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Update für das Gedächtnis: Von der Kunst, Erinnerungen zu überschreiben
Update für das Gedächtnis: Von der Kunst, Erinnerungen zu überschreiben
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Ebook339 pages3 hours

Update für das Gedächtnis: Von der Kunst, Erinnerungen zu überschreiben

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About this ebook

Dieses Sachbuch möchte Ihnen eine neue Sicht auf Ihr Gedächtnis eröffnen. Viele wird es wahrscheinlich überraschen: Das Gedächtnis ist keineswegs in Stein gemeißelt, sondern formbar. Erinnerungsspuren sind zu verändern – und zwar nicht nur, indem wir vergessen oder gar dement werden. Unter bestimmten Bedingungen lassen sich Gedächtnisinhalte tatsächlich überschreiben. Dafür sprechen inzwischen zahlreiche Forschungsergebnisse. Die Möglichkeit eines solchen Gedächtnis-Updates kann sogar therapeutisch genutzt werden – mit verblüffenden Effekten. 

Geschrieben für 

… alle, die mehr darüber wissen wollen, wie ihr Gedächtnis funktioniert. 

Über die Autorin: 

Dr. med. Ruth Metten arbeitet als niedergelassene Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutin in ihrer Praxis schwerpunktmäßig mit Psychodrama, Hypnose und einer Kombination aus beidem – dem Hypnodrama – und hält zum Thema dieses Buches gut verständliche und nützliche Vorträge und Seminare.
LanguageDeutsch
PublisherSpringer
Release dateAug 2, 2021
ISBN9783662631683
Update für das Gedächtnis: Von der Kunst, Erinnerungen zu überschreiben

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    Update für das Gedächtnis - Ruth Metten

    © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2021

    R. MettenUpdate für das Gedächtnishttps://doi.org/10.1007/978-3-662-63168-3_1

    1. Ein Gedächtnis kommt niemals allein

    Ruth Metten¹  

    (1)

    Gemeinschaftspraxis, Kempen, Deutschland

    Ruth Metten

    Email: drmetten@behmenburg-metten.de

    Man entdeckt keine neuen Weltteile,

    ohne den Mut zu haben,

    alle Küsten aus den Augen zu verlieren

    André Gide

    (1970, S. 449)

    Zusammenfassung

    In diesem Kapitel erfahren Sie, dass wir nicht nur ein Gedächtnis haben, sondern mehrere. Drei davon kommen zur Sprache.

    Was, wenn wir keine Erinnerungen hätten? Wenn wir in jedem Augenblick eine Tabula rasa – ein unbeschriebenes Blatt – wären, auf dem niemals etwas notiert würde? Unsere Sinne wären aktiv, aber wir wüssten nicht, wie wir die Informationen, die sie uns zuleiten, deuten sollten. Wir könnten uns nicht über Gesten oder gar Worte verständigen, denn wir würden sie nicht verstehen. Für uns wäre ausgeschlossen, Bewegungsabläufe zu lernen. Schon am aufrechten Gang würden wir kläglich scheitern. Den Gegebenheiten um uns herum wären wir hilflos ausgeliefert, sähen keine Möglichkeiten, sie zu verändern. Wir wüssten nicht, wer wir sind, geschweige denn, wer wir waren und welche Erfahrungen wir gemacht haben, könnten nie Pläne für die Zukunft schmieden. Unser Leben wäre ein einziges Jetzt. Wir blieben auf dem Stand von Neugeborenen, die (noch) keine Ahnung davon haben, wie die Welt um sie herum funktioniert. Doch im Gegensatz zu ihnen würden wir es niemals lernen. Zugegeben, das hätte sicher auch angenehme Seiten. Immerhin wären schmerzliche Erfahrungen für uns tatsächlich passé, sobald sie stattgefunden hätten. Zudem litten wir nicht unter Langeweile. Denn ständig wäre alles neu. Aber wer wollte schon auf sein komplettes Erinnerungsvermögen verzichten, um seelisch weniger belastet zu sein und stets den Nervenkitzel des Unbekannten zu erleben? Wohl keiner.

