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Flexible Produktionskapazität innovativ managen: Handlungsempfehlungen für die flexible Gestaltung von Produktionssystemen in kleinen und mittleren Unternehmen
Flexible Produktionskapazität innovativ managen: Handlungsempfehlungen für die flexible Gestaltung von Produktionssystemen in kleinen und mittleren Unternehmen
Flexible Produktionskapazität innovativ managen: Handlungsempfehlungen für die flexible Gestaltung von Produktionssystemen in kleinen und mittleren Unternehmen
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Flexible Produktionskapazität innovativ managen: Handlungsempfehlungen für die flexible Gestaltung von Produktionssystemen in kleinen und mittleren Unternehmen

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About this ebook

Der flexible Einsatz von Mitarbeitern/-innen in produzierenden Unternehmen adressiert ein Thema von hoher wirtschaftlicher Bedeutung und Aktualität. Gestaltungsmöglichkeiten werden im Hinblick auf Produktionssysteme wie auch in Bezug auf den Einsatz der Personalressourcen behandelt. Produktionsplaner und Personalleitung erhalten konkrete Handlungsempfehlungen.

Dieser praxisorientierte Handlungsleitfaden spricht insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen an. "FlexPro - Flexible Produktionskapazität innovativ managen" war ein Forschungsprojekt in Unternehmen, dessen Ergebnisse als Grundlage dieses Leitfadens anschaulich erläutert werden.

LanguageDeutsch
Release dateJan 27, 2014
ISBN9783642398964
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    Flexible Produktionskapazität innovativ managen - Christopher Marc Schlick

    Christopher Marc Schlick, Klaus Moser und Michael Schenk (Hrsg.)Flexible Produktionskapazität innovativ managen2014Handlungsempfehlungen für die flexible Gestaltung von Produktionssystemen in kleinen und mittleren Unternehmen10.1007/978-3-642-39896-4_1

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

    Unternehmensflexibilität und personelle Flexibilisierungsstrategien in Deutschland

    Cynthia Sende¹   und Nathalie Galais¹  

    (1)

    Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialpsychologie Universität Erlangen-Nürnberg, Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg, Deutschland

    Cynthia Sende (Korrespondenzautor)

    Email: cynthia.sende@wiso.uni-erlangen.de

    Nathalie Galais

    Email: nathalie.galais@fau.de

    Zusammenfassung

    Unternehmen agieren heute oftmals in hoch dynamischen Märkten. Ob Nachfrageänderungen, technologische Neuerungen, Gesetzesänderungen oder Schwankungen des Arbeitskräfteangebots, Unternehmen müssen sich kontinuierlich mit Veränderungen in ihrem Umfeld auseinandersetzen. Sie sollten zum einen in der Lage sein, kurzfristig und zielgerichtet auf die aktuellen Umweltbedingungen, bspw. die aktuelle Nachfragesituation, zu reagieren. Zum anderen gilt es jedoch auch, sich bereits vor dem Eintreten von Veränderungen, wie bspw. dem erwarteten demografischen Wandel, dem befürchteten Fachkräftemangel oder neuen Kundenbedürfnissen, auf diese vorzubereiten. Um in einer dynamischen, unvorhersehbaren Umwelt langfristig erfolgreich am Markt bestehen zu können, müssen Unternehmen den Instabilitäten der Unternehmensumwelt mit geeigneten Anpassungsstrategien begegnen.

