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Die Komödie des Teufels – Der Pakt: Zwei Grotesken
Die Komödie des Teufels – Der Pakt: Zwei Grotesken
Die Komödie des Teufels – Der Pakt: Zwei Grotesken
Ebook148 pages1 hour

Die Komödie des Teufels – Der Pakt: Zwei Grotesken

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Ein lässig agierender Höllenfürst macht den Sterblichen mit ihren Eitelkeiten und Schwächen eine lange Nase. In zwei auch in Frankreich selten publizierten Grotesken aus der Feder des großen Romanciers Honoré de Balzac erlebt man den Teufel als raffinierten Mephisto.

Die Komödie des Teufels von 1831 zeigt in moderner Übersetzung ein grelles Höllenspektakel, das der Menschheit im Stil eines politisch-satirischen Kabaretts den Spiegel vorhält. In der zweiten Groteske Der Pakt, erschienen 1822, berichtet ein Sterbender, der in die Hölle verdammt wurde, über seine Allianz mit Satan, die seinen mehr als 200 Jahre währenden Lebenslauf bestimmt und ihm dabei die Sinnlosigkeit seiner irdischen Träume offenbart. Beide Erzählungen bieten amüsante höllische und irdische Spektakel aus der Werkstatt eines jungen, ideenreichen Schriftstellers mit ausgeprägtem Sinn für bizarren Grusel und makabre Situationskomik.
LanguageDeutsch
Publishermarixverlag
Release dateFeb 1, 2018
ISBN9783843805742
Die Komödie des Teufels – Der Pakt: Zwei Grotesken
Author

Honoré de Balzac

Honoré de Balzac (Tours, 1799-París, 1850), el novelista francés más relevante de la primera mitad del siglo XIX y uno de los grandes escritores de todos los tiempos, fue autor de una portentosa y vasta obra literaria, cuyo núcleo central, la Comedia humana, a la que pertenece Eugenia Grandet, no tiene parangón en ninguna otra época anterior o posterior.

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    Die Komödie des Teufels – Der Pakt - Honoré de Balzac

    Die Komödie des Teufels

    I. Introitus

    Dieses Fest erschien allen geladenen Gästen als eines der schönsten. Der Speisesaal war erhellt mit achtzehnhundert Lüstern, von denen jeder zwölfhundert Leuchten trug, die ein rosafarbenes, nach Vanille duftendes Gas verströmten. Die Tafel war für zweiunddreißigtausend Besucher gedeckt und wirkte wie eine Schlange, die sich in langen Windungen hin und her bewegt, mal in gerader Linie kriecht, mal in sanften Bögen sich krümmt; elegant, gewunden und geschmeidig verlief sie von hier nach dort, quer durch alle Räume und wiederholte mehrfach ihre Schleifen; kapriziös wie eine junge Katze, die im Zimmer ihrer Herrin spielt, huschte die Tafel in alle Richtungen, glitt überallhin, sich selbst unentwegt kreuzend, und schließlich ruhte ihr prachtvoller Kopf an einem Ende des weiträumigen Saales, in dem das riesengroße Festbankett rauschte.

    Auf dieser herrlichen Tafel glänzten tausende Servierplatten aus Gold und Emaille wie Fischschuppen; zwei gewaltige Amphoren, jede aus einem Rubin gefertigt, funkelten am Kopf des Tisches wie die blutigen Augen einer Boa.

    Und genau an dieser Stelle war ein prunkvoller Thronhimmel aufgehängt.

    In seinem durch schmerzliche Niederlage und Exil verletzten Stolz suchte der Hausherr Trost in leeren Trugbildern und hatte sich das Innere der Kuppel wie ein Abbild des Firmaments erbauen lassen.

    Ein Diamant von vollkommener Reinheit und achthundert Millionen Mal größer als der Regent nahm dort die Position der Sonne ein. Jupiter und Saturn waren zwei enorm große Saphire. Die Durchmesser der Edelsteine, welche die Fixsterne und das Sammelsurium der Planeten darstellen sollten, variierten zwischen dem eines Kronleuchters der Pariser Oper und dem eines Holländer Käses. Der Mond erschien wie ein drittklassiger Opal; die Erde, dargestellt von einem schwach schimmernden Karfunkelstein, hätte im Himmel sicher sehr beeindruckend gewirkt.

    Die Kuppel hing an einem unsichtbaren Faden aus göttlichem Metall in der Luft. Gott hatte es so gewollt. Erzürnt über die Anmaßungen des rebellischen Engels hatte er angeordnet, dieses Monument solle den Kopf Satans ständig bekrönen und zugleich bedrohen. Der gute, aber unverbesserliche Teufel machte darüber jede Menge Witze. So sagte er etwa, dieser Kinderkram rieche zehntausend Meilen gegen den Wind nach dem Damokles-schwert, sei zudem eine erbärmliche Attrappe und Schande für den allmächtigen Schöpfer, von dem er einmal etwas Neues erwartet hätte. Gott hörte auf ihn genauso wenig wie man auf das Publikum des Théâtre Français hört, wenn es Hernani auspfeift. Für den Teufel war demnach der klassische Stil vorgesehen, denn niemand sollte etwas Neues erleben, weder das Publikum, noch Satan, noch sonst jemand.

    Doch der Dämon saß auf seinem Feuerthron und es interessierte ihn herzlich wenig, ob seine Kuppel herunterfallen könnte; stets war er bereit, sie ins All zu stupsen, sollte sie den Anschein machen, sich zu bewegen. Seine wie loderndes Feuer glühenden Augen hielt er unter langen roten Lidern verborgen. Dazu pfiff er mit gespitzten bleichen Lippen das Lied: »In meiner Tabaksdose ja, hab’ ich feinen Tabak da! …« Aber augenscheinlich war er geistesabwesend und gelangweilt, gleichwohl spielte er lässig mit einem Fächer, den man aus Kopffedern von neun Millionen Kolibris angefertigt hatte.

    Indes war das Abendessen ziemlich beschwingt verlaufen. Adam saß als Alterspräsident auf dem zweiten Ehrenplatz und kümmerte sich um alle Anwesenden. Kleopatra müssen wir uns, nebenbei bemerkt, wie eine Heroine von fünf Fuß sechs Zoll vorstellen. Sie war klein, zart, mit dunklem Teint, mal fröhlich lachend, mal fuchsteufelswild, und neckte Friedrich den Großen, der Alkibiades von einem seiner Techtelmechtel erzählte. Pater Lachaise hatte Sokrates den Trinkbecher gestohlen, Konfuzius machte sich über Voltaire lustig, der Heilige Augustinus erzählte tausend Zoten, und Cornelia, die Mutter der Gracchen, gestand gerade, dass ihre Kinder nicht von ihrem Ehemann waren.

    All dies und noch einiges mehr, das man den Sterblichen schicklicherweise nicht berichten sollte, hatte die sorgenvolle Stirn Amphitryons nicht aufheitern können. Sein Verdruss ließ selbst die überhitzten Trunkenbolde zu Eis erstarren und sein Schweigen machte auch den Stärksten schwer zu schaffen. Plötzlich wachte er aus seinen Träumereien auf und sagte entschlossen:

    »In Gottes Namen! Ich will mich jetzt amüsieren!«

    Bei diesen Worten erbebte die ganze Hölle und der Lärm ließ die Wächter der himmlischen Gemächer zu ihren Gewehren greifen.

    Der Teufel war entzückt über das positive Echo seiner Gäste und hob seine Hand, weiß und schmal wie die eines jungen Lüstlings, um mit einer Geste Ruhe zu gebieten. Dann sprach er lächelnd zu seinen Untertanen mit jener mächtigen Stimme, die er wie Trompetenschall, aber auch wie dumpfes Dröhnen von Vulkanen zu Gehör bringen kann, mit jener Stimme, die manchmal einschlägt wie ein Blitz und oft so sanft erklingt wie die flüchtigen Töne einer Äolsharfe:

    »Meine Verdammten! Nun sind gerade, sollte man Herrn Cuvier Glauben schenken, einige Millionen Jahrhunderte vergangen, in denen ich hier zurückgezogen lebe, und es ist kaum mehr als zweioder dreihundert Jahre her, dass ich auf die Idee gekommen bin, ein Theater besitzen zu wollen. Allerdings hat mich der enorme Bevölkerungszuwachs in meinem Staatswesen – besonders nach der Erfindung des Schießpulvers und des Buchdrucks, seit der Entdeckung der Neuen Welt sowie der Existenz von Jesuiten, Lotterie, Morphium, Spielbanken und Cholera – dazu gezwungen, die Pläne für meine Amüsements aufzuschieben. Aber weil meine Minister sich zusätzlich zu ihren Ressorts mit siebenundzwanzig weiteren ruhigen Pöstchen zufrieden geben, meine Regierungsräte an nicht mehr als fünfzehn Futterkrippen fressen und da sichergestellt ist, dass sich meine Behördenleiter mit dreißig Millionen Schmucknadeln und deren Ehefrauen mit drei Liebhabern und zwanzig Kaschmirschals pro Nacht begnügen und meine Angestellten weiterhin vierundzwanzig Stunden am Tag für ein Gehalt von hundert Ecus arbeiten, deshalb, oh meine Verdammten, kann ich mich heute dank solch glücklicher Neuerungen meinem und Eurem Vergnügen widmen. Ich möchte also, dass man mir einen Theatersaal erbaut, für mich Stücke schreibt und bei mir Komödie spielt!« …

    Diese kleine Ansprache, obwohl kaum etwas Besonderes, wurde von der Versammlung mit Bravorufen bedacht; man verstieg sich sogar zu jenem Getrampel, wie es die Bewunderer moderner Balladen praktizieren. Satan, der nun auf einem Sofa ruhte wie die Frau eines Ministers mit acht Tagen Amtszeit, sagte lässig:

    »Also schauen wir mal, wie wir nun in dieser Sache vorgehen!«

    »Ich will die Theaterdirektion übernehmen!«, kläfften hitzige Stimmen wie eine Meute ungestümer Hunde, die jaulend um einen Hirsch herumspringen, während man ihn ausweidet.

    »Die Direktion! Die Direktion!«, schrie ein Ädil, der seinerzeit damit betraut war, die Kloaken Roms zu reinigen.

    »Die Direktion!«, rief ein schneidiger Husarenhauptmann, der kleine Mädchen furchtbar gern hatte.

    »Die Direktion!«, brüllte ein anderer, der die Viola d’amore spielte wie die heilige Cäcilia.

    »Die Direktion!«, bellte schlau ein dicker Pater, der ehemals Kapellmeister gewesen war.

    Aber über alle hinweg hörte man einen Bänkelsänger mit Gascogner Akzent schreien, der ihn sogar in Toulouse verraten hätte:

    »Die Direktion! Die Direktion!«

    »Ruhe! Ruhe!«, sagte rasch der Höllenfürst. »Ich möchte in meinem Reich keine Pleite erleben! Ihr alle wärt in sechs Monaten ruiniert!«

    »Kommt mal her!«, fuhr er fort und wandte sich an einige seiner Untertanen, »kommt näher, denn Ihr scheint etwas von der Sache zu verstehen, erzählt doch mal!«

    Plötzlich verstummten alle anderen und es blieben nur noch zwei Kandidaten übrig.

    Der erste, der herantrat, war ein kleiner Verdammter mit entschlossener Miene, durchsetzungsfähig, intelligent, flexibel wie eine Weidenrute und unverschämt wie der Hofmarschall einer Prinzessin.

    »Ich übernehme den Betrieb Ihres Theaters«, sagte er ohne Umschweife. »Ich werde einen Theatersaal erbauen lassen, der alle dermaßen einzwängt, dass sie den Eindruck gewinnen, sich in einem vollbesetzten Zuschauerraum zu befinden. Ich werde all die netten kleinen Schauspieler aus der Hölle engagieren. Meine Bühnenstücke werde ich von einem meiner Schulfreunde aus dem Internat schreiben lassen. Um für alle entstehenden Kosten aufkommen zu können, werde ich sechshunderttausend Aktien ausgeben …«

    Er wollte gerade in seiner Rede fortfahren, als ein mit Malagawein gefüllter Achat-Krug in seinen Nacken schlug und ihm das Wort abschnitt.

    Die Höllenpolizei suchte den Schuldigen und da sie gute Leute hat, die sich mit genügend Geschick auf das Spitzelgeschäft verstehen, führten zwei Dämonen eine Art Gespenst vor den Thron, das wütend schrie:

    »Aktien! … Haha! Aktien! …Ha! Du willst Aktien ausgeben!«

    Satan befahl, ihm Messerklingen unter die Fingernägel ins Fleisch zu stoßen, damit es lerne, künftig nicht mehr des Teufels Audienzen zu stören; aber da jemand in ihm einen ehemaligen Aktionär erkannte, der in fast alle französischen Unternehmen investiert und auch für das Champ d’Asile gezeichnet hatte, wurde es auf der Stelle begnadigt.

    Der Weinkrug war so schwungvoll geworfen worden, dass der Redner völlig benommen war und daher ein zweiter Kandidat angehört werden musste.

    Dieser war freundlicher, blond und pummelig – halb Lebemann, halb Trottel – und sprach mit tiefer, honigsüßer Stimme:

    »Eure Majestät, Ihr werdet einen Theatersaal erbauen lassen, Ihr werdet die Kostüme bezahlen, Ihr werdet die Dekorationen bezahlen, Ihr werdet die Beleuchtung bezahlen, Ihr werdet die Wachmannschaft bezahlen, Ihr werdet das Orchester bezahlen, Ihr werdet die Chorsänger bezahlen, Ihr werdet die Schauspieler bezahlen, Ihr werdet die Tänzerinnen bezahlen, Ihr werdet die Kontrolleure bezahlen, Ihr werdet die Verwaltung bezahlen, Ihr werdet mir neunhundertfünfzig Millionen geben und ich werde mich um Euer Theater kümmern!«

    Dieser Plan erschien den Ministern des Teufels sehr vernünftig und wirtschaftlich, sodass der

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