    Wie gut also, ein Gedächtnis zu haben. Aber hoppla, mit dieser Aussage wären wir wohl etwas voreilig. Denn das Gedächtnis gibt es nicht. Überrascht? Ihr Bauchgefühl sagt Ihnen wahrscheinlich etwas anderes. Schließlich müssen die Erinnerungen doch von irgendwoher kommen. Was liegt da näher, als dass sie aus einem großen Speicher im Gehirn abgerufen werden? Trösten Sie sich. Die Gedächtnisforscher hatten anfangs denselben Gedanken. Doch sie wurden eines Besseren belehrt. Im Gehirn findet sich kein Ort, an dem all unsere Erinnerungen gespeichert werden. Stattdessen haben wir mehrere Gedächtnisse, die auf unterschiedliche Hirnstrukturen zurückgreifen.

    Wie kamen die Wissenschaftler darauf?

    Das traurige Schicksal eines Mannes verhalf ihnen zu dieser Erkenntnis. Die Rede ist von Henry Gustave Molaison. Seine Geschichte beschreibt die amerikanische Neurowissenschaftlerin Suzanne Corkin eindrucksvoll in ihrem Buch, das 2013 unter dem Titel Permanent present tense – Dauerhafte Gegenwart – erschien. Danach bekam Henry im Alter von zehn Jahren erstmals epileptische Anfälle, die ihn ab dann sein Leben lang begleiten sollten. Zunächst waren es „nur" Absencen. Dabei wirkte er für ungefähr 40 s abwesend (Scoville & Milner, 1957, S. 16), reagierte nicht auf Ansprache. Seine Augen waren geschlossen. Begonnene Tätigkeiten wurden von ihm unterbrochen und nach dem Anfall wiederaufgenommen. Bildlich ausgedrückt hätte man den Eindruck gewinnen können, bei Henry wäre für einige Augenblicke der Stecker gezogen worden. Zwar dauerten diese Anfälle nicht länger als ein paar Sekunden, kamen dafür aber ziemlich häufig vor.

    An seinem 16. Geburtstag hatte Henry dann den ersten Grand mal-Anfall. Dabei geht das Bewusstsein plötzlich verloren. Alle Muskeln versteifen sich für Sekunden. Die Betreffenden stürzen zu Boden. Weil nun jegliche Abstützreaktionen fehlen, kann es zu schweren Verletzungen kommen. Auf diese Phase folgen für Sekunden bis hin zu einigen Minuten rhythmische Muskelzuckungen. Nun schüttelt es seitengleich den ganzen Körper. Neben Armen und Beinen kann auch die Zunge mitzucken. Sie schlägt den Speichel zu Schaum. So entsteht beim Betroffenen der typische Schaum vor dem Mund. Einnässen und Einkoten sind ebenfalls möglich. Schließlich erschlafft die Muskulatur. Der Betroffene fällt in einen tiefen Schlaf.

    Wie würde ein solcher Anfall auf Sie wirken, wenn Sie nicht wüssten, worum es sich handelte? Verstörend, nicht wahr? Und keiner kann exakt voraussehen, wann der nächste auftreten wird. Wie sich also schützen? Verständlich, dass manche Epileptiker deshalb einen Helm tragen. Ab seinem 16. Lebensjahr hatte Henry nicht nur täglich ungefähr zehn Absencen, sondern einmal wöchentlich auch Grand mal-Anfälle (Ogden, 2012, S. 175). Wer wollte bezweifeln, dass dies seine Lebensqualität massiv beeinträchtigte? Zumal selbst hochdosierte Mehrfachkombinationen an Medikamenten nicht ausreichten, die Gewitter in seinem Kopf zu besänftigen. Stattdessen litt Henry erheblich unter ihren Nebenwirkungen. In seiner Not entschloss er sich deshalb zu einem gewagten und folgenschweren Schritt.

