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Transport, Arbeit und Erholung auf dem Meer: Die Rolle der Schifffahrt in der globalen Wirtschaft
Transport, Arbeit und Erholung auf dem Meer: Die Rolle der Schifffahrt in der globalen Wirtschaft
Transport, Arbeit und Erholung auf dem Meer: Die Rolle der Schifffahrt in der globalen Wirtschaft
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Transport, Arbeit und Erholung auf dem Meer: Die Rolle der Schifffahrt in der globalen Wirtschaft

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About this ebook

Das Werk ist eine weitreichende wie kritische Darstellung der internationalen Schifffahrt und beschreibt deren Geschäftszweige, Schiffstypen Reedereien, Werften und Häfen. Einen derartigen Versuch einer umfassenden Abhandlung hat es bisher weder im deutschen noch internationalen Schrifttum gegeben. Wegen der Internationalität des Sujets wird das Werk weltweites Interesse in der allgemeinen Wirtschaft, der Schifffahrt, bei Seeleuten, Hafenbeschäftigten, Schiffbauern, Reedereien, Behörden und interessierten Laien finden.
LanguageDeutsch
PublisherSpringer
Release dateDec 6, 2018
ISBN9783658221515
Transport, Arbeit und Erholung auf dem Meer: Die Rolle der Schifffahrt in der globalen Wirtschaft

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    Transport, Arbeit und Erholung auf dem Meer - Ralf Witthohn

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Ralf WitthohnTransport, Arbeit und Erholung auf dem Meerhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-22151-5_1

    1. Land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, Tiere, Futtermittel

    Ralf Witthohn¹  

    (1)

    Schiffdorf-Spaden, Deutschland

    Ralf Witthohn

    Email: ralfwitthohn@t-online.de

    Die größten Mengen von Agrarprodukten wie Weizen, Grobkorn, Reis, Ölsaaten oder Zucker werden als Massengut – im Bulk – transportiert. Daraus leitet sich der aus dem Englischen entlehnte, inzwischen weit gebräuchliche Begriff des Bulkcarriers anstelle der deutschen Bezeichnung Massengutfrachter oder des selten gebrauchten Terminus Schüttgutfrachter ab. Dessen Typenpalette für die Getreidefahrt reicht vom Küstenfrachter und Minibulker mit Tragfähigkeiten bis 10.000 t bis zum Capesize-Carrier von 180.000 tdw. Größere Sorgfalt erfordert der Transport von Früchten, Fleisch und Fisch in speziellen Kühl- oder Kühlcontainerschiffen. Bei der Verschiffung von Säften, Alkohohl und Wasser kommen speziell entworfene Tankschiffe zum Einsatz. Einen noch größeren technologischen Aufwand erfordern Schiffskonstruktionen zur sensiblen Beförderung von Vieh und Lebendfischen.

    1.1 Getreide

    Nach Eisenerz und Kohle nimmt Getreide den dritten Platz in der Mengenbilanz der trockenen Seetransportgüter ein. Sein Transportaufkommen erreichte 2016 eine Gesamtmenge von 476 Mio. t, einem Zuwachs von 3,7 % im Vergleich zum Vorjahr entsprechend. Damit machte es knapp 10 % aller trockenen Massengüter aus. 70 % des Getreidetransportes entfielen auf Weizen und Grobkorn, überwiegend Winterweizen in Anbauländern der nördlichen Hemisphäre. Kanada, Kasachstan, Russland und die Vereinigten Staaten sind zudem an der später einsetzenden Frühjahrsproduktion beteiligt. Im Anschluss daran wird in Ländern der südlichen Halbkugel, wie Australien und Argentinien, der Weizen ausgesät, so dass es fast durchgängig Erntezeiten und entsprechenden Transportbedarf gibt.

    Die wichtigsten Exporthäfen für Getreide sind in Europa Rouen, Rostock und Hamburg, in den Vereinigten Staaten New Orleans, Houston, Baltimore und Norfolk, in Kanada Vancouver und die Häfen am St. Lorenz‐Strom, in Russland Novorossisk, in der Ukraine Juschne und Odessa, in Argentinien Rosario und Buenos Aires, in Brasilien Santos und Rio Grande do Sul, in Australien Fremantle, Bunbary und Adelaide. Größter Exporteur in 2016 waren die Vereinigten Staaten mit einem Anteil von 22 %, vor Russland mit 19 und der Europäischen Union mit 14 %. Asiatische Länder empfingen ein Drittel des Getreides, vor Afrika mit einem 22 %‐Anteil. Die größten Getreideimporte sind für China, Japan, Ägypten, die europäischen Länder, Saudi‐Arabien und Südkorea bestimmt. Die Weltproduktion von Weizen für die Saison 2017/18 wird auf etwa 740 Mio. t geschätzt, zu denen Europa 151 Mio. t beiträgt, Russland 82 Mio. t, die Vereinigten Staaten 47 Mio. t und Australien 21,5 Mio. t. Die Prognose für die weltweite Grobkornernte nennt 1319 Mio. t, für Reis 18,3 Mio. t und für Ölsaaten wie Soja, Sonnenblumenkerne und Raps 174 Mio. t.

    1.1.1 Kanadischer Weizen von der Thunder Bay

    Nachdem der Bulkcarrier BAIE ST. PAUL die Stadt Sault Ste. Marie am Westausgang des St. Lorenz‐Stroms passiert und den Lake Superior überquert hat, macht er am späten Abend an der Pier in Thunder Bay fest. Das Getreidehandelsunternehmen Viterra betreibt hier einen 362.000 t fassenden Silo, aus dem der sogenannte Laker innerhalb von nur 27 h beladen wird. Der Hafen von Thunder Bay verfügt über die größten Getreidelagerkapazitäten in Nordamerika. Acht Terminals erzielen Umschlagsleistungen von 1000 bis 3400 t/h und können insgesamt 1,2 Mio. t aufnehmen. Betreiber sind die Firmen Superior Elevator der Cargill‐Gruppe, Parrish & Heimbecker, Canada Malting, Richardson International, G3, Western Grain By‐Products Storage und Viterra (Abb. 1.1).

    ../images/460107_1_De_1_Chapter/460107_1_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Während die Ladung mit Hilfe landseitiger Anlagen auf den „Laker" BAIE ST. PAUL gelangt, wird sie mit einem schiffseigenen System gelöscht. (Chengxi)

    Mit Umschlagsleistungen von bis zu 6000 t/h erhöhen selbstentladende Frachter (engl. Self‐discharging oder Self‐unloading cargo vessel) die Umschlagsraten beträchtlich, bei gleichzeitiger Verringerung des Personaleinsatzes. Die technisch anspruchsvollen Entladungssysteme finden neben der Getreidefahrt auf den Großen Seen Nordamerikas vor allem in der nordeuropäischen Erz‑ und Baustoff‑ wie auch in der internationalen Zementfahrt Verwendung. Mittelgroße Bulkfrachtertypen üblicher Bauweise werden dagegen regelmäßig mit Drehkränen ausgestattet.

    Bei der BAIE ST. PAUL handelt es sich um einen typischen „Laker", einen Massengutfrachter, dessen von dem kanadischen Ingenieurbüro Cooke Naval Architect Consultants ausgearbeiteter Entwurf von 225,5 m Länge, 23,8 m Breite und 9 m Tiefgang auf die maximalen Abmessungen des St. Lorenz‐Seeweges abgestimmt ist. Aus diesen Parametern ergibt sich eine Tragfähigkeit von 37.690 t und ein Inhalt der fünf Laderäume des Frachters von 41.700 m³. Sie werden mit Hilfe eines in diesem Fahrtgebiet häufig eingesetzten Selbstentladesystems der Firma EMS‐Tech aus Belleville/Ontario geleert, das eine Leistung von 5450 t/h erzielen kann. Nach dem Schwerkraftprinzip rutscht die Ladung durch den W‐förmig gestalteten Laderaumboden auf zwei darunter in zwei Tunneln laufende Bänder, wird in Eimern über einen Elevator aufwärts und mit Hilfe eines Auslegers an Land befördert.

