Gut aufgehoben in der Kita: Zur Praxis einer professionellen Ethik
By Hans-Joachim Laewen and Beate Andres
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Book preview
Gut aufgehoben in der Kita - Hans-Joachim Laewen
1. Bedingungen des „Gut-Aufgehoben-Seins"
Überlegungen zu einem ethischen Dilemma
Im Verlauf der vier Jahrzehnte, die wir auf der Ebene von Forschung und Konzeptentwicklung im Bereich der Kindertagesbetreuung arbeiten, ist uns in den letzten Jahren ein positiver Trend zum „Gut-Aufgehoben-Sein" für die Kinder aufgefallen, der uns Freude macht und zu dem wir möglicherweise selbst ein wenig beigetragen haben. Bei der Aufnahme von Kindern in die Einrichtungen hat sich viel getan, und Beispiele gelungener Interaktionen zwischen Kindern und pädagogischen Fachkräften begegnen uns immer häufiger.
Aufwärtstrend in der pädagogischen Prozessqualität
Wir mussten aber auch zur Kenntnis nehmen, dass keineswegs alle Einrichtungen, sondern nur eine – wenn auch wachsende – Minderheit auf diesem hohen Niveau arbeitet. Wir können also alle zusammen auf eine begeisternd positive Entwicklung zurückblicken, auf Einrichtungen, deren Teams alles richtig machen, was auf dem jetzigen Stand der Entwicklung richtig gemacht werden kann. Aber gerade die Erfahrung dessen, was aktuell schon möglich ist, macht den Vergleich mit den Kindertageseinrichtungen, die längst noch nicht so weit gekommen sind und das möglicherweise auch gar nicht anstreben, so schmerzhaft.
Natürlich drängen sich dann Fragen auf, wie es zu derartigen Unterschieden in der Qualitätöffentlicher Tagesbetreuung überhaupt kommen konnte und weiterhin kann. Im Laufe der Zeit, die wir in die Suche nach Aufklärung investierten, ließen sich zwar einige Sachverhalte entschlüsseln, was uns zunächst jedoch eher mutlos zurückließ. Alles schien mit allem zusammenzuhängen und eine Festung zu bilden aus Unzuständigkeiten, unterbrochenen Kommunikationswegen, fehlendem Wissen bzw. der Bereitschaft, es zur Kenntnis zu nehmen auf der einen Seite, intensivem Bemühen um Abhilfe, ideenreiche Projekte und konzentrierte Arbeit an besseren Konzepten sowohl in den Wissenschaften als auch in der Praxis auf der anderen. Welche Realität verbirgt sich also hinter dieser labyrinthischen Sammlung von möglichen Einflüssen, die eine Weiterentwicklung pädagogischer Qualität zu behindern bzw. zu fördern scheinen?
Suche nach den Gründen für heterogene Qualität
1.1 Systemversagen in der frühen Tagesbetreuung von Kindern?
Zwar tragen aus unserer Sicht immer noch die Fachkräfte als die unmittelbar handelnden Personen Verantwortung dafür, wenn die Kinder in Tagesbetreuung nicht die Bedingungen vorfinden, die sie eigentlich für eine freie Entfaltung ihrer Potenziale in einer Bildungseinrichtung der frühen Jahre brauchen. Sie tragen sie aber nicht allein. Es scheint sich eher um eine Art von Systemversagen zu handeln, an dem unter anderem Wissenschaft und Politik ebenso beteiligt sind wie die regionale Administration, die Träger sowie Inhalt und Struktur der Ausbildung. Und möglicherweise sollte wohl auch der Anteil mancher Eltern nicht aus den Augen verloren werden, wenn sie eine Tageseinrichtung eher aus der Perspektive von Konsumenten betrachten, als dass sie den Besuch ihres Kindes dort als ein Projekt in gemeinsamer Verantwortung erkennen könnten. Vermutlich wirft auch immer noch eine lange Tradition der Missachtung elementarer Lebensbedürfnisse von Kindern ihre dunklen Schatten. Wie sonst hätte ein Elternratgeber wie der von Johanna Haarer⁴ die Nazizeit bis in die 1990er Jahre auf dem Buchmarkt überdauern können? Wie wäre eine so schleppende Bearbeitung der Misshandlung und des Missbrauchs von Kindern unter anderem in Kinder- und Jugendheimen oder im kirchlichen Bereich