    1 Die neue Rolle der Unternehmensflexibilität

    Unternehmen agieren heute oftmals in hoch dynamischen Märkten. Ob Nachfrageänderungen, technologische Neuerungen, Gesetzesänderungen oder Schwankungen des Arbeitskräfteangebots, Unternehmen müssen sich kontinuierlich mit Veränderungen in ihrem Umfeld auseinandersetzen. Sie sollten zum einen in der Lage sein, kurzfristig und zielgerichtet auf die aktuellen Umweltbedingungen, bspw. die aktuelle Nachfragesituation, zu reagieren. Zum anderen gilt es jedoch auch, sich bereits vor dem Eintreten von Veränderungen, wie bspw. dem erwarteten demografischen Wandel, dem befürchteten Fachkräftemangel oder neuen Kundenbedürfnis sen, auf diese vorzubereiten. Um in einer dynamischen, unvorhersehbaren Umwelt langfristig erfolgreich am Markt bestehen zu können, müssen Unternehmen den Instabilitäten der Unternehmensumwelt mit geeigneten Anpassungsstrategien begegnen¹. In diesem Zusammenhang fällt meist auch das Schlagwort „Flexibilität". Die Aktualität und den hohen Stellenwert von Flexibilität verdeutlicht auch die enorme Steigerung von Veröffentlichungen zu diesem Thema (Martínez-Sánchez et al. 2009, S. 538²). Während noch in den 70ger Jahren des 20. Jahrhunderts der Wettbewerb vor allem von den Kosten (und ihrer Reduzierung) dominiert wurde, rückt heute zunehmend die Flexibilität als entscheidender Erfolgsfaktor in den Fokus der Aufmerksamkeit (Kaluza und Blecker 2005, S. 4 f.). Die Erfolgsrelevanz von Flexibilität zeigt sich bspw. darin, dass bei am Neuen Markt notierten Unternehmen, deren Umwelt in hohem Maße durch Veränderungen und Unsicherheiten geprägt ist, bis zu knapp einem Drittel ihres Marktwertes durch ihre strategische Flexibilität aufgeklärt wird (Burmann 2002, S. 365 f.). Neben dem Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wird oftmals die Förderung der Erwerbstätigkeit als Flexibilisierungsziel angeführt. Beispielsweise beschäftigte sich eine Kommission der Freistaaten Sachsen und Bayern in den neunziger Jahren mit der Frage, wie sich die Beschäftigungslage in Deutschland verbessern lasse (Kommission für Zukunftsfragen 1997). Die Kommission spricht sich dafür aus, Arbeitszeit und Personaleinsatz zu flexibilisieren und schlägt dafür u. a. eine kleinere Stückelung der Erwerbsarbeit in Form von Teilzeit- und geringfügiger Beschäftigung sowie eine Förderung von Arbeitnehmerüberlassung und Heim-/Telearbeit vor. Zudem werden arbeitsrechtliche Deregulierungen wie die Erleichterung von befristeten Verträgen und Kündigungen und eine stärkere Differenzierung der Arbeitslöhne empfohlen. Gleichzeitig verlangt die Kommission von den Bürgern mehr Flexibilität, z. B. im Hinblick auf räumliche Mobilität, und mehr Eigeninitiative und Selbstverantwortung.

    Aus der vielfach formulierten Forderung nach mehr unternehmerischer Flexibilität darauf zu schließen, dass eine hohe Flexibilität des (Arbeits-)Marktes sowie des einzelnen Unternehmens ausschließlich positiv sei, würde allerdings zu kurz greifen. Flexibilität kann sowohl für Unternehmen als auch für die Gesellschaft mit Kosten und Risiken verbunden sein (z. B. Vobruba 2007; Kern und Schumann 1998; Kleinknecht 1998; Das und Elango 1995). Beispielsweise warnt Horstmann (2005, S. 1), dass durch eine bloße Maximierung der Unternehmensflexibilität sogar Kosten verursacht werden können, die den Nutzen übersteigen. Außerdem sind auch langfristige Folgen von Flexibilisierungsbestrebungen zu berücksichtigen. So merkt Kleinknecht (1998) an, dass die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und insbesondere der Löhne zwar kurzfristig Vorteile bringe, sich langfristig aber negativ auf Produkt- und Prozessinnovation en auswirke. Sinnvoller als eine maximale Flexibilität anzustreben, scheint es somit, die Unternehmensflexibilität zu optimieren, also die Lücke zwischen dem individuellen Flexibilitätsbedarf und dem vorhandenen Flexibilitätspotential zu schließen.

