zusammengezuckt, als er mit diesem Vorwurf konfrontiert wurde:

    „Nein!", antwortete er.

    „Eben, allein der Futtermittel- und Energieverbrauch sind immens in der Schweinezucht, es wird viel Ackerland gebraucht und der CO2-Ausstoß ist hoch, die Gewässer werden mit Stickstoff und Phosphor belastet, aber ich will Dir nicht den Geschmack verderben!", ergänzte Pascal. Koller fühlte sich schon angegriffen, ließ aber Pascals Vorwurf an sich abprallen und aß sein Essen mit Heißhunger. Nach und nach füllte sich die Mensa, und Koller blickte um sich herum auf die Teller: er sah nur wenige Fleischmahlzeiten auf den Tellern seiner Kommilitonen. Stattdessen hatten sich viele den Eintopf genommen und auf Fleisch völlig verzichtet. Niemand behelligte Koller aber, und er verspeiste genüsslich sein Essen.

    Nach der Mittagspause sprach Koller Pascal an und und fragte ihn:

    „Bist Du ein Umweltaktivist?"

    „Ich achte auf umweltgerechtes Verhalten nicht nur beim Essen, das betrifft im Grunde alle Lebensbereiche!, antwortete Pascal. Koller fragte nicht nach, denn es war Zeit, sich auf den Weg zum Sportseminar zu machen, das von dem Dozenten vom Vormittag gegeben würde, Schwerpunkt würde der Begriff „Schnellkraft sein. Pascal hatte Koller begleitet und sich neben ihn gesetzt. Nach dem Seminar bot Koller Pascal an, mit ihm auf einen Kaffee in seine Wohnung zu kommen. Pascal ließ sich von Koller beschreiben, wo er wohnte und fuhr mit seinem Fahrrad dorthin. Er kam tatsächlich vor Koller dort an und schloss vor der Haustür sein Fahrrad ab.

    Sie gingen beide in den 1. Stock, wo Kollers Wohnung lag, und Koller bot Pascal im Wohnzimmer einen Platz an, während er in der Küche Kaffee kochte.

    „Wie fandst Du unseren 1000-m-Lauf heute Morgen?", fragte Koller Pascal.

    „Ich habe Dich genau beobachtet, wie Du Dir Deinen Lauf eingeteilt und hinterher alle geschlagen hast, das fand ich sehr beeindruckend!"

    „Ich war schon in der Schule ein guter Läufer und habe mir vor Aufnahme des Studiums meine Spikes gekauft."

    „Ich bin mit meinen alten Latschen gerannt und war mit meinen 3:14 gar nicht so schlecht!", sagte Pascal.

    „Erzähl doch mal, was Du so alles in Umweltfragen unternimmst", forderte Koller Pascal auf.

    „Du kannst ja am Abend zu unserem Treffen kommen, das heute bei mir stattfindet, wir treffen uns bei mir im Wohnheim und suchen uns einen Raum, der groß genug für uns alle ist, da wirst Du Antworten auf Deine Fragen bekommen." Koller sagte sein Kommen zu und ließ sich von Pascal beschreiben, wie er mit dem Bus zu ihm kommen könnte. Nach einer Dreiviertelstunde, 2 Tassen Kaffee und drei Plätzchen war Pascal wieder verschwunden, und Koller dachte über ihn nach. Er setzte sich dazu in seinen gemütlichen Sessel und ging in sich. Gegen 18.00 h lief er zur Bushaltestelle und fuhr in Richtung Wohnheim, und als er den Bau betreten hatte, stiegen ihm die merkwürdigsten Gerüche in die Nase: da waren asiatische Gewürze aber auch Marihuana, und Koller musste sich erst einmal an die Gerüche gewöhnen. Er hatte Pascals Zimmer schnell gefunden und alle, die da waren, begrüßt.

    Pascal stellte Koller vor, und Koller erzählte von sich, dass er im 2. Lehramtssemester wäre und Deutsch und Sport belegt hätte, denn so, wie er das sah, saßen nur Studenten bei Pascal, einige standen auch. Pascal hatte einen Kasten Wasser in die Mitte seines Zimmers gestellt, aus dem sich jeder bedienen konnte. Als sich ungefähr 12 Studenten bei Pascal versammelt hatten, eröffnete er den Abend:

    „Liebe Freundinnen und Freunde, ich glaube, wir können heute darauf verzichten, uns einen größeren Raum zu suchen, diejenigen, die stehen, lassen sich bitte auf dem Boden nieder. Unser heutiges Treffen dient der Vorbereitung unserer großen Demonstration, die in einer Woche in der Stadt zusammen mit Schülerinnen und Schülern stattfinden soll." Koller hinterfragte die großen Demonstrationsziele und bekam dezidierte Antworten auf die Fragen, die er sich vorher überlegt hatte. Begriffe, die sehr häufig genannt wurden, waren Klimawandel, Treibhausgase und Nachhaltigkeit, und Koller stellte fest, dass die Anwesenden ernsthaft bemüht waren, ihre Forderungen nach einer Reduktion klimaschädlicher Einflüsse seitens der Industrie und der Bürger vor die Verantwortlichen zu tragen. Es ging an diesem Abend um Organisatorisches, über die Inhaltlichkeit herrschte einmütiges Einvernehmen. Die 12 Anwesenden verstanden sich als Speerspitzen einer breit gestreuten Bewegung, jeder würde eine Fülle von Mitstreitern repräsentieren, die an der Demonstration teilnahmen.