    Das im September 2012 von der Chengxi Shipyard in Jiangyin/China an die CSL Group (Canada Steamship Lines) in Montreal abgelieferte Schiff wird durch einen MAN B&W‐Zweitakter von 8750 kW Leistung auf eine Geschwindigkeit von 12,5 kn gebracht. Es wurde nach den Vorschriften der britischen Klassifikationsgesellschaft Lloyd’s Register of Shipping für die Fahrt auf den Großen Seen und dem St. Lorenz‐Strom gebaut, ohne dass es die Bedingungen für die Hochseefahrt erfüllt. Deshalb musste der mit Ballaststeinen beladene Rumpf für die Überführungsreise von der Bauwerft nach Kanada mit Konstruktionselementen verstärkt werden, die nach der Ankunft in Montreal demontiert wurden. Um die Belastungen für den Schiffskörper durch Sturm und hohen Wellengang so gering wie möglich zu halten, wurde für die auf acht Wochen veranschlagte Route über Pazifik, den Panama‐Kanal und Atlantik mit Unterstützung von Wetterberatungen geplant. Außergewöhnlich für ein Frachtschiff ist die Ausrüstung mit einem dynamischen Positionierungssystem, das in Verbindung mit je einem Querstrahlpropeller vorn und hinten sowie dem in einer Düse laufenden Antriebspropeller eine sichere Positionierung bei Wartezeiten vor den Häfen und Schleusen des Seeweges erlauben soll. Dem Typschiff BAIE ST. PAUL folgten die Schwesterschiffe WHITEFISH BAY , THUNDER BAY und BAIE COMEAU . Das Neubauprogramm profitierte von einem Wegfall einer 25 % Einfuhrsteuer für Schiffe.

    Die Canada Steamship Lines, die sich als weltgrößter Betreiber von selbstentladenden Frachtern bezeichnen, haben das System gleichzeitig auf den weltweiten Einsatz ausgedehnt. Niederlassungen in Amerika, Europa, Asien und Australien betreiben hochseegängige Schiffe. 2017 umfasste die gesamte CSL‐Flotte 57 Schiffe, bis auf vier Große‐Seen‐Bulkcarrier ohne eigenes Ladegeschirr ausschließlich Selbstentlader und Transshipment‐Einheiten. Von der Europa‐Zentrale in Richmond/Großbritannien disponiert wurden die kleineren, vorwiegend im Granittransport eingesetzten Selbstentlader CSL ELBE , CSL RHINE , CSL TRIMNES und TERTNES .

    1.1.2 Kroatische Selbstentlader für Kanada

    Während die BAIE ST. PAUL in Thunder Bay beladen wird, hat der zuvor abgefertigte Bulkcarrier, die ALGOMA DISCOVERY , seine Reise auf dem St. Lorenz‐Strom beendet und den Bestimmungshafen Port Cartier an der Mündung der Wasserstraße erreicht. Auf dem seit 1679 kommerziell befahrenen Wasserweg werden jährlich mehr als 160 Mio. t bewegt. Die wichtigsten Getreidehäfen, über die US‐amerikanische und kanadische Farmer ihre Ernte verladen, sind Hamilton, Windsor, Sarnia, Goderich, Owen Sound, Johnstown, Port Colborne und Oshawa. Diese Häfen dienen nicht nur der Verschiffung von Getreide, über sie wird auch Dünger herangeführt. Bestimmungshäfen der Ladungen aus Ontario sind Toledo, Buffalo, Montreal, Sorel, Trois Rivières, Quebec, Baie Comeau und Port Cartier, von wo das Getreide nach Übersee exportiert wird.

    In Thunder Bay wird vor allem die speziell für die kurze kanadische Erntesaison gezüchtete und in den Prärien angebaute Weizensorte Marquis verladen. Der ab 1935 für die Vermarktung und den Verkauf zuständige staatliche Canadian Wheat Board wurde 2015 durch den Verkauf eines 50,1 %‐Anteils an ein Joint Venture des landwirtschaftlichen US‐Konzerns Bunge Limited und der Saudi Agricultural and Livestock Investment Company (SALIC) in Riad teilprivatisiert und in G3 Canada Limited umbenannt. Das Unternehmen vermarktet Getreide und Ölsaaten und Getreide in mehr als 70 Länder. Es verfügt über 18 Standorte in der Nähe des St. Lorenz‐Seeweges an den Lokationen Bloom, Glenlea, Colonsay, Pasqua, Alexander, Plenty, Prairie West, Kindersley, Luseland, Dodsland, Leader, St‐Hyacinthe, Ste‐Madeleine, St‐Lambert, Ste‐Élisabeth und den Hafenplätzen Thunder Bay, Hamilton, Trois‐Rivières und Québec. Bis 2020 entsteht ein Export‐Terminal mit einer Speicherkapazität von 180.000 t in Vancouver.

    Die ALGOMA DISCOVERY gehört zur Flotte der Algoma Central Corporation in St. Catharines/Kanada, die Anfang 2018 14 Selbstentlader, acht Bulkcarrier ohne eigenes Ladegerät und sechs Produktentanker betrieb (Abb. 1.2). Sechs weitere Selbstentlader sind hochseegängig, darunter die speziell für die Erzfahrt auf Bremen entworfene WESER STAHL . Die geschirrlosen Bulkcarrier ALGOMA DISCOVERY , ALGOMA EQUINOX , ALGOMA GUARDIAN , ALGOMA HARVESTER , ALGOMA SPIRIT , ALGOMA STRONGFIELD , G3 MARQUIS und TIM S. DOOL dienen in erster Linie der ostgehenden Getreidefahrt auf dem St. Lorenz, während westgehend Eisenerztransporte durchgeführt werden. Die ALGOMA DISCOVERY führte zudem einen Stahltransport ab Bremen durch. Die sechs ab 2013 in Fahrt gekommenen Neubauten der ALGOMA EQUINOX ‐Klasse wurden zur Schwefelreduzierung in den Abgasen mit Scrubber‐Systemen der Firma Wärtsilä ausgerüstet. Sie waschen die Emissionen der Hauptmaschine, der Hilfsdieselmotoren und des ölgefeuerten Kessels, um den in Kanada und den Vereinigten Staaten geltenden Vorschriften der International Maritime Organization (IMO) über die Einrichtung von Abgassonderzonen (Emission Control Areas, ECAs) in der Große‐Seen‐Fahrt zu genügen (Abb. 1.3).

    ../images/460107_1_De_1_Chapter/460107_1_De_1_Fig2_HTML.jpg

    Abb. 1.2

    Der üblicherweise auf den Großen Seen eingesetzte 34.750‐tdw‐Laker ALGOMA DISCOVERY lief 2009 bei der Abfuhr von Stahlprodukten des Bremer ArcelorMittal‐Werkes auf der Unterweser bei Brake auf Grund und kam erst nach Leichterung der Ladung wieder frei. (Ralf Witthohn)

    ../images/460107_1_De_1_Chapter/460107_1_De_1_Fig3_HTML.png

    Abb. 1.3

    Algomas kleinerer 25.000‐tdw‐Neubautyp aus Rijeka benötigt bei gleicher Schiffsbreite eine Hauptmaschine identischer Leistung, um ebenso schnell wie die größere Neubau‐Klasse aus Kroatien zu sein. (Uljanik)

    Nachdem die Algoma‐Reederei die 37.367‐tdw‐Selbstentlader ALGOMA NIAGARA , ALGOMA SAULT und ALGOMA CONVEYOR noch bei der während der Bauzeit in Konkurs gegangenen Yangzijiang Shipyard in China zur Lieferung 2017/18 bestellt hatte, orderte sie anschließend fünf Neubauten bei der kroatischen Uljanik‐Gruppe mit Hauptsitz in Pula. Bei ihnen handelt es sich um selbstentladende Bulkcarrier zweier Größenklassen. Als erstes von drei Schiffen des kleineren Vier‐Luken‐Typs gelangte im Dezember 2017 die 198,4 m lange und 23,8 m breite ALGOMA INNOVATOR von der Werft 3. Maj in Rijeka zur Ablieferung, wurde aber aufgrund der Wetterbedingungen auf dem winterlichen Nordatlantik erst im Februar auf die Überführungsreise geschickt. Der Neubau kommt auf eine Tragfähigkeit von 25.054 t. Der größere Fünf‐Luken‐Typ weist bei 225,6 m Länge und 23,8 m Breite eine Tragfähigkeit von 35.900 t auf. An den Frachtern wird die alte Schiffbauregel „Länge läuft" bestätigt, denn obwohl sie mit einer identischen Wärtsilä‐Hauptmaschine RT‐flex 50‐D von 8725 kW ausgerüstet werden, gilt für beide eine Geschwindigkeitsprognose von 14 kn. Bei gleicher Breite wird für das längere Schiff also keine höhere Antriebsleistung als notwendig erachtet. Im Oktober 2018 bestellte sie auch die verbliebenen vier Neubauten aus Kroatien mit dem Hinweis auf Finanzierungsproblemen durch die Werft ab. Abweichend von den Neubauten aus China sind der Förderturm und der Entladearm der kroatischen Bauten vorn angeordnet. Algoma orderte die Frachter in Kroatien, nachdem die Reederei einen Auftrag bei den Nantong Mingde Heavy Industries in China storniert hatte (Abb. 1.4).