    Eine Balance zwischen Flexibilität und Stabilität zu finden, steht auch im Fokus des Verbundprojekts „FlexPro". Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Status quo der Flexibilisierungsanforderung en und -strategien in deutschen Unternehmen. Das Augenmerk liegt insbesondere auf kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Beschäftigten (vgl. EU-Definition, Empfehlung 2003/361/EG), da diese 99 % aller Unternehmen und 60 % aller Beschäftigten in Deutschland umfassen (Statistisches Bundesamt 2010), in der Forschung aber im Verhältnis zu ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung oft vernachlässigt werden. Welche Bedeutung hat Flexibilität für KMU in Deutschland? Warum erleben Unternehmen die Notwendigkeit, flexibel zu sein? Mit welchen Maßnahmen versuchen sie Flexibilität zu erreichen und inwieweit gelingt ihnen dies? Das sind zentrale Fragen, die nachfolgend beantwortet werden sollen. Den Schwerpunkt dieses Beitrag bilden personelle Flexibilisierungsstrategien, da sich die Forderung nach mehr Flexibilität und einer Vergrößerung des unternehmerischen Handlungsspielraums oftmals auf die Art und Weise des Personaleinsatzes bezieht (Vobruba 2007, S. 207).

    Dieser Beitrag ist folgendermaßen gegliedert: Als erstes wird ein kurzer Überblick über das Begriffsverständnis von Flexibilität in den Wirtschaftswissenschaften und angrenzenden Disziplinen gegeben. Nach dieser theoretischen Einführung möchten wir Vertreter/innen aus der Unternehmenspraxis zu Ihrem Begriffsverständnis von Flexibilität zu Wort kommen lassen. Dafür werden Ergebnisse aus zwei Expertenbefragungen sowie aus einer deutschlandweiten Unternehmensstudie vorgestellt. Im Anschluss gehen wir den Fragen nach, welche Flexibilisierungsanforderungen Unternehmen in Deutschland erleben und mit welchen Maßnahmen sie darauf reagieren. Als Beispiel einer personellen Flexibilisierungsstrategie, die aktuell im Fokus der öffentlichen Diskussion steht, wird die Zeitarbeit näher betrachtet. Welche Unternehmen nutzen diese Strategie und welche Motive haben sie dafür? Mit welchen potenziellen Risiken ist der Zeitarbeit seinsatz verbunden? Von dieser spezifischen Strategie zur Erreichung von personeller Flexibilität kehren wir danach noch einmal zur Unternehmensflexibilität zurück, um Ansätze zu ihrer Messung zu diskutieren. Um Unternehmen einen ersten Anhaltspunkt zu geben, stellen wir einen kurzen, im Rahmen des FlexPro-Projekts entwickelten Fragebogen zur Selbsteinschätzung der Unternehmensflexibilität vor. Abschließend werden Nutzen und Kosten von Flexibilität diskutiert und verschiedene Flexibilisierungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Unternehmenserfolg verglichen.

    2 Unternehmensflexibilität aus theoretischer und praktischer Sicht

    Flexibilität ist ein sehr positiv besetzter Begriff, den Unternehmen gemeinhin – ebenso wie Qualität – für erstrebenswert erachten (Upton 1994, S. 73). Allerdings haben verschiedene Personen ein unterschiedliches Verständnis davon, was sie mit Flexibilität meinen. Daher sind Flexibilitätsdefinitionen oftmals von spezifischen Anwendungssituationen oder Problemstellungen eingefärbt (Upton 1994, S. 73). Grundsätzlich muss dies zwar kein Problem darstellen, aber die Begriffsvielfalt erfordert es, in der empirischen Flexibilitätsforschung den Untersuchungsgegenstand zunächst genau abzugrenzen. Im Folgenden soll daher zunächst die Problematik der Begriffsdefinition kurz dargestellt werden. Anschließend leiten wir ausgehend von verschiedenen Aspekten des Flexibilitätsbegriffs eine Arbeitsdefinition ab. Da die Ergebnisse aus der Flexibilitätsforschung von Unternehmerinnen und Unternehmern akzeptiert werden und praktischen Nutzen stiften sollen, wird schließlich empirisch geprüft, inwieweit Kernaspekte von wissenschaftlichen Flexibilitätsdefinition en dem Begriffsverständnis in der Unternehmenspraxis entsprechen.