    Gewagte Hirnoperationen gegen Anfallsleiden

    Schon Anfang der 1930er-Jahre hatte der kanadische Neurochirurg Wilder Penfield damit begonnen, Epileptikern Teile des rechten oder linken Schläfenlappens ihrer Gehirne operativ zu entfernen (Feindel et al., 2009, S. 139). Vielleicht fragen Sie sich nun, wo dieser denn darin zu finden ist. Wir können uns das Gehirn als überdimensionale Walnuss vorstellen. Sie besitzt zwei Hälften, die über einen Balken miteinander verbunden sind. Jede dieser beiden Hirnhälften kann in vier große Regionen – sogenannte Lappen – unterteilt werden. Eine davon – der Schläfenlappen – sitzt in beiden Hirnhälften ungefähr auf Höhe unserer Ohren. Wir haben also zwei davon. Das ist wichtig, zu wissen. Denn Penfield entfernte entweder Teile des einen oder anderen Schläfenlappens. Blieb einer der beiden intakt, zeigten die Patienten nach der Operation keine nennenswerten Beeinträchtigungen ihrer Gedächtnisleistung. Allerdings konnten so bei Epileptikern, die nicht genügend auf Medikamente ansprachen, deutliche Verbesserungen in ihrer Anfallshäufigkeit erzielt werden. Davon wusste auch William Beecher Scoville. Er war der angesehene Neurochirurg, an den Henry sich damals wandte. Scoville hatte bereits einige Erfahrungen damit gesammelt, Patienten Teile der dem Balken zugewandten Innenseiten ihrer Schläfenlappen zu entfernen und die vielversprechenden Ergebnisse in einer Fachzeitschrift veröffentlicht (Scoville et al., 1953). Eine solche Operation schlug er auch Henry vor. Offen ging er damit um, dass es ein Versuch wäre, weil noch keine gesicherten Erkenntnisse zur Wirksamkeit dieses Verfahrens bei Epileptikern vorlägen. Aber er würde erwarten, dadurch die Häufigkeit von Henrys Anfällen deutlich verringern zu können.

    Der Griff nach dem Strohhalm

    Was hätten Sie an Henrys Stelle getan? Er war verzweifelt, jetzt gab es einen Funken Hoffnung auf ein besseres Leben. Verständlich, dass Henry die Chance ergriff und sich am 25. August 1953 – im Alter von 27 Jahren – operieren ließ. Und seine Hoffnung sollte sich erfüllen. Tatsächlich traten die epileptischen Anfälle nun bei ihm viel seltener auf. Grand mal-Anfälle hatte er nur noch ein- bis zweimal im Jahr und ungefähr fünf Absencen im Monat (Ogden, 2012, S. 177). Freilich musste Henry weiterhin Medikamente einnehmen. Nichtsdestoweniger war seine Operation in dieser Hinsicht ein großer Erfolg. Doch um welchen Preis. Ob sich Henry auf sie eingelassen hätte, wenn ihm vorab klar gewesen wäre, wie hoch er ausfallen würde? Vielleicht. Immerhin wurde Henry 82 Jahre alt und wirkte Zeit seines Lebens ausgeglichen und fröhlich, kaum einmal ärgerlich oder frustriert. Womöglich hätte er dieses Alter gar nicht erreicht, wenn die Folgen seiner Operation unerträglich für ihn gewesen wären.

    Die Folgen der Operation

    Was aber war mit Henry passiert, das er offenbar weit weniger dramatisch erlebte als die Menschen um ihn herum? Scoville hatte ihm entlang der unteren Innenseiten seiner beiden Schläfenlappen jeweils einen etwa fünf Zentimeter langen Block Gehirnmasse entfernt (Corkin et al., 1997, S. 3964). Darin befanden sich große Teile einer beidseitig angelegten Hirnstruktur, die Hippocampus genannt wird (s. Abb. 1.1). So heißt in der Tierkunde auch das Seepferdchen. Der Begriff stammt von den altgriechischen Worten für Pferd – híppos – und Seeungeheuer – kámpos. Denselben Namen erhielt die von Scoville großteilig entfernte Hirnstruktur, weil ihre Form an den kleinen Meeresbewohner – allerdings ohne Kopf – erinnert.