    ../images/460107_1_De_1_Chapter/460107_1_De_1_Fig4_HTML.png

    Abb. 1.4

    Die Werft 3. Maj in Rijeka baute der kanadischen Algoma‐Reederei diesen 35.900‐tdw‐Selbstentlader. (Uljanik)

    1.1.3 Geschlossener Getreidehafen Churchill

    Die Getreideumschlagsaktivitäten in Thunder Bay, dem nordwestlichsten der Große‐Seen‐Häfen, wurden ab August 2016 durch die Schließung des 1200 km nördlich davon an der Hudson Bay gelegenen Hafens Churchill gestärkt. Nach einer mit Einheimischen kontrovers geführten Diskussion über die geplante Verladung auch von Erdöl in der sensiblen Region hatte das Transportunternehmen Omnitrax Canada seine Pläne zum Hafenausbau aufgegeben und Verhandlungen über den Verkauf des Hafens und der angeschlossenen Bahnlinie an eine First Nations‐Gruppe im nördlichen Manitoba aufgenommen, ohne dass eine Veräußerung zustande gekommen wäre. Neben dem Export von Weizen, der bereits von jährlich etwa 500.000 t auf weniger als 200.000 t in 2015 zurückgegangen war, diente Churchill als Verladeplatz für Holz, Fahrzeuge, General Cargo, Breakbulk und Treibstoffe sowie den Import von Düngemittel aus Russland. Getreideverschiffungen von dem zunächst staatlichen arktischen Hafen hatten seit 1929 stattgefunden. Dabei war die Navigationsperiode auf 14 Wochen des Jahres vom 15. Juli bis 31. Oktober beschränkt, die Länge der Schiffe auf 225 m.

    Einer der letzten in Churchill mit 27.500 t Weizen der Sorte No. 2 Canadian Western Red Spring beladenen Frachter war der deutsche Bulkcarrier PUFFIN . Er transportierte seine für Kolumbien bestimmte Ladung über die Mündung des Flusses Churchill am westlichen Ufer der Hudson Bay über 500 sm zur Hudson Strait und weitere 400 sm bis zum Erreichen des Atlantiks. Der größte erlaubte Tiefgang an der tiefsten der drei Getreide‐Kajen in Churchill beträgt 11,5 m bei Niedrigwasser, die 166 m lange Tankerpier kann 9,9 m tiefgehende Schiffe bei Assistenz durch drei Schlepper annehmen. Vorteil des über die Eisenbahn angeschlossenen kanadischen Süßwasserhafens im Vergleich zur Thunder Bay an den Großen Seen ist der knapp dreitägige Zeitvorteil auf der Nordeuropa‐Route und die Umgehung der hohen Gebühren auf dem St. Lorenz‐Seeweg (Abb. 1.5).

    ../images/460107_1_De_1_Chapter/460107_1_De_1_Fig5_HTML.jpg

    Abb. 1.5

    Als einer der letzten Frachter an dem 2016 beendeten Weizenexport über den Hafen von Churchill im Westen der Hudson Bay beteiligt, wurde der deutsche Handysize‐Frachter PUFFIN 2017 zum Transshipment‐Schiff GREENDALE im Schwarzen Meer umgebaut. (Ralf Witthohn)

    Für Weizenverschiffungen von Umschlagsplätzen mit limitierten Fahrwasserverhältnissen sind Bulkcarrier wie die PUFFIN prädestiniert. Das 2003 von der Shanghai Shipyard an die Bremer Reederei Harren & Partner abgelieferte und langfristig von der kanadischen Reederei Canvornav gecharterte Schiff erreicht bei 199,9 m Länge und 23,7 m Breite auf 11,3 m Tiefgang eine Tragfähigkeit von 37.300 t. Der Inhalt der fünf Laderäume beläuft sich auf insgesamt 42.779 m³. Damit gehört es der sogenannten Handymax‐Größe an und ist ein typisches „Arbeitspferd" der Meere. Zwei Monate nach der Ablieferung im Mai 2003 erhielt die Reederei Harren & Partner das als PANAREA bzw. NECKARTAL geplante Schwesterschiff POCHARD der PUFFIN . Es wurde 2014 nach Ankauf durch die Istanbuler Reederei Armador in POCHARD S. umbenannt wurde. Im Juni 2004 folgte mit der PADANG ein drittes von Harren & Partner bei der Shanghai Shipyard bestelltes Schiff, das als BLUEBILL für die griechische Reederei Navarone in Fahrt kam.

    2017 wurde die PUFFIN von der Transship Co. in Odessa übernommen, einer im Ladungstransfer (Transshipment) tätigen Reederei, die das Schiff nach Umbenennung in GREENDALE und Ausrüstung mit zwei die Ausladung vergrößernden Liebherr‐Gelenkkränen für diese Aufgabe im Schwarzen Meer beschäftigte. Die Klassifikation wechselte gleichzeitig von der norwegisch‐deutschen Gesellschaft DNV GL an das Russian Register of Shipping, die Flagge nach Bélize. Im Januar 2018 lag das Mitte Oktober aus Juschne ausgelaufene Schiff vor der Straße von Kertsch.

    1.1.4 Standardentwürfe aus Shanghai

    Der Entwurf der beschriebenen PUFFIN trägt die Bezeichnung Odely 35200, benannt nach einem in Shanghai ansässigen Ingenieurbüro, das neben anderen Schiffstypen eine Serie von Bulkfrachter‐Designs entwickelte. Vier davon mit 20.000, 25.500, 30.000 und 35.200 tdw wurden für die Große‐Seen‐Fahrt ausgelegt, vier weitere haben Tragfähigkeiten von 35.500, 56.600, 67.000 und 80.000 t. Einer der jüngsten Odely‐Entwürfe zeichnet einen der ersten Ultramax‐Typen, der bei 199,9 m Länge die alte Panmax‐Breite von 32,3 m mit 36 m deutlich übertrifft. Das Schiff hat einen konventionellen Bulkfrachter‐Hauptspant mit Hopper‑ und Toptanks. Es kommt auf eine Tragfähigkeit von 67.000 t und einen Inhalt der fünf Laderäume von 83.000 m³ Grain (Getreide). Die Luken sind einheitlich 20,6 m breit und 23 m lang, der Raum 1 misst 21,3 m. Sie werden von Klappdeckeln verschlossen und von vier 36 t hebenden, 28 m ausladenden Ladekränen bedient. Die Ballastwasserkapazität wird einschließlich des Laderaums 3 mit 34.500 m³ angegeben. Als Hauptmotor ist ein MAN B&W‐Zweitakter des Typs 6S60ME‐BC8.2 mit einer Leistung von 9660 kW für 14 kn vorgesehen (Abb. 1.6).