    2.1 Flexibilität: Ein Schlagwort auf der Suche nach seinem Gegenstand

    Die Diskussion über Flexibilität ist „durch eine uneinheitliche Terminologie sowie durch einen fehlenden allgemeingültigen und anerkannten Flexibilitätsbegriff " (Kaluza 1993, S. 1174) gekennzeichnet. In verschiedenen Kontexten wird der Flexibilitätsbegriff mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet (Evans 1991, S. 73). Eben weil dieses Konzept so vage gehalten wird, besteht die Gefahr, dass Flexibilität im politischen Diskurs als Patentrezept fungiert (Vobruba 2007, S. 207). Eine Lösung für die Begriffsunschärfe und die Problematik der inflationären Begriffsverwendung – im alltäglichen wie im wissenschaftlichen Sprachgebrauch – scheint jedoch bisher nicht in Sicht, wenngleich es konzeptuelle Beiträge gibt, die zumindest die sprachliche Vielfalt zu systematisieren versuchen (z. B. Evans 1991, S. 75 f.). Das Problem mag vielleicht auch darin begründet liegen, dass sich so unterschiedliche Fachdisziplinen wie Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften, Soziologie, Psychologie, aber auch Biologie oder Physik des Flexibilitätsbegriffs bedienen. Auch innerhalb einer Fachdisziplin, bspw. den Wirtschaftswissenschaften, besteht kaum Einigkeit darüber, was Flexibilität eigentlich ist.

    Die Bedeutungsbreite von Flexibilität wird deutlich, wenn man betrachtet, auf welchen Abstraktionsebenen der Begriff verwendet wird. Als elementarste Ebene könnte man dabei das Individuum bzw. Objekt betrachten, als höchste ein Netzwerk von (Wirtschafts-)Einheiten (z. B. eine Nation oder Volkswirtschaft).³ Widmen wir uns zunächst der Individualebene. Hier geht es zum einen um die Flexibilität von einzelnen Objekten (z. B. die Biegsamkeit eines Materials oder die Einstellungs- und Anpassungsmöglichkeiten einer Maschine), mit der sich bspw. Physik, Materialwissenschaften oder Ingenieurswissenschaften beschäftigen. Zum anderen wird die Flexibilität von Subjekten betrachtet, insbes. von berufstätigen oder arbeitsuchenden Personen. Eine Fachdisziplin (unter anderen), die sich mit der Flexibilität von Menschen auseinandersetzt, ist die Psychologie, wobei der Flexibilitätsbegriff selbst innerhalb dieser Disziplin in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet wird (Grote 2001). So wird Flexibilität in der Allgemeinen Psychologie als Merkmal von Kognition betrachtet. Hierbei geht es insbes. um die Überwindung rigider Lösungsschemata und die Umstrukturierung von Problemsituationen. Eine andere Teildisziplin der Psychologie, die Differentielle Psychologie, betrachtet sie dagegen als Persönlichkeitsmerkmal – als Gegenpool zu Rigidität (z. B. Krampen 1977) oder aber als Optimum zwischen Chaos und Rigidität (z. B. Bitterwolf 1992) – und versucht sie mittels Persönlichfragebogen zu erfassen. Einen anderen Fokus hat die Arbeits- und Organisationspsychologie. Hier widmet man sich der Flexibilität vor allem vor dem Hintergrund der Beschäftigungsfähigkeit. Mit dieser sind bspw. fachliche und überfachliche Kompetenzen und deren Weiterentwicklung sowie die Bereitschaft zur Veränderung (inklusive Arbeitsplatzmobilität und Berufsmobilität) verbunden. Da Individuen in der Regel in Gruppen zusammenarbeiten (bzw. Maschinen zu technischen System zusammengeschlossen werden), bietet sich nach der Individualebene eine Betrachtung von Flexibilität auf der Ebene der Organisationseinheit an. Hier forschen neben der Arbeits- und Organisationspsychologie auch Arbeits- und Ingenieurswissenschaften sowie Wirtschaftswissenschaften. Flexibilität wird hierbei bspw. in Bezug auf die Gestaltung von Gruppenarbeit (z. B. teilautonome Arbeitsgruppen) oder im Zusammenhang mit einem Produktionssystem (z. B. flexible Fertigungssysteme) untersucht. Auf der Ebene der Organisation geht es schließlich um Themen wie die Gestaltung des Arbeitszeitsystems, die Vergütung (Anreizsysteme), die Verteilung der Produktentwicklung oder die Kooperation mit anderen Organisationen. Lernende Organisation, virtuelle Organisation, atmende Fabrik oder Unternehmensnetzwerke sind Stichworte, die im Zusammenhang mit Flexibilität auf Organisationsebene fallen. Unternehmen wiederum interagieren miteinander sowie mit anderen Akteuren wie z. B. Kunden oder staatliche Institutionen. Daher bietet sich als oberste Ebene die Betrachtung von Flexibilität aus der Perspektive der Gesellschaft an. Arbeitsmarkt- und Lohnflexibilität , die Gestaltung der Sozialsysteme (inklusive Kündigungsschutz) sowie die sozialen Folgen von Flexibilisierung sind hier zentrale Themen, mit denen sich insbes. Volks- und Betriebswirte und Soziologen auseinandersetzen.

