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Agile Spielzüge: Was man vom Basketball für Führung, Strategie und Teamwork lernen kann
Agile Spielzüge: Was man vom Basketball für Führung, Strategie und Teamwork lernen kann
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Ebook674 pages7 hours

Agile Spielzüge: Was man vom Basketball für Führung, Strategie und Teamwork lernen kann

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Agile Denkweisen, die Sie vom Basketball für Ihr Berufsleben lernen können 

In diesem Sachbuch bietet Autor Andreas Steffen Führungskräften und Angestellten neue Impulse für Themen wie Führung, Strategieentwicklung und Motivation. Die Parallelen zwischen dem Basketballsport und kleinen wie großen Unternehmen, Start-ups und Grown-ups, NGOs und anderen Institutionen sind vielfältig. Einige davon werden Ihnen anhand folgender Themen in diesem Buch vorgestellt: 
  • Führung 
  • Veränderungsfähigkeit
  • Teamwork und Empowerment
  • Werte und Vertrauen
  • Motivation und innere Einstellung
  • Engagement und Enthusiasmus
  • Kommunikation, Kreativität und Resilienz
  • Erkennen von Potenzialen, Talenten und neuen Chancen
  • Umgang mit Fehlern und Misserfolgen 

Zahlreiche Beispiele aus dem Basketballsport ermöglichen einen Zugriff auf die einzelnen Themen, welche durch Prinzipien und Modelle für die berufliche Praxis aufbereitet sind.

Andreas Steffen diskutiert Fragen wie:
  • Wie verschafft man sich selbst und einer Organisation ein Höchstmaß an Flexibilität und Reaktionsfähigkeit? 
  • Was braucht es, damit ein Team aus Individuen gemeinsam erfolgreich ist? 
  • Wie findet man für eine vorgegebene Strategie die geeigneten Spieler? 
  • Worauf kommt es an, wenn man die individuellen Potenziale eines vorhandenen Teams verstehen, nutzen und dafür eine flexible Strategie entwickeln möchte? 
  • Wodurch können Menschen ihre Talente erkennen und entfalten? 
  • Wie durchsteht man – als Person und Institution – harte Zeiten und schafft danach ein Comeback? 

Zusätzlich enthalten sind acht Interviews mit ehemaligen Spielerinnen und Spielern, die heute als Trainer im Basketballsport oder in ganz anderen beruflichen Bereichen, bspw. als Vorstandsvorsitzender, HR-Managerin, Management Consultant und Inspirationscoach, tätig sind.
Das Sachbuch bietet Impulse für Menschen, die im Arbeitsleben die eigenen Potenziale und die ihrer Beschäftigten entdecken, entfalten und fördern wollen. Damit sind Führungskräfte und Personalver-antwortliche von Unternehmen ebenso wie Angestellte und Freiberufler als auch Coaches und Berater angesprochen, die sich und andere persönlich weiterentwickeln möchten. 

LanguageDeutsch
PublisherSpringer
Release dateFeb 22, 2020
ISBN9783662603789
Agile Spielzüge: Was man vom Basketball für Führung, Strategie und Teamwork lernen kann

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    Book preview

    Agile Spielzüge - Andreas Steffen

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    A. SteffenAgile Spielzügehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-60378-9_1

    1. Playbook: Einleitung & Anleitung

    Andreas Steffen¹ 

    (1)

    Berlin, Deutschland

    Was braucht es, damit ein Team erfolgreich ist? Wodurch können Menschen ihre Talente erkennen und entfalten? Wie durchsteht man harte Zeiten und schafft danach ein Comeback? Sollte man für eine vorgegebene Strategie mit definierten Systemen die geeigneten Spieler suchen – oder die individuellen Potenziale des vorhandenen Teams verstehen, nutzen und dafür eine flexible Strategie entwickeln? Braucht man klare Vorgaben vom Trainer oder sollte man mittels Empowerment die Eigenverantwortung und Selbstorganisation aller Beteiligten fördern?

    Hohe Dynamik, ein permanentes Zusammenspiel von Emotion, Kopf und Körper, ständig neue Spielsituationen, dabei die Herausforderung und Chance, darauf spontan und kreativ, flexibel und intuitiv zu reagieren, schnell zu entscheiden, daraus zu lernen, sich ständig weiterentwickeln und verbessern zu können. Die eigenen Fähigkeiten immer wieder zu erkennen, sie zu trainieren, neue Wege zu entdecken, gemeinsam Erfolge zu feiern, zusammen Niederlagen zu erleiden, Comebacks zu schaffen und daran zu wachsen. All das bietet Basketball. Und viele, wenn nicht alle, dieser Aspekte kommen Ihnen vielleicht auch aus dem Arbeitskontext bekannt vor.

    Mit Veränderungskompetenz und der richtigen inneren Einstellung, mit viel Vertrauen, und auch durch die Fähigkeit, Widerstandskraft in schwierigen Zeiten zu bewahren, nach Niederlagen schnell wieder aufzustehen und aus Fehlern zu lernen kann man aus mehreren Individuen ein agiles und leistungsstarkes Team formen, auf ein gemeinsames Ziel hin einschwören und gleichzeitig die einzelnen Persönlichkeiten bewahren, deren Talente erkennen und ihre Potenziale entfalten.

    Gleichzeitig wollen Agilität und Veränderungsbereitschaft ausreichend Raum für Emotionen haben. Menschen sind nun mal keine Kästchen in Organigrammen, keine Roboter oder Algorithmen. Deshalb finden Sie hier neben Modellen, Methoden und Prinzipien immer wieder Hinweise auf Emotion und Herzblut, auf die Faszination, Leidenschaft und Freude, die man beim Basketballsport ebenso finden kann wie in anderen Lebens- und insbesondere Arbeitsbereichen. Und die man dort auch braucht, um sich selbst verändern zu können und gemeinsam agil zu werden und zu bleiben.

    1.1 Setplay: Grundidee, Anwendungsfelder und Informationsbereiche dieses Buchs

    Im Basketball gibt es zahlreiche Analogien zu Themen und Herausforderungen aus ganz vielen Arbeitsbereichen. Man findet Vorbilder bei Teams, Trainern und Spielern, von denen Führungskräfte, Personalverantwortliche, HR-Manager, Angestellte wie auch Freiberufler lernen und profitieren können. Dieses Buch enthält für Agilität relevante Aspekte wie Teamwork und Empowerment, Strategie, Motivation, innere Einstellung, Engagement und Enthusiasmus, Kreativität und Resilienz, Erkennen von Potenzialen, Talenten und neuen Chancen, Umgang mit Misserfolgen, Niederlagen, Schwächen, inneren und äußeren Grenzen sowie auch zu Führung, Selbstführung und Veränderungsfähigkeit.

