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Nationalsozialismus in Kärnten: Opfer. Täter. Gegner.
Nationalsozialismus in Kärnten: Opfer. Täter. Gegner.
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Nationalsozialismus in Kärnten: Opfer. Täter. Gegner.

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Wie kommt es zum Aufstieg des Nationalsozialismus in Kärnten und was begeistert die Menschen daran? Wie erleben junge Menschen HJ und BDM? Welche Pläne haben die Nazis mit den Kärntner Sloweninnen und Slowenen? Wie ergeht es den Kärntner Jüdinnen und Juden im Holocaust? Welches Schicksal erleiden Roma und Sinti? Wer sind die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter? Was ist Euthanasie? Wer leistet in Kärnten Widerstand? Wie entwickelt sich die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit bis heute?
Ausgehend von solchen grundlegenden Fragen erzählt das Buch die Geschichte des Nationalsozialismus in Kärnten für ein breites Publikum, speziell auch für junge Leserinnen und Leser - wissenschaftlich fundiert und in gut lesbarer Sprache.
Mehr als 50 Kurzbiografien zeigen Menschen, die verfolgt wurden, die sich schuldig machten, die Widerstand leisteten oder zwischen Zustimmung, Wegschauen und Ablehnung schwankten. 376 Abbildungen und Fotografien vermitteln ein Bild der Zeit und geben umfassend Einblick in die NS-Herrschaft in Kärnten. Ein ausführliches Sach- und Personenlexikon bietet Hintergrundinformationen.
LanguageDeutsch
PublisherStudienVerlag
Release dateDec 1, 2021
ISBN9783706562041
Nationalsozialismus in Kärnten: Opfer. Täter. Gegner.

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    Nationalsozialismus in Kärnten - StudienVerlag

    Nationalsozialismus in Kärnten

    Kärnten 1918–1938

    Illustration

    Welche Auswirkungen hat der Erste Weltkrieg?

    Die österreichisch-ungarische Monarchie ist ein Vielvölkerstaat. Seit dem späten 19. Jahrhundert ist ihr Bestand von nationalistischen Tendenzen bedroht. In vielen Völkern der Monarchie wächst der Wunsch, von der Bevormundung Wiens loszukommen. Nachdem der Erste Weltkrieg verloren geht, beginnt sich die Monarchie im Herbst 1918 in ihre Einzelteile aufzulösen. Neue Staaten entstehen, darunter die Tschechoslowakei oder das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (Jugoslawien). Österreich selbst ist von der Vielvölkermonarchie zu einem Kleinstaat geschrumpft, an dessen Lebensfähigkeit anfangs niemand so recht glaubt. Vielerorts besteht in der jungen Republik das Verlangen nach einem Anschluss an Deutschland. Ausdruck dieses Wunsches ist nicht zuletzt der Name Deutsch-Österreich, den sich die junge Republik am 12. November 1918 gibt. Im Friedensvertrag von Saint Germain wird Österreich 1919 der Anschluss an Deutschland untersagt, die offizielle Bezeichnung des neuen Staates lautet nun Republik Österreich. Mit den Worten „Ce qui reste, c’est Autriche – Das was übrig bleibt, ist Österreich" fasst der französische Premierminister Georges Clemenceau auf der Pariser Friedenskonferenz 1919 das mehrheitlich deutschsprachige Überbleibsel der Donaumonarchie pointiert zusammen.1

    Illustration

    Bezugskarten für Zucker und Salz, Klagenfurt 1920 und 1922. Angesichts der galoppierenden Inflation kann die Lebensmittelversorgung nur durch staatliche Stützung gewährleistet werden. 1921 kostet ein Kilogramm Rindfleisch 860 Kronen, 1923 bereits 26.000 Kronen, das Kilogramm Schweinefett steigt von 2.000 auf 30.000 Kronen und ein Liter Milch von 100 auf 4.000 Kronen. (Abbildungen: Privatarchiv Franz Schiestel, Villach)

    Soziale und wirtschaftliche Not

    Mit Ungarn, Böhmen und Mähren verliert die junge Republik, was Industrie und Landwirtschaft betrifft, wichtige Wirtschaftsregionen des Habsburgerreiches. Ein Großteil der Bevölkerung leidet an Hunger und Kälte. Dem Ersten Weltkrieg folgt eine schwere ökonomische Krise mit hoher Arbeitslosigkeit und steigenden Inflationsraten. Insbesondere der Mittelstand hat seine Ersparnisse durch die Zeichnung von Kriegsanleihen zur Finanzierung des Krieges verloren. Dass Österreich nach dem Ersten Weltkrieg arm geworden ist, spüren die ÖsterreicherInnen am Geld. Die Preise verdoppeln sich zwischen 1914 und 1921 jedes Jahr. Im Herbst 1921 setzt die letzte Phase der Hyperinflation mit Preissteigerungen von über 50 Prozent pro Monat ein. Die Lebenshaltungskosten erreichen bis Sommer 1922 das Vierzehntausendfache der Vorkriegszeit. Geld wird in riesigen Wäschekörben transportiert. Erst mit der großen Völkerbundanleihe kann im Herbst 1922 die Inflationsspirale eingedämmt werden. Ende 1924 schafft die Regierung mit dem Schilling eine neue Währung. 10.000 Kronen werden in einen Schilling umgetauscht.

    Die Staatsgrenzen

    Im Friedensvertrag von Saint Germain vom 10. September 1919 legen die Siegermächte die Grenzen Österreichs fest. Österreich erhält zwar das Burgenland zugesprochen, das bis dahin zu Ungarn gehört. Doch es muss auf große Gebiete verzichten, die es als Teil seines Staatsgebietes beansprucht. Deutsch-Böhmen, Deutsch-Südmähren, das Sudetenland, das Mieß- und Kanaltal gehen verloren. Österreich hat damit keinen Zugang mehr zum Meer. Ein weiterer schmerzlicher Verlust ist die Abtrennung Südtirols mit seinen 540.000 EinwohnerInnen an Italien.

    Warum kommt es in Kärnten zu Grenzkämpfen und Volksabstimmung?

    Nach Ende des Ersten Weltkriegs 1918 ist die Südgrenze der neu entstandenen Republik Österreich umstritten. Die deutsch-slowenische Sprachgrenze verläuft mitten durch Kärnten und die Steiermark. Während die Untersteiermark an Jugoslawien fällt, wird um die staatliche Zugehörigkeit des mehrheitlich slowenischsprachigen Gebietes im südlichen Kärnten heftig gerungen. Nach der teilweisen Besetzung Südkärntens durch jugoslawische Milizen bilden sich heimische Freiwilligenverbände und ab Dezember 1918 kommt es immer wieder zu Kampfhandlungen zwischen diesen beiden Gruppierungen. Die bewaffneten Grenzkonflikte werden in Slowenien als Kampf um die Nordgrenze, in Kärnten als „Abwehrkampf " bezeichnet. Bereits am 30. Mai 1919 verfügt der Rat der vier Siegermächte des Ersten Weltkrieges in Paris die Abhaltung einer Volksabstimmung in Kärnten. Der endgültige Verbleib des umstrittenen Gebietes soll durch eine von den Siegermächten für den 10. Oktober 1920 festgesetzte Volksabstimmung geklärt werden. Das Plebiszit ist zunächst nur in der südlichen Zone A vorgesehen. Ergibt sich dort eine Mehrheit für Jugoslawien, so soll danach auch in der nördlichen Zone B mit Klagenfurt abgestimmt werden. Das Mießtal, die Gemeinde Seeland und das Gebiet um Unterdrauburg fallen ohne Abstimmung an Jugoslawien.

