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Deutschlands Flotte im Kampf
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Ebook404 pages

Deutschlands Flotte im Kampf

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About this ebook

Für den ehemaligen Korvetten-Kapitän Graf Bernstorff ist der Zustand, die Ausrüstung und der geplante Ausbau der Kaiserlichen Marine unzureichend. Er sieht die Notwendigkeit einer starken wehrhaften Flotte und verbindet die technische Machbarkeit mit Visionen von Kriegsschiffen der Zukunft. Der Autor sieht dabei die Störungen auf den Überseehandel und die unheilvolle Seeblockade zum Schaden Deutschlands voraus.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateJul 18, 2018
ISBN9783746743851
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    Deutschlands Flotte im Kampf - Graf Bernstorff

    Deutschlands

    Flotte im Kampf

    Eine Phantasie

    von

    Graf Bernstorff,

    Kaiserl. Korvetten-Kapitän a. D.

    _______

    Erstmals erschienen im:

    Wilhelm Köhler Verlag,

    Minden i. W. und Leipzig, 1913

    __________

    Vollständig überarbeitete Ausgabe.

    Ungekürzte Fassung.

    © 2018 Klarwelt-Verlag

    ISBN: 978-3-96559-153-0

    www.klarweltverlag.de

    Der Scheinwerfer eines deutschen Kreuzers sucht den horizont nach feindlichen Schiffen ab.

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Vorwort

    Sie sollen uns nur kommen!

    Die Fallensteller.

    Auf Vorposten.

    Im Ausland.

    Auf dem Schnelldampferkreuzer.

    Im Binnenland.

    Das Geisterschiff.

    Der Ausmarsch.

    Im Unterseeboot.

    Die Seeschlacht.

    Schluss.

    Vorwort

    as vorliegende Buch verdankt seine Entstehung dem Wunsch, von neuem das deutsche Volk in seiner Gesamtheit auf die Bedeutung und die Notwendigkeit des Bestehens einer starken Flotte hinzuweisen, für welche der Verfasser seit einer Reihe von Jahren in Wort und Schrift eingetreten ist.

    Da bis heute eine allen Anforderungen genügende Flotte moderner Kriegsfahrzeuge noch nicht vorhanden ist, konnte die Ausführung nur in Form einer „Phantasie" erfolgen. Von der Phantasie hat sich jedoch der Verfasser nur bei denjenigen Schilderungen leiten lassen, welche sich speziell auf die verwendeten Schiffstypen und ihre Leistungen beziehen, während er sich bemühte, in der Darstellung der durch eine Unterbindung unseres Überseehandels entstehenden Notlage der deutschen Industrie nur die Wirklichkeit wiederzugeben, wie sie seiner innersten, unerschütterlichen Überzeugung nach eintreten wird und muss, sobald auch nur für kurze Zeit der freie Seeverkehr für Deutschlands Handel gesperrt wird.

    In dieser Darstellung liegt nach Ansicht des Verfassers mit der Hauptwert des Buches für die Arbeiterschaft des deutschen Volkes und sein Wunsch geht dahin, dass das Werk mit dazu beitragen möge, aufklärend und überzeugend zu wirken. Ganz besonders möge das auch in der Hinsicht geschehen, dass wir endlich alle zu der Überzeugung gelangen und sie auch frei nach außen hin bekennen, dass unsere Stärke auf unserer eigenen Kraft und nicht auf Bündnissen beruht, einerlei, mit wem sie geschlossen sind.

    „Wir siegen oder fallen für des Vaterlandes Schutz und Ehre!"

    Beseelt von diesem Gedanken wird unsere Flotte in den Kampf hinausziehen, wenn die Pflicht sie ruft! Pflicht des deutschen Volkes aber ist es, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass seine Söhne als Sieger wieder heimkehren können! Für das beste Personal das beste Material! Dann sollen sie uns nur kommen!

    Der Verfasser.

    Sie sollen uns nur kommen!

    uf dem schlossplatz vor dem Kaiserlichen schloss in Berlin stand dicht gedrängt eine vieltausendköpfige Menge.

    Ein dumpfes Brausen und Summen ging durch die Masse, hervorgerufen durch das halblaute Fragen und Antworten und das allgemeine Sprechen.

    Die Tausende von Augen derer, die dort unten harrten, waren auf das Portal des Schlosses und die Fenster gerichtet.

    Ab und zu öffnete sich das schwere eiserne Gitter und Offiziere verschiedener Waffengattungen und Ranggrade gingen hinein oder kamen heraus.

    Jedesmal, wenn das Tor sich öffnete, ging eine lebhafte Bewegung durch die versammelte Menschenmenge. Alle reckten sich auf den Zehen empor und streckten die Köpfe vor, um zu sehen, wer dort ging.

    Waren es bekannte Persönlichkeiten, so flog der Name des Betreffenden halblaut von Mund zu Mund und die weiter Zurückstehenden drängten nach vorne, um ebenfalls etwas sehen zu können.

    Denen stemmten sich die dem Schlosse zunächst Stehenden mit Macht entgegen, da eine Schutzmannskette in weitem Bogen den Platz gegen das schloss hin absperrte, unaufhörlich bemüht, den Raum frei zu halten und die andrängende Menge zum Zurückgehen zu bewegen.

    Über dem schlossplatz, den Linden, dem Opernplatz und allen angrenzenden Straßen lag drückende Hitze eines heißen Sommervormittages, aber trotz der sengenden Glut hielt die versammelte Menschenmasse geduldig aus und keiner wich von dem einmal eroberten Platz.

    Auch der Unbeteiligte konnte es gewissermaßen greifbar fühlen, dass über der ungeheuren Menschenmenge eine atemlose, gewaltige Spannung schwebte.

    Trotz, des summenden Geräusches lag es wie drückendes Schweigen und dumpfes Drohen in der Luft.

    „Ob es nun wirklich losgeht? fragte ab und zu einer der Wartenden in die Menge hinein, als ob er hoffte, dort irgend einen besser Orientierten zu finden, der ihm auf die Frage Auskunft geben könnte, aber Achselzucken und höchstens hier und dort ein halblautes „Man weiß ja auch nicht!, oder „Wer kann’s wissen!" war alles, was der Fragende zu hören bekam.

    Seit Wochen schon lagerte über dem ganzen deutschen Volk ein dumpfer Druck, wie jetzt über der schweigenden Menge vor dem schloss.

    Die Nachrichten über ernste Verwickelungen mit einer starken, fremden Großmacht hatten immer bedrohlicher gelautet, sodass nachgerade eigentlich niemand im deutschen Volk sich der Überzeugung entziehen konnte, dass nur noch ein Krieg die schwebenden Fragen zu lösen vermochte. Im Reichstag hatten die Sozialdemokraten durch Bebel eine Interpellation an den Reichskanzler eingebracht, die im Namen des gesamten deutschen Volkes für den Reichstag eine Aufklärung über die Lage der auswärtigen Politik forderte.

    Die Menschenmenge auf dem schlossplatz vor dem Kaiserlichen schloss in Berlin.

    „Wenn ich früher hier vor dem Hohen Hause ausgesprochen habe, dass ich bereit wäre, im Falle eines Krieges, bei dem es sich um die Ehre Deutschlands handelt, als erster der Arbeiterpartei die Flinte auf den Rücken zu nehmen und mit ins Feld zu ziehen, so muss ich demgegenüber heute erklären, dass nach allem, was wir bedrohliches haben erfahren können, es sich im Falle eines Krieges jetzt keineswegs um Deutschlands Ehre, sondern um die Interessen einer starken kapitalistischen Partei handelt, die für ihre Gelder und Besitzungen im Auslande fürchtet und durch ihr Angstgewinsel und Notgeschrei die Regierung dazu gebracht hat, einen Weg einzuschlagen, auf dem wir ihr nicht folgen werden, dessen Endziel nicht unser Ziel sein kann und für dessen Weiterverfolgung wir der Regierung alle Schuld in die Schuhe schieben werden, wenn nutzlos, zwecklos und sinnlos tausende deutscher Arbeiter hingemordet werden!" rief Bebel.

    Bei diesen Worten hatte sich im Reichstag ein ungeheurer Tumult erhoben.

    Laute Pfuirufe, die Worte „Schämen sie sich!, „Hinaus mit dem Kerl! und ähnliche waren von den empörten Volksvertretern der Rechten, des Zentrums und anderen Parteien dem sozialdemokratischen Redner entgegengeschleudert worden und selbst bis weit in die linke Seite des Hauses hatte sich der Entrüstungssturm fortgepflanzt.

    Vergebens schwang der Präsident seine Glocke und suchte dem tosenden Lärm Einhalt zu gebieten.

    Vergebens fuchtelte der Abgeordnete Bebel mit den Armen in der Luft umher und bemühte sich, mit seiner bis zum kreischenden Schreien erhobenen Stimme, das Getöse zu durchdringen und sich wieder Gehör zu verschaffen.

    Minutenlang dauerte dieser orkanartige Ausbruch der Entrüstung, der auf den Tribünen einen jauchzenden Widerhall fand.

    Endlich vermochte der Präsident, durch unausgesetztes Schwingen der Glocke die Ruhe einigermaßen wieder herzustellen.

    Das wäre ihm aber kaum gelungen, wenn nicht der Eintritt des Reichskanzlers die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hätte.

    Mit raschen, energischen Schritten begab sich der Fürst an den Ministertisch und erklärte sich nach kurzer Besprechung mit dem Präsidenten des Reichstages zu sofortiger Beantwortung der Interpellation bereit.

    In kurzen knappen Worten, die im Gegensatz zu der sonstigen gewohnten, eleganten Redeweise des Reichskanzlers schwer und wuchtig von seinen Lippen fielen, gab der Fürst Auskunft über die auswärtige Lage. Er betonte dabei, dass Deutschland, an seiner Spitze der Kaiser, den seit 40 Jahren gewahrten Frieden auch fernerhin hätte bewahren wollen, wie aber die Vorgänge der letzten Wochen es der deutschen Politik mehr und mehr klar gemacht hätte, dass trotz aller Bemühungen und Warnungen seitens der deutschen Diplomatie die Stimmung des Auslandes, besonders aber der Nachbarn, sich derartig verschärft habe, dass ein Krieg fast unausweichlich erscheine.

    „In Sonderheit sind an seine Majestät den Kaiser als obersten Vertreter des deutschen Volkes Forderungen gestellt worden, die nicht nur als eine Ungehörigkeit gegen den Monarchen, sondern fast direkt als eine infame Zumutung an das deutsche Volk aufgefasst werden mussten.

    Durch unseren Vertreter im Auslande haben wir sofort und energisch um genaue Interpretation der uns zugegangenen Note ersucht und darauf die Antwort erhalten, dass eine andere Auslegung nicht gegeben werden könne.

    Meine Herren, das was von uns gefordert wurde, war, um es Ihnen mit wenigen Worten kurz und bündig auszusprechen, ein Verzichten Deutschlands auf jegliche politische und wirtschaftliche Mitarbeit in sämtlichen Ländern des Mittelmeeres, sowie unbedingtes Aufgeben unserer Stellung zum Dreibund.

    Die Kompensationen, welche uns dagegen geboten wurden, sollten bestehen in einem aus Jahrhunderte hinaus gesicherten Bestande unseres Besitztums, d. h. unserer Küsten an der Nord- und Ostsee nebst allen Anlagen, sowohl kaufmännischer wie kriegstechnischer Art, die wir dort geschaffen, und die Garantie des ruhigen Weiterbesitzes der von uns erworbenen Kolonien!"

    Der Reichskanzler musste hier innehalten, denn von neuem durchbrauste ein tosender Sturm den Sitzungssaal.

    Einzelne Worte oder Zurufe waren in dem ungeheuren Lärm nicht mehr zu unterscheiden oder zu verstehen, aber aus den drohend emporgereckten Fäusten, den zornsprühenden Augen und den von Scham entflammten Gesichtern der Abgeordneten war der Grad nationaler Empörung, die sich hier Luft machte, deutlich zu erkennen.

    Erst das unausgesetztes Klingeln der Präsidentenglocke und das wiederholte Heben der Hand seitens des Reichskanzlers, als Zeichen, dass er weiter reden wolle, vermochte allmählich den Sturm zu dämpfen.

    „Meine Herren, fuhr der Fürst fort, „die spontane Erregung, die sich auf allen Seiten des Hoheit Hauses, ich betone ausdrücklich, auf allen Seiten des Hohen Hauses bemerkbar gemacht hat. hat mir den Beweis geliefert, dass in diesem Hohen Hause sich kein Volksvertreter des deutschen Volkes befindet, der einer so schamlosen Insinuation, wie sie an uns gerichtet worden ist, zustimmen wird. Als Vertreter der auswärtigen Politik fühle ich mich daher berechtigt, hier vor den Vertretern des gesamten deutschen Volkes und der gesamten Welt zu erklären, dass wir auf diese Zumutung die entsprechende Antwort zu geben wissen werden.

    (Laute Zwischenrufe von allen Seiten: „Sie sollen uns nur kommen!")

    „Über die weiteren Schritte und Maßnahmen werde ich dem Hohen Hause Bericht erstatten, sobald die Ereignisse es für notwendig erachten lassen."

    „Wir verlangen jeden Tag genaueste Auskunft!, schrie der Abgeordnete Bebel, „und, ich wiederhole es hiermit, wir weigern uns einen Krieg mitzumachen, der nur das Hinmorden vieler tausender deutscher Arbeiter bedeuten würde, die sich friedlich ihr Brot in der Heimat verdienen wollen. Im Mittelmeer — —

    „müssten Sie ersäuft werden! klang es schmetternd von der rechten Seite dem Redner entgegen, was von verschiedensten Zurufen, wie „Bravo! und „Jawohl!" begleitet wurde.

    „Im Mittelmeer haben wir nichts zu suchen! kreischte der Abgeordnete Bebel weiter, „und darum erkläre ich namens der Arbeiterpartei Deutschlands, diejenigen, die für unsere sogenannten Interessen dort unten einen Krieg heraufbeschwören für Mörder.

    Was daraufhin erfolgte, lässt sich mit Worten nicht schildern. Der entstehende Lärm war ein so gewaltiger, ungeheurer, ohrenbetäubender, dass er wie ein Orkan das Haus durchbrauste und sich im Nu fortpflanzte bis auf die Straße.

    Der Reichskanzler hielt es nicht für erforderlich auf diesen maßlosen Ausbruch des sozialdemokratischen Führers persönlich etwas zu erwidern, sondern überließ es der großen Menge der Abgeordneten selbst, ein Urteil über diese Beschimpfung zu finden.

    Der Präsident des Reichstages rief den Abgeordneten Bebel nachträglich zur Ordnung!

    Das war vor wenigen Tagen gewesen und wie ein Stein, ins Wasser geworfen, Wellen verursacht, die sich ringsum weithin ausdehnen und die bisher glatte Oberfläche kräuseln, so war es auch hier. Aus dem Reichstagsgebände wurde nicht nur die Rede des Reichskanzlers im Nu bekannt gegeben, sondern auch der traurige Mut des sozialdemokratischen Führers, mit welchem er dem gesamten deutschen Volk, das schließlich doch letzten Endes für seine nationale Ehre selber einzutreten hat und eintritt, unter Beilegung einer entehrenden, beschimpfenden Bezeichnung feiges Zurückweichen aus wohl erworbener Position vor anmaßender Drohung eines feindlich gesonnenen Mitbewerbers zumutete.

    Ein Schrei der Empörung ging durch das deutsche Land und von Millionen wurde das Wort wiederholt: „Sie sollen uns nur kommen!"

    Und heute standen nun die Tausende und Abertausende dicht gedrängt in gespanntester Erwartung vor dem Kaiserlichen schloss, in welchem die letzte Entscheidung über Krieg oder Frieden fallen sollte.

    Genaues war natürlich niemandem bekannt. Nur aus den Zeitungen hatte jeder entnommen, dass in den letzten Tagen ein riesiger Depeschenverkehr nach dem Auslande hin und von dorther zurück stattgefunden hatte; dass in allen Garnisonen sich die lebhafteste Erregung bemerkbar machte und dass unzweifelhaft zum Kriege gerüstet würde, wo etwa noch irgend etwas an der letzten Ausrüstung dazu fehlte.

    Die Zeitungen selbst hatten freilich dazu immer noch beruhigende Kommentare losgelassen und ihren Lesern versichert, dass noch immer eine Zurückziehung jener ungeheuerlichen Zumutungen möglich sei und dass ein Krieg, wenn er auch nahe bevorstehend scheine, hoffentlich doch noch zu vermeiden sein würde.

    In wütenden Ausfällen hatten dagegen die gesamte rote Presse, an ihrer Spitze der „Vorwärts", gegen eine Mobilmachung und Kriegserklärung losgewettert und einstimmig erklärt, der deutsche Arbeiter würde dem Ruf seiner Fürsten im Kriegsfalle die Gefolgschaft versagen.

    „An dem ganzen Gebahren und Getue der leider Gottes immer noch herrschenden Klassen, die sich zu Unrecht die Gebildeten nennen, kann man so recht ersehen, schrieb der „Vorwärts, „dass die ganze Bildung nur ein leichter Firniß ist, der bei dem geringsten Hauch vergeht. Ein wahrhaft gebildeter, frei und vornehm denkender Mann lässt sich durch die pöbelhaften Anrempelungen und Zumutungen eines neidigen Konkurrenten nicht verleiten, sich mit jenem in einen Faustkampf einzulassen, zumal nicht, wenn es sich um Dinge handelt, die für ersteren schließlich doch nur von geringem Interesse und Wert sind. So liegt auch hier der Fall, oder vielmehr er sollte so liegen, denn tausendmal mehr als wir in einem solchen Faustkampf gewinnen können, wird verloren gehen, und was schließlich die vielgerühmte nationale Ehre anbetrifft, so ist es wahrhaftig schwer einzusehen, ob dieselbe tatsächlich dadurch gewahrt wird, dass wir ein paar Tausend oder Zehntausend sogenannter Feinde erschießen, also ermorden und einige Tausend von Deutschen, die sich zu solchem Mörderhandwerk hergegeben haben, ebenfalls umgebracht werden, oder ob sie nicht viel besser dadurch gewahrt bleibt, dass wir die an uns gestellten Zumutungen vornehm übersehen. Auf jeden Fall wird derjenige sich einer wahreren und echteren Bildung rühmen können, der einen neuen Krieg verabscheut und seine Teilnahme daran verweigert, als jener, der die Flinte auf den Rücken nimmt und gegen harmlose Menschen zu Felde zieht, um sie über den Haufen zu schießen.

    Wenn es nach Recht und Gesetz ginge, so müssten alle jene, die zum Kriege drängen, und während desselben die Anführer spielen, wegen Verleitung zum Morde dem Staatsanwalt verfallen."

    Auffallenderweise und noch vielmehr erfreulicherweise wurden dagegen in riesigen Arbeiterversammlungen, die von den sozialdemokratischen Führern einberufen waren, die Resolutionen, in welchen gegen den Krieg Stellung genommen und derselbe auf das Heftigste verabscheut und verdammt wurde, fast überall verworfen; zwar wurde dem Abscheu gegen einen Krieg zugestimmt, aber mit überwältigender Mehrheit aus der Mitte heraus eine energische Zurückweisung aller Zumutungen, die des deutschen Volkes Ehre antasteten, gefordert und der Wille kundgegeben, sich derartige Zumutungen nicht gefallen zu lassen.

    Stundenlang harrte nun heute schon die Volksmenge der Hauptstadt untätig vor dem schloss. Plötzlich ging es wie ein Ruck durch die gewaltige Masse! „Der Kriegsminister!" hieß es und mit Windeseile pflanzte sich der Ruf von Mund zu Mund fort.

    Ein gewaltiges Drangen der rückwärts Stehenden nach vorne zu erfolgte und im Nu war die Schutzmannskette über den Haufen gerannt.

    Vergebens bemühten sich die Schutzleute mit ausgebreiteten Armen und durch Zurufe „Zurück! zurück! „Nicht drängen! Zurückgehen! die Masse aufzuhalten.

    Im Nu war der Wagen des Kriegsministers umringt und von hunderten, nein von Tausenden von Stimmen erscholl es: „Wie steht’s? Gibt’s Krieg? Wird der Krieg erklärt? Wann geht’s los? dazwischen vereinzeltes „Hurra!, das von anderen aufgenommen wurde, und schließlich brauste ein einziger, vieltausendstimmiger Hurraruf über den weiten Platz.

    „Stille doch! „Ruhig! „Ruhig da hinten! Er will reden!" beschwichtigten dann die dem Wagen zunächst Stehenden, die übrigen, und nach wenigen Sekunden herrschte fast lautlose Stille auf dem Platz, nur das Drängen nahm noch zu und fast einen beängstigenden Charakter an, denn jeder wollte natürlich die Worte des Kriegsminister mit eigenen Ohren hören.

    „Meine Herren, begann der Kriegsminister, der sich im offenen Wagen aufgestellt hatte, mit lauter, weithin schallender Stimme, „ich kann Ihnen nur sagen, die Lage ist ernst, sehr ernst; aber noch nicht verzweifelt. Ich ersuche Sie, die Ruhe zu bewahren, denn was von unserer Seite geschehen kann, um den Krieg zu vermeiden, wird geschehen, aber — — — eine sekundenlauge Pause — — — „sollte der Krieg zur Tatsache werden, dann wollen wir ihn mutig aufnehmen! Zu fürchten brauchen wir uns nicht!"

    Damit setzte sieh der Kriegsminister, nachdem er noch durch Winken mit der Hand für das jauchzende Hurra, das seinen letzten Worten Antwort gab, nach allen Seiten hin gedankt hatte und fuhr, so rasch der Wagen die Menge durchdringen konnte, davon.

    Hinter dem Wagen schloss und staute sich die Menschenmasse sofort von neuem zu einer fast undurchdringlichen Mauer und wartete geduldig der weiteren Entwickelung.

    Nach dem Kriegsminister verließen der Staatssekretär des Reichsmarineamts, der Staatssekretär des Auswärtigen Amts und verschiedene andere Minister, sowie einzelne Mitglieder der Bevollmächtigten zum Bundesrat das schloss. Der Name jedes einzelnen wurde von den dem Portal zunächst Stehenden laut ausgerufen und pflanzte sich blitzschnell über den Platz fort; aber kein Hurra ertönte mehr, sondern in tiefem, ernsten Schweigen ließ riesige angesammelte Volksmasse die Wagen passieren, nur bemüht aus dem Gesichtsausdruck der Insassen einen schluss auf das Vorgefallene oder etwaige neuere Nachrichten zu ziehen. Fast ohne Unterbrechung waren nämlich inzwischen Depeschenboten wie in fortlaufendem Strom durch das Portal hineingezogen, wo ihnen die Formulare sofort abgenommen wurden. Auch dem Uneingeweihtesten musste es klar sein, dass hinter den grauen Mauern mit den blitzenden Fenstern etwas ganz außergewöhnliches vor sich ging.

    Schließlich erschien die allen Berlinern wohlbekannte Equipage des Reichskanzlers und hier drängte wieder die Masse gewaltig heran, um aus dem Munde des berufenen Vertreters der auswärtigen

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