    Ein sogenanntes Setplay beschreibt ein spezielles Spielsystem beim Basketballsport, das vorab einstudiert und trainiert wurde. Diese Setplays werden in einem Playbook aufgelistet, das die Spieler vor Beginn einer Saison von ihrem Coach erhalten. Da situativ immer wieder von diesen Standards und Systemen abgewichen werden muss, sind hierfür agile Fähigkeit und taktische Flexibilität sehr hilfreich – auch wenn dieser Umstand dem einen oder anderen Coach vielleicht nicht gefallen mag. Doch so spielt häufig nun mal das Leben, auf dem Feld und auch daneben.

    1.2 Assists: Impulse, Methoden und Perspektiven

    Hundertprozentig trennscharf sind die Themen und Kapitel ganz bewusst nicht, auch die Interviewpartner sprechen über viele verschiedene Aspekte, nicht nur über lediglich ein einziges Thema. Stattdessen gibt es mit voller Absicht eine Vielzahl von Überschneidungen, die sich gleichermaßen auch außerhalb dieses Buchs in der Praxis wiederfinden (Abb. 1.1).

    ../images/482124_1_De_1_Chapter/482124_1_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Die Themenfelder dieses Buches

    Empowerment hängt eng mit Führung (und auch Selbstführung) zusammen. Wiederum wäre Führung ohne Visionen, Ziele und gemeinsame Werte oft ein Weg ins Ungewisse. Fairplay und gutes Teamplay basieren auf eben diesen verbindenden Grundwerten, Agilität bedarf einer dafür vorhandenen inneren Einstellung, Grenzen können manchmal hinderlich und in anderen Situationen förderlich sein, Teamwork hat sehr viel mit Kommunikation zu tun – genau wie die bereits genannte Führung. Somit werden Sie regelmäßig Querverbindungen zwischen den verschiedenen Inhalten finden, die durch Ihre selbst gewählte Auswahl aus den angebotenen Mitnahmemöglichkeiten ein für Sie passendes Gesamtbild als agiles Playbook ergeben.

    Mit diesen Themen, den Analogien und Lernmöglichkeiten aus dem Basketballsport und den Erfahrungen der Interviewpartnerinnen und -partner, die sich jeweils auf mehrere Bereiche beziehen, möchte dieses Buch Anregungen, Impulse, Methoden und neue Perspektiven bieten für Menschen, die im Arbeitsleben die eigenen Potenziale und die ihrer Beschäftigten entdecken, entfalten und fördern wollen, die in anspruchsvollen, komplizierten und mitunter sogar sehr komplexen Situationen neue Möglichkeiten suchen, um agil zu werden und dies langfristig auch zu bleiben. Damit sind Personen in Organisationen angesprochen, die sich selbst und andere Menschen im beruflichen Kontext weiterentwickeln möchten, die Veränderungen meistern und sie gesund absolvieren wollen. Und vielleicht bringt dieses Buch zusätzlich auch für Trainer im Sport, sei es Basketball oder eine andere Disziplin, noch neue Denkanstöße und zusätzliche Wege, um sowohl Teams als auch Einzelsportler bestmöglich zu entwickeln.

    Als „Assist " wird beim Basketball ein Pass bezeichnet, der zu einem direkten Korberfolg führt. Wenn für Sie also beim Lesen der eine oder andere Impuls auf den nachfolgenden Seiten zu finden ist, der Ihnen im beruflichen (oder gerne auch privaten) Kontext nützlich ist, dann wäre das für den Autor ein Assist und insgesamt ein gemeinsamer Erfolg – die sprichwörtliche Win-Win-Situation.

    1.3 Fantasy Manager: Was wäre, wenn …?

    „Schreib über das, womit du dich auskennst. So lautet ein oft zitierter Ratschlag für schreibende Menschen. Und das ist durchaus ein sehr sinnvoller Tipp, wenn man ein Fach-/Sachbuch schreibt. Vielleicht auch bei einem auf Tatsachen beruhenden Roman. Doch wie könnten dann jemals Science-Fiction oder Fantasy entstehen? Auch wenn dies ein fachlich möglichst fundiertes Sachbuch ist: Ein wenig Fantasie ist hier ebenfalls enthalten. In den folgenden Kapiteln werden Sie als wiederkehrenden Einschub eine Rubrik finden, die „Fantasy Manager heißt und dabei Situationen aus dem Basketballsport für andere Bereiche und Branchen simuliert, die es so – zumindest heute – im Arbeitsleben dort nicht gibt. Ob das gut so ist oder wünschenswert wäre: Bitte entscheiden Sie (gerne mit einem Schmunzeln) selbst!

    FANTASY MANAGER: Was wäre, wenn …?

    Der Ansatz, durch Parallelen und Analogien gewisse Übertragungsmöglichkeiten vom Basketball auf die Arbeit in Institutionen jenseits des Sports aufzuspüren, wird hier mit viel Fantasie und einer Prise Humor versehen. In dieser Rubrik begegnen Ihnen Bezeichnungen wie Draft , Signature Shoe und Trade . Dahinter steht jeweils ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn man spezifische Basketballaspekte auf ein Unternehmen oder eine ganz andere Branche überträgt?

    Mit „Fantasy Manager" ist außerhalb dieses Buchs eine Online-Spielform für Fans gemeint, bei der diese virtuell ihre eigenen Basketballteams aus den Stärken und Schwächen echter Spieler zusammenstellen können und anhand von realen Statistiken dieser Spieler sozusagen eine Simulation managen. Ein virtuelles Spiel, das auf der echten Welt basiert.

    1.4 Switch: … und anderswo?

    Natürlich ist in diesem Buch nicht alles nur von Fantasie geprägt. Auf dem Spielfeld, mit oder ohne Ball, beim Sport ebenso wie in anderen beruflichen Tätigkeiten, kann es sehr hilfreich sein, wenn man nicht nur positionsbezogene Fähigkeiten mitbringt. Es hilft sehr, wenn man sich gedanklich in andere Rollen und Perspektiven begeben und sich dort möglichst auch einfühlen kann. Um für sich selbst dadurch eine größere Flexibilität, Variabilität und Agilität beim Handeln zu ermöglichen und sich darüber hinaus auch in andere Menschen, deren Betrachtungsweisen und Bedürfnisse hineindenken und -spüren zu können. Deshalb gibt es einen weiteren Infokasten, der einen zusätzlichen Perspektivwechsel über den Tellerrand des Basketballsports hinaus ermöglichen soll. Wie auch in vielen anderen Situationen unseres Lebens ist zur Erweiterung der Lernmöglichkeiten immer mal wieder der Blick auf andere Sportarten und Bereiche hilfreich, Wie schaut es dort aus? Wie löst man dort Probleme? Das Gras in Nachbars Garten ist definitiv nicht immer grüner als das eigene – allerdings kann man dort meist etwas Neues entdecken, von dem man lernen kann.