    „Du kommst doch auch, Koller?", fragte Pascal, und Koller sagte schließlich zu.

    Nach 1.5 h war der Abend bei Pascal beendet und Koller fuhr wieder mit dem Bus nach Hause. Er beschloss, sein Verhalten allgemein mehr und mehr auf Umweltbelange abzustellen und besonders beim Essen darauf zu achten, dass er nur Dinge aus nachhaltiger Produktion zu sich nahm.

    Am nächsten Tag traf er Pascal in der Umkleide, als sie sich für den 400-m-Lauf umzogen.

    „Hallo Pascal, habt Ihr gestern noch lange gemacht, nachdem ich gegangen war?", fragte Koller.

    „Nein", antwortete Pascal, „die anderen sind kurz nach Dir gegangen. Sie gingen zusammen auf den Platz, wo sie der Dozent begrüßte und sie aufforderte, sich warm zu machen, weil kurz danach die Läufe beginnen sollten. Nach und nach trafen die Studenten ein und als alle da waren, begann eine ausgedehnte Aufwärmphase, damit auch bei jedem der Kreislauf stimmte und die Muskeln ordentlich durchblutet wurden.

    400 Meter, Koller musste wieder an seine Schulzeit denken und hatte noch exakt die 51.30´´ im Gedächtnis, mit seinen neuen Spikes sollte er die doch übertrumpfen! Auch Pascal hatte dieses Mal Spikes an, allerdings noch seine alten:

    „Die 400 Meter laufe ich in meinen Spikes, ich habe sie noch aus meiner Schulzeit."

    Koller und Pascal wurden für das gleiche Lauffeld eingeteilt, und als die Reihe an ihnen war, begaben sie sich in die Nähe ihrer Startblöcke, sie sprangen hoch und streckten sich. Es waren 6 Startblöcke auf der Laufbahn befestigt, und jeder bekam Gelegenheit, seinen Startblock genau auf seine Bedürfnisse einzustellen. Als das geschehen war, stellte sich der Dozent an den Rand der Laufbahn in Position und gab das Kommando:

    „Auf die Plätze..., und die Läufer gingen jeder zu seinem Startblock. Koller und Pascal liefen nebeneinander und hatten die Laufbahnen 3 und 4. Sie bückten sich in den Startblock und streckten die Beine, bevor sie die Füße vor die Fußstützen stellten. Sie stützten ihre Oberkörper auf ihre Hände, die exakt mit den Mittelhandknochen auf der Startlinie lagen. Alle Läufer ließen in dieser Position noch einmal ihre Muskeln spielen, als der Dozent das Kommando „fertig! gab und dabei genau darauf achtete, dass auch keine Hand über die Linie zeigte. Besonders achtete er aber darauf, dass niemand schon bei diesem Kommando loslief. Die Läufer hatten sich halb aufgerichtet und waren in voller Anspannung. Als der Startschuss fiel, richteten sich alle Läufer schlagartig auf und rannten mit aller Kraft los.

    Plötzlich fiel Pascal um, er fiel auf die Bahn von Koller, und der musste einen Ausfallschritt machen, um nicht über Pascal zu fallen. Der Dozent feuerte sofort einen zweiten Schuss ab, um das Rennen zu beenden und zu dem gestürzten Pascal zu gehen. Als sie mit allen um Pascal herumstanden, sahen sie, wie ihm aus einer Brustwunde Blut auf sein Sporthemd lief, und niemand hatte zunächst eine Erklärung für die Wunde.

    Pascal regte sich nicht, und wie der Dozent, der sofort Erste-Hilfe-Maßnahmen eingeleitet hatte, feststellte, war er tot. Eine genaue Inspektion der Wunde ergab, dass Pascal von einem Schuss getroffen worden war, und der Dozent forderte alle auf, umgehend den Sportplatz zu verlassen, Er nahm sein Handy und rief die Mordkommission an, und kurze Zweit später trafen Hauptkommissar Thieme und Oberkommissar Kösters ein, um sich den Toten und den Tatort anzusehen.

    Pascal lag auf der Laufbahn,

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