    Die Betrachtung von Flexibilität auf verschiedenen Abstraktionsebenen impliziert keinesfalls, dass diese isoliert voneinander sind. Beispielsweise verlangt ein flexibles technisches System oder die Einführung einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung auch nach Mitarbeiter/innen, die sich darauf einlassen, also lern- und anpassungsbereit sind. Die Betrachtung der Flexibilität auf den verschiedenen Ebenen hilft aber zu strukturieren. Dabei widmet sich dieser Beitrag vorrangig der Flexibilität auf Organisationsebene während der Beitrag von Galais und Sende den Schwerpunkt auf die Individualebene legt und im Beitrag von Jörg von Garrel die produzierende Organisationseinheit (speziell das Produktionssystem) im Fokus steht.

    2.2 Definitionen und Arten von Flexibilität

    Zu Beginn einer wissenschaftlichen Untersuchung unternehmerischer Flexibilität steht die Verständigung auf eine begriffliche Basis. Nachfolgend wird daher ausgehend von verschiedenen Definitionen in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eine Arbeitsdefinition von Flexibilität vorgestellt. Daran schließt sich ein kurzer Überblick über Flexibilitätsarten und ihre Systematisierung an, wobei wir uns trotz und gerade wegen der Vielfalt von Flexibilitätsklassifikationen auf zwei sehr einfache und praxisorientierte Systematiken beschränken wollen.

    2.2.1 Flexibilitätsdefinition en

    Mit der Vielfalt der Disziplinen, die sich des Flexibilitätsbegriffs bedienen und den verschiedenen Kontexten, in denen von Flexibilität gesprochen wird (vgl. Abschn. 2.1), geht eine Fülle von Definitionsversuchen einher. Deren kleinster gemeinsamer Nenner liegt darin, dass immer dann von Flexibilität gesprochen wird, wenn es um die Veränderungsbereitschaft oder die Anpassungsfähigkeit eines Systems, eines Subjekts oder eines Objekt geht (Horstmann 2005, S. 11; Kaluza 1993, S. 1173). Tabelle 1 zeigt eine kleine Auswahl von Flexibilitätsdefinitionen.⁴

    Tab. 1

    Beispiele für Flexibilitätsdefinitionen

    Anhand der Beispieldefinitionen wird deutlich, dass Flexibilität i. d. R. als Eigenschaft oder Fähigkeit einer Organisation oder allgemeiner eines Systems aufgefasst wird. Meist wird sie als Anpassung bzw. Anpassungsfähigkeit i. S. der Reaktion auf Veränderungen verstanden. Dabei bleibt oft unbestimmt, was diese Anpassung erforderlich macht. Ist ihre Ursache näher bestimmt, wird diese meist in der sich ändernden Unternehmensumwelt gesehen, während organisationsinterne Bedingungen eher vernachlässigt werden. Die Anpassungshandlungen der Organisation werden häufig als reaktiver Vorgang aufgefasst. Sie beschränken sich also darauf, auf bereits eingetretene Veränderungen zu reagieren. Teilweise werden auch vorausschauende (proaktive) Handlungen in den Flexibilitätsdefinition en berücksichtigt. Dies erscheint insofern wichtig, als eine schnelle und zufriedenstellende Anpassung oft nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Reibungsverlusten möglich ist, wenn erst nachdem Änderungen bereits eingetreten sind, Entscheidungen zu deren Bewältigung getroffen werden (Volberg 1981, S. 16 f.). Einige Definitionen heben auch das Vorhandensein und die Schaffung von Handlungsalternativen als Kernmerkmal bzw. Voraussetzung von Flexibilität hervor.