    SWITCH: … und anderswo?

    Fußball, American Football, Fallschirmspringen und Tauchen, ebenso wie Schulsport, Data Science, Improtheater und der Weltraum: Zwar bietet Basketball bereits eine Vielzahl von Anwendungsbeispielen und Analogien für andere Kontexte, welche die Basis dieses Buches bilden. Doch lohnt es sich zusätzlich immer wieder – genau wie im beruflichen „Alltag – die eigene Perspektive zu erweitern. Daher finden Sie hier kurze Ausflüge in andere Sportarten, Situationen und „Systeme, die den Basketball-spezifischen Blicken weitere Betrachtungsmöglichkeiten hinzufügen.

    „Übernimmst du mal bitte?" Das sogenannte Switchen kommt beim Basketball dann zum Einsatz, wenn es durch bestimmte Spielsysteme oder -situationen erforderlich ist, dass zwei Mitspieler kurzzeitig den Gegenspieler tauschen. Hier in diesem Buch ist damit das vorübergehende Verändern und Austauschen des eigenen Blickwinkels gemeint, um eine neue Perspektive einzunehmen.

    1.5 Hall of Fame: So war’s damals

    Um den Dreiklang der Infokästen abzurunden, gibt es zusätzlich konkrete „Fallballspiele". Hier werden geschichtsträchtige Situationen, besondere und berühmte Teams und Personen vorgestellt, die einen speziellen Aspekt von Führung, Agilität, Strategie & Co. repräsentieren. Darin enthalten sind auch einige Beispiele, die ganz besonders nicht zur Nachahmung geeignet sind und genau deswegen beschrieben werden.

    HALL OF FAME: So war’s damals

    Was man in weniger als sieben Sekunden alles schaffen kann und welchen Einfluss das auf den Basketballsport hatte? Wie sich ein Ritter an der Seitenlinie verhielt? Welche Rolle eine Seelensuche in Hollywood spielte? All das und noch etwas mehr wird Ihnen in diesem dritten Info-Areal vorgestellt.

    Die nach dem Erfinder des Basketballsports benannte „Naismith Memorial Hall of Fame" wurde 1959 eröffnet und befindet sich in Springfield, Massachusetts. Allerdings werden darin – anders als in diesem Buch – keine Spielzüge, Strategien geehrt, vertreten sind dort Spielerinnen und Spieler, Schiedsrichter, Manager und andere Förderer des Basketballsports sowie einige legendäre Mannschaften.

    Und jetzt genug der einleitenden Worte: Ab aufs Spielfeld!

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    A. SteffenAgile Spielzügehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-60378-9_2

    2. Teamwork & Empowerment

    Andreas Steffen¹ 

    (1)

    Berlin, Deutschland

    „Headcoach", diese Bezeichnung erscheint mir absolut passend und ich mag sie wirklich sehr. Im Sport ist damit die Führungsrolle eines Cheftrainers (w/m/d) gemeint. Auch übertragen auf das hierzulande gängige Verständnis von Coaching ist es übergreifend – neben Life-, Business- und sonstigen Coaches – eine sehr treffende Beschreibung. Denn es geht insgesamt bei Veränderungen im großen Maß um das, was zunächst zwischen den Ohren passiert. Im eigenen Kopf und auch in denen der Menschen, die einen umgeben, mit denen man zusammen spielt und arbeitet.

    2.1 Steve Kerr: Wie man die individuellen Potenziale seines Teams erkennen und fördern kann und dafür die Verantwortung aus den eigenen Händen gibt

    „Der Trainer (Coach) hat stets sein Verhalten darauf auszurichten, dass die Leistung und Zufriedenheit aller Spieler gefördert wird. Er setzt seinen gesamten Erfahrungsschatz als Trainer ein, um die sportliche Karriere und Persönlichkeitsentwicklung des Sportlers zu unterstützten."

    So steht es im „Handbuch Basketball", dem Standardwerk zur Trainerausbildung des Deutschen Basketball Bunds (Bösing et al. 2014). Trainer und Coach: Ist das eigentlich ein- und dasselbe? Diese Frage wird später noch aufgegriffen. Was wichtig ist, um aus Individuen ein agiles und selbstverantwortliches Team zu formen, bei dem die einzelnen Egos für den gemeinsamen Erfolg zurücktreten? Auf diese Frage hat Stephen Douglas „Steve" Kerr, Headcoach der Golden State Warriors, ebenso simple wie eindrucksvolle Antworten gefunden, die weit über die Grenzen des Basketballfeldes hinausreichen. Von seinem Verständnis für Spieler – Stars ebenso wie Rollenspieler und Bankdrücker – und für die Lernmöglichkeiten abseits der eigenen Komfortzone können Teams, Führungskräfte und ganz private Menschen auch weit jenseits des Sports profitieren.

    2.1.1 Lerneffekte auf der Bank

    „Adjust Your strategy to Your players." (Steve Kerr)

    Passen Sie die Strategie auf Ihre Spieler an: Genau darin besteht eines der Erfolgsrezepte von Steve Kerr (Leadership Case Studies, 2016). Während seiner Karriere als Spieler in der National Basketball Association (NBA) saß Kerr häufiger auf der Bank, als dass er auf dem Spielfeld stand. Als Dreipunktespezialist wurde er meist dann eingewechselt, wenn er aufgrund seiner hervorragenden Wurfquote entsprechende Gefahr jenseits der Dreierlinie ausstrahlen, das Spielfeld damit auseinanderziehen und dadurch Raum für seine Mitspieler schaffen sollte.¹ Auch wenn er meist nur eine Nebenrolle spielte und definitiv kein „Superstar" war, wurde er als Spieler mit den Chicago Bulls rund um Michael Jordan  (1995–96, 1996–97 und 1997–98) und später mit den San Antonio Spurs (1998–99 und 2002–03) insgesamt fünfmal NBA-Champion.