    ../images/501645_1_De_1_Chapter/501645_1_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Lage des Hippocampus im Gehirn. Stilisierte Innenansicht der rechten Hirnhälfte

    Die letzten zwei Zentimeter des Hippocampus blieben Henry in jeder Hirnhälfte erhalten. Doch leider nützten sie ihm nichts. Denn ihnen wurden keine Informationen mehr zugeleitet, so dass sie nun funktionslos waren. Damit hatte Henry durch die Operation praktisch seine beiden Hippocampi verloren. Doch wie wirkte sich das auf ihn aus?

    Die verheerenden Folgen dieses Verlustes traten schon unmittelbar nach dem Eingriff zutage. Henry erkannte das Pflegepersonal nicht mehr wieder, erinnerte keine Gespräche, die er soeben geführt hatte, verlief sich auf dem Weg zum Badezimmer, selbst wenn ihm dieser kurz vorher gezeigt wurde. Was war passiert? Infolge seiner Operation konnte Henry neu erworbenes Wissen oder just Erlebtes nur noch für ungefähr 30 s im Gedächtnis behalten. Anschließend löste es sich auf. Henry fehlte nun jede Erinnerung daran. Damit nahm er ab seiner Operation auch keine Vergangenheit mehr wahr. Seine Zeit stand still, während die Welt um ihn herum Geschichte schrieb…

    Ein fünfzackiger Stern weist den Weg

    Wir waren auf Henry gekommen, weil sein Fall den Gedächtnisforschern zu der Erkenntnis verholfen haben sollte, dass es den einen Speicher in unserem Gehirn, aus dem all unsere Erinnerungen abgerufen werden, nicht gibt. Woran wurde ihnen das bei ihm klar? Die Neuropsychologin Brenda Milner untersuchte Henry wiederholt nach seiner Operation. Unter anderem versuchte sie herauszufinden, ob er tatsächlich außerstande war, irgendetwas zu lernen. Dabei machte sie eine spannende Entdeckung. Zwar war es Henry nicht mehr möglich, Faktenwissen oder Erlebnisse längerfristig im Gedächtnis zu behalten. Merken konnte er sich aber trotzdem noch etwas. Denn zur Überraschung der Fachwelt fand Milner heraus, dass Henry neue Fertigkeiten einüben konnte (Milner, 1962, S. 268–270). Und das kam so: An drei aufeinanderfolgenden Tagen bat sie ihn, den Umriss eines fünfzackigen Sterns zu zeichnen. Dieser wurde durch zwei parallel verlaufende Linien vorgegeben. Genau dazwischen sollte Henry mit einem Stift entlang malen. Das klingt einfach. Was aber, wenn Sie dabei Ihre Hand mit dem Stift und den Stern auf dem Papier vor Ihnen nur spiegelverkehrt wahrnehmen könnten? Genauso war der Versuch nämlich für Henry aufgebaut. Jetzt sähe die Sache schon anders für Sie aus, nicht wahr? Zeigte Ihnen das Spiegelbild an, Ihren Strich nun weiter nach schräg rechts oben fortsetzen zu müssen, hätte Ihre Hand stattdessen nach schräg rechts unten zu wandern. Anfangs machten Sie bestimmt noch ziemlich viele Fehler. Der Strich Ihres Stiftes kreuzte dann immer wieder eine der Linien, verließe die von diesen beiden markierte Spur. Doch mit der Zeit würden Sie geschickter darin werden, spiegelverkehrt zu reagieren.

    Wie aber erging es Henry?