    Ausgehend von den zentralen Aspekten und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Definitionen wollen wir im Folgenden, wenn von Unternehmensflexibilität die Rede ist, darunter die Anpassungsfähigkeit einer Organisation an sich ändernde organisationsinterne oder -externe Bedingungen sowohl als Reaktion auf aktuellen Anpassungsbedarf als auch vorausschauend auf mögliche zukünftige Anforderungen verstehen.

    2.2.2 Arten von Flexibilität

    Sich an unterschiedliche Bedingungen und sich ändernde Gegebenheiten anpassen zu können, ist das Kernmerkmal von Flexibilität. Diese Anpassung kann sich auf verschiedene Unternehmensbereiche beziehen. Mit ihr können unterschiedliche kurz- und langfristige Ziele verfolgt und zu ihrer Erreichung können verschiedene Mittel eingesetzt werden. Daher wundert es nicht, dass die Versuche, Flexibilität zu klassifizieren, fast so zahlreich sind wie ihre Definitionen. Unterschieden werden bspw. Zielflexibilität von Mittelflexibilität, Bestandsflexibilität von Entwicklungsflexibilität, Built-in-Flexibilität von Handlungsflexibilität, wobei die jeweiligen Flexibilitätsarten z. T. in weitere Unterarten aufgegliedert werden (Kaluzua 1993, S. 1174 ff.). Hierbei besteht allerdings die Gefahr, dass schlussendlich jegliches unternehmerisches Handeln als Maßnahme der Flexibilitätsgestaltung aufgefasst wird.

    Unternehmern/innen erschwert eine solche Vielfalt von Flexibilitätsarten bisweilen die Einschätzung der eigenen Unternehmensflexibilität und die Ableitung geeigneter Maßnahmen. Daher wollen wir im Folgenden auf eine leicht nachvollziehbare Einteilung zurückgreifen, die auf zwei Arbeiten der OECD (1986, 1989) zurückgeht. Diese konzeptionellen Arbeiten zur Arbeitsmarktflexibilität gaben einen wichtigen Anstoß für die Systematisierung von Flexibilisierungsmaßnahmen und wurden von verschiedenen Forschern aufgegriffen, adaptiert und weiterentwickelt (z. B. Dragendorf et al. 1988; Kaluza 1993; Grenier et al. 1997; Bernard 2000; Horstmann 2005; Vobruba 2007). Die OECD unterscheidet unternehmensinterne und -externe Flexibilität und differenziert des Weiteren zwischen numerischer und funktionaler Flexibilität . Andere Autoren (z. B. Vobruba 2007, S. 213) sprechen hier an Stelle von numerischer auch von quantitativer Flexibilität und statt von funktionaler auch von qualitativer Flexibilität⁵. Kombiniert man die beiden Aspekte, können konkrete Maßnahmen in das entstehende Vier-Felder-Schema eingeordnet werden (z. B. Dragendorf et al. 1988, S. 113; vgl. Tab. 2; Vobruba 2007, S. 213). Dabei werden der intern-numerischen Flexibilität v. a. Maßnahmen mit Bezug zur Arbeitszeitgestaltung zugeordnet, während bei der extern-numerischen Flexibilität die Anzahl der Beschäftigten angepasst wird. Funktionale Maßnahmen betreffen v. a. die Qualifizierung der Mitarbeiter und die Gestaltung der Arbeitsorganisation (intern-funktional) oder die kurzzeitige (z. B. Unternehmensberater) oder langfristige (z. B. Outsourcing ) Auslagerung von Teilaufträgen oder Funktionen (extern-funktional).