    Von eben dieser Zeit auf der Auswechselbank und der damit verbundenen Möglichkeit, von dort aus seine Mitspieler (Stars wie Jordan oder Tim Duncan) sowie mit Phil Jackson und Gregg Popovich zwei der besten Trainer aller Zeiten zu beobachten, hat Kerr für die eigene Arbeit immens profitieren können. Diese Beobachtungen und seine daraus gewonnenen Erkenntnisse haben ihn zum derzeit erfolgreichsten Trainer in allen US-amerikanischen Profisportarten gemacht. Bereits in seiner ersten Saison als Headcoach bei den Golden State Warriors aus Kalifornien wurde Kerrs Team NBA-Champion (2014–15). In der zweiten Spielzeit (2015–16) stellte sein Team den Rekord für die meisten gewonnenen Partien in einer Saison auf (73 Siege in 82 Spielen). In Kerrs dritter und vierter Saison holten sich die Warriors erneut die Meisterschaftstrophäe (2016–17 und 2017–18). Und in der Spielzeit 2018–19 standen die Warriors erneut im Finale.²

    2.1.2 Mit Demut, Empathie und Humor zur Potenzialentfaltung

    Am 27. Januar 2019 war es soweit: Nach lediglich 377 Spielen erreichte Steve Kerr die Marke von 300 Siegen. Damit löste er den früheren Rekordhalter Patrick James „Pat" Riley ab, der dafür 416 Spiele benötigt hatte. Mit einer Siegquote von über 73 Prozent hält Kerr aktuell (Dezember 2019) den Rekord als erfolgreichster Trainer in der US-Basketballliga. Doch steht er selbst auf dem Feld und wirft persönlich die Bälle in den Korb? Nein, jedoch schafft er die Rahmenbedingungen, damit es seine Spieler tun können.

    Eines seiner dafür wichtigsten „öffentlichen Geheimnisse ist Kerrs Fähigkeit, die Potenziale und Bedürfnisse seiner Spieler zu erkennen und ihnen ausreichend Raum zu geben, damit sie diese ausleben und einbringen können. Mitnichten sucht er dazu Akteure, die seine Strategie umsetzen – vielmehr ist es sein herausragendes Talent, eine vertrauensvolle Beziehung zu seinen Spielern aufzubauen und wiederum deren Talente zur Entfaltung zu bringen. „His ability to relate to his players, so beschreibt Clayton Geoffreys in „Steve Kerr: The Inspiring Life and Leadership Lessons of One of Basketball’s Greatest Coaches" (Geoffreys 2017) diese Eigenschaft, die eng verbunden ist mit ausgeprägter Empathie, ehrlichem Empowerment, einem leise gestellten eigenen Ego, einer Portion Demut und vor allem sehr viel Humor. Auf diese Eigenschaft und ihre „lachhafte" Verbindung zum Thema Führung kommen wir später nochmal zurück.

    SWITCH: Angst als Führungsstil?

    Lassen Sie uns einen kurzen Ausflug machen in Bereiche jenseits des Sports: Laut einer Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbunds haben 44 % der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Angst, ihre Sorgen oder Probleme mit ihrem Vorgesetzten zu besprechen. Konkret lautete die Frage: „Erleben Sie in Ihrem Betrieb ein Meinungs-Klima, in dem sich jeder traut, Probleme auch gegenüber Vorgesetzten oder dem Vorstand/der Geschäftsführung offen anzusprechen? Daraufhin antworteten 12 % mit „gar nicht, „in geringem Maß" war bei 32 % die Antwort (DGB 2018). Dass solch eine Situation keine allzu gesunde Umgebung darstellt oder gar ein Klima für Potenzialentfaltung und langfristigen Erfolg schafft, liegt leider auf der Hand. Von den oben genannten 44 % beschäftigte sich wiederum knapp ein Drittel (29 %) mit dem Gedanken, das Unternehmen zu verlassen. Ein solch ungesundes Klima kann bspw. zu geringer Offenheit, zu Sorgen, Unsicherheiten und auch Ängsten führen. Zwar kann Angst vorübergehend unsere Sinne und Aufmerksamkeit schärfen – als Dauerzustand ist sie jedoch keinesfalls empfehlenswert. Der Neurobiologe Gerald Hüther beschreibt es in „Biologie der Angst (Hüther 2012) folgendermaßen: „Ein kleines bisschen Angst ist gut, sie wirkt wie ein Katalysator. Wenn Angst und Stress allerdings zu groß werden, treten auch körperliche Angstsymptome auf (…), man kann nicht mehr richtig denken, geschweige denn kreative Lösungen finden. Nicht mehr richtig klar denken und keine kreativen Lösungen? Das klingt beides nicht nach einer hilfreichen Basis für echte Agilität. Umso mehr ist es für erfolgreiches Teamplay empfehlenswert, eine möglichst angstfreie Umgebung zu schaffen.

    2.1.3 Selbst ist das Team

    In den Filmempfehlungen im Anhang finden Sie ein Video zum Stichwort „Taktikbrett, gleich zu Beginn sieht man dort eine Szene aus der Partie der Golden State Warriors gegen die Phoenix Suns am 12. Februar 2018, in der Steve Kerr dieses Taktikbrett seinen Spielern überlässt. „Es ist ihr Team, erklärt Kerr später in der Pressekonferenz. „Deswegen sollen sie auch selbst die Verantwortung übernehmen." So etwas sagt sich leicht – wenn einem dabei jedoch eine ausverkaufte und mit 19.596 Fans besetzte Sportarena und weltweit mehrere Millionen Menschen an den Fernsehgeräten live dabei zuschauen, ist solch ein Empowerment schon eine deutlich andere Hausnummer. (Das Spiel haben die Warriors übrigens mit einem Vorsprung von 46 Punkten gewonnen.) Einen ähnlichen Ratschlag gab es auch von einem Namensvetter.

    „Es ergibt keinen Sinn smarte Menschen einzustellen und ihnen dann zu sagen, was sie tun sollen. Wir stellen smarte Menschen ein, damit sie uns sagen können, was wir tun sollen." (Steve Jobs)

    Mit dieser Aussage hat der Apple-Gründer Jobs (1955–2011) während seiner Amtszeit wohl ganz gut gelegen hat. Andere machen es anders. Denn nicht überall ist diese Botschaft bislang angekommen. Das sogenannte Mikromanagement lässt sich unabhängig von Branchen und Organisationsformen vielerorts finden. Typische Auslöser hierfür sind zwei auf den ersten Blick komplett gegensätzlich wirkende Ausgangssituationen: (1) Die Führungskraft kennt alle Abläufe und selbst die kleinsten Handgriffe aus eigener Erfahrung so gut wie kein anderer im Team. Aus dieser Position heraus werden Anleitung und Steuerung mit Überwachung verwechselt, jedem Teammitglied wird kontinuierlich über die Schulter geschaut. (2) Der Mikromanager kennt all dies nicht – und will gerade deshalb mit eigenen Augen jeden Prozessschritt nachverfolgen. Die Ursachen für das von Sorge vor Kontrollverlust gekennzeichnete Führungsverhalten können sehr unterschiedlich sein: „Niemand wird es so akkurat und qualitätsbewusst machen wie ich oder „wenn ich nicht permanent alles kontrolliere, wird es sicher nicht gut. Das Resultat ist in beiden Fällen dasselbe – sehr geringes oder vielleicht sogar gar kein Vertrauen in die Eigenständigkeit des Teams. Empowerment? Fehlanzeige.

