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Fernweh und Reiselust - Streifzüge durch die Tourismuspsychologie
Fernweh und Reiselust - Streifzüge durch die Tourismuspsychologie
Fernweh und Reiselust - Streifzüge durch die Tourismuspsychologie
Ebook224 pages1 hour

Fernweh und Reiselust - Streifzüge durch die Tourismuspsychologie

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About this ebook

Dieses Sachbuch befasst sich auf unterhaltsame Weise mit der psychologischen Seite des Reisens. Wie der Buchtitel bereits erahnen lässt, erfährt der Leser in 40 kurzen Kapiteln wesentliche Entscheidungs- und Handlungsweisen. Diese werden dem Leser eindrücklich und unterhaltsam mittels psychologischer Erklärungen nahegebracht. 

Das Sachbuch umspannt einen weiten Themenbogen: von der Werbebegegnung und Entstehung von Reisewünschen über Reiseentscheidungsprobleme bis hin zum Phänomen Urlaubsstress. Auch allseits interessante Themen wie Zeiterleben, Flugangst, Jetlag, Reiseverhalten oder Urlaubsglück fehlen nicht bei den Streifzügen durch die Tourismuspsychologie. 

Das Sachbuch richtet sich an alle Leser, die sich für die psychologischen Sachverhalte entlang der gesamten Reisekette interessieren und mehr über ihr eigenes Reiseverhalten erfahren möchten. Es soll dem interessierten Leser helfen, seine eigenen Reiseentscheidungen besser zu verstehen und Urlaubserfahrungen sinnhafter reflektieren zu können. Die Beschreibungen sind mit zahlreichen aktuellen Fakten und Hintergrundinformationen versehen und vermitteln hierdurch auch prägnanten Einblick in das touristische System. Umrahmt werden die Texte durch thematisch passende Zeichnungen von Pauline Wetzel. 






LanguageDeutsch
PublisherSpringer
Release dateApr 18, 2018
ISBN9783662565025
Fernweh und Reiselust - Streifzüge durch die Tourismuspsychologie

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    Fernweh und Reiselust - Streifzüge durch die Tourismuspsychologie - Hans-Peter Herrmann

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    Hans-Peter Herrmann und Pauline WetzelFernweh und Reiselust - Streifzüge durch die Tourismuspsychologie https://doi.org/10.1007/978-3-662-56502-5_1

    1. Zwischen Alltag und Urlaubsträumen

    Hans-Peter Herrmann¹   und Pauline Wetzel¹  

    (1)

    Leipzig, Deutschland

    Hans-Peter Herrmann (Korrespondenzautor)