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    Abb. 1.6

    Ein Shanghaier Entwurfsbüro bietet diesen postpanmaxbreiten Supramax‐Carrier unter der Bezeichnung Odely 67 für die Bulkfahrt an. (Odely)

    1.1.5 Getreidetransport in Handysize‑, Supramax‑ und Panmax‐Carriern

    Die Mehrzahl der in der Getreidefahrt tätigen, aber auch andere Arten von Massengut transportierenden Bulkcarrier variieren in der Größe von Handysize‐Schiffen ab 28.000 tdw bis zu Panmax‑ bzw. Kamsarmax‐Frachtern von 80.000 tdw. Eingesetzt werden aber auch Postpanmax‑ und Capesize‐Einheiten mit Tragfähigkeiten bis 180.000 t. Ende 2017 gab es in der Weltflotte 10.500 Bulkcarrier. Dabei handelte es sich um jeweils 2100 Einheiten der Capesize‑ und Panmax‐Größenklassen (180.000 bzw. 80.000 tdw), 4000 Schiffen der Supramax‑ (bis 67.000 tdw) und 2300 Frachtern der Handysize‐Klasse (bis 40.000 tdw). Je länger die Reisedistanz desto wirtschaftlicher werden große Schiffe, etwa auf Reisen von Australien oder von den amerikanischen Küsten nach Asien. Dabei schlagen die Verschiffungskosten bei Massengut, das in relativ einfach konstruierten, mit mäßiger Geschwindigkeit fahrenden Bulkfrachtern transportiert wird, mit etwa 10 % zu Buche. Aufgrund der oft standardisierten Bauweise wurde der Typ des Massengutfrachters zu einem Hauptbetätigungsfeld asiatischer Werften vor allem in Japan, China und Südkorea. Außer jenen sind in geringerer Zahl auch Schiffbaubetriebe in Indonesien, Vietnam und Singapur Lieferanten. Die Werften entwickelten unterschiedliche Entwürfe mit einem allerdings länderübergreifend einheitlichen Grundkonzept, das eine achtern angeordnete Hauptmaschine sowie übereinstimmende Lukenanordnungen mit in der Regel fünf Laderäumen und vier Kränen für den Handy‑ bis Supra‑/Ultramax‐Bereich, sieben Räume für – meist ohne Kräne gebaute – Panmax‐Carrier und neun Luken für die Capesize‐Klasse vorsieht.

    Dank der auf den Querschotten aufgestellten Drehkräne sind die Frachter der unteren Größenklassen unabhängig von Umschlagsanlagen, die an kleineren Hafenplätzen oft fehlen. Als Antrieb für die 14 kn bis 16 kn schnellen Schiffe dienen fast ausnahmslos langsam laufende, Schweröl verbrennende Kreuzkopfmotoren der Typen MAN B&W oder Wärtsilä mit Leistungen zwischen 6000 und 8000 kW, die bei 100 bis 130 U/min ohne Getriebe direkt auf die Antriebswelle mit einem Festpropeller wirken. Derartige Geschwindigkeiten werden im Massenguttransport als ausreichend angesehen und nur selten überschritten. Die Fertigung der Hauptmotoren erfolgt regelmäßig in Lizenz europäischer Hersteller auf asiatischen Werften oder in Maschinenbaubetrieben, die oft Teil von großen Industriekonglomeraten wie Mitsubishi, Mitsui, Kawasaki, Hyundai oder Daewoo sind (Abb. 1.7).

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    Abb. 1.7

    Der chinesische Handysize‐Einheitstyp Seahorse 35 wird durch den 2012 von der Werft Qidong Daoda an die niederländische Hanzevast Shipping abgelieferten 35.000‐tdw‐Bulker HANZE GENDT repräsentiert. (Ralf Witthohn)

    1.1.6 Weizen vom Parana

    16 h ist der deutsche Massengutfrachter RENATE im Januar 2017 auf dem stark mäandernden Parana unterwegs, bevor er die Mündung in den La Plata nördlich von Buenos Aires erreicht. In Puerto General San Martin, dem letzten Tiefwasserhafen des Flusses, ist der Bulkcarrier mit Weizen beladen worden, bis zum größtmöglichen Frischwassertiefgang von 10,2 m. Das entspricht auch der maximalen Fahrwassertiefe, auf die der Parana bis zur 11.000 Einwohner zählenden Stadt ausgebaggert worden ist.

    Der 34.850‐tdw‐Frachter ist ein Bau der Zchi Shipbuilding in Zhoushan, die von 2010 bis 2014 eine für asiatische Schiffbaubetriebe kleine Zahl von lediglich acht Neubauten auf Kiel legte. Ein Jahr vor der RENATE 2013 lieferte die Werft der deutschen MST Mineralien Schiffahrt im bayerischen Schnaittenbach das Schwesterschiff NINA‐MARIE . Vom dem 180 m langen, 30 m breiten, 14,7 m seitenhohen und 10,1 m tiefgehenden Handymax‐Typ mit der Bezeichnung Seahorse 35 erhielt auch die Lübecker Reederei F. H. Bertling vier Neubauten, die AQUITANIA , PATAGONIA , ALENTEJO und DALARNA . Sie hatte von der gleichen Werft 2010/11 bereits die 50.000‐tdw‐Schiffe NAVARRA und DALMATIA übernommen (Abb. 1.8).

    ../images/460107_1_De_1_Chapter/460107_1_De_1_Fig8_HTML.jpg

    Abb. 1.8

    Zwei etablierte deutsche Reedereien ließen in Zhoushan sechs Neubauten des Typs RENATE auf Kiel legen. (Ralf Witthohn)

    1.1.7 Open‐Hatch‐Bulker

    Der Hauptspant von Handy‑ und Supramax‐Schiffen zeigt üblicherweise einen Doppelboden mit seitlichen, im Querschnitt dreiecksförmigen Hopper‑ und Toptanks (Flügeltanks oder engl. wing tanks) in den unteren bzw. oberen Laderaumecken. Diese Tankanordnung soll das Übergehen der Schüttgutladungen vermeiden und die Entladung erleichtern. Gleichzeitig dienen die Tanks zusammen mit den Doppelbodentanks der Ballastnahme bei Leerfahrten. Nur selten steht für die in der Trampfahrt beschäftigten Bulkcarrier im Löschhafen neue Ladung bereit, so dass Leerfahrten zum nächsten Ladehafen die Regel sind. Da die Anordnung der Toptanks die besonders bei Breakbulk‐Schiffen geforderte möglichst weite seitliche Öffnung der Luken einschränkt, sind zunehmend sogenannte Open Hatch‐Bulkcarrier (OHB) in Fahrt gekommen. Sie verfügen im Gegensatz zu den meisten Bulkcarriern über eine aus Außenhaut und unterhalb des Lukenlängssülls senkrechter Innenwand gebildete Doppelhülle, die zur Aufnahme von Ballastwasser geeignet ist.

    Eine Reihe von Werften ging im Entwurf von Bulkcarriern der Handysize‑ und Supramax‐Klassen vom klassischen Einhüllen‐Bulkcarrier zu diesen Open‐Hatch‐Carriern über, also einer Containerschiffen ähnlichen Hauptspant‐Konfiguration. Derartige Bulkcarrier‐Versionen sind besonders auch für die Breakbulk‐Fahrt und in Liniendiensten einsetzbar. Einen dieser moderneren Bulkcarrier‐Typen mit einer Tragfähigkeit von 39.000 t entwarf das in Shanghai ansässige Designbüro Bestway unter der Bezeichnung Emerald 39. Das Einheitsschiff ist für den Transport u. a. von Getreide, Kohle, Schwefel, Zement, Ammonium, Düngemittel und Stahlrollen in den Laderäumen sowie Holzstämmen auch auf den Luken vorgesehen. Bei einer Schiffsbreite von 30 m und Lukenöffnungen von 25,3 m ergeben sich Seitentanks von jeweils 2,3 m Breite. Die 179 m langen und 14,8 m seitenhohen Frachter erreichen auf einem Tiefgang von 10,6 m (Entwurfstiefgang 9,5 m) eine Tragfähigkeit von 38.900 t. Der Inhalt der fünf von vier Drehkränen bedienten Laderäume beläuft sich auf 48.150 m³. Als Hauptantrieb wurde ein 4810 kW leistender MAN B&W‐Dieselmotor des Typs 5S50ME‐B9.3 Tier II vorgesehen, der bei 14 kn Geschwindigkeit mit einem Tagesverbrauch von 18,8 t eine Reichweite von 18.000 sm verleiht. Fast alle Handy‑ und Supramax‐Typen werden von den Werften in einer Variation als Log Carrier angeboten. Jene sind mit hohen Holzstützen am Schanzkleid ausgerüstet, mit denen als Decksladung gefahrene Baumstämme oder Schnitthölzer unter Zuhilfenahme von Spannseilen und Ketten gesichert werden (Abb. 1.9).