    Illustration

    Maschinengewehrstellung jugoslawischer Truppen im Stadtgebiet von Völkermarkt, 1918/19 (Foto: Volksabstimmungsmuseum Völkermarkt)

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    Kärntner „Abwehrkämpfer" mit Geschütz, Wandelitzen bei Haimburg, 1919 (Foto: Volksabstimmungsmuseum Völkermarkt)

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    Die Grenzlinie wird auf dem zugefrorenen Wörthersee mit Tannenbäumchen gekennzeichnet. (Foto: Gemeinde- und Heimatarchiv Velden)

    Illustration

    Pro-jugoslawischer Werbezettel, 1920. „Ich mag das alte, abgewirtschaftete Österreich nicht – Ich habe das junge, reiche Jugoslawien lieber" (Abbildung: Volksabstimmungsmuseum Völkermarkt)

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    Pro-österreichisches Propagandaplakat, 1920 (Abbildung: Volksabstimmungsmuseum Völkermarkt)

    Der Verlauf der Volksabstimmung

    Die Vorbereitungen zur Volksabstimmung werden von einer intensiv geführten Propagandaschlacht begleitet. Eine von allen deutschen Parteien getragene Landesagitationsleitung, die später in den Kärntner Heimatdienst umgewandelt wird, koordiniert auf österreichischer Seite den Agitationskampf. Die deutsche Propaganda appelliert vor allem auf das Heimatgefühl der Abstimmungsberechtigten. Neben Parolen wie „Die Heimat ruft oder „Bleibt Kärnten treu! werden die Menschen vor der drohenden Knechtschaft in einem SHS-Staat (Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, aus dem 1929 das Königreich Jugoslawien hervorgeht) gewarnt. Die jugoslawische Propaganda stellt Österreich als „Hungerleiderstaat" dar. Sie konzentriert sich auf die katholische, bäuerliche Bevölkerung und wendet sich an das nationale Identitätsgefühl der Slowenischsprachigen.

    Illustration

    Abstimmungskundgebung auf der Napoleonwiese in Villach, 3. Oktober 1920. Sämtliche deutschvölkischen Vereinigungen Kärntens rufen zur Volkskundgebung auf der Napoleonwiese auf, unter ihnen auch die nationalsozialistische Partei. Die Demonstration endet mit dem Lied „Deutschland, Deutschland über alles". (Foto: Privatarchiv Franz Schiestel, Villach)

    Illustration

    Ankunft der Stimmberechtigten auf dem Weg in die Abstimmungszone A, Klagenfurt (Foto: Volksabstimmungsmuseum Völkermarkt)

    Am 10. Oktober 1920 votieren 59,04 Prozent der Abstimmungsberechtigten für Österreich. Rund die Hälfte der pro-österreichischen Stimmen stammt von Kärntner SlowenInnen, die sich aufgrund unterschiedlicher Motive für einen Verbleib bei Kärnten entschieden haben. Vielen erscheint die demokratische Republik Österreich mit seiner fortschrittlichen Sozialgesetzgebung attraktiver als die autoritäre Militärmonarchie des SHS-Staates. Ein Großteil der bäuerlichen, slowenischen Bevölkerung muss bei einem pro-jugoslawischen Votum befürchten, von den Wirtschaftszentren in Klagenfurt und Villach abgeschnitten zu werden.

    Die Kärntner SlowenInnen nach der Volksabstimmung

    Der Zerfall des Vielvölkerstaates und der Ausgang der Kärntner Volksabstimmung haben für die Kärntner SlowenInnen weitreichende Folgen. Sie sind zu einer nationalen Minderheit geworden. Über nationale Zusammenschlüsse bemühen sie sich, ihren Interessen Gewicht zu verleihen: Dem 1921 gegründeten „Verband der Kärntner Genossenschaften gehören 33 slowenische Organisationen an. Auch die slowenischen Kulturvereine schließen sich in einem Dachverband zusammen. Als politische Interessenvertretung gründen sie 1921 den „Politischen und wirtschaftlichen Verein für die Slowenen in Kärnten, aus dem später die „Partei der Kärntner Slowenen hervorgeht, die bei Landtagswahlen antritt, jedoch nur von einem Drittel der Volksgruppe gewählt wird und zwei Abgeordnete im Kärntner Landtag stellt. Ab 1921 erscheint auch die slowenischsprachige Wochenzeitung „Koroški Slovenec („Kärntner Slowene").

    Vor der Volksabstimmung verspricht die politische Führung des Landes den Kärntner SlowenInnen die Bewahrung und Förderung ihrer nationalen und sprachlichen Eigenart. Nur wenige Wochen nach dem Volksentscheid sind andere Töne zu vernehmen. Am 25. November 1920 verkündet Landesverweser Arthur Lemisch: „Nur ein Menschenalter haben wir Zeit, diese Verführten zum Kärntnertum zurückzuführen."2 Gemeint sind damit jene SlowenInnen, die am 10. Oktober für Jugoslawien gestimmt haben. Bald folgen konkrete Maßnahmen, von der sämtliche Slowenischsprachigen betroffen sind. Zweisprachige Ortstafeln werden entfernt, Personen, die sich in der Abstimmungszeit für Jugoslawien eingesetzt haben, verlieren ihre Anstellungen und die Amtssprache ist ausnahmslos Deutsch. Unter diesen Umständen entscheiden sich viele slowenische LehrerInnen und Priester, das Land zu verlassen, wodurch die Volksgruppe einen Großteil ihrer Intelligenz verliert.

    Um die Eindeutschung der gemischtsprachigen Gebiete weiter voranzutreiben, entsteht kurze Zeit nach der Volksabstimmung die „Kärntner Bodenvermittlungsstelle, die dem „Heimatdienst angegliedert ist. Ihre Aufgabe ist die Ansiedlung deutschbewusster Grundbesitzer im gemischtsprachigen Gebiet. Die Eindeutschungsbestrebungen tragen rasch Früchte. Dabei spielen Volkszählungen eine bedeutende Rolle: Anlässlich der Volkszählung 1923, bei der nach der „Denksprache" gefragt wird, werden nur noch 34.650 SlowenInnen gezählt. Diese Zahl verringert sich bei der Zählung im Jahr 1934 auf 24.875 Personen, bei der nach der Zugehörigkeit zum Kulturkreis gefragt wird. Zu diesem Zeitpunkt sind auf Bemühen der Bodenvermittlungsstelle bereits 200 slowenische Höfe an deutsche Besitzer übergegangen.3

    Das pro-österreichische Votum wird den Kärntner SlowenInnen in keiner Weise gedankt. Gemeinsam mit deutschnationalen Organisationen sowie Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft treibt die Kärntner Landesregierung die Germanisierungspolitik konsequent voran. Repräsentanten der slowenischen Intelligenz sind Verfolgung, Repression und Vertreibung ausgesetzt. Mehr als 40 Priester verlassen nach der Volksabstimmung die Diözese Gurk. 58 Lehrer werden entlassen und 18 Juristen außer Dienst gestellt.

    Illustration

    Feierliche Verbrüderungsszene am Kardinalsplatz in Klagenfurt, 24. Oktober 1920. Die Bürgermeister von Pischeldorf (Zone B) und Maria Rain (Zone A) verbrüdern sich symbolisch für die Menschen beider Sprachen durch das gemeinsame Trinken aus einem Doppelbecher. (Foto: Volksabstimmungsmuseum Völkermarkt)

    Wie sieht die politische Situation Österreichs nach 1918 aus?

    Nach Ende des Ersten Weltkrieges ist die neu entstandene Republik Österreich mit zahlreichen Problemen konfrontiert: Der Kleinstaat benötigt eine demokratische Verfassung, Friedensverhandlungen müssen geführt, soziale Fragen gelöst und die Wirtschaft angekurbelt werden. Um der schwierigen Lage Herr zu werden, arbeiten die beiden großen politisch-weltanschaulichen Lager der Christlichsozialen und Sozialdemokraten zunächst zusammen.

    Verfassung und Sozialgesetzgebung

    Die Provisorische Nationalversammlung Deutsch-Österreich gesteht im Herbst 1919 den Frauen erstmals das aktive und passive Wahlrecht zu. Die am 16. Februar 1919 gewählte Konstituierende Nationalversammlung ist das erste von Frauen und Männern in freier und gleicher Wahl berufene Parlament in der Geschichte Österreichs. Stimmen- und mandatsstärkste Partei ist die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die von 1918 bis 1920 gemeinsam mit der Christlichsozialen Partei unter der Führung des Sozialdemokraten Karl Renner die Regierungsgeschäfte übernimmt. Das so genannte dritte Lager besteht aus mehreren Gruppen der gespaltenen Deutschnationalen, die sich in der Großdeutschen Volkspartei zusammenschließen. Die Kommunistische Partei bleibt weitgehend unbedeutend.

    Illustration

    Mai-Aufmarsch, Obere Fellach, 1924. Angesichts der immer aggressiver auftretenden Nationalsozialisten und Heimwehren verstehen sich die sozialdemokratischen Kundgebungen zum 1. Mai immer auch als Bekenntnis zur Demokratie und als Absage an faschistische Umtriebe. (Foto: Archiv Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte, Villach)

    Unter Leitung des Juristen Hans Kelsen wird 1920 die österreichische Bundesverfassung erarbeitet, die im Wesentlichen bis heute in Kraft ist. In ihr sind die Grundlagen der demokratischen Republik Österreich festgehalten.

    Innerhalb kurzer Zeit erhält Österreich eine der fortschrittlichsten Sozialgesetzgebungen Europas. Treibende Kraft ist dabei die Sozialdemokratische Partei. Bis zum Oktober 1921 werden im Parlament mehr als 80 sozialpolitische Gesetze verabschiedet. Ein erster Durchbruch gelingt im Dezember 1919 mit der Einführung des Achtstundentages (bei einer sechstägigen Arbeitswoche). Arbeitszeitregelungen betreffen auch das Verbot der Nachtarbeit für Frauen und Jugendliche, die Einhaltung der Sonn- und Feiertagsruhe sowie die Festsetzung verbindlicher Ladenschlusszeiten. ArbeiterInnen erhalten weiters einen einwöchigen Mindesturlaub zugesprochen, Angestellte das Recht auf eine Abfertigung. Als indirekte Kriegsfolge kommt es für heimkehrende Soldaten bereits im November 1918 zur Einführung einer Arbeitslosenunterstützung, die 1920 in die Arbeitslosenversicherung umgewandelt wird. Ferner kommt es zur Gründung der Arbeiterkammer und mit der gesetzlichen Verankerung der Betriebsräte im Mai 1919 wird ein wichtiges Instrument betrieblicher Mitbestimmung geschaffen. Während die Arbeiterschaft von der Sozialgesetzgebung am meisten profitiert, stoßen die Reformmaßnahmen bei den UnternehmerInnen und dem Bürgertum auf Ablehnung. Innerhalb des bürgerlichen Lagers regen sich Ressentiments nicht nur gegen die Sozialgesetze, sondern auch gegen die parlamentarische Demokratie.

    Bei den Wahlen 1920 verlieren die Sozialdemokraten die relative Mehrheit. Als stimmenstärkste Partei bilden nun die Christlichsozialen eine Regierungskoalition mit der Großdeutschen Volkspartei. Bis zum Ende der Ersten Republik wird Österreich stets von einer solchen „Bürgerblockregierung" des christlichsozialen und deutschnationalen Lagers regiert.

    Wie entwickelt sich die politische Situation nach 1920 in Kärnten?

    Die ersten freien Landtagswahlen 1921 entscheiden die Sozialdemokraten für sich. Die relative Stärke der „Arbeiterpartei in einem überwiegend agrarisch strukturierten Land mit einer schwach entwickelten Industrie überrascht, doch die sozialdemokratischen Ideale sprechen auch LandarbeiterInnen an, die ein ärmliches Dasein fristen. Ebenso fühlen sich zahlreiche Kärntner SlowenInnen zur Arbeiterbewegung hingezogen. Neben den Deutschnationalen und Christlichsozialen zieht auch die „Partei der Kärntner Slowenen in den Kärntner Landtag mit zwei Mandaten ein, die sie bis 1930 halten kann. Ebenso sitzen die Nationalsozialisten 1921 als kleine Splittergruppe im Landtag.

    Wegen dem gemeinsamen Vorgehen gegen die Gebietsansprüche Jugoslawiens hält die Zusammenarbeit der politischen Parteien in Kärnten etwas länger als in der österreichischen Bundespolitik. Die Bildung eines antimarxistischen „Bürgerblocks" erfolgt aus diesem Grund in Kärnten etwas später. Die gespaltenen national-bürgerlichen Parteien akzeptieren daher 1921 die Wahl des Sozialdemokraten Florian Gröger zum Landeshauptmann. Erst 1923 bilden Deutschnationale und Christlichsoziale eine Einheitsliste, die bei den Wahlen im Oktober die absolute Mehrheit erringt.

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    Florian und Anna Gröger mit ihren beiden Söhnen in Klagenfurt um 1925. Der aus einer schlesischen Schuhmacherfamilie stammende Florian Gröger ist der einzige sozialdemokratische Landeshauptmann Kärntens in der Ersten Republik (1921–1923). Seine Frau Anna zieht im November 1918 in die provisorische Landesversammlung ein. (Foto: Archiv Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte, Villach)

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    Antisemitisches Wahlplakat der Kärntner Einheitsliste, Oktober 1923. Bei der Wahl im Oktober 1923 erzielt die Einheitsliste, ein Bündnis des Kärntner Landbundes, der Christlichsozialen Partei und der Großdeutschen Volkspartei, die absolute Mehrheit. Der nationale „Bürgerblock" agiert betont antimarxistisch, antisemitisch und antislowenisch. (Abbildung: Kärntner Landesarchiv, Klagenfurt)

    Heimwehr und Republikanischer Schutzbund

    Die Heimwehr- oder Heimatschutzorganisationen entstehen in Österreich in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Dabei handelt es sich um bewaffnete paramilitärische Einheiten, die in Kärnten aus den Alarmkompanien des „Abwehrkampfes hervorgehen. Wie in den anderen Bundesländern auch, richtet sich ihr Kampf in erster Linie gegen die Arbeiterbewegung und die demokratischen Errungenschaften der jungen Republik. Ende 1920 kommt es zur Gründung des „Kärntner Heimatschutzverbandes. Die Anhängerschaft der Heimwehren rekrutiert sich neben deutschnational Gesinnten in erster Linie aus den Kreisen ehemaliger Weltkriegsteilnehmer. Politische Unterstützung finden die „Hahnenschwanzler" – die uniformierten Heimwehrmänner tragen eine Hahnenfeder am Hut – bei den Christlichsozialen, den Großdeutschen und beim Landbund. Der politische Arm des Kärntner Heimatschutzverbandes ist der Heimatblock, der auch im Kärntner Landtag vertreten ist.

    Hauptgegner der Heimwehren ist die organisierte Arbeiterschaft. Konfrontationen zwischen Heimwehrtrupps und dem von den SozialdemokratInnen aufgestellten Republikanischen Schutzbund stehen auch in Kärnten an der Tagesordnung. Die Feindseligkeiten eskalieren vor den Landtagswahlen 1923, als in Klagenfurt Heimwehrleute auf demonstrierende Arbeiter schießen, wobei zum Glück niemand verletzt wird. Zur Demonstration ihrer Stärke marschieren die Heimwehrleute bevorzugt in sozialdemokratisch dominierten Gebieten auf. Immer wieder kommt es zu Störaktionen bei Kundgebungen des politischen Gegners, die nicht selten in Handgreiflichkeiten ausarten.

    Die zahlreichen Vereinigungsversuche zwischen Heimwehren und Nationalsozialisten sind meist nur von kurzer Dauer. 1931 veranstalten die Kärntner Nationalsozialisten gemeinsam mit dem „Heimatschutz" Massenkundgebungen. Die kurzfristige Zusammenarbeit endet im autoritären Ständestaat in einer erbitterten Gegnerschaft der beiden faschistischen Kräfte.

    Feindschaft und Hass in der Politik

    Im Jänner 1927 kommt es zu einem blutigen Vorfall im burgenländischen Schattendorf: Angehörige einer Frontkämpferorganisation töten zwei Menschen, die an einer Demonstration des Republikanischen Schutzbundes teilnehmen – einen 40-jährigen kroatischen Hilfsarbeiter und ein achtjähriges Kind. Am 14. Juli 1927 werden die Täter unter dem Jubel der nationalistisch-bürgerlichen Presse freigesprochen. Dem nicht genug, wird der Mord als Notwehr dargestellt, die Täter als „ehrenwerte Männer". Aus Protest gegen das skandalöse Urteil versammeln sich tags darauf tausende Menschen auf der Wiener Ringstraße. Bald steht der Justizpalast als Symbol der als parteiisch empfundenen Justiz im Zentrum der Aufmerksamkeit der heranrückenden DemonstrantInnen. Besonnene Sozialdemokraten versuchen, mäßigend auf die Mengen einzuwirken, doch sie können die folgenden Ausschreitungen, bei denen der Justizpalast in Brand gesteckt wird, nicht mehr verhindern. Die Polizei eröffnet das Feuer: 89 DemonstrantInnen sterben, weitaus mehr werden verletzt. Der Ausbruch eines Bürgerkriegs kann nur knapp vermieden werden, die beiden großen politischen Lager stehen sich unversöhnlicher denn je gegenüber. Die Ereignisse in Wien sorgen auch in Kärnten für Aufregung. Die öffentlichen Verkehrsbediensteten treten für drei Tage in Streik, SozialdemokratInnen und Gewerkschaften veranstalten Protestkundgebungen.

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    Nach der Fahnenweihe marschieren die Aktivisten des Kärntner Heimatschutzverbandes – so werden die Heimwehren in Kärnten genannt – am 3. Juni 1923 durch die Villacher Innenstadt. Die Kärntner Heimatschützer bekämpfen die Sozialdemokratie und die slowenische Volksgruppe. (Foto: Archiv Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte, Villach)

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    Schutzbundkapelle in Seebach bei Villach, Ende der 1920er Jahre. Der Republikanische Schutzbund, eine militärähnliche Organisation wie die Heimwehr, ist für die Sozialdemokratie ein Zeichen „proletarischer Wehrhaftigkeit". (Foto: Archiv Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte, Villach)

    Wie wirkt sich die Weltwirtschaftskrise auf Kärnten aus?

    Der Börsenkrach in New York im Oktober 1929 läutet eine weltweite Wirtschaftskrise ein. Die Produktion geht drastisch zurück, ein Unternehmen nach dem anderen muss die Tore schließen – in den Jahren 1932 bis 1934 gehen in Kärnten 435 Betriebe in Konkurs. Die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse fallen derart rapide, dass viele Bäuerinnen und Bauern ihre Existenz verlieren. Die Massenarbeitslosigkeit nimmt ungeheure Ausmaße an. Im Winter 1929 sind bereits 12.900 ArbeiterInnen ohne Beschäftigung, im Winter 1931/32 registriert man 19.000 Arbeitslose.4 Gleichzeitig werden die Arbeitslosenunterstützung und die Zahl der Unterstützten immer geringer. Als Ende 1931 der Bergbau in Bleiberg eingestellt wird, verlieren über 800 Arbeiter und Angestellte ihre Stelle. Für die BewohnerInnen bedeutet dies eine Katastrophe, lebt doch fast jeder Haushalt im Tal von diesem Montanbetrieb. Nach 1930 müssen zahlreiche Papier- und Pappenfabriken schließen oder ihre Produktion drastisch reduzieren. Allein die Papierfabrik Frantschach-St. Gertraud entlässt 480 Arbeitskräfte. Angesichts des Ausmaßes der Krise beschließt der Kärntner Landtag ein bescheidenes Arbeitsbeschaffungsprogramm, wobei vor allem Verbesserungsmaßnahmen im Bereich der Verkehrswege im Vordergrund stehen. Die Bauarbeiten an der Plöckenpassstraße und der Großglockner Hochalpenstraße werden 1930 in Angriff genommen. Nur wenige Arbeitslose haben das Glück, beim Glockner-Projekt Arbeit zu finden, „wo die Arbeiter in Elendsquartieren hausen und bei schwerster Tätigkeit nur geringe Hungerlöhne ausbezahlt bekommen5, wie das „Volksblatt beklagt.

    Immer mehr Familien sind von Arbeitslosenunterstützung abhängig. Wer keine Unterstützung bekommt, ist auf die Familie, Armenfürsorge und Almosen angewiesen. In dieser Situation müssen auch die Kinder das Ihre zum Überleben der Familie beitragen: „Von der Früh weg waren wir Kinder jeden zweiten Tag auf dem Berg, zum Schwarzbeer- und Preiselbeerklauben. Im Frühjahr haben wir Schneeglöckchen gepflückt. In Villach haben wir die Blumen dann sträußchenweise verkauft"6, erzählt Lorenz Genduth von seiner Kindheit während der Weltwirtschaftskrise. Und nicht nur durch Arbeit, sondern auch durch Betteln versuchen hungrige Kinder wie er an ein wenig Geld oder Lebensmittel zu gelangen: „Bis nach Ossiach sind wir gegangen, um die Urlauber anzubetteln",7 erinnert sich das Villacher Arbeiterkind.

    Auswanderung als Ausweg

    Die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der Zwischenkriegszeit veranlassen viele KärntnerInnen, nach Übersee auszuwandern. Die „Villacher Zeitung druckt 1926 einen Brief ab, in dem der nach Kanada emigrierte Jakob Brandner sein neues Leben beschreibt: „Auf der Eisenbahnstrecke gibt es Arbeit bis zum Winter. Im Winter kann man in die Wälder arbeiten gehen. So bin ich hierher gekommen, weit fort von Europa in das innere Land der kanadischen Prärien und ich bin froh, dass ich Villach und Österreich verlassen habe. Wenn einer sparsam ist, kann er sich ein schönes Geld nach vielen Jahren ersparen9, motiviert er die KärntnerInnen, eine Auswanderung zu wagen. Doch im Zuge der Weltwirtschaftskrise erlassen die bevorzugten Auswanderungsländer strikte Einwanderungsbestimmungen, um den Strom der europäischen Wirtschaftsflüchtlinge einzudämmen. Hatte Kanada 1927 noch offensiv um europäische EinwanderInnen geworben, müssen Einwanderungswillige ab 1930 eine erhebliche Summe Bargeld vorweisen. Die Beschränkungen zeigen Wirkung, in den folgenden Jahren reduziert sich die Zahl der Auswanderer rapide: 1930 verlassen 4.000 ÖsterreicherInnen (unter ihnen 240 KärntnerInnen) ihre Heimat in Richtung Nord- und Südamerika, 1933, als bereits 26 Prozent der österreichischen ArbeitnehmerInnen arbeitslos sind, sind es nur noch etwa 1.400 ÖsterreicherInnen (darunter 35 Kärntner-Innen).10

    Illustration

    Bau der Großglockner Hochalpenstraße, 18. August 1934. 1931 kündigt die Bleiberger Bergwerksunion 720 Arbeiter. Einige finden Arbeit beim Bau der Großglockner Hochalpenstraße. (Foto: Archiv Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte, Villach)

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    Aufruf des österreichischen Bundeskanzlers 1935 in Villach, notleidende Kinder mit einer warmen Mahlzeit zu unterstützen. Lorenz Genduth, ein Arbeiterkind aus Seebach bei Villach, erinnert sich an die von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg initiierte „Aktion Mittagstisch: „Ich hab’ einen Kostplatz gehabt, da bin ich zweimal die Woche hin essen gegangen. Er war Bahndirektor, da hab’ ich zweimal die Woche eine Suppe bekommen. Beim Hotel Fischer haben wir die Restln auf einem Teller gekriegt, da waren gute Sachen drauf, die hat uns eine Abwäscherin herausgegeben.8 (Abbildung: Archiv Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte, Villach)

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    Verwandte und NachbarInnen verabschieden in Rosegg einen Amerikaauswanderer aus der Familie Woschitz, Ende der 1920er Jahre. (Foto: Privat, Simon Woschitz, Rosegg)

    Manche Ausgewanderte können ihre zurückgebliebenen Familienmitglieder mit Geldsendungen unterstützen, bei anderen reicht das Verdiente gerade zum eigenen Überleben: „Liebe Mutter dieses Jahr konnte ich Ihnen leider nichts schicken da ich ja zu viel Schulden gehabt habe, dafür aber nächstes Jahr wenn uns der liebe Gott Gesundheit schenkt. (…) Ich habe nicht so schwere Arbeit dafür verdiene ich aber auch nicht so viel."11 Dennoch sei es trotz aller Schwierigkeiten in Milwaukee weitaus besser zu leben als in Kärnten, schreibt Martin Kleewein schon 1923 in einem Neujahrsbrief an seine Mutter im Gailtal.

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    Werbeeinschaltung in der „Villacher Zeitung", 6. Oktober 1923. Die großen Schifffahrtslinien schalten über Jahrzehnte hinweg auch in den Kärntner Tageszeitungen ihre Werbeinserate. (Abbildung: Universitätsbibliothek Klagenfurt)

    Die Daheimgebliebenen ahnen oft nicht, dass angesichts der Wirtschaftskrise Arbeitsplätze auch in den Auswanderungsländern Mangelware geworden sind und der „amerikanische Traum" von einem freien Leben mit gutem Einkommen für viele Eingewanderte unerreichbar ist. Für eine Rückkehr nach Österreich entscheiden sich dennoch die wenigsten.

    Radikalisierung der Politik

    Die Wirtschaftskrise und die allgemeine Katastrophenstimmung haben auch Auswirkungen auf die politischen Verhältnisse im Land. Nicht nur radikale Bewegungen, auch bürgerliche Politiker fordern immer vehementer die Beseitigung der Demokratie. Die Sozialdemokratie findet keine Antworten auf die zunehmend aggressiver auftretenden Heimwehren und die an Stärke gewinnenden NationalsozialistInnen. Im Schatten der Wirtschaftskrise findet die NSDAP immer mehr AnhängerInnen.

    Wie erfolgt der Aufstieg der NSDAP in Kärnten?

    Frühe Erfolge der NSDAP

    Bei den Nationalratswahlen 1930 wählen 5,5 Prozent der KärntnerInnen die NSDAPHitlerbewegung, in Gesamtösterreich sind es lediglich 2,7 Prozent. Auch bei den gleichzeitig stattfindenden Kärntner Landtagswahlen erzielen die Nationalsozialisten mit 7,1 Prozent der gültigen Stimmen einen beachtlichen Erfolg. Kärnten ist das einzige Bundesland, in dem sie zwei Landtagsmandate erringen. Die Fortsetzung des Aufwärtstrends folgt bei den Kärntner Gemeinderatswahlen 1932, den letzten demokratischen Wahlen der Ersten Republik: Die NSDAP erreicht 12,1 Prozent der Stimmen. Bis 1933 wechseln viele AnhängerInnen des „Landbundes und der „Großdeutschen Volkspartei zur NSDAP. Weiteren Aufwind bekommt die Partei durch die Machtübernahme Hitlers in Deutschland im Jänner 1933. Einzelne NSDAP-Ortsgruppen können in Kärnten ihre Mitgliederzahlen sogar verdoppeln. Insbesondere im Lavanttal sind bis Ende der 1920er Jahre weite Teile des deutsch-nationalen Milieus, vom Bürger- bis zum Bauerntum, zu den Nationalsozialisten übergelaufen. 1929 stammen 19 Prozent der Kärntner NSDAP-Mitglieder aus dem Lavanttal.12

    Zur Anwerbung neuer Mitglieder und um andere politische Gruppierungen zu verunglimpfen, schrecken die Nationalsozialisten nicht vor einer Radikalisierung der Sprache und vor tätlichen Übergriffen zurück. Immer öfter kommt es in Kärnten zu Handgreiflichkeiten mit dem politischen Gegner, wie etwa im sozialdemokratisch geprägten St. Ruprecht bei Klagenfurt, wo sogar Begräbnisse Anlass für gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten politischen Lagern geben.

    Die Anziehungskraft der NSDAP

    Die NSDAP verspricht unter Einsatz aller nur erdenklichen Propagandamittel alles, was Stimmen und Popularität bringt: Brot und Arbeit, höhere Löhne, Wohnungen, vor allem aber die Ausschaltung der Sozialdemokraten und Kommunisten, der Gewerkschaften und die Beseitigung des „Judentums. Sie fordert den Umbau der Republik in einen Führerstaat und den Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland. Dabei stellt sich die Partei als antikapitalistisch dar, die den Mittelstand vor dem „jüdischen Kapital und den Konzernen beschützt. Konkrete Lösungsvorschläge zu den vielseitigen Problemen haben sie keine. Stattdessen agieren die Nazis mit einfachen Parolen und versprechen für die Zukunft mit all jenen abzurechnen, die sich der Volksgemeinschaft nicht unterordnen. Der „Führer" Adolf Hitler verkörpert ihrer Meinung nach den alleinigen Willen des Volkes. Jede Kritik gilt daher als volksfeindlich.

    Gemessen an der Einwohnerzahl ist die Zahl der NSDAP-Mitglieder höher als in anderen Bundesländern. Doch wie ist dieser hohe Zuspruch in Kärnten zu erklären? Neben der Wirtschaftskrise, der politischen Radikalisierung und den aggressiven Propagandamethoden der Nazis mag ein weiterer Grund wohl auch in der antislowenischen Haltung vieler KärntnerInnen liegen, die sich in der frühen Gründung zahlreicher deutschnational ausgerichteter Parteien manifestiert. Immerhin ist die Anzahl der „Illegalen in Kärnten vor dem „Anschluss 1938 im Bundesländervergleich am höchsten.

    Die Mehrheit der NSDAP-Mitglieder in Kärnten ist dem Mittelstand zuzurechnen; sie sind Angestellte, BeamtInnen, Kaufleute, Kleingewerbetreibende, HandwerkerInnen, StudentInnen und VertreterInnen freier Berufe (Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, Notare, Ingenieure). Ist die Gefolgschaft der Bauern- und Arbeiterschaft anfangs noch relativ gering, so ist deren Anteil insbesondere nach 1934 im Steigen begriffen.

    Wichtige Bastionen der Nationalsozialisten sind eine Vielzahl deutsch-völkischer Vereine, deren Mitglieder meist auch mit der NSDAP sympathisieren. Alleine im Lavanttal bestehen 16 derartige Vereine, darunter der „Deutsche Turnverein Wolfsberg, der bereits 1882 gegründet wurde und in ideeller und finanzieller Hinsicht starke Förderung durch die Stadt erfährt. Zahlreiche wichtige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, unter ihnen auffallend viele Lehrer, sind „Turnbrüder in den „Deutschen Turnvereinen", die sich immer mehr zu nationalsozialistischen Vorfeldorganisationen entwickeln. Ihre sportlichen Aktivitäten sehen die TurnerInnen als Vorbereitung für ihren Kampf um die Wiedervereinigung mit Deutschland. Jugendliche Turner treten dabei geschlossen der Hitlerjugend bei. Nach dem Verbot der NSDAP dienen die Turnvereine bereitwilligst als Auffangbecken und Agitationsplattformen für illegale Nazis.

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    Aufmarsch nationalsozialistischer Formationen anlässlich des NSDAP-Gauparteitags in Villach, 8./9. Oktober 1932 (Foto: Museum der Stadt Villach)

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    NationalsozialistInnen feiern am 30. Jänner 1933 im Sandwirt-Saal in Klagenfurt die Machtübernahme von Adolf Hitler in Deutschland. (Foto: Museum der Stadt Villach)

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    Der Deutsche Turnverein und die NSDAPOrtsgruppe Villach laden am 2. April 1932 zu einem Vortrag von Hubert Klausner über „nationalsozialistische Wehrpolitik. Bereits 1932 ist auf dem Plakat vermerkt: „Juden ist der Eintritt verboten. Nach dem „Anschluss" 1938 wird Klausner erster Kärntner Gauleiter sein. (Abbildung: Museum der Stadt Villach)

    Der „Verein Kärntner Grenzland kauft 1932 den Sablatnigsee und ändert dessen Namen in „Turnersee. Im dort eingerichteten Turnerlager werden tausende Jugendliche zusammengefasst und im nationalsozialistischen Sinne unterrichtet. Sportliche Übungen werden in Form paramilitärischer Manöver abgehalten.

    Wie sieht das Ende der Republik Österreich aus?

    Ab Mai 1932 steht der christlichsoziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß an der Spitze der österreichischen Bundesregierung. Seine parlamentarische Mehrheit ist hauchdünn. Unter seiner Führung kommt es zu massiven Beschneidungen der Arbeiterrechte und Kürzungen der Sozialausgaben, wogegen sich die SozialdemokratInnen erfolglos wehren. Doch auch die lautstark auft retende NS-Bewegung bereitet der Regierung Probleme. Im Gegensatz zur NSDAP will Dollfuß Österreich zwar als autoritären, aber unabhängigen Staat erhalten, ein Zusammenschluss mit Deutschland kommt für ihn nicht in Frage.

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    Im Untergrund verbreitete nationalsozialistische Streuzettel, Hakenkreuzsymbole und Schmähungen des „Ständestaates" aus den Jahren 1933–1938. (Abbildungen: Museum der Stadt Villach)

    Aushöhlung der Demokratie

    Am 4. März 1933 legen anlässlich einer Parlamentsdebatte alle drei Nationalratspräsidenten ihr Amt zurück. Kanzler Engelbert Dollfuß nutzt die Geschäftsordnungspanne zu einem Staatsstreich auf Raten: Die Regierung Dollfuß erklärt, dass aufgrund der „Selbstausschaltung des Parlaments nach dem „Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz aus dem Jahre 1917 regiert wird. Direkte Folgen sind die Aufhebung der Versammlungs- und Pressefreiheit. Eine Reihe von Notverordnungen betreffen hauptsächlich wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten: Beschränkung der Kollektivverträge, Senkung der Löhne und Gehälter, Verlängerung der Arbeitszeiten und Kürzung der Arbeitslosenunterstützung. Die politischen Folgen sind hart. Bereits am 31. März 1933 wird der Republikanische Schutzbund verboten, illegal besteht er aber weiter. Am 20. Mai 1933 wird die „Vaterländische Front gegründet, eine „überparteiliche Vereinigung aller „regierungstreuen" Österreicher. Ebenfalls im Mai wird die Kommunistische Partei Österreich verboten und nach einer Serie von nationalsozialistischen Sprengstoffattentaten in ganz Österreich kommt es im Juni 1933 zum Verbot der NSDAP. Anlässlich einer Kundgebung der Vaterländischen Front auf dem Wiener Trabrennplatz hält Bundeskanzler Dollfuß eine programmatische Rede über die Errichtung eines autoritären Ständestaats anstelle der parlamentarischen Demokratie. Streiks und Betriebsräte sind untersagt, die Todesstrafe wird eingeführt und Anhaltelager zur Internierung politischer Häftlinge werden errichtet.

    Im Anhaltelager Wöllersdorf bei Wiener Neustadt sind bis zu 5.000 Menschen inhaftiert, hauptsächlich Nationalsozialisten und Sozialdemokraten.

    In Kärnten werden nach dem Verbot der NSDAP 248 Nazis verhaftet. Trotz des rigorosen Vorgehens der Behörden setzen die NationalsozialistInnen ihre Tätigkeit im Untergrund fort: Schornsteine und Kirchtürme werden mit Hakenkreuzfahnen geschmückt, Flugzettel vervielfältigt und Hakenkreuze verstreut.

    Die Februarkämpfe 1934

    Anfangs betrachtet die Regierung Dollfuß die Sozialdemokratie noch als ihren Hauptgegner, die der Errichtung einer österreichischen Diktatur nach Vorbild des faschistischen Italiens im Weg steht. Als sich der Republikanische Schutzbund in Linz am 12. Februar 1934 gegen die Durchsuchung des sozialdemokratischen Parteiheimes wehrt, geht das österreichische Bundesheer auf Befehl der Regierung Dollfuß gegen die „Aufständischen" mit Waffengewalt vor, woraufhin in Teilen Österreichs der Bürgerkrieg ausbricht. Bundesheer, Exekutive und rechte Wehrverbände besiegen die sozialdemokratischen KämpferInnen innerhalb von drei Tagen. In Wien wird dabei sogar Artillerie gegen Schutzbundangehörige eingesetzt. Bei den erbitterten Gefechten sterben auf Regierungsseite 124 Personen, unter den Aufständischen und der Zivilbevölkerung sind 250 bis 280 Tote zu beklagen. Über 800 Menschen werden zum Teil schwer verletzt, tausende ArbeiterInnen verhaftet. Neun führende Angehörige des Schutzbundes werden standrechtlich erschossen, einer von ihnen wird sogar schwer verwundet auf einer Trage zur Hinrichtung getragen. Auf die Ereignisse folgt das Verbot der Sozialdemokratischen Partei und all ihrer Organisationen.

    Weder in Klagenfurt noch in den anderen Kärntner Städten, wo man vergeblich auf Weisungen der Parteiführung wartet, kommt es zu Widerstandshandlungen. Sofort nach Bekanntwerden der Aufstände werden in Kärnten die Führer der Sozialdemokratischen Partei sowie die Kommandanten des Republikanischen Schutzbundes verhaftet und eingesperrt. Der politischen bzw. militärischen Führung beraubt und mangels entsprechender Einsatzbefehle kommt es in Kärnten zu keinen Zusammenstößen. Der Villacher Sozialdemokrat Alois Buttinger beschreibt rückblickend die Ereignisse um den 12. Februar 1934: „Am Morgen des 12. Februar schwärmte die Polizei in Villach aus und verhaftete sowohl die Mitglieder des Exekutivkomitees unserer Partei als auch die Führer des Republikanischen Schutzbundes. Am Nachmittag des 13. Februar erhielt ich eine Nachricht, dass sich einige Mitglieder des führerlosen Schutzbundes zwischen Mitternacht und ein Uhr morgens im Wald in Vassach treffen würden. Als ich am vereinbarten Treffpunkt ankam, fand ich etwa 20, vor Kälte und Furcht zitternde Männer vor. Unsere Suche nach dem versteckten Waffenarsenal war ein völliger Reinfall. Wir fanden zwei Dutzend Gewehre und ein halbes Dutzend Revolver, alles davon war unbrauchbar."13

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    Anton Falle (sitzend) mit Familie, Klagenfurt, 22. Juli 1934. Der sozialdemokratische Landesparteiobmann Anton Falle wird nach Ausbruch der Februarkämpfe in Linz und Wien vorübergehend festgenommen. Als führender Sozialdemokrat ist er sowohl den Austrofaschisten als auch den Nationalsozialisten verdächtig. Am 15. Jänner 1945 stirbt Anton Falle nach langem, qualvollem Martyrium im Konzentrationslager Dachau. (Foto: Archiv Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte, Villach)

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    In seiner letzten Ausgabe vor dem behördlichen Verbot ruft der „Arbeiterwille" am 12. Februar 1934 zum Generalstreik auf. Der Streikaufruf zeigt kaum Wirkung, in Kärnten kommt es zu keinen Kampfhandlungen zwischen dem Republikanischen Schutzbund und Regierungstruppen. (Abbildung: Kärntner Landesarchiv, Klagenfurt)

    Sein Bruder Joseph Buttinger, der spätere Führer der im Untergrund agierenden „Revolutionären Sozialisten, erinnert sich an die Hilflosigkeit der Kärntner Sozialdemokraten angesichts der Februar-Ereignisse: „Der Obmann der Kärntner Sozialdemokratischen Partei, Nationalrat Anton Falle, war am Dienstag früh im Gebäude der Arbeiterkammer verhaftet worden. Falle war von den Ereignissen äußerst angegriffen, aber zugleich völlig kopflos: ‚irgendetwas muss auch in Kärnten unternommen werden‘, sagte er, wusste aber auf die Frage, was getan werden könnte, keine Antwort. ‚Überall bluten die Arbeiter und wir sitzen hier und tun nichts‘, rief er aus, ‚könnten nicht wenigstens einige Leute in den Wald hinausgehen und schießen, damit die Exekutive nervös wird und zu fürchten anfängt, dass es auch in Kärnten zu etwas kommt.‘14

    Auch in Kärnten wird die sozialdemokratische Partei samt den ihr angehörenden Organisationen laut Verordnung verboten. Das gesamte Vereinsvermögen sozialdemokratischer Organisationen (Gewerkschaften, Naturfreunde, Kinderfreunde etc.) wird beschlagnahmt und zum Teil regierungstreuen Vereinigungen übertragen.

    Im Spanischen Bürgerkrieg

    In Spanien wird zwischen Juli 1936 und April 1939 ein Bürgerkrieg zwischen der demokratisch gewählten Volksfrontregierung und den rechtsgerichteten Putschisten unter General Franco ausgetragen. Sowohl Hitler-Deutschland als auch das faschistische Italien unter Benito Mussolini unterstützen Franco. Die republikanischen KämpferInnen erhalten Unterstützung von rund 35.000 linksorientierten Freiwilligen aus Europa und Nordamerika. Tausend österreichische Antifaschisten schließen sich den Internationalen Brigaden an und ziehen freiwillig in den Spanischen Bürgerkrieg, unter ihnen 60 Kärntner. Die Männer, hauptsächlich Sozialisten und Kommunisten, kämpfen auf Seite der Republik gegen die Franco-Truppen. Jeder fünfte von ihnen kommt dabei zu Tode. Der Kommunist Josef Orlitsch aus Klagenfurt reist 1936 nach Spanien, um an der Seite der Republikaner gegen die Faschisten zu kämpfen. Nach dem Sieg der Franco-Putschisten flüchtet er 1939 nach Frankreich, von wo er 1944 mit spanischen Widerstandskämpfern erneut nach Spanien geht. Er wird festgenommen und erst 1955 aus der spanischen Haft entlassen.15

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    Der Kärntner Josef Orlitsch im Gefängnis von Burgos. Er war 1944 mit spanischen Partisanen nach Spanien zurückgekehrt und festgenommen worden. (Foto: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien)

    Was ist der „Ständestaat"?

    Die Vollendung des Dollfuß-Putsches stellt die neue Verfassung dar, die am 1. Mai 1934 – nicht zufällig an einem der wichtigsten Feiertage der niedergeschlagenen Arbeiterbewegung – erlassen wird. Aus „Österreich ist eine demokratische Republik. Das Recht geht vom Volk aus wird „Im Namen Gottes, des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk für seinen christlichen deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung. Die Staatsbezeichnung „Republik Österreich wird durch „Bundesstaat Österreich ersetzt. Als wappenähnliches Emblem wählt die Diktatur das so genannte Kruckenkreuz. An die Stelle der Republik Österreich ist der „soziale, christliche, deutsche Staat Österreich auf ständischer Grundlage und starker autoritärer Führung der so genannte „Ständestaat getreten. Der Begriff Austrofaschismus ist eine andere Bezeichnung für das von 1933/34 bis 1938 in Österreich etablierte Herrschaftssystem, das sich stark an die faschistische Diktatur Benito Mussolinis in Italien anlehnt.

    Der im Herbst 1934 neu geschaffene Kärntner Landtag hat mit einer demokratisch legitimierten Landesvertretung nichts mehr gemeinsam. Die Rechte des Landtags gehen auf den Landeshauptmann und seinen Stellvertreter über.

    Die berufsständische Ordnung

    Dollfuß orientiert sich bei seiner Politik an der päpstlichen Enzyklika „Quadragesimo anno aus dem Jahr 1931, worin Papst Pius XI. die Demokratie ablehnt und stattdessen den Aufbau der Gesellschaft nach Berufsständen fordert. UnternehmerInnen, ArbeiterInnen und Bauernschaft sollen keine eigenen Interessenvertretungen schaffen. Durch die harmonische Zusammenfassung aller gesellschaftlichen Gruppen in Berufsständen würden soziale Konflikte verhindert werden. Ein derartiger „Ständestaat ist nach Ansicht des Papstes eine gottgewollte Gesellschaftsordnung. Die katholische Kirche unterstützt daher den autoritären „Ständestaat" und erhält im Gegenzug viele Privilegien, die im Konkordat von 1933 abgesichert sind und bis heute Gültigkeit besitzen.

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    Organisationsschema des „Ständestaates von Philipp Bugelnig, 1935. Der Direktor des „Carinthia-Verlages, Domprediger in Klagenfurt und Erzieher im Marianum, DDr. Philipp Bugelnig, ist einer der führenden Theoretiker des „Ständestaates" in Kärnten. (Abbildung aus: Philipp Bugelnig: Der Ständestaat. Dessen Voraussetzungen und Verwirklichung. Klagenfurt 1935.)

    Die österreichische Realität entspricht nicht der päpstlichen Theorie. Nur im öffentlichen Dienst und in der Landwirtschaft erfolgt die Bildung von Berufsständen. Die Arbeiterschaft bleibt benachteiligt, da die Gewerkschaften nach wie vor verboten sind und die Austrofaschisten sich in erster Linie um die Anliegen der UnternehmerInnen kümmert. Die Regierung spart vor allem bei den Sozialausgaben und vergrößert damit das Elend vieler ArbeiterInnen. Es werden kaum Investitionen in die Wirtschaft getätigt, sodass sich die Arbeitslosenrate in Österreich bis 1938 auf sehr hohem Niveau bewegt. Die Landwirtschaft leidet unter niedrigen Produktpreisen und hoher Verschuldung, viele Höfe in Kärnten werden zwangsversteigert. Bis 1938 ist die Zustimmung zum „Ständestaat" sukzessive im Schwinden begriffen.

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    Bei seinem Besuch am 4. März 1934 in Villach wendet sich Bundeskanzler Dollfuß entschieden gegen die parlamentarische Demokratie. Gleichzeitig lädt er die „braven Arbeiter zur Mitarbeit am „Ständestaat ein. (Foto: Privatarchiv Franz Schiestel, Villach)

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    Nach der Ausschaltung von Demokratie, Parlament und Opposition ist die Vaterländische Front die Einheitspartei in Österreich nach faschistischem Vorbild. Sie appelliert an die Arbeiterschaft, ihr beizutreten. (Abbildung: Museum der Stadt Villach)

    Die „Vaterländische Front"

    Die Regierung Dollfuß verbietet sämtliche Parteien, politische GegnerInnen werden ins Gefängnis oder ins Anhaltelager Wöllersdorf gebracht. Zugelassen ist nur noch eine Art Einheitspartei: die von Dollfuß im Mai 1933 gegründete „Vaterländische Front. Sie ist nach dem Führerprinzip aufgebaut. Wer ihr nicht beitritt, hat praktisch Berufsverbot. Der Gruß der „Vaterländischen Front lautet „Front Heil!. Mit ihrer Hilfe lenkt, kontrolliert und bespitzelt die Regierung das Volk. Die erwünschte Massenbasis kann die Einheitspartei trotz ihrer drei Millionen Mitglieder nicht herstellen. Viele treten nur wegen des Zwanges bei. 1936 werden alle bestehenden Wehrverbände wie die Heimwehr aufgelöst und in die „Frontmiliz, den militärischen Arm der „Vaterländischen Front, eingegliedert. Die Einheitspartei verfügt auch über eine staatliche Jugendorganisation ähnlich der Hitlerjugend: die „Vaterländische Jugend („Österreichisches Jungvolk").

    Österreich-Ideologie

    Nach 1918 sprechen sich mit Ausnahme der KPÖ alle im Parlament vertretenen Parteien für einen Anschluss an Deutschland aus, zumal sie die Ansicht vertreten, dass die ÖsterreichInnen dem deutschen Kulturkreis angehören. Doch mit der Machtübernahme Adolf Hitlers 1933 in Deutschland ist ein Anschluss Österreichs für die Sozialdemokratie und die Christlichsoziale Partei undenkbar.

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    Illegale Streuzettel der SozialistInnen und KommunistInnen gegen das austrofaschistische Regime aus den Jahren 1934–1938 (Abbildungen: Kärntner Landesarchiv, Klagenfurt)

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    Engelbert Dollfuß ruft die ÖsterreicherInnen zum Eintritt in die Vaterländische Front auf. Das ständestaatliche Regime hat den Erhalt eines unabhängigen Staates Österreich zum Ziel, bekennt sich aber gleichzeitig zur deutschen Kulturgemeinschaft. (Abbildung: Museum der Stadt Villach)

    Die Austrofaschisten treten für ein eigenständiges Österreich ein und fördern den österreichischen Patriotismus. Gleichzeitig wird der deutsche Charakter Österreichs hervorgehoben. Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, der Nachfolger von Dollfuß, bezeichnet sich selbst ausdrücklich als Deutschen. Das katholische Österreich hat seiner Ansicht nach eine besondere Mission für das ganze deutsche Volk und das Christentum zu erfüllen: die Verbreitung des katholischen Glaubens und der deutschen Kultur in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Im Vergleich zu Nazi-Deutschland wird Österreich als der bessere deutsche Staat bezeichnet. 1938 zeigt sich, dass sich die widersprüchliche, teils verwirrende Österreich-Ideologie der Austrofaschisten in der Bevölkerung nicht durchsetzen konnte.

    Die Kärntner SlowenInnen im Ständestaat

    Die Mehrheit der katholisch geprägten Kärntner SlowenInnen steht dem Ständestaat zunächst noch positiv gegenüber. Sie erhoffen sich von der klerikalen Diktatur Verbesserungen im zweisprachigen Schulwesen, müssen allerdings bald eine herbe Enttäuschung erleben: Der Slowenischunterricht erfährt weitere Einschränkungen, slowenische Kulturveranstaltungen werden untersagt und die Wochenzeitung „Koroški Slovenec" unterliegt der Zensur. Gemeinsam mit dem Kärntner Heimatbund ergreift die Landesregierung Maßnahmen, um die Zahl der Kärntner SlowenInnen bei der Volkszählung 1934 so niedrig wie möglich zu halten.

    Der Juliputsch der Nationalsozialisten 1934

    Nach dem Verbot der NSDAP im Juni 1933 arbeiten die österreichischen Nationalsozialisten im Untergrund auf einen gewaltsamen Umsturz hin. Gegen den „Ständestaat" gerichtete Sprengstoffanschläge und Attentate häufen sich. Auch in Kärnten verüben nationalsozialistische Terrorkommandos mehrere Anschläge mit dem erklärten Ziel, der österreichischen Wirtschaft zu

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