    Email: hans-peter-herrmann@freenet.de

    Pauline Wetzel

    Email: pauline.wetzel@web.de

    Fast jeder Mensch hat Urlaubsträume. Rational betrachtet sind Urlaubsträume zunächst nur abstrakte Gedanken, welche mit persönliche Vorstellungen von einem Urlaub in Verbindung gebracht werden. Diese sind anfangs oft unscharf, weil nur sehr allgemeine Erwartungen hierüber bestehen. Erst nach einem konkreten Reiseentschluss werden diese Vorstellungen präzisiert, etwa hinsichtlich des Ziels, des Reisezeitraums oder der genaueren Gestaltung des Urlaubs. Auch wenn Urlaubspläne anfangs wenig konkret sind oder noch fern erscheinen, führen sie bereits zu positiven Empfindungen. Verantwortlich hierfür sind urlaubsbezogene Assoziationen, wie Sonne, Strand, Palmen, Berge usw., welche unweigerlich mit den Begriffen Urlaub und Reisen verbunden werden. Aber warum entstehen Urlaubsträume häufig in Stresssituationen, wenn weder die Zeit noch die Stimmung hierzu vorhanden ist? Die Antwort darauf erscheint simpel, ist aber für das psychische Gleichgewicht im Alltag bedeutsam. Viele Menschen empfinden ihren Alltag als durchorganisiert und stressbeladen. Das Eingebundensein in feste Organisationsstrukturen, ein stetig steigender Arbeitsdruck oder die hektisch erscheinende Umwelt lassen mit der Zeit den Wunsch aufkommen, diesem Alltagsstress zu entfliehen. Der Wunsch, zumindest vorübergehend diese belastende Situation zu verlassen, wird gewöhnlich mit Urlaubsgedanken verbunden. Hieraus erklärt sich, warum bereits Urlaubsträume reifen können, obwohl die Urlaubszeit noch fern ist. Gefangen zwischen der realen Alltagswelt und sich entwickelnden Urlaubsträumen stellt sich die Frage, ob es gut und sinnvoll erscheint, sich nach einem fern liegenden Urlaub zu sehnen, statt sich auf schöne Momente des Alltags zu konzentrieren. Die Antwort aus psychologischer Sicht ist einfach. Beides ist wichtig. Wer im täglichen Alltag keine positiven Momente erlebt, ist schnell frustriert. Schöne Momente schaffen eine innere Balance und sind der Gegenpol zum erlebten Alltagstress. Sie werden im weitem Sinne als Erfolgserlebnisse erlebt und sind eine wichtige Triebfeder, um sich im Alltag stets aufs Neue zu motivieren. Bewusst oder unbewusst führen Menschen deshalb Unternehmungen durch, welche für sie kleine Auszeiten vom Alltagsstress darstellen. In aller Regel suchen sie hierfür Aktivitäten, welche ihnen ein zeitweiliges Gefühl der Entspannung und Regeneration vermitteln. Vielfach sind es, ohne dass es ihnen bewusst wird, Aktivitäten, die mit Urlaub in Verbindung stehen oder diesen schon sehr nahe kommen, sei es der Besuch eines Spaß- und Erlebnisbades, der Ausflug zu einer nahegelegenen Sehenswürdigkeit oder ein gemütlicher Sonntagsbrunch. Dabei ist es kein Zufall, sondern ein normales psychisches Verhaltensmuster, wenn bei diesen Unternehmungen Urlaubsgedanken aufkommen. Denn Stimmungen wirken wie Abrufreize und aktivieren Erinnerungen, die mit bestimmten Gefühlen verbunden sind, beispielsweise Erinnerungen an bisherige Badeurlaube, Urlaubsausflüge oder an die gemütlichen Frühstücke auf der Sonnenterrasse des Ferienhotels.

    ../images/451347_1_De_1_Chapter/451347_1_De_1_Figa_HTML.gif

    Gibt es keine hinreichenden Erfolgsmomente im Alltag, weil für ausgleichende Aktivitäten keine Zeit ist, so besteht auf längere Sicht die Gefahr, innerlich auszubrennen. Burnouterkrankungen, welche anfangs nur Sozialberufen zugeordnet wurden, ziehen sich heute durch alle Altersschichten und Berufsgruppen. Die Zusammenhänge zwischen Stress und Burnout sowie die Bedeutsamkeit von innerer Balance sind heute weitgehend bekannt. Urlaub und größere Auszeiten bieten für den Einzelnen die Möglichkeit, sich zeitweilig vom stressbeladen Alltag zu befreien. Werden die Ferien zu Hause verbracht, so kann nur der Anschein eines Urlaubsgefühls aufkommen. Denn zu Hause, verhaftet im alltäglichen Umfeld, folgt uns im sprichwörtlichen Sinne auf Schritt und Tritt die Alltagserinnerung. Eine zeitweilige Loslösung vom belastenden Alltag ist nur durch einen Ortswechsel möglich. Daher verlassen die meisten Menschen für eine bestimmte Zeit ihr gewohntes Umfeld und gehen auf Reisen. Hierbei sammeln sie fast durchweg gute Erfahrungen und verknüpfen diese positiven Empfindungen mit den jeweiligen Urlaubsorten. Diese Verknüpfung, welche sich mit jeder Reise aufs Neue vollzieht, ist ein entscheidender Grund dafür, warum der starke Wunsch besteht, seinen Urlaub fern des eigenen Wohnorts zu verbringen. Verkürzt ausgedrückt, es entsteht durch diese Verknüpfung eine starke Sehnsucht nach Ferne. Was für den Einzelnen Ferne bedeutet, kann nur er selbst definieren. Für ein kleines Kind kann Ferne bedeuten, Oma und Opa im Nachbarort zu besuchen. Für einen Teil der Erwachsenen bedeutet Ferne, die Landesgrenze zu überschreiten, um nach Frankreich oder Italien zu reisen. Einige verknüpfen Ferne hingegen mit einer Reise zu einem anderen Kontinent, etwa nach Südamerika oder Australien. In der Tourismuswissenschaft ist deshalb der Begriff Destination nicht genau definiert. Wie ein Reiseziel bestimmt ist, liegt in der jeweiligen Betrachtungsweise des Einzelnen und kann daher sowohl ein Ort, ein Gebiet, ein Land oder ein Kontinent sein. Was das Kleinkind mit seiner ortsnahen Reise und den Reisenden, der zu einem anderen Kontinent aufbricht, verbindet, ist die Erfahrung, dass es am Zielort keinen „Alltag", sondern neue Erlebnisräume gibt. Die unterschiedliche Interpretation von Alltagsferne zeigt sich auch in den touristischen Statistiken. Werden Urlaubsreisen mit einer Reisedauer von mindestens fünf zusammenhängenden Tagen zugrunde gelegt, so unternahmen 2016 laut Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen nur 7,8 % aller deutschen Urlaubsreisenden eine echte Fernreise. 36,5 % wählten als Reiseziel ein Land, welches direkt an das Mittelmeer angrenzt. Rund 30 % aller Urlaubsreisenden blieben innerhalb Deutschlands und der Rest verteilt sich auf Skandinavien sowie auf die west- und osteuropäische Staaten, die nicht Mittelmeeranrainer sind (vgl. DRV 2017, S. 28). Der Anteil an der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren, der keine jährlichen Urlaubsreisen unternimmt, liegt bei etwa 23 %. Die große Bevölkerungsmehrheit hat somit nicht nur Urlaubsträume, sondern setzt diese auch jährlich um.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    Hans-Peter Herrmann und Pauline WetzelFernweh und Reiselust - Streifzüge durch die Tourismuspsychologie https://doi.org/10.1007/978-3-662-56502-5_2