    SWITCH: Spanische Strategien auf einem anderen Spielfeld

    Einen Gegenentwurf zur Kerrschen Philosophie und Strategie scheint es in England in der dortigen Premier League zu geben. Im englischen Profifußball, wo der Spanier Josep „Pep Guardiola di Sala seit 2016 bei Manchester City aktiv ist, wird die Rolle „Teammanager genannt, die sowohl den Aspekt des Trainers als auch Managers vereint, der für Spielerverpflichtungen und ähnliche Aufgaben jenseits von Strategie, Taktik und Trainingssteuerung zuständig ist. Wenn man Spiele der „Citizens analysiert, Presseberichten vertraut und sich die achtteilige Dokumentation „All or Nothing von Manuel Huerga über die Rekordsaison 2017–18 von Mancity anschaut, so kann man den Eindruck erhalten, dass Guardiola ein deutliches anderes Verständnis als Kerr aus seiner aktiven Zeit als Spieler in sein Vorgehen als Trainer übernommen hat. „Welche Spieler sind geeignet, um meine Strategie umzusetzen? So lassen sich die strategische Haltung, Denk- und Arbeitsweise des spanischen Erfolgstrainers und seine resultierenden Auswahlprozesse für „geeignetes Spielermaterial wohl beschreiben. In einer Teambesprechung vor einem der entscheidenden Spiele in der Saison 2017–18 sieht man, wie Guardiola an der Taktiktafel steht (Huerga 2018). Mit seiner üblichen Hochgeschwindigkeit malt er dort rote und blaue Positionen auf und beschreibt seinen Spielern bis ins kleinste Detail, wie genau sie sich in welchen Situationen verhalten sollen. Der Begriff „Mikromanagement scheint wie für Guardiola erfunden worden zu sein. Eine weitere Szene zeigt, wie Guardiola eine andere Taktikbesprechung eröffnet: „Sit down! Nobody talks! Sit down! In a few years, you can be a manager and you can do it. Setzt euch hin, niemand redet. In einigen Jahren könnt ihr die Manager sein. Mit diesen Worten beginnt Guardiola das Meeting. Eine sehr klare Ansage als Eröffnung, die schnell verdeutlicht, wer in diesem Moment das Sagen hat und ob Dialog, Austausch und Mitbestimmung gewünscht sind. Und er fährt fort: „I am not God. I know that. Try to help." Ich bin nicht Gott, das weiß ich. Versucht zu helfen. Eine bemerkenswerte Ansprache, die den Spielern nahelegt, ihrem nicht gottgleichen Trainer zu helfen. Ob das Empowerment ist? Ob eine echte Selbstverantwortung der Spieler unter Guardiola gefragt ist? Nun hat das von Guardiola gecoachte Team der Citizens sehr viele Titel eingefahren, der Erfolg scheint ihm Recht zu geben und es gibt zahlreiche aktuelle und ehemalige Spieler, die von ihm schwärmen. Andere wiederum kritisieren sein Mikromanagement. Hier scheint es also wieder einmal nicht nur die eine einzig wahre Wahrheit zu geben, denn auch Spieler sind unterschiedlich: der eine braucht glasklare Vorgaben und feste Systeme, während andere erst dann richtig aufblühen, wenn sie ein gewisses Maß an Freiheit für eigene Entscheidungen vorfinden.

    2.1.4 Bessermachen

    „Beim Coaching beeinflusse ich das Leben junger Menschen. Ich habe den jungen Frauen damals Selbstvertrauen gegeben, ich habe sie zu besseren Basketballern und vielleicht auch zu besseren Menschen gemacht. Das hat mir unheimlich viel gegeben." So formuliert die heutige ESPN-Analystin Doris Burke ihre eigene Anspruchshaltung und Arbeitsweise als Trainerin und Coach (FIVE 2019). Darin findet sich auch etwas wieder, das der „Erfinder" des Begriffs New Work , Fritjof Bergmann, als Grundlage seiner Philosophie betrachtete: Das „neue Arbeiten beschränkt sich keineswegs nur auf den Arbeitsplatz – vielmehr kann darunter eine neue Form des Miteinanders auf ganz vielen Ebenen des Lebens verstanden werden. Daraus ergibt sich auch noch eine weitere Frage: Coach oder Mitspieler: Wer kann oder soll die anderen besser machen? Wer ist zuständig dafür, dass sich deren Potenziale bestmöglich entfalten? Schauen wir zurück auf die eingangs beschriebene Formulierung aus dem „Handbuch Basketball, so besteht eine der Hauptaufgaben des Trainers/Coaches genau darin. Dass es auch im Sinn eines Spielers sein sollte, die eigenen Mitspieler besser zu machen, wird im weiteren Verlauf dieses Buches mehrfach thematisiert. Doch auch gewissermaßen unabsichtlich kann dies geschehen.

    Michael Jeffrey „Air Jordan gilt als „greatest of all time, als bester Spieler, der jemals einen Basketball gedribbelt und vor allem anschließend in den Korb platziert hat. Einer von Jordans intensivsten Gegenspielern war John Starks in seiner Zeit bei den New York Knicks (1990–1998). Mit Blick auf die Duelle mit Jordan sagt Starks in einem Interview: „Gegen ihn zu spielen, dabei immer mein Bestes geben zu müssen, damit er nur 30 statt 55 Punkte erzielt, hat mir selbst dabei geholfen, mein eigenes Spiel auf ein höheres Level zu heben. Ob dies in Jordans Sinne war, darf bezweifelt werden. Für Starks war er jedoch ein wichtiger und wertvoller „Wachstumsbeschleuniger.

    Die drei Buchstaben MVP stehen im Basketallsport für Most Valuable Player und die gleichnamige Auszeichnung wird nach Saisonende dem wertvollsten Spieler verliehen. Ein wichtiger Anspruch an diesen Titel ist es, dass dieser Spieler seine Mitspieler besser macht. In „Planet Basketball heißt es über den zweifachen MVP Steve Nash, der später noch umfangreich vorgestellt wird: „Sechs seiner Teamkameraden verhilft der Point Guard zum höchsten Punkteschnitt ihrer Karriere (Voigt und Hieronimi 2011). Wie häufig gibt es das in anderen Lebens- und Arbeitsbereichen?