    Tab. 2

    Flexibilitätstypen und Beispielmaßnahmen. (Darstellung in Anlehnung an Dragendorf et al. 1988, S. 113)

    Die Einteilung von Flexibilisierungsmaßnahme n in intern vs. extern und funktional vs. numerisch bietet die Vorteile, dass sie leicht nachvollziehbar ist und dabei helfen kann, konkrete Maßnahmen zu systematisieren. Somit können Unternehmer/innen prüfen, in welchen Bereichen sie im eigenen Betrieb bereits Flexibilisierungsmaßnahmen ergreifen. Natürlich können Unternehmen hier unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Nicht in allen Bereichen müssen in gleichem Maße Maßnahmen eingesetzt werden. So gibt es neben Unternehmen, die relativ ausgewogen Maßnahmen aus den vier Bereichen nutzen auch solche, die eher auf intern-funktionale Maßnahmen setzen und andere, die verstärkt zu Externalisierung smaßnahmen greifen (Bernard 2000, S. 79 ff.). Ein weiterer Vorteil dieser Systematik von Flexibilität liegt darin, dass die Flexibilisierungsschwerpunkte auch auf Volkswirtschaften übertragbar sind. In angelsächsischen Ländern wie Großbritannien und den USA dominieren bspw. extern-numerische Flexibilisierungsmaßnahmen, während Unternehmen in Deutschland und anderen kontinentaleuropäischen Ländern stärker auf intern-funktionale Maßnahmen setzen (Arvantitis 2005; Zhou et al. 2011; vgl. auch Abschn. 4). Die Nützlichkeit dieser Flexibilitätssystematik zeigt sich darüber hinaus darin, dass die verschiedenen Flexibilitätsarten in unterschiedlichem Maße mit Unternehmenserfolg bzw. volkswirtschaftlichem Erfolg zusammenhängen (vgl. Abschn. 7).

    Neben der Einteilung in interne vs. externe und funktionale vs. numerische Flexibilität , gibt es zahlreiche weitere Systematiken von Flexibilitätsarten, die sich z. T. auf spezifische Bereiche wie die Produktion beziehen. Wir wollen lediglich auf eine weitere, übergeordnete Systematik noch eingehen, da diese einen zeitlichen bzw. intentionalen Aspekt betont, der sich auch in einigen Flexibilitätsdefinitionen wiederfindet. Die Basis der Flexibilitätseinteilung von Evans (1991) bildet der Versuch, (englische) Synonyme für Flexibilität hinsichtlich ihrer Bedeutungsschwerpunkte zu klassifizieren. Herauskristallisiert haben sich dabei zwei Bedeutungsdimensionen: ex post (im Nachhinein = reaktiv) vs. ex ante (im Vorhinein = proaktiv) und offensive vs. defensiv. Evans (1991, S. 78 ff.) kombiniert diese Dimensionen und leitet vier Grundtypen von Flexibilisierungshandlungen ab: Zum ersten die defensiv-reaktive Flexibilität , die darin besteht, eingetretene Schäden zu korrigieren und aus Fehlern zu lernen. Zum zweiten die defensiv-proaktive Flexibilität , welche Maßnahmen umfasst, die protektiv ergriffen werden (z. B. Puffer, Absicherung gegenüber Risiken und Verlusten). Die dritte Art von Flexibilisierungshandlung ist offensiv-reaktiv. Sie ist durch exploratives Verhalten gekennzeichnet, das dazu dient, neue Möglichkeiten (z. B. neue Märkte) zu erkunden und zu nutzen. Die vierte Form ist die offensiv-proaktive Flexibilität , die präventiv angelegt ist. Hier geht es darum, von vornherein Maßnahmen zu ergreifen, um auf potentielle zukünftige Änderungen (z. B. einen Fachkräftemangel) vorbereitet zu sein. Die Perspektive von Evans (1991) kann die Flexibilitätsarten der OECD ergänzen, da hier der zeitlich-intentionale Aspekt von Flexibilisierungshandlungen berücksichtigt wird. Dieser findet sich auch in einigen Flexibilitätsdefinition en (vgl. Abschn. 3.2.1) wieder, in denen das offensive Schaffen von Handlungsspielräumen oder das vorausschauende Vorbereiten auf mögliche (Umwelt-)Änderungen als Merkmale von Flexibilität verstanden werden. Zudem wird er auch von anderen Autoren aufgegriffen⁶. Dass es sinnvoll ist, auch die proaktive Komponente von Flexibilität zu berücksichtigen, zeigt eine Studie mit KMU im IT-Bereich: Sowohl reaktive als auch proaktive strategische Flexibilität leisten einen bedeutenden Erklärungsbeitrag für den Unternehmenserfolg , wobei beide Flexibilitätsaspekte sich für die Vorhersage unterschiedlicher Erfolgsmaß e eignen (Celuch et al. 2007, S. 193 f.). Welche Bedeutung Unternehmer/innen Flexibilität im Allgemeinen und den hier genannten Flexibilitätsaspekten im Besonderen beimessen, wird uns im folgenden Abschnitt beschäftigen.