    Wenn infolge der Operation sein gesamtes Erinnerungsvermögen für Neues verloren gegangen wäre, hätte er sich anhaltend schwertun müssen. Doch so verhielt es sich gerade nicht. Schon am ersten Tag nahm seine Fehlerquote mit jedem weiteren Durchlauf stetig ab. Was von ihm gelernt worden war, behielt er sogar über Nacht. Denn am nächsten Tag startete Henry auf dem Niveau, das er sich bis zum vorherigen Abend antrainiert hatte und baute es mit jedem Durchlauf weiter aus. Am dritten Tag war Henry nahezu perfekt darin, den Stern spiegelverkehrt zu zeichnen. Er hatte eine neue Fertigkeit erworben, ohne zu wissen, wie. Für ihn war jeder Durchlauf der erste gewesen. So stellte er am dritten Tag nach einem weiteren Versuch, den Stern zu zeichnen, verdutzt fest: „Das ist seltsam. Ich dachte, es wäre schwierig. Aber es scheint so, als hätte ich es richtig gut gemacht." (Corkin, 2013, S. 155). Nicht allein Henry wunderte seine Leistung, sondern auch Milner. Allerdings staunte sie darüber aus einem anderen Grund als er. Denn Henry wusste nicht, dass er drei Tage dafür geübt hatte. Sonst wäre er wohl kaum so überrascht gewesen. Was Milner hingegen verblüffte, war, dass Henry trotz seines Unvermögens, sich an Faktenwissen oder Erlebnisse zu erinnern, neue Fertigkeiten lernen konnte. Damit hatte damals keiner gerechnet. Henry musste die Antwort auf die Frage schuldig bleiben, was er bei seiner letzten Mahlzeit gegessen hatte. Aber er konnte lernen, die Umrisse eines Sterns zu malen, wenn er ihn dabei bloß im Spiegel sah. Das war eine wissenschaftliche Sensation. Henry behielt, wie er etwas machen musste. Diese Gedächtnisleistung hatte seine Operation unversehrt überstanden. Daraus schlossen die Forscher, dass unser Gehirn mehr als einen einzigen Gedächtnisspeicher besitzen müsse – und zwar noch einen weiteren für erlernte Fertigkeiten. Der war Henry nach seiner Operation erhalten geblieben.

    Es gibt ein eigenes Gedächtnis für unsere erlernten Fähigkeiten.

    Wir haben also zwei Gedächtnisse?

    Nicht nur. Auch das lässt sich an dem ablesen, was Henry noch erinnerte. In den ersten 27 Jahren seines Lebens hatte er eine Menge Fakten über sich und die Welt erworben. Darauf konnte er weiterhin zurückgreifen. Henry wusste, wer er war und kannte seine Eltern. Sein umfangreiches Allgemeinwissen erlaubte ihm, Kreuzworträtsel zu lösen, was er nach seiner Operation leidenschaftlich gern tat. Henry erinnerte sich an den New Yorker Börsencrash und die berühmte Schlacht um San Juan Hill während des spanisch-amerikanischen Krieges. Nach seiner Operation war allerdings kein weiteres Wissen mehr hinzugekommen. Den Tod seines Vaters bedauerte er immer wieder neu, wenn ihm davon berichtet wurde. Denn Henry war außerstande, diese traurige Tatsache im Gedächtnis zu behalten. Wissen ist nun keineswegs das einzige, was wir abspeichern können. Günstigenfalls sind wir zusätzlich in der Lage, uns an einige unserer Erlebnisse zu erinnern. Wie war das bei Henry? Und hier wird es interessant. Im Gegensatz zu den vielen Fakten, die Henry nach seiner Operation noch wusste, war ihm, was er bis zu seiner Operation erlebt hatte, fast vollständig entfallen. Nur zwei Erfahrungen vermochte er noch lebendig zu schildern: seinen ersten Flug im Alter von 13 Jahren und seine erste Zigarette mit 10 Jahren. Vielleicht werden diese beiden Erlebnisse die aufregendsten für Henry bis zu seiner Operation gewesen sein. Aber gewiss waren sie nicht seine einzigen in diesem Zeitraum. An all die anderen fehlte ihm jede Erinnerung. Die war mit den Stücken verloren gegangen, die Scoville aus Henrys Schläfenlappen entfernt hatte. Dennoch blieb sein bis dahin erworbenes Faktenwissen weitgehend erhalten. Wie ist das zu

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