    Bereits seit 1980 trainiert Mike Krzyzewski, der aus nachvollziehbaren Gründen meist kurz „Coach K" genannt wird, das Team der Blue Devils an der Duke University, mit denen er fünfmal die NCAA-Meisterschaft gewinnen konnte (1991, 1992, 2001, 2010 und 2015). Von 2006 bis 2016 war er zudem Trainer der US-Auswahl, die unter seiner Führung bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking, 2012 in London und auch 2016 in Rio jeweils die Goldmedaille gewann und sich darüberhinaus 2010 und 2014 den Weltmeistertitel sicherte. Er gilt als einer der erfolgreichsten Basketballcoaches aller Zeiten, die niemals eine NBA-Mannschaft trainierten. Auf die Frage, nach welchen Kriterien er seine Spieler auswählt, antwortete Coach K:

    „Ich suche nach Spielern, die ihre Mitspieler besser machen. Das erreicht man mit Enthusiasmus und Leidenschaft." (Mike Krzyzewski)

    Ein Coach kann und sollte die Rahmenbedingungen schaffen, unter denen ein Team sich gegenseitig bessermachen kann. Den nächsten Schritt, die eigentliche Verbesserung kann jedoch nur gelingen, wenn die Spieler dazu bereit sind, wenn sie lernen, wachsen und sich verbessern wollen. Und wenn sie eine Umgebung vorfinden, in der dies geschehen kann.

    2.1.5 Erfolgreich ohne Ego?

    Selbstlosigkeit und Selbstverantwortung – (wie) passt das zusammen? Ist ein egobefreites Empowerment möglich? Insbesondere in den heutigen Zeiten von Social Media, in denen der Marktwert von Basketballspielern, Sportlern generell, nicht nur nach ihrer Leistung auf dem Spielfeld, sondern gleichermaßen anhand ihrer Followerzahl bei Twitter, Instagram & Co. bemessen wird, ist Selbstlosigkeit ein hoher Anspruch. Daher wundert es kaum, dass die Glanzzeiten der folgenden beiden „Beispieler" schon eine Weile zurückliegen.

    Der 1948 als Ferdinand Lew Alcindor Jr. in New York City geborene und später zum Islam konvertierte Kareem Abdul-Jabbar hat in seiner 20 Saisons umfassenden Zeit als Center für die Milwaukee Bucks (1969–1975) und die Los Angeles Lakers (1975–1989) insgesamt 1560 Spiele absolviert. Bereits an der Highschool war er ein Star, mit der Power Memorial Academy verlor er in drei Jahren lediglich zwei von 81 Spielen. Dies konnte er auch auf College-Niveau nahtlos fortsetzen und gewann mit der University of California in Los Angeles (UCLA) gleich dreimal hintereinander den NCAA-Titel (1967–1969). Erst im hohen Basketballalter von 41 Jahren beendete Kareem seine Profikarriere. Sechsmal wurde er als „Most Valuable Player (MVP) ausgezeichnet, 19 mal für das All-Star-Spiel nominiert und hält mit 38.387 erzielten Punkten wohl einen Rekord für die Ewigkeit. 2016 wurde ihm aufgrund seines sozialen Engagements insbesondere im Bereich der Menschenrechte vom damaligen Präsidenten Barack Obama mit der „Presidential Medal of Freedom die höchste zivile Auszeichnung in den USA verliehen. Umso bemerkenswerter angesichts der persönlichen Dominanz des 2,18 m großen Centerspielers ist seine Philosophie hinsichtlich des Teamgedankens:

    „Großartige Spieler sind bereit, ihre persönlichen Erfolge für die Leistung der Gruppe aufzugeben. Es bereichert alle." (Kareem Abdul-Jabbar)

    Dass es sich hierbei keineswegs um ein dahingesprochenes Lippenbekenntnis eines Einzelnen handelt, unterstreicht ein weiterer Großer seiner Zunft: Bill Russell. Nach dem 1934 in Monroe, Louisiana, geborenen 2,07 m großen Centerspieler ist die Trophäe für den wertvollsten Spieler der NBA-Finalserie benannt (die korrekte Bezeichnung lautet Bill Russell NBA Finals Most Valuable Player Award). Damit wird keineswegs derjenige Akteur ausgezeichnet, der für sein Team die meisten Punkte auf dem Weg zur Meisterschaft erzielt hat. Wieder einmal richtet sich der Fokus auch hier darauf, wer sein gesamtes Team als Spieler besser machen, vielleicht sogar auf ein höheres Level heben konnte. Der zugrunde liegende Anspruch von William Felton „Bill" Russell liest sich folgendermaßen:

    „Erschaffe Selbstlosigkeit als wichtigste Mannschaftseigenschaft." (Bill Russell)

    Und genau dies scheint Russell in seiner einzigartigen Karriere verstanden und berücksichtigt zu haben. Von 1956 bis 1969 war er bei den Boston Celtics aktiv und konnte mit seinem Team (von 1966 bis 1969 als Spielertrainer) insgesamt elf NBA-Meisterschaften gewinnen. Kein Spieler ist seitdem auch nur ansatzweise in diese Dimensionen vorgestoßen. Ob solche selbstlosen Teamleistungen angesichts der heutigen Zeiten, in denen die Egos vieler Spieler vermutlich eine eigene Postleitzahl erhalten könnten, noch immer möglich sind? Zumindest wäre es wünschenswert und es gibt auch immer wieder Beispiele, die zeigen, dass Eigeninteressen hinter den Mannschaftserfolg zurückgestellt werden. Einige dieser Vorbilder werden im weiteren Verlauf vorgestellt. Aber ein Spieler kann noch so selbstlos agieren – das Umfeld muss auch bereit dafür sein. Wie entsteht nun solch ein Team, das deutlich mehr schaffen und erreichen kann, als die Summe seiner Einzelteile vermuten lässt?

    2.2 Wie baut man ein Team zusammen?

    Ab in den Hochseilgarten? Gemeinsam über glühende Kohlen laufen? Spontan mal eben fix für eine gemeinsame Alpenwanderung hoch in die Berge? Die Möglichkeiten zum Teambuilding sind vielfältig – aber nicht immer muss man solche schweißtreibenden oder nervenaufreibenden Aktivitäten bemühen, um ein bestehendes Team noch enger zusammenzuschweißen.

    2.2.1 Ein Mantra aus Südafrika

    Im Vorfeld der Spielzeit 2007–08 hatte das Management der Boston Celtics mehrere bemerkenswerte Transaktionen getätigt. Auf individueller Ebene war Paul Anthony Pierce, genannt „The Truth, längst ein absoluter Star. Jedoch hatte sich das bislang nicht auf den Erfolg der Mannschaft ausgewirkt – das war die schlichte Wahrheit. Mit Kevin Garnett (NBA-MVP des Jahres 2004 und fünfzehnfacher All-Star) und Ray Allen (zehnfacher All-Star und noch heute Rekordhalter mit 2973 verwandelten Dreipunktewürfen) kamen nun zwei weitere Superstars neu ins Team und formten zusammen mit Pierce die sogenannten „Big Three. Mit diesen massiven Veränderungen wollten die Celtics endlich wieder an die glorreichen Zeiten eines Bill Russell und Larry Bird aus den 1960er- und 1980er-Jahren anknüpfen. Ein weiterer Titel sollte her!

