Der Mord bleibt ungesühnt: Ermordung von Liebknecht und Luxemburg
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Diese rechten sozialdemokratischen Führer, Otto Landsberg, Philipp Scheidemann, Gustav Noske, Friedrich Ebert, Rudolf Wissell, Otto Landsberg, zu denen sich der langjährige preußische Ministerpräsident Otto Braun gesellte, ignorierten in ihrem blinden Antikommunismus die Bedrohung der Weimarer Republik von rechts. Noske verstand sich mit der preußischen Offizierskamarilla aufs Beste.
Noske hat die Morde an Liebknecht und Luxemburg gebilligt. Sie waren der Preis für ein politisches Bündnis, das Noske und die übrigen führenden Sozialdemokraten als nützlich erachtet haben. Diese Billigung kann als Sündenfall in der Beziehung zwischen Sozialdemokraten und Sozialisten gesehen werden.
Bis heute zählt die Ermordung von Luxemburg und Liebknecht zu dem schmerzlichen Mythos der politischen Linken. Gustav Noske wird nie in irgendeiner Form belangt.
Der "Bluthund" Noske geht als erster sozialdemokratischer Militärminister in die deutsche Geschichte ein. Für die SPD ist er heute vor allem der Mann, der am Widerstand des 20. Juli 1944 gegen Hitler beteiligt war.
Die SPD hat bis heute sich nicht zur Schuld ihrer Partei bekannt. Und so ist das hier vorliegende Buch nicht nur ein Bericht über Zeit, Umstände und Vorgehen zur Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sondern auch eine klein bisschen die Geschichte der SPD von 1914 bis 1933.
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Der Mord bleibt ungesühnt - Walter Brendel
Symbiose mit der Reaktion
Kaum eine Periode der deutschen politischen Sozialgeschichte ist so gut dokumentiert wie die revolutionäre Nachkriegskrise der Jahre 1918/19 bis 1923. Der Quellenfundus ist enorm und hat sich seit Beginn der 1990er Jahre nochmals derart vergrößert, dass auch Spezialisten ihn kaum noch zu überblicken vermögen. Deshalb sind die seit den 1960er Jahren erscheinenden Quelleneditionen wichtige Orientierungshilfen, auch wenn sie nur einen Teil des schriftlich Überlieferten vermitteln und hinter dem ständig weiter wachsenden archivalischen Fundus hoffnungslos herhinken.1 Die Voraussetzungen für die historische Forschung sind somit günstig. Trotzdem herrscht auf diesem Terrain der politischen Sozialgeschichte seit der Mitte der 1980er Jahre weitgehend Funkstille. Die revolutionäre Antwort der Unterklassen auf die Massenschlächtereien und Entbehrungen des Ersten Weltkriegs ist derzeit kein Forschungsthema, aber auch die Geschichte der Gegenrevolution stagniert trotz ihrer Bedeutung für die Genese des Faschismus und ist zudem – wie die wenigen Ausnahmen von der Regel zeigen – nach wie vor durch mächtige geschichtspolitische Tabus blockiert.2 Vor allem die Frage nach der Verantwortung der Arbeiterbürokratien – Mehrheitssozialdemokratie und Generalkommission der Gewerkschaften – für die Gewaltexzesse der Militärkaste und für die politischen Folgen ihres Triumphs darf auch heute nicht gestellt werden. Dabei drängt sie sich sofort allen denjenigen als Schlüsselproblem auf, die sich mit der Geschichte der Umbruchsjahre zwischen 1916/17 und 1923 auseinandersetzen. Rekapitulieren wir zunächst die wesentlichen Kontexte dieses Problemfelds.