    2. Unser Reiseentscheidungsverhalten

    Hans-Peter Herrmann¹   und Pauline Wetzel¹  

    (1)

    Leipzig, Deutschland

    Hans-Peter Herrmann (Korrespondenzautor)

    Email: hans-peter-herrmann@freenet.de

    Pauline Wetzel

    Email: pauline.wetzel@web.de

    Am Anfang jeder privaten Reiseentscheidung steht ein Reisewunsch. Während Geschäftsreisen an unternehmerischen Notwendigkeiten ausgerichtet sind, werden private Urlaubswünsche stark von den persönlichen Motiven gelenkt. Motive sind innere Beweggründe, die Menschen dazu veranlassen, etwas anzustreben oder zu unterlassen. Jeder Mensch besitzt individuelle, unterschiedlich stark ausgeprägter Motive, welche den Handlungsantrieb für verschiedene Aktivitäten darstellen. Hierbei handelt es sich oft um ein Motivbündel, in dem sich auch Reisemotive befinden. Reisemotive sind ständig latent vorhanden, werden aber in der Regel erst aktiviert, wenn eine Reisewahlentscheidung ansteht. Gewöhnlich besitzt jede Person mehrere Reisemotive gleichzeitig, die durchaus sehr gegensätzlich sein können – etwa die Motive, sich im Urlaub ausruhen, aber gleichzeitig sehr viel erleben zu wollen. Die gegensätzlichen Motive können unter Umständen zu intrapersonellen Entscheidungskonflikten führen und somit Reiseentscheidungen erheblich erschweren. Um die breite Vielfalt von Motiven und Interessen zu befriedigen, hat sich die Anzahl unterschiedlicher Reiseangebote kontinuierlich erhöht. Ein Trend ist der verstärkte Ausbau von Bausteinreisen sowie die Erweiterung des Angebots um Kombinationsreisen (Rundreisen mit anschließendem Badeaufenthalt, Mehrländereisen, Kreuzfahrten mit Kombiangeboten usw.) durch die Reiseveranstalter. Das Vorhandensein der Motivvielfalt lässt sich u. a. in der jährlichen Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) ablesen, wo die Befragten fast durchweg Mehrfachnennungen bei ihren persönlichen Urlaubsmotiven angeben. Diese Reiseanalyse gilt in der Tourismusbranche als führende empirische Tourismusstudie und wird seit 1994 jährlich durchgeführt. Dabei erfolgen umfängliche empirische Erhebungen zu unterschiedlichen touristischen Sachverhalten, darunter eine jährlich wiederkehrende Befragung zu den jeweils aktuellen Reisemotiven. Die Analyse zeigt, dass sich seit Erhebungsbeginn die Reisemotive kaum verändert haben, auch nicht in ihrer Gewichtung. Diese gemessene Stabilität der Reisemotive verwundert nicht, denn Motive werden als relativ überdauernde charakteristische Disposition angesehen. Die wichtigsten erhobenen Urlaubsmotive seit Jahren sind:

    Entspannung, keinen Stress haben,

    Abstand zum Alltag gewinnen,

    Frei sein, Zeit haben,

    Kraft sammeln, auftanken,

    Zeit füreinander haben.