    Die Umsetzung dieser klaren Zielstellung lag nun zu Beginn der Saison vor Headcoach Glenn Rivers, den die Basketballwelt seit mehr als 40 Jahren nur als „Doc Rivers kennt und der auf der Point Guard-Position für die Atlanta Hawks, Los Angeles Clippers, New York Knicks und San Antonio Spurs aktiv gewesen war. Nach seiner ersten Station als Headcoach bei den Orlando Magic (1999–2003) war Rivers seit 2004 verantwortlich für das Team aus Boston. Und ihm war klar, dass es mit dem nun versammelten Talent keine Ausrede mehr gab, um den erhofften Erfolg nicht wieder an die Ostküste zu holen. Jedoch hatten schon frühere (und auch später folgende) „Superteams gezeigt, dass es auf sehr viel Fingerspitzengefühl ankommt, um durch gezieltes Ego-Management zu tatsächlichem Teamerfolg zu gelangen. Und genau dabei sollte ein Mantra helfen.

    „Ubuntu – im südafrikanischen Bantu-Dialekt steht dieses Wort für eine Lebensphilosophie, die auf Respekt, einem starken Teamgeist, gegenseitiger Achtung und Anerkennung basiert. Doc Rivers gelang es, diese Verbindung zwischen seinen Spielern, Superstars wie Rollenspielern und Bankdrückern, zu etablieren. „Ubuntu!, das war nicht nur der laute Ruf der Celtics vor Beginn jedes Spiels in dieser Saison, das dahinterstehende Gefühl hatte sich in den Köpfen und Herzen des Teams fest verankert – mit Erfolg.

    Gleich in ihrer ersten gemeinsamen Saison konnten Pierce, Garnett, Allen und ihre Teamkameraden die NBA-Championship gewinnen. Mit diesem insgesamt 17. Titel sind die Boston Celtics das erfolgreichste Teams der NBA-Geschichte. Dabei war ihnen 2007–08 die bislang größte Verbesserung gegenüber der vorangegangenen Spielzeit gelungen, die ein Team jemals zustande gebracht hatte: War man im Jahr zuvor lediglich 24 mal (bei 82 Spielen) erfolgreich gewesen, so konnten in der Meisterschaftssaison imposante 66 Siege verzeichnet werden. Eine Steigerung um 42 siegreiche Spiele war noch keiner Mannschaft je zuvor gelungen. Auch das kann bereits als Erfolg dank Ubuntu betrachtet werden, der das Gemeinschaftsgefühl und Selbstvertrauen des Teams in alle seine Mitglieder auf ein Niveau gebracht hatte, so dass daraus im Anschluss eine Meisterschaft entstehen konnte. „Ubuntu funktioniert im gesamten Leben", sagt Doc Rivers (ESPN 2013). „Es funktioniert für jeden Menschen, ganz unabhängig vom Basketball. Es geht dabei ebenso um Resilienz wie auch um das Gefühl der Freude, die man miteinander teilt, wenn ein Mannschaftskamerad erfolgreich ist, und gleichermaßen um das Mitgefühl, wenn es ihm einmal nicht gut geht. All das ist für eine Gemeinschaft wichtig."

    2.2.2 Das Teamkonto als Werkzeug der Kommunikation

    Nicht immer weiß jedes Teammitglied, was sich die anderen von ihm wünschen. Gleichermaßen kann es durchaus sein, dass einem selbst gar nicht bewusst ist, wodurch man positiv zum Gemeinschaftsgefühl und Teamspirit beiträgt. Hierbei kann es „Blinde Flecken" geben, also bestimmte Bereiche von sich selbst, die man bislang gar nicht wahrgenommen hat – im Guten wie im Schlechten. Eine Methode, die sehr erfolgreich eingesetzt werden kann, um das bewusste wie auch unbewusste Geben und Nehmen innerhalb eines Teams zu veranschaulichen, ist das sogenannte Teamkonto (Abb. 2.1).

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    Abb. 2.1

    Arbeitsblätter für das Teamkonto

    Das Teamkonto eignet sich für Teams von bis zu acht, maximal zehn bis zwölf Personen, bei einer deutlich größeren Personenzahl empfiehlt sich die Arbeit in mehreren Untergruppen – allerdings kann dadurch wiederum ein Teil der Wirkung in Form des teamübergreifenden persönlichen Austauschs reduziert werden.

    Und so geht man dabei vor:

    (1)

    Zuerst erarbeitet jedes Teammitglied die ersten beiden Punkte seines/ihres eigenes Teamkontos (Selbstbild) anhand des 1. Arbeitsblattes (Tab. 2.2):

    Was bringe ich in das Teamkonto ein (meine Einzahlungen)?

    Was entnehme ich dem Teamkonto (meine Anhebungen)?

    Tab. 2.2

    Das eigene Teamkonto (Arbeitsblatt 1)

    ../images/482124_1_De_2_Chapter/482124_1_De_2_Tab2_HTML.png

    Dauer: (ca. 10–15 Minuten)

    (2)

    Anschließend werden mit dem 2. Arbeitsblatt die Teamkonten (Fremdbilder) für jedes der anderen Teammitglieder erstellt (Tab. 2.3)

    Was sind die Einzahlungen des Kollegen/der Kollegin?

    Welche Anhebungen unternimmt der Kollege/die Kollegin?

    Was wünsche ich mir anstatt dieser Abhebungen?

    Tab. 2.3

    Das Teamkonto für ein Teammitglied (Arbeitsblatt 2)

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    (je Teammitglied ungefähr 8–10 Minuten)

    (3)

    Es folgt der erste Austausch im Team:

    Zuerst wird das eigenerstellte Selbstbild präsentiert.

    Danach erhält man die auf sich bezogenen Fremdbilder der anderen Teammitglieder.

    Anschließend ist das nächste Teammitglied an der Reihe.

    (Bitte planen Sie ausreichend Zeit hierfür ein! Denn genau in diesem Schritt können wertvolle Grundlagen für die weitere Zusammenarbeit gelegt werden, von denen das Team auch zukünftig profitieren wird. 8–10 Minuten pro Teammitglied sind hierfür angemessen.)

    (4)

    Danach beantwortet jedes Teammitglied für sich selbst die beiden Zukunftsfragen auf dem 1. Arbeitsblatt.

    Was werde ich zukünftig verstärkt auf das Teamkonto einzahlen?