Mordopfer Liebknecht: Die Aufnahme des toten Spartakus-Führers entstand im Berliner Leichenschauhaus kurz nach seiner Ermordung. Rosa Luxemburgs Leiche, die die Mörder in den Landwehrkanal geworfen hatten, wurde erst am 1. Juni 1919 gefunden; die Revolutionärin wurde am 13. Juni neben Liebknecht auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt
Seit Beginn des Ersten Weltkriegs hatte der völkisch-nationalistische Flügel der organisierten Arbeiterbewegung unter der Parole des „Burgfriedens" die Schlüsselpositionen besetzt und ihren Partei- und Gewerkschaftsapparat bis 1916 in die spätwilhelminische Propaganda- und Rüstungsmaschinerie eingebaut. Dieser Integrationsprozes der Führungsgruppen und Funktionsschichten der Arbeiterbürokratien war zunächst reibungslos verlaufen, hatte dann aber 1916 zur Spaltung der Sozialdemokratie in einen mehrheitssozialdemokratischen (MSPD) und einen Unabhängigen Flügel (USPD) geführt. Parallel dazu waren die mehrheitssozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Führungskader rigoros gegen den sich an der Basis langsam herausbildenden Widerstand vorgegangen.
Der Sozialdemokrat und Reichswehrminister Gustav Noske (Mitte) vor dem Münchener Hotel Continental (August 1919)
In enger Kooperation mit den Stellvertretenden Generalkommandos und der Politischen Polizei hatten sie ihre Verbände, Zeitungsredaktionen und Parteigliederungen gesäubert, Tausende missliebiger Funktionsträger und Mitglieder zwangsmilitarisiert und die widerständigen Basisinitiativen in die Illegalität getrieben. Dabei war es den mehrheitssozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Führungskadern im Zusammenspiel mit dem Repressionsapparat immer wieder gelungen, die oppositionellen Netzwerke aufzudecken, zu denunzieren und die meisten Reorganisationsversuche im Keim zu ersticken.
Aber für diesen Erfolg musste die MSPD- und Gewerkschaftsoligarchie um Gustav -Bauer, Heinrich Cunow, Eduard David, Friedrich Ebert, Konrad Haenisch, Wolfgang Heine, Otto Landsberg, Carl Legien, Gustav Noske, Philipp Scheidemann, Carl Severing, Albert Südekum und August Winnig einen hohen Preis zahlen. Sie hatte sich erbitterte Feinde geschaffen, und wenn sich das Kriegsglück wendete und das Regime ins Wanken geriet, dann konnten sie und ihre regionalen Repräsentanten auf keine Kompromissbereitschaft mehr hoffen. Ihre Kritiker hatten sich längst auf die Suche nach alternativen Modellen der Selbstorganisation und der Gegenmacht begeben, und dadurch war die arbeits- und sozialpolitische Einfriedungsfunktion der Arbeiterbürokratien gegenüber den Unterklassen brüchig geworden. Es musste ihnen schwerfallen, die gegen Kriegsende zu erwartende soziale Massenbewegung unter Kontrolle zu halten.
Trotzdem setzte sich die völkisch-nationalistische Führungsgruppe zunächst recht erfolgreich an die Spitze des revolutionären Aufbruchs, der zu Beginn des November 1918 durch die Matrosenrevolte in den Standorten der Kriegsmarine ausgelöst wurde.
Am 7. November übernahm Gustav Noske den Gouverneursposten in Kiel und verband ihn mit dem Vorsitz im dortigen Arbeiter- und Soldatenrat. Zwei Tage später proklamierte Philipp Scheidemann im Wettlauf mit der oppositionellen Spartakusgruppe den Übergang des Kaiserreichs zur Republik. Friedrich Ebert und er arrangierten sich mit der USPD- Führung und sicherten sich zusammen mit Otto Landsberg eine dominierende Rolle in einem improvisierten Übergangskabinett, dem „Rat der Volksbeauftragten. Dabei ging es ihnen aber nicht um die Wiederherstellung der fraktionierten Arbeiterbewegung und die gemeinsame Einleitung eines entschiedenen Reformkurses, sondern nur um die Camouflage ihres strategischen Bündnisses mit den Herrschaftseliten des wankenden Regimes, das weiterhin oberste Priorität genoss. Am 10. November 1918 schloss Ebert einen gegenrevolutionären Pakt mit Wilhelm Groener, dem politischen Kopf der Obersten Heeresleitung (OHL)3, und eine knappe Woche später verschafften ihm Carl Legien und der Rüstungsindustrielle Hugo Stinnes in Gestalt einer „Zentral-Arbeitsgemeinschaft
der Unternehmerverbände und der Gewerkschaften die erforderliche sozial- und wirtschaftspolitische Basis. 4 Unter diesen Voraussetzungen suchten sie dann dem Umsturzprozess die Spitze zu nehmen und „Ruhe und Ordnung" wiederherzustellen. Dabei überrumpelten und desavouierten sie immer wieder die USPD-Vertreter des Rats der Volksbeauftragten und machten die ihnen missliebig erscheinenden Beschlüsse des inzwischen nach Berlin einberufenen Reichs-Rätekongresses zu Makulatur.
So wurde im Verlauf des Dezember 1918 offenkundig, dass die MSPD-Führung auch zu den reformorientierten Fraktionen der Massenbewegung ihre Brücken abgebrochen hatte. Sie setzte ausschließlich auf die Soldateska, bei der sie dank ihres langjährigen Militärexperten Gustav Noske und ihrer Kooperation mit den Propaganda und Nachrichtendiensten der Obersten Heeresleitung wohlgelitten war. Noske war es gelungen, Teile des Marine-Offizierskorps, nämlich die Nautiker (Decksoffiziere), auf den MSPD-Kurs einzuschwören. Sie hatten schon bei der Unterdrückung der Matrosenrevolte von 1916/17 eine wichtige Rolle gespielt.
Mordaufruf: Nachdem rechte Gegner der Weimarer Republik zum Mord an Karl Liebknecht aufgerufen hatten, tauchten der KPD-Führer und seine Mitstreiterin Rosa Luxemburg unter. Es half nicht mehr - sie wurden verraten, verhaftet, misshandelt und von Angehörigen der Gardekavallerie-Schützen-Division ermordet
Deshalb war Noske auch Ende September 1918 bei der Entscheidung zur Einleitung von Friedensverhandlungen mit den Entente-Mächten als Schlüsselfigur einer Regierungsumbildung in Vorschlag gekommen. Nun wurde er mit seinen Kieler Offizierskameraden in Berlin dringend benötigt, denn die dort einrückende und als Kristallisationskern der militärischen Gegenrevolution ausersehene Garde-Kavallerie-Schützendivision brauchte Verstärkung.
Bei ihrer Ankunft wurde sie von Ebert enthusiastisch begrüßt: „Kein Feind hat euch überwunden, rief er. „Auf euch vor allem ruht die Hoffnung der deutschen Freiheit. Ihr seid die stärksten Träger der deutschen Zukunft.
Damit war der Rubikon überschritten.
Die anhaltende und immer stärker auf eine „zweite Revolution" drängende Massenbewegung der demobilisierten Soldaten, der Arbeiterinnen und Arbeiter und der pazifistischen Intelligenz sollte nicht durch die Einleitung eines großzügigen Reformprogramms kanalisiert, sondern mit Hilfe des militärischen Restkaders des Wilhelminismus niedergeschlagen und gedemütigt werden.