    Die Reisemotive spiegeln sich in den getätigten Reiseformen wider. In der Reiseanalyse 2017 war bei der Haupturlaubsreise das größte Interesse mit 22 % beim Badeurlaub zu verzeichnen, gefolgt vom Familien- und Erholungsurlaub mit jeweils 19 % und Besucherreisen mit 9 % (vgl. fvw Nr. 17/2017, S. 151). Erkennbar ist, dass im Ranking die „Erholungsmotive" deutlich dominieren. Andere Motive wie Natur erleben, sportliche Betätigung, Kultur und Bildung werden regelmäßig genannt, spielen aber im Urlaub eine weniger wichtige Rolle. Vorhandene Motive sind bedeutsame Grundlagen für Reiseentscheidungen, garantieren jedoch nicht deren Realisierung. Jeder kennt es aus eigenem Erleben: Oft werden lohnenswerte Motive angestrebt, etwa mit dem Rauchen aufzuhören, mehr Sport zu treiben, Gewicht abzunehmen, aber dann doch nicht umgesetzt. Ob vorhandene Motive tatsächlich verwirklicht werden, hängt von Anreizen und der persönlichen Motivation ab. Die Motivation entscheidet über die Richtung, Intensität und Ausdauer des Handelns. Sie ist zum Beispiel dafür verantwortlich, dass sich die Person gerade mit einer bestimmten Reise und nicht mit anderen Angeboten beschäftigt (Richtung), ferner dafür, welche Anstrengung und welchen Einsatz die Person unternimmt, um sich beispielsweise nähere Informationen zur angestrebten Reise zu beschaffen (Intensität), und wie lange sie sich für das Erreichen des angestrebten Ziels engagiert (Ausdauer). Da Motivationen wesentliche Impulsgeber für das Reiseverhalten sind, beschäftigt sich die Tourismuswissenschaft mit diesen Fragen. Hierzu sind mehrere unterschiedliche theoretische Erklärungsansätze entstanden. So gibt es den Ansatz der Reisebedürfnisentwicklung in Form einer aufsteigenden Pyramide, die an den Ansatz von Maslow angelehnt ist. Andere Ansätze, wie die von Mundt (vgl. Mundt 2013, S. 116 ff.), gehen von unterschiedlichen Motivationen aus und fassen diese zu Motivgruppen zusammen, so etwa der defizittheoretische Ansatz mit den folgenden Motiven: Reise als Flucht vor den Verhältnissen oder Suche nach Authentizität. Beim physiologischen Erklärungsansatz steht die Motivation der körperlichen Regenerierung im Vordergrund. Der psychologische Erklärungsansatz geht von Motivationen aus, die im Kontrast zum Alltag stehen oder in der Veränderung des Zeitempfindens liegen. Darüber hinaus werden mehrere spezifische Einzelmotivationsansätze angenommen.

    Motive und Motivationen fungieren als Anker. Sie bilden zwar das Grundgerüst der Reiseentscheidung, werden aber durch weitere wichtige Faktoren ergänzend beeinflusst. Hierzu gehören beispielsweise die eigenen Erfahrungen zu bereits bereisten Reisezielen, Erfahrungen mit bestimmten Reiseveranstaltern und Präferenzen hinsichtlich bestimmter Urlaubsformen. Ebenso spielen Grundeinstellungen zu bestimmten Destinationen, Qualitätsstandards oder geopolitischen Erwägungen eine Rolle. Auch die Berücksichtigung von Urteilen Dritter, wie von Kollegen und Freunden, die Einbeziehung wahrnehmbarer Reisetrends oder die Rücksichtnahme auf Mitreisende, wie den Partner oder Kinder, haben einen entscheidenden Einfluss auf das Reiseentscheidungsverhalten.

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    Diese vielfältigen Faktoren werden im Entscheidungsprozess gewichtet und ergeben zusammen eine recht komplexe Entscheidungssituation, die zum Schluss die Wahl für ein bestimmtes Reiseangebot so schwierig erscheinen lässt. Da Reiseentscheidungen in aller Regel nicht spontan getroffen werden, sind

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