    Welche Wünsche setze ich zukünftig auf welche Weise um?

    (ca. 10 Minuten)

    (5)

    Feedback und Austausch im Team

    (Dieser Schritt darf und sollte ausreichend Zeit in Anspruch nehmen! Mit diesem Schritt können die in Schritt 3 und 4 geschaffenen Grundlagen für die Kommunikation und Zusammenarbeit im Team weiter ausgebaut und gefestigt werden.)

    Zur Anregung und Vorbereitung: Die Begriffe in Tab. 2.1 sind Beispiele für mögliche Einzahlungen beziehungsweise Abhebungen.

    Tab. 2.1

    Typische Einzahlungen und Auszahlungen beim Teamkonto

    Absolut wichtig ist es, eine konstruktive und wohlwollende Atmosphäre für die Arbeit mit dem Teamkonto zu schaffen. „Jetzt kann ich ihm/ihr endlich mal die Meinung sagen! ist eindeutig nicht die gewünschte Stimmung; „fruchtbar sollte bitte nicht mit „furchtbar" verwechselt werden. Das Teamkonto ist ein Werkzeug für Teambuilding, für akutes Konfliktmanagement ist es nur bedingt geeignet.

    Dieses wertschöpfende Ziel wird bereits durch das Vorgehen unterstützt: Dadurch, dass man zuerst sein eigenes Teamkonto (Arbeitsblatt 1) ausfüllt, sollte sich eine entsprechend wohlwollende innere Haltung einstellen, die sich dann gleichermaßen auf die Erstellung der anderen Teamkonten (Arbeitsblatt 2) positiv auswirkt. Falls jemand jedoch extrem selbstkritisch veranlagt ist, könnte er/sie dies möglicherweise auf die Arbeit mit dem eigenen und auch mit den anderen Kontenblättern übertragen, deswegen sollte man darauf achten und das Vorgehen entsprechend anmoderieren.

    Bisher habe ich es wirklich jedes Mal so erlebt, dass dieses Werkzeug den Austausch und die Kommunikation innerhalb von Teams positiv befruchtet hat. Menschen neigen vor allem sich selbst gegenüber oftmals dazu Kritik auszusprechen, jedoch Lob zu vernachlässigen. Vielleicht ist dies auch damit verbunden, dass erstaunlich viele Menschen Lob nur schwer annehmen können. Aussprechen und annehmen: Genau diese Effekte können durch das Teamkonto hervorgebracht und geübt werden. Und es werden sich dadurch sehr wahrscheinlich auch zusätzliche Ansatzpunkte herauskristallisieren, um auf ganz persönlicher Ebene die Teamchemie mit sehr viel Wertschätzung weiter zu verbessern.

    2.2.3 Teamplay frei nach JFK

    Hier kommt nun ein kurzer Blick zurück in meine Vergangenheit: Mit der Schulmannschaft des Rückert-Gymnasiums hatten wir insbesondere mit den Jahrgängen 1973/74 einige legendäre „Schlachten gegen die Mannschaft der John F. Kennedy-Schule aus dem Südwesten Berlins. Das fing bereits in der siebten Klasse an, in meinem ersten Jahr auf der Oberschule. Frisch zusammengewürfelt – als Mitschüler, die erst kurz gemeinsam auf der Grundschulbank saßen, und vor allem als Basketballteam ganz neu zusammengestellt waren – hatten wir anscheinend einen sehr erfolgreichen Mix: Der einzige, der zu dieser Zeit im Verein spielte, war ich selbst, meine Teammitglieder waren Freiplatzzocker oder Leichtathleten und wir hatten einen sehr robusten Kampfsportler für die Abwehrarbeit. Und gerade die Spiele gegen die „JFK, wie sie kurz genannt wurde, waren stets intensiv. So auch die Endspiele bei der Landesmeisterschaft der Berliner Schulen im Rahmen von „Jugend trainiert für Olympia, die wir sowohl 1986 als auch 1988 gegen „die Kennedys gewinnen konnten.

    Ein Motto, das ganz eng mit dem früheren US-Präsidenten John Fitzgerald Kennedy (1917–1963) verbunden ist, beschäftigt sich mit der Frage von staatlicher und persönlicher Verantwortung. „Frag nicht, was dein Land für dich tun kann. Frag, was du für dein Land tun kannst." So hatte es JFK formuliert. Genau diesen Leitgedanken hat Earvin Johnson, der später noch ausführlich vorgestellte frühere Point Guard der Los Angeles Lakers, aufgegriffen und adaptiert:

    „Ask not what your teammates can do for you. Ask what you can do for your teammates. (Earvin „Magic Johnson)

    Frag nicht, was deine Mitspieler für dich tun können. Frag stattdessen, was du für deine Mitspieler tun kannst. Doch was sollte innerhalb des Teams und vielleicht auch „drumherum gegeben und spürbar sein, damit man sich die zweite statt der ersten Frage stellt? Im Ursprungszitat von Kennedy hieß es, dass man sich selbst fragen möge, was man für das eigene Heimatland tun kann. Und ist ein Team oder ein Unternehmen tatsächlich so etwas wie Heimat? Den Blick auf „das Ganze zu schaffen. Aufzuzeigen, dass auch ein vermeintlich kleiner Beitrag (sofern er geleistet wird) eine positive Auswirkung hat. Dass es auf jeden einzelnen Menschen ankommt – in einem Team genauso wie in einem Unternehmen oder einem Staat. Hier liegt ein elementarer Ansatzpunkt für Gemeinschaft, Teamwork und auch Empowerment.

    Das Verständnis von Arbeit verändert sich. „New Work existiert als Begriff bereits seit den 1980er-Jahren und kommt insbesondere in jüngster Zeit in immer mehr Unternehmen an. Weg von Methoden aus den Zeiten von Fließbandarbeit und strengen Hierarchien, hin zu Mitbestimmung und Selbstverantwortung. Dahinter steht die Frage, mit wie viel Freiheitsgraden und Selbstbestimmtheit Menschen miteinander arbeiten (oder auch zusammenleben) wollen. Dabei ist entscheidend, dass es um Menschen geht – und die sind erfreulicherweise nicht standardisiert. Während die eine Person sich Erfüllung in ihrem Job sucht und keinen Wert auf die strikte Trennung von Arbeit und Privatleben im Sinne einer „Work-Life-Private-Life-Balance legt, möchte jemand anderes exakt diese klare Differenzierung unbedingt haben. Für den einen ist die Arbeit womöglich eine Heimat, für den anderen liegt sie ganz woanders. Als Führungskraft ist es ratsam, solche unterschiedlichen Bedürfnisse zu erkennen und zu prüfen, ob die Freiheit,

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