    ../images/460107_1_De_1_Chapter/460107_1_De_1_Fig9_HTML.png

    Abb. 1.9

    Bestway bezeichnet seinen Entwurf Emerald 39 als Open Hatch Bulk Carrier. (Zhejiang Zengzhou Shipbuilding)

    Den Bestway‐Entwurf Emerald 39 realisierte die 2005 gegründete Werft Jiangmen Nanyang Ship Engineering in Jiangmen, die als ihren ersten Bau des Typs 2012 die JIANGMEN TRADER ablieferte, bis 2017 gefolgt von der JAMES BAY , JAMAICA BAY , JERICHO BEACH , JERVIS BAY , JULES POINT , CASCADE , JURA , WESTERN MIAMI , WESTERN LONDON , WESTERN PANAMA , WESTERN LIMA , WESTERN DURBAN , XING ZUN HAI , XING RONG HAI , HAMBURG WAY , XING RU HAI , XING YI HAI , BERGE BANDAI , HAMBURG PEARL , CIELO DE MIZUSHIMA , BRIGHTEN TRADER , ACTION TRADER und ASTON TRADER . Dabei vergrößerte sich die Tragfähigkeit im Laufe der Serie ohne Veränderung der Hauptabmessungen von 35.000 auf 39.400 t (Abb. 1.10).

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    Abb. 1.10

    Die Jiangmen Nanjang‐Werft realisierte zwischen 2012 und 2017 zwei Dutzend Bauten des Bestway‐Bulkertyps Emerald 39 mit Tragfähigkeiten zwischen 35.000 und 39.300 t, darunter die CIELO DI MIZUSHIMA für die italienische Reederei d’Amico. (Ralf Witthohn)

    1.1.8 Linienfahrt von Brasilien nach China

    Unter den Jiangmen Nanjang‐Bauten des Typs Emerald 39 war 2016 die CIELO DE MIZUSHIMA für die italienische Reederei d’Amico. Für Bulkcarrier unüblich beschäftigte sie den 39.388‐tdw‐Frachter im folgenden Jahr in einer von ihr als Liniendienst bezeichneten Fahrt von den brasilianischen Häfen Munguba und Outeiro nach Singapur, Taichung, Changshu und Qingdao, gemeinsam mit der in den Hauptabmessungen fast baugleichen CIELO DI TOCOPILLA . Deren Design wiederum basierte auf dem Entwurf Deltamarin 37 des finnischen Ingenieurbüros Deltamarin, von dem d’Amico der chinesischen Yanfang‐Werft insgesamt elf Aufträge erteilte und ab 2014 die GIULIA I , CIELO DI MONACO , CIELO DI TOCOPILLA , LENTIKIA , CIELO DI VIRGIN GORDA , CIELO DI VALPARAISO , CIELO DI CARTAGENA , CIELO DI ANGRA , CIELO DI TAMPA und CIELO DI JARI übernahm.

    Sie kommen u. a. in einem zweiten d’Amico‐Dienst aus dem Mittelmeer zur pazifischen Nordwest‑ und US‐Westküste zum Einsatz. Im April, August und Dezember liefen die CIELO DI TAMPA , CIELO DI TOKYO und CIELO DI MONACO von Tarragona, Savona, Livorno, Salerno und Manfredonia via Panamakanal nach Lynnterm und Fibreco. Die 39.200‐tdw‐Frachter verfügen über einen Laderauminhalt von 50.800 m³. Das im Vergleich zum Emerald 39‐Typ um 2650 m³ größere Volumen wurde durch eine Verlängerung des Laderaums 1 unter die Back und des Laderaums 5 nach achtern erzielt. D’Amico disponierte 2017 weitere Open Hatch‐Bulkcarrier der 37/39.000‐tdw‐Größenklasse, sieben Bauten der japanischen Werften Saiki, Kanda und Minami Nippon sowie vier der koreanischen Hyundai Mipo‐Werft (Abb. 1.11).

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    Abb. 1.11

    Der Laderauminhalt des Deltamarin 37‐Bulkertyps wurde im Vergleich zum Emerald‐Typ aus Jiangmen vergrößert, indem der Raum 5 weiter nach achtern reicht. (d’Amico)

    1.1.9 Finnischer Entwurf für China‐Werften

    Nach dem Deltamarin‐Entwurf baute Yangfan außerdem acht der 37.000‐tdw‐Schiffe des Open Hatch‐Typs für die polnische Reederei Polsteam, neun für Oldendorff Carriers in Lübeck. Für die konventionelle Bulkcarrier‐Version schloss Deltamarin mit der China Shipbuilding & Offshore International einen Vertrag zum Bau von vier Einheiten auf der Tianjin Xingang Shipbuilding Heavy Industry für die chinesische COSCO‐Reederei. Zwei baute Yangfan für die Reederei Transbulk in Tunis. Von der Box‐Shape‐Version des 37.000‐tdw‐Typs bestellte die China Navigation Co. in Singapur 24 Neubauten, von denen ab 2013, beginnend mit der WUCHANG , 16 von der Chengxi‑ und acht von der Zhejiang Ouhua‐Werft geliefert wurden (Abb. 1.12).

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    Abb. 1.12

    Aus der Vogelperspektive wird die Open Hatch‐Konfiguration der CIELO DI TOCOPILLA deutlich. (Ralf Witthohn)

    1.1.10 Ukrainisches Getreide für die Welt

    Die ukrainische Reederei Transship beschäftigt neben der GREENDALE und Schwimmkränen auch das speziell für den Umschlag von Getreide entworfene Kranschiff ATLAS DOUBLE . In der Straße von Kertsch zwischen dem Asowschen und dem Schwarzen Meer wurden vier Transshipment‐Zonen eingerichtet, um – neben anderen Massengütern – aus Berdjansk, Mariupol und von der Don‐Mündung in Leichtern und kleineren Schiffen eingetroffenes Getreide in größere Übersee‐Frachter bis zur Capesize‐Klasse umzuladen. Das etwa 30 sm südlich von Kertsch im Schwarzen Meer operierende Kranschiff übernimmt dabei den Transfer von Getreide aus den ukrainischen Häfen des Asowschen Meeres. Während des Umladevorganges wird es mit Hilfe von elf automatisch arbeitenden 20‐t‐Mooring‐Winden von Rolls‐Royce zwischen dem Leichter und dem zu beladenden Frachtschiff vertäut. Die Greifer der beiden 30/35 t bei einer Ausladung von 46 m hebenden Gelenkkräne des österreichischen Herstellers Liebherr schaffen bis zu 90 Hievs pro Stunde und erzielen auf diese Weise eine maximale Umschlagsleistung von 48.000 t am Tag. Dabei können die Greifer bis zu 29,5 m über und 20,6 m unter der Wasserlinie arbeiten. Aufgrund der 78,4 m langen, 23 m breiten und 5,1 m seitenhohen Ponton‐Konstruktion sowie einer Krängungsausgleichanlage der deutschen Firma Hoppe kann das Kranschiff seine Umschlagsaufgaben bei Windgeschwindigkeiten bis 20 m/s (7 kn) ohne Schlepperhilfe erledigen. Während der Umschlagsarbeit wird der Tiefgang zur Vergrößerung der Stabilität durch maximal 2495 m³ Ballast von 2,45 auf 3,5 m erhöht. Dadurch wächst die beim Transit 3379 t betragende Verdrängung des Schiffes auf 5160 t (Abb. 1.13).

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    Abb. 1.13

    Das Kranschiff ATLAS DOUBLE transferiert vor Kertsch Getreideladungen in Übersee‐Bulkcarrier. (Craneship)

    Die dieselelektrische Antriebsanlage aus drei Caterpillar‐Dieseln C32 von je 940 kW liefert neben der Energie für die beiden Kräne die Leistung für zwei unter Vor‑ und Achterschiff montierte Rolls‐Royce‐Azimut‐Propeller mit je 450 kW für eine Geschwindigkeit von 6,5 kn. Auf dem Kranschiff befinden sich Unterkünfte für 25 mit dem Betrieb des Schiffes und seiner Kräne beschäftigte Personen. Erbauer der vom Russian Maritime Register of Shipping klassifizierten, unter der Flagge von Bélize fahrenden ATLAS DOUBLE ist die Craneship Shipyard in Kertsch, die es im August 2014 fertigstellte. Die Flotte der Reederei Transship umfasste 2017 neben dem für Transshipment‐Aufgaben umgebauten Bulkcarrier GREENDALE und dem Kranschiff ATLAS DOUBLE sechs jeweils mit einem Drehkran ausgerüstete Schwimmkräne und neun Schlepper. Neben den Fahrzeugen für die Transshipment‐Aktivitäten beschäftigte Transship Bulk zu diesem Zeitpunkt die 2012 von der Werft 21st Century in Tongyeong/Korea gebauten 33.800‐tdw‐Frachter ZINA und FLORIANA sowie den 2016 von der Tsuneishi‐Werft in Zhoushan/China abgelieferten 35.000‐tdw‐Bulkcarrier TIZIANA in der weltweiten Fahrt (Abb. 1.14).