    2.3 Inhalte und Merkmale von Flexibilität aus Unternehmenssicht

    Neben der bisher dargestellten, wissenschaftlich-theoretischen Perspektive ist die Erforschung der Sicht von Praktikern eine weitere Möglichkeit, sich dem Thema Flexibilität zu nähern. Unternehmen sind tagtäglich mit den Herausforderungen konfrontiert, die dynamische Umwelten stellen. Sollten sie daher nicht auch in der Lage sein, für sich selbst zu definieren, was Flexibilität im Unternehmenskontext bedeutet und unter welchen Bedingungen sie flexibel sind?

    Zur Untersuchung des Begriffsverständnisses und der Bedeutung von Unternehmensflexibilität in der Unternehmenspraxis führten wir in einem ersten Schritt Telefoninterviews mit Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern sowie weiteren Unternehmensvertretern. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, freie und ausführliche Antworten auf offen gestellte Fragen zu erhalten und somit das Thema in seiner Breite erfassen zu können, einschließlich solcher Aspekte, die vorab noch nicht bedacht wurden. Die Interviewergebnisse dienten zudem als Basis für die Entwicklung eines Fragebogens zur Selbsteinschätzung der Unternehmensflexibilität (siehe Abschn. 6.3 und 8). Im Rahmen dieser Fragebogenentwicklung wurde eine Online-Expertenbefragung durchgeführt, die weitere – diesmal standardisierte – Fragen zum Begriffsverständnis beinhaltete. Die Erkenntnisse aus den Telefoninterviews und der Flexibilitätsfragebogen wurden später in eine ausführliche, deutschlandweite Unternehmensbefragung einbezogen. Zentrale Ergebnisse dieser drei Studien werden im Folgenden vorgestellt.

    2.3.1 Telefonische Experteninterviews

    Als erste Annäherung an das Flexibilitätsverständnis in der Unternehmenspraxis wurden Telefoninterviews mit Vertretern/innen von 19 Unternehmen geführt. Gesprächspartner waren zumeist Geschäftsführer/innen oder Abteilungs- und Bereichsleiter/innen. Nähere Angaben zur Stichprobe sind Tab. 3 zu entnehmen.

    Tab. 3

    Merkmale der Stichprobe für die Experteninterviews

    Gefragt danach, was Flexibilität und Flexibilisierung für sie persönlich und für ihr Unternehmen bedeuten, wurden vor allem zwei Themenbereiche angesprochen: Mitarbeiterflexibilität bzw. personelle Flexibilität und die Flexibilität im Umgang mit Kundenaufträgen. Hinsichtlich der Mitarbeiterflexibilität betonten mehrere Interviewpartner, dass der zeitlich flexible Mitarbeitereinsatz sehr wichtig sei, da es Phasen gebe, in denen das Arbeitsaufkommen hoch sei und andere Phasen, in denen die Beschäftigten weniger zu tun hätten. Dass die Beschäftigten bereit sind, sich darauf einstellen und bspw. Überstunