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Mondkreisläufer
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Mondkreisläufer

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Jürg Halter hat "Mondkreisläufer" ursprünglich als Theaterstück geschrieben. Dieses feierte im September 2016 am Konzert Theater Bern unter der Regie von Schauspieldirektor Cihan Inan erfolgreich Uraufführung. Es folgten ausverkaufte Vorstellungen, euphorische Kritiken und die Einladung zu den Autorentheatertagen Berlin 2017, einem der wichtigsten Festivals für zeitgenössische deutschsprachige Dramatik.

Jetzt hat Halter den Theatertext weiterentwickelt und in eine schillernde Prosaskulptur verwandelt. Im Grenzgebiet zwischen Vernunft und Wahnsinn setzt Halter einen namenlosen Protagonisten aus und schickt ihn auf die Suche nach einer ersehnten Mutter, die sich auf dem Mond befinden soll. Dabei drängt er den Leser, dem unablässig Sprechenden zu folgen und mit ihm und anderen eine neue Gemeinschaft zu begründen.

Spricht dieser Protagonist, dieser Anti-Held, wenn er den Sinn und die Besinnungslosigkeit des Lebens und den Skandal des Todes befragt und durchleidet, in Zungen? Kommt dieser nihilistische Märtyrer am Ende auf dem Mond oder in einer Psychiatrischen Klinik wieder zu sich? Und findet er seine Mutter? Oder geht die Heimsuchung gar unendlich weiter?


"Mondkreisläufer" ist ein aussergewöhnliches Sprachkunstwerk und eine bitterernste Groteske.
LanguageDeutsch
Release dateSep 15, 2017
ISBN9783038530572
Mondkreisläufer

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    Mondkreisläufer - Jürg Halter

    Vorrede

    Stellen Sie sich an eine Bushaltestelle und deklamieren Sie den nachfolgenden Text. Kümmern Sie sich nicht um die Reaktionen – auch wenn diese ausbleiben. Oder legen Sie sich mit einer Taschenlampe ins Bett, ziehen Sie die Decke über Ihren Kopf, flüstern Sie nachfolgenden Text. Oder lesen Sie ihn stumm, während Sie durch Straßen schlendern.

    Reisen Sie in einem Zug, der einem Seeufer entlang fährt, und lesen Sie nachfolgenden Text nicht. Er soll sich Ihnen erzählen.

    Oder schreien Sie ihn mit vorgebeugtem Körper bei einem Betriebsfest so lange heraus, bis man Sie abführen lässt. Setzen Sie sich nicht zur Wehr.

    Singen Sie nachfolgenden Text an Weihnachten für Ihre Familie. Von der ersten bis zur letzten Zeile. Verziehen Sie dabei keine Miene. Da müssen die durch.

    Bauen Sie sich einen geschlossenen Raum, spielen Sie darin nachfolgenden Text. Teilen Sie sich in Sprecher und Publikum auf. Ziehen Sie dazu eine weiße, reduzierte und sportliche Uniform an*.

    Werden Sie Medium einer Stimme, die in verschiedenen Tonlagen durch Sie spricht.

    Vergessen Sie während der Lektüre nicht, hin und wieder zu tanzen. Tanzen Sie im Rhythmus der Zeilen. Nein! Auf keinen Fall ist dies eine Bevormundung.

    Was sollte noch beachtet werden? Der nachfolgende Text steht im Zeichen des Mondes, ist vermutlich gar unter seinem Lichte entstanden. Es empfiehlt sich, ihn in eben jenem Lichte zu lesen. In der Sonne könnten die Buchstaben zu brennen beginnen und sich in Luft auflösen.

    Seien Sie bereit, Ihre Existenz ordentlich in Frage zu stellen; zumindest während der Lektüre. Und jetzt, seien Sie so frei, kreisen Sie zu sich selbst und beginnen Sie neu zu leuchten! Ja!

    Sara Tempel, Prag, den 21. Juli 2017

    * Die Uniform können Sie sich selber nähen/nähen lassen oder sie wartet in irgendeinem Laden auf Sie und wird Ihnen wie angeworfen passen.

    I

    Die Verführung – die Entführung

    Gedanken sind eine tolle Erfindung! Ein Gedanke sagt: «Hey, halt mal an, mach Dich locker, lass mich Dir durch den Kopf gehen. Lass sehen, was dabei rauskommt.»

    Ein Gedanke ist ein Partner, der dir sagt: «Hey, fass Dir an die Stirne, taste nach mir, da bin ich.»

    Aber wo steckt der Gedanke?

    Kratze dich am Hinterkopf.

    Ein Gedanke sagt: «Schau aus dem Fenster! Kannst Du mich sehen? Dort in die Landschaft geschrieben! Dort an die Fassade gesprüht!»

    Und jetzt schau nach oben, da hängt ein wunderschöner Gedanke in der Luft! Ist das nicht toll?

    Du rührst vielleicht im Kaffee, starrst an die Decke oder versuchst einen verlorenen Faden wiederzufinden. Das ist toll!

    Du stehst an einer Bar und beobachtest die Leute. Niemand beachtet dich, doch plötzlich springt dich ein Gedanke an. Und du beginnst ein tolles Selbstgespräch.

    Nun, ja, Gedanken machen einen auch mal melancholisch. Das liegt in der Natur der Sache. So liegst du etwa in Fötusstellung im Bett und weißt nicht mehr weiter – Gedanken decken ja die ganze Palette ab. Ein Gedanke kann dir auch mal in die Hand fahren, dann ballst du die Faust, und willst du den Gedanken darin

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