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    Abb. 1.14

    Die vor allem im Transshipment‐Geschäft tätige ukrainische Reederei Transship betreibt drei Bulkcarrier in der weltweiten Fahrt, darunter die ZINA. (Ralf Witthohn)

    Die Fahrwasser des Asowschen Meers bieten nur kleineren Frachtern ausreichende Wassertiefen, der Hafen von Berdjansk maximal 7,9 m. Der Hafen am Nordufer des Meeres stellte 2016 10 Mio. US‐Dollar für den Bau eines neuen, 32.000 t fassenden Getreideterminals mit einer Jahresumschlagskapazität von 1 Mio. t bereit. Der Terminal soll eine Waggonkippanlage erhalten, die stündlich 200 t bewältigt. Die Investitionen sind Ausdruck einer starken Rolle der Agrarwirtschaft mit einem 36 %‐Anteil am 9 Mrd. US‐Dollar erreichenden Exportvolumen der Ukraine. Deren Getreideproduktion wurde auf 60 Mio. t in 2017 gesteigert, davon etwa zwei Drittel für den Export, der bis 2030 61 Mio. t erreichen soll. Um diese Zunahme zu bewältigen, werden der Ausbau von Häfen wie in Juschne vorangetrieben und die Wassertiefen vergrößert, etwa in der Dnjepr‐Mündung. Etwa zwei Drittel der ukrainischen Getreide‑ und Ölsaaten‐Exporte werden in der Region Odessa geerntet, 30 % in den Oblasten Mykolajiw und Cherson sowie 5 % im Asow‐Gebiet. Dabei erfuhr der von Leichtern auf Lkw verlagerte Abtransport über die Flüsse einen starken Rückgang von 66 Mio. t 1990 auf noch 5 Mio. t 2014.

    Der Verlust von Terminals auf der von Russland annektierten Krim verkleinerte die ukrainischen Umschlagskapazitäten. Seit der Errichtung einer Brücke über die Meerenge von Kertsch auf die Krim ist zudem der Seeweg ins Asowsche Meer wegen einer zu geringen Höhe des Bauwerkes erschwert. Im August 2017 musste der Signalmast des für Mariupol bestimmten 18.000‐tdw‐Bulkcarriers COPAN gekürzt werden, um seine Durchfahrt zu ermöglichen. Mariupol kann von Frachtern mit einem maximalen Tiefgang von 12 m angelaufen werden.

    1.1.11 Deutscher Weizen für Südafrika

    An der riesigen Silo‐Anlage von P. Kruse im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg lädt der unter Panama‐Flagge fahrende Bulkfrachter APEX BULKER 10.000 t Weizen aus deutschem Anbau für Südafrika. Anschließend verholt der 177 m lange und 28 m breite 33.000‐Tonner durch die Reethe‐Brücke in den Reiherstieg zur Kaje der Futtermittelfirma Habema, um dort seine Ladung zu vervollständigen.

    An der 1940 gebauten Siloanlage von P. Kruse können Schiffe bis 13 m Tiefgang festmachen. Zwei pneumatische Anlagen und die Greiferbrücke erzielen eine Stundenleistung von 550 t. Täglich können somit 18.000 t Getreide oder 12.000 t Futtermittel an der Reethe gelöscht werden, die Ladeleistung beträgt 20.000 t pro Tag. Mit der Firma Kali‐Transport am westlichen Teil des Kais ist das Unternehmen fördertechnisch verbunden, so dass die maximale tägliche Ladekapazität 100.000 t erreicht. Wenn mehr als 70.000 t tragende Bulker Kurs auf den Hamburger Reethe‐Kai nehmen, ergänzen sie ihre Exportladung gelegentlich auch in Rotterdam. Der Hamburger Massengut‐Terminal kann gleichzeitig Getreide, Ölsaaten und Futtermittel be‑ und entladen. Die 200 Zellen seiner Siloanlage nehmen 100 bis 7000 t auf, insgesamt 80.000 t. Der Beförderung dienen 1500 m Trogkettenförderer, 250 m Förderbänder, 25 Elevatoren, Gabelstapler, Radlader und Trimmraupen. Wenn das Umschlagsgut eine zu hohe Feuchtigkeit aufweist, kommt eine Trocknungsanlage zum Einsatz, die einen stündlichen Wasserentzug von 4 % aus 25 t erzielt. Eine Aspirationsanlage kann in der Stunde 120 t Getreide reinigen (Abb. 1.15).

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    Abb. 1.15

    An der Silo‐Anlage von P. Kruse in Hamburg können täglich 18.000 t Getreide gelöscht werden. (Ralf Witthohn)

    1.2 Früchte, Kaffee und Kakao

    Die erste Verschiffung von 50 Büscheln Bananen aus Bélize in die Vereinigten Staaten auf einem Segelschiff wird auf 1869 datiert, die von Zitrusfrüchten aus Sizilien und Spanien nach New Orleans fand ein Jahr später statt. Sie wurde von Einwanderern sizilianischer Abstammung und Angehörigen der Mafia organisiert, die 1878 auch erstmals auf einem Dampfschiff Bananen, Ananas, Kokosnüsse und Limetten aus Honduras importierten. Eine der größten, heute unter dem Namen Great White Fleet im Bananentransport tätigen Reedereien, Chiquita Brands, führt ihre Anfänge auf die Lieferung von 160 Büscheln Bananen auf dem Fischereischoner TELEGRAPH von Jamaika nach Jersey City im Jahre 1870 und die Gründung der Boston Fruit Company 1885, der späteren United Fruit, zurück. Ab 1900 reduzierte die Einführung von Kühlschiffen die Transportverluste durch frühzeitige Reifung der Bananen beträchtlich (Abb. 1.16).

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    Abb. 1.16

    Chiquita gab 2014 vier Schiffe des Typs CHIQUITA SCHWEIZ an den Vermieter zurück. (Ralf Witthohn)

    2017 verschiffte die Great White Fleet auf fünf Liniendiensten von Mittel‑ nach Nordamerika und Europa Bananen. Für den Dienst von Santa Marta, Puerto Limon und Almirante nach Sheerness und Vlissingen waren die konventionellen Kühlschiffe CHIQUITA BELGIE , STAR FIRST , STAR SERVICE 1 , STAR QUALITY und STAR TRUST im Charter‐Einsatz. Im Januar 2016 wurde das seit den 1920er Jahren von Kühlschiffen angelaufene Bremerhaven vom Fahrplan des Mittelamerika‐Europa‐Dienstes gestrichen. Von Puerto Barrios und Puerto Cortes nach Wilmington beschäftigte Chiquita die Containerschiffe CHIQUITA EXPRESS und CHIQUITA TRADER , die für 566 von 1182 Vierzig‐Fuß‐Containern (FEU) über Kühlanschlüsse verfügen (Abb. 1.17).

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    Abb. 1.17

    Ab 2014 charterte Chiquita anstelle von vier Schiffen der CHIQUITA SCHWEIZ ‐Klasse Reefer vom Typ der STAR TRUST . (Ralf Witthohn)

    Die zwischen dem US‐Westküstenhafen Port Hueneme und Puerto Quetzal sowie Puerto Chiapas verkehrenden Containerschiffe CHIQUITA VENTURE und CHIQUITA PROGRESS sind mit 400 Kühlanschlüssen ausgerüstet. Außerdem chartert Chiquita herkömmliche Reefer für einen wöchentlichen Dienst nach Mittelmeerhäfen, wie Vado Ligure, Salerno, Tripoli, Yarimca und Gebze und chartert Stellplätze auf Containerschiffen der Mediterranean Shipping Co., die Christobal, Puerto Moin, Puerto Cortés, Puerto Barrios, Port Everglades, Gulfport, New Orleans und Freeport anlaufen (Abb. 1.18).

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    Abb. 1.18

    Das deutsche Containerschiff CONTI SALOMÉ bringt unter dem Namen CHIQUITA VENTURE Bananen von Guatemala nach Kalifornien. (Ralf Witthohn)

    1.2.1 Bananen für St. Petersburg

    Am Sonntagmittag verlässt das Kühlschiff HANSA BREMEN den Fruchtterminal von Guayaquil und läuft mit wenigen Knoten Fahrt auf dem vor der Isla Trinitaria gelegenen Nebenarm des Guayas seewärts. Drei Tage lang sind die vier Laderäume des deutschen Kühlschiffes in dem ecuadorianischen Hafen mit grasgrünen Bananen gefüllt worden, bis die Tiefgangsmarken eine Eintauchung von 8,5 m anzeigten, einen Meter unterhalb des maximalen Tiefgangs. Jetzt sind es noch drei Stunden, bis der Bananenfrachter mit 13 kn die Enge zwischen der Festlandspitze und der Isla Puna durchfährt. An Bord brummen die Ventilatoren. Die auf 12 °C heruntergekühlte empfindliche Fruchtladung ist auf vier Decks gelagert und wird automatisch überwacht. Insgesamt können 6450 Paletten der in Kartons verpackten Früchte gestaut werden. Auf den Luken ist außerdem Platz für 75 Kühlcontainer der 40‐Fuß‐Länge, die von den vier Ladekränen des Schiffes umgeschlagen werden können.

    Zwei Tage nach dem Auslaufen aus Guayaquil erreicht die in Regie der niederländischen Reederei Seatrade fahrende HANSA BREMEN die Reede von Balboa und erhält nach zweitägiger Wartezeit die Einlaufgenehmigung in den Panama‐Kanal. Unter der Bridge of the Americas hindurch fährt das Schiff in die westliche der alten Miraflores‐Schleusen, in deren östlicher das Containerschiff MAERSK BUTON atlantikwärts strebt. 12 h später erreicht die HANSA BREMEN Concepcion am Westausgang des Panama und nimmt mit über 17 kn Fahrt Kurs nach den europäischen Bestimmungshäfen St. Petersburg, wo der Frachter 17 Tage später eintrifft, und das drei Tage darauf erreichte Helsingborg. Die Bananen sind immer noch grün und werden in der Reiferei temperaturüberwacht in einen verkaufsfähigen Zustand gebracht (Abb. 1.19).

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    Abb. 1.19

    Die als CHIQUITA BREMEN 1991 in Bremerhaven gebaute BREMEN REEFER transportierte 2017 Bananen nach Spanien und Italien. (Ralf Witthohn.)

    Den Bau der HANSA BREMEN und ihrer drei Schwesterschiffe beförderte das in reichem Maße auf dem Schiffsanlagemarkt zur Verfügung stehende Kapital von Privatanlegern, mit dessen Hilfe die Hamburger Hansa Treuhand die Finanzierung der vom Bremer Vulkan gebauten und von Leonhardt & Blumberg bereederten Kühlfrachter zwischen 1989 und 1991 sicherstellte. Nach der Ablieferung der Hamburg‐Süd‐Reefer POLAR HONDURAS und POLAR COSTA RICA durch die Lübecker Flender Werft war der Bau von Kühlschiffen in Deutschland ab 1980 unterbrochen worden. Zwei Nachbauten der HANSA BREMEN ‐Klasse, die CHIQUITA BREMEN und CHIQUITA ROSTOCK , entstanden in den beiden Folgejahren bei der zum Werftenverbund des Bremer Vulkan gehörenden Schichau Seebeckwerft in Bremerhaven zum Einsatz durch die Great White Fleet des US‐Konzerns Chiquita Brands International.

    Die 156,9 m langen, 23 m breiten und 21 kn schnellen Schiffe haben ein Ladevolumen von 16.725 m³ (590.654 Kubikfuß). Nach der Ablieferung fuhren die HANSA BREMEN , HANSA VISBY , HANSA LÜBECK und HANSA STOCKHOLM in Charter der Stockholmer Cool Carriers. 2013 wechselten die HANSA VISBY und HANSA STOCKHOLM als BALTIC SUMMER und BALTIC SPRING unter die Flagge der Ost‐West‐Handel und Schiffahrt in Bremen, die 2017 18 Kühlschiffe betrieb. Auch die BALTIC SUMMER, BALTIC SPRING und ROSTOCK REEFER ex CHIQUITA ROSTOCK waren im Juni 2017 mit der Bananenversorgung Russlands beschäftigt, die von Seatrade gemanagte HANSA LÜBECK fuhr auf Algerien. Die ehemalige, inzwischen von der griechischen Chartworld Shipping bereederte CHIQUITA BREMEN brachte unter dem Namen BREMEN REEFER eine Bananenladung von Mittelamerika nach Tarragona und Vado Ligure.

    Die Ära konventioneller Kühlschiffe wie der HANSA BREMEN läuft ab. Auf vielen Routen ist der herkömmliche Transport auf Paletten durch die Verschiffung in Kühlcontainern bereits abgelöst worden. Verlustbringende Charterraten in der Containerschifffahrtskrise führten außerdem dazu, dass die Reedereien Beschäftigungsalternativen für ihre Containerschiffe suchten, die Charterraten traditioneller Kühlschiffe unterboten und sie damit verdrängten (Abb. 1.20).

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    Abb. 1.20

    Entwürfe wie von diesem 15.570 m³ (550.000 cbf) fassenden Reefer der Flender Werft in Lübeck blieben aufgrund der Verlagerung von Kühltransporten auf Containerschiffe nach den 1990ern in Europa in den Schubladen der Werften. (Flender Werft)

    1.2.2 Apfelsinen aus Durban

    Anders als Bananen, die unreif geerntet werden, können einige Fruchtarten nur im reifen Zustand auf die Reise geschickt werden. Dazu zählen Apfelsinen, von denen Südafrika von Mai bis November jeden Jahres etwa 1,2 Mio. t ausführt. Der Export von anderem Obst und Gemüse erreichte 2015 ein Gewicht von 3,3 Mio. t. Er wird in erster Linie von Containerschiffen abgewickelt, die zwischen Südafrika und Europa ab 1976 im Rahmen des South Africa Europe Container Service (SAECS) eingesetzt werden. Durch zahlreiche Fusionen und Übernahmen in der Containerschifffahrt reduzierte sich die Anzahl der teilnehmenden Reedereien. 2017 waren noch die Maersk Line, deren einst südafrikanische Tochtergesellschaft Safmarine, die Deutschen Afrika‐Linien und die japanische Mitsui‐OSK Line an dem wöchentlichen Liniendienst beteiligt. Sie stellten insgesamt acht Schiffe mit Kapazitäten zwischen 6500 und 8850 TEU, deren Fahrplan den Anlauf von Rotterdam, London‐Gateway, Bremerhaven, Rotterdam, Algeciras, Kapstadt, Ngqura und Durban vorsieht (Abb. 1.21).

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    Abb. 1.21

    Kühlcontainerschiffe vom Typ der MAERSK LEON fahren in Liniendiensten mit hohen Kühlanteilen wie nach Südafrika und Südamerika. (Ralf Witthohn)

    Wegen des hohen Anteils von zu kühlender Fruchtladung verfügen die Frachter über bis zu 1700 elektrische Anschlüsse, womit eine Kapazität von 3400 TEU, entsprechend 38 %, der gesamten Ladung gekühlt transportiert werden kann. Dies gilt für die von der Maersk Line eingesetzten MAERSK LA PAZ , MAERSK LUZ , MAERSK LEON , MAERSK LEBU und MAERSK LANCO . Die MAERSK LEON verfügt zur Stromerzeugung hauptsächlich für die Kühlladung über vier Dieselgeneratoren und einen Turbinengenerator mit insgesamt 19.400 kW Leistung. Der japanische Frachter MOL PROFICIENCY kann 2570 TEU seiner 6350 TEU und damit sogar 40 % der Ladung kühlen. Dafür musste der Frachter allerdings 2014 mit zusätzlichen Generatoren ausgerüstet werden. Die Gesamtzahl der Generatoren beläuft sich seitdem auf neun mit einer Gesamtleistung von 19.140 kVA. Ein zeitweilig über mehrere Jahre jeweils zur Fruchtsaison eingerichteter zweiter SAECS‐Liniendienst mit kleineren Containerschiffen wurde zuletzt im August 2009 durchgeführt (Abb. 1.22).