Diese endgültige strategische Festlegung blieb den Akteuren der sich zunehmend politisch formierenden Sozialrevolte nicht verborgen. Als sie sich seit dem Jahreswechsel 1918/19 entschieden gegen die Provokationen der gegenrevolutionären Soldateska zur Wehr setzten, gab der inzwischen nur noch aus Mehrheitssozialdemokraten bestehende Rat der Volksbeauftragten der Obersten Heeresleitung freie Hand zum Massenmord. Er unterstützte jetzt ein Konzept der bedingungslosen Gewaltanwendung gegen die eigene aufständische Bevölkerung, das der SPD-Militärexperte Noske 1911 noch scharf kritisiert hatte.5 Die sich politisch formierende Alternative sollte vernichtet werden, und zwar ihre Widerstand leistenden Basisaktivisten genauso wie ihre führenden Köpfe. Kurz vor der Verhaftung und Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts schrieb ein Generalmajor der Obersten Heeresleitung in sein Tagebuch: „Ebert und Scheidemann zittern (…) vor Liebknecht und Rosa und wünschen ihr Verschwinden (auf kriminelle Art), nur: Sie wollen nichts davon wissen, nichts damit zu tun haben."6
Diese Notiz dokumentiert exakt die Taktik des arbeitsteiligen Vorgehens bei der Bekämpfung des Januaraufstands in Berlin, der Niederschlagung der daraufhin proklamierten Räterepubliken in Bremen und München sowie der Märzkämpfe 1919, die der Gegenrevolution den entscheidenden militärischen Durchbruch brachten. Seit dem 6. Januar amtierte Noske als Oberbefehlshaber der gegenrevolutionären Truppen in Berlin sowie nach der Ernennung der neuen Reichsregierung durch die Weimarer Nationalversammlung als Reichswehrminister. Als Repräsentant der regierenden Mehrheitssozialdemokratie und unter dem Applaus der MSPD-Reichstagsfraktion gab er den Militärstäben freie Hand. Am 9. März 1919 erließ er einen von Waldemar Pabst, dem Stabschef der Garde-Kavallerie-Schützendivision, vorformulierten Erschießungsbefehl, der von Pabst nochmals verschärft wurde, und sicherte den Mördern auf einer Offiziersbesprechung Straffreiheit zu, auch wenn sie noch über diesen Befehl hinausgingen. Dabei machten er und seine Mentoren Ebert und Heine sich die barbarische Tätersprache der Militärkaste zu Eigen: Je brutaler und härter das Vorgehen, desto kürzer der Kampf, wiederholten sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Die Soldateska der Regierungstruppen und der mit ihnen assoziierten Freikorps galten dieser politischen Troika der Gegenrevolution schließlich sogar als einzige Garanten der „deutschen Zukunft" – und nicht mehr eine wie deformiert auch immer daherkommende Arbeiterbewegung.
Trotzdem wurde weiter auf Camouflage Wert gelegt. Die Ermordung der prominenten politischen Gegenspieler/-innen und ihres aktiven Anhangs wurde dringend gewünscht, aber nicht direkt befohlen. Dies war auch nicht nötig, denn die dafür geschaffenen institutionellen Rahmenbedingungen und Garantien genügten. Zusätzlich wurde alles vermieden, was als direkte Restauration der alten Machtverhältnisse hätte gedeutet werden können. Dieses Vorgehen verschaffte der deutschen Gegenrevolution eine besondere Legitimationsbasis, die bis heute fortwirkt: Die Massenmorde der Soldateska erschienen nicht als erste Symptome des heraufziehenden Faschismus, sondern geschahen unter dem Vorwand, eine sich formierende repräsentativparlamentarische Ordnung schützen zu müssen. Hinzu kam die außenpolitische Begründung, hart zuschlagen zu müssen, um nicht den Siegermächten einen Vorwand zur Blockade der Lebensmittelimporte oder gar zum Einmarsch und zum Aufbau einer Besatzungsherrschaft zu liefern. In diesen und anderen Maskeraden kam die Gegenrevolution daher, und die Symbiose zwischen den Militärs und der Mehrheitssozialdemokratie neigte sich erst in jenem Augenblick ihrem Ende zu, als die sozialdemokratisch geführte Reichsregierung nicht in der Lage war, die von den Entente-Mächten geforderte Auflösung der Freikorps zu verhindern. Im März 1920 wurde ihr dann in Gestalt des Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putschs die Rechnung präsentiert, wie Waldemar Pabst, einer der Organisatoren des Putsches, dies auf den Begriff brachte:
„Wir wollten und mussten zunächst einmal (…) ein Stück mit den Sozialdemokraten marschieren, um unseren gemeinsamen Feind, den ›Spartakismus‹ abzuwürgen. War dies geglückt, dann wollten wir unseren bisherigen Verbündeten die Rechnung vom November 1918 vorlegen und von ihnen begleichen lassen."7
Mit der Bewilligung der Kriegskredite am 4. August 1914 wurde die deutsche Sozialdemokratie Teil der wilhelminischen Propaganda- und Rüstungsmaschinerie
Wie kann dieser Freibrief der Arbeiteroligarchie an die Adresse der Militärs zur physischen Vernichtung ehemaliger Parteigenoss/-innen und Organisationskader erklärt werden? Wir haben lange darüber nachgedacht, und wir glauben, dass der genaue Abgleich der im zweiten Teil dieses Artikels vorgelegten Text mit ihren Kontexten eine erste vorläufige Antwort ermöglicht.
Von Bedeutung ist erstens die Vorgeschichte des gegenrevolutionären Bündnisses. Die Arbeiteroligarchie war seit 1915/16 skrupellos gegen den sich formierenden innerorganisatorischen Widerstand vorgegangen und hatte Tausende von Mitgliedern und Kadern denunziert, in die Schützengräben geschickt und/oder dem Repressionsapparat ausgeliefert. Dadurch hatte sich ihre Hemmschwelle zur arbeitsteilig mit dem Militär- und Polizeiapparat organisierten Gewaltanwendung ständig verringert.
Ein zweiter wesentlicher Faktor war der Verlust der Massenloyalitäten und der Massenbasis, der 1916 mit der Abspaltung der USPD begann und nicht mehr kontrollierbare Radikalisierungsprozesse freisetzte. Gegen diese Entwicklung waren die völkisch-nationalistischen Arbeiterbürokratien insoweit machtlos, als ihre bislang so erprobten autoritären Disziplinierungsmethoden zunehmend ihre Wirkung verloren.
Den revoltierenden Matrosen, Betriebsausschüssen, Obleuten und parteiförmigen Absplitterungen konnte nicht mehr mit dem Parteiausschluss und dem Entzug der gewerkschaftlichen Unterstützung gedroht werden. Auch dadurch erschien der Zugriff auf die weitaus wirksameren staatlich-militärischen Repressionsmaßnahmen konsequent, da der innerorganisatorische Meinungsbildungsprozess als mögliche Voraussetzung einer politischen Kurskorrektur blockiert war. Die Preisgabe der bisherigen sozialen Verankerung der Arbeiterbürokratien war die unausweichliche Folge, und auch dies erleichterte den Übergang zur Symbiose mit dem wilhelminischen Machtapparat.
Von großer Bedeutung waren schließlich die materiellen und organisatorischen Vorteile, die sich für die Arbeiteroligarchie aus ihrer zunehmenden Kooptation in das imperiale Machtgefüge ergaben. Die entstehenden korporatistischen Strukturen beispielsweise des „Vaterländischen Hilfsdienstes", der Lebensmittelversorgung und der Kriegssozialpolitik verschafften ihr nicht nur neue Aufgabenfelder, sondern konnten auch zur Kontinuitätssicherung des bis dahin erreichten Bürokratisierungsprozesses der Arbeiterbewegung genutzt werden. Die sich durch die Sachzwänge des Kriegs ergebende Integrationschance in das herrschende Machtgefüge wollten sich die Führungsschichten und Funktionsträger der Arbeiterorganisationen nicht entgehen lassen, und daraus entwickelte sich ein erhebliches kollektives Eigeninteresse, das offensiv gegen die Gegner des hypernationalistischen Kriegskurses gerichtet war.
Diese Gemengelage aus bürokratischer Verselbständigung, materiellen Eigeninteressen und systematischer Ausgrenzung aller politischen Alternativen wurde zunehmend auch ideologisch überbaut. Seit 1915/16 propagierten die Spitzenvertreter der Arbeiteroligarchie das Ende