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    Abb. 1.22

    Die Temperaturen in den Kühlcontainern müssen an Bord und auf den Terminals ständig überwacht werden. (Ralf Witthohn)

    1.2.3 Bio‐Kaffee aus Honduras

    Im April 2017 ist es vollbracht: Nach zweijähriger Bauzeit in Elsfleth und einer achtmonatigen Reise über den Atlantik macht der Frachtsegler AVONTUUR an der Bremer Schlachte fest, mit 200 Säcken Bio‐Kaffee à 70 kg aus Honduras und einigen Fässern Rum und Gin im Laderaum. In einem außergewöhnlichen Projekt hat Kapitän Cornelius Bockermann mit 160 Freiwilligen den 1920 in den Niederlanden gebauten und bis in die 1980er als Küstenmotorschiff, zuletzt für Tagesauflüge genutzten ehemaligen Zweimastgaffelschoner wieder in ein Segelschiff mit einer Segelfläche von maximal 612 m² und einem Hilfsmotor von 224 kW Leistung verwandelt. Drei Monate nach Rückkehr von der ersten Reise steht die zweite Atlantikfahrt der maximal 114 t tragenden AVONTUUR auf dem Programm. Im Juli 2017 geht es mit einer achtköpfigen Stammbesatzung und zehn Trainees von Brake via La Rochelle nach Montreal, im November über Horta auf den Azoren zurück nach La Rochelle. Weitere Reisen sollten über La Palma und Teneriffa nach Guadeloupe, Marie Galante, Santa Marta, Nicaragua, Puerto Cortes, Chetumal, Halifax und im April 2018 zurück nach Deutschland führen. Daran sollte sich bis August 2018 eine zweite Kanada‐Reise anschließen. Unter dem Slogan „Timbercoast" bringt die AVONTUUR biologische Produkte auf klimafreundliche Weise zum Konsumenten und als beispielgebende Alternative zur herkömmlichen Seeschifffahrt ökologisch denkende Erzeuger, Händler und Verbraucher zusammen (Abb. 1.23).

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    Abb. 1.23

    Nach einer aufwändigen Restaurierung und Rückbau zum Segelschiff nahm der Zweimaster AVONTUUR im Juli 2016 erstmals Kurs auf Mittelamerika. (Ralf Witthohn)

    1.2.4 Kakao aus Ghana

    Eine lange Reihe von Lastwagen, hochbeladen mit Säcken, wartet auf dem Kai von Tema auf die Entladung. Oben auf den Säcken stehen jeweils zwei oder drei einheimische Arbeiter und wuchten die Säcke auf Paletten, die von den Schiffskränen in die Laderäume gehoben werden, bis die Ladefläche des Lasters leer ist und das nächste Fahrzeuge heranrollen kann. Nicht weit von dem ghanaischen Hafen erstrecken bis weit über die Grenze zur Elfenbeinküste die Kakao‐Anbaugebiete, auf denen eine Million Bauern einen bedeutenden Beitrag zur Wirtschaftskraft des Landes liefern.

    Mit einer Ernte von 900.000 t war Ghana 2017 nach der Elfenbeinküste der wichtigste Lieferant von Kakao. Vor allem in Westafrika sowie Süd‑ und Mittelamerika werden jährlich insgesamt etwa 4 Mio. t angebaut. Wichtige Empfangsländer sind die Niederlande, die Vereinigten Staaten und Deutschland, wo der jährliche Pro‐Kopf‐Verbrauch bei 4 kg liegt. Aber auch in der Elfenbeinküste selbst wird ein Großteil der Bohnen verarbeitet. Die ghanaische Kakao‐Wirtschaft wird vom staatlichen Cocoa Marketing Board organisiert. Gemeinsam mit international agierenden Firmen wie dem US‐Konzern Cargill, der Noble Group in Hongkong oder der dänischen Maersk Line, deren Schwestergesellschaft APM Terminals in Kooperation mit Bolloré Africa Logistics und der ghanaischen Hafengesellschaft beschloss der Board, ab 2016 in Tema einen Mehrzweck‐Terminal mit einem Investitionsvolumen von 1,5 Mrd. US‐Dollar zu errichten. Der Terminal soll über 17 Liegeplätze mit einer Kapazität von 3,5 Mio. TEU verfügen. Erfolgte der Kakao‐Transport traditionell in – inzwischen in Container geladene – Säcken, wird er inzwischen auch als loses Massengut verschifft und mit Hilfe von Kränen und Förderbändern aus Frachtschiffen in wettergeschützte Hallen gelöscht. Eine derartige Anlage gibt es in Amsterdam, das als der Welt größter Kakao‐Importhafen angesehen wird. Mit einem Marktanteil von 26 % sind die Niederlande das größte Einfuhrland vor Deutschland und Belgien. Der Wert des 2015 in die Niederlande überwiegend aus Westafrika eingeführten Kakaos belief sich auf fast 1,1 Mrd. EUR . Der wachsende Anteil aus Lateinamerika betrug 15 %.

    1.2.5 Antarktisches Gemüse für den Mars‐Flug

    Am 8. Oktober 2017 schwingt ein besonderer Spezialcontainer mit der Aufschrift EDEN ISS am Hamburger Süd‐West‐Terminal von C. Steinweg in die Luke des Mehrzweckfrachters GOLDEN KAROO . Der Linienfrachter der Hamburger Reederei MACS ist für Südafrika bestimmt und trifft nach Zuladungen in Antwerpen und Leixoes einen Monat später via Walvis Bay/Namibia in Kapstadt ein. Dort erfolgt die Umladung des Containers auf den südafrikanischen Forschungseisbrecher S. A. AGULHAS , der die Box kurz vor Weihnachten an der deutschen Antarktisstation Neumayr III des Bremerhavener Alfred‐Wegener‐Institutes (AWI) abliefert. Ende Dezember wird der Container zum Schauplatz eines außergewöhnlichen Experiments. In der lebensfeindlichen Umgebung des Ewigen Eises beginnt ein Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft‑ und Raumfahrt (DLR) das Experiment Pflanzenzucht in der Antarktis. Im Rahmen des Forschungsprojektes EDEN‐ISS baut er unter weitgehend autarken Bedingungen Gemüse an, um die Nahrungsmittelversorgung für bemannte Missionen zu Mond und Mars zu erproben. Dies geschieht nach einer Aeroponik genannten Technik, bei der Pflanzen ohne Erde steril kultiviert und computergesteuert mit einem Wasser‐Nährstoffgemisch besprüht werden (Abb. 1.24).

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    Abb. 1.24

    Der südafrikanische Forschungseisbrecher S. A. AGULHAS ist ein Bau von STX Finland in Rauma. (STX Finland)

    Die reguläre Versorgung der auf der Neumayr‐Station lebenden Besatzung mit 60 t Proviant, Gerätschaften und Treibstoff in Tankcontainern erfolgt seit 1982 durch den Forschungseisbrecher POLARSTERN in Containern, die mit dem Schiffskran auf die etwa 12 m hohe Schelfeiskante gehoben und von denen bis zu vier hintereinander von Pistenbullys auf Schlitten zur Station gezogen werden. Entsprechend der Doppelfunktion des Schiffes als Versorgungs‑ und Forschungsschiff muss seine geringe Containerkapazität von lediglich etwa 70 TEU dabei unter Berücksichtigung der eingeschränkten Zugänglichkeit auf Proviant und Forschungsgeräte verteilt werden. Die POLARSTERN ist zudem mit Hubschraubern ausgerüstet, deren Einsatz unter antarktischen Bedingungen allerdings zweimal zu schweren Unfällen führte. Frischproviant für die Antarktisstation nimmt das Schiff regelmäßig in Kapstadt. Die Lieferungen werden ergänzt durch Versorgungsflüge von Südafrika, die jedoch nur während des antarktischen Sommers möglich sind. Der für 100 Mio. EUR gebaute, 119 m lange, 25 m breite und mit 14.100 kW Antriebsleistung ausgestattete Versorger legte bei seinen Fahrten in die polaren Zonen mehr als 1,5 Mio. sm zurück (Abb. 1.25).

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    Abb. 1.25

    Das mit Hubschraubern ausgerüstete deutsche Polarforschungsschiff POLARSTERN und Flugzeuge versorgen die Besatzung der deutschen Antarktisstation Neumayr III mit Lebensmitteln. (Ralf Witthohn)

    Die POLARSTERN sollte 2020 durch eine neue POLARSTERN ersetzt werden. Für das Projekt sprach der Wissenschaftsrat in Berlin im November 2010 eine Empfehlung aus; im Dezember 2015 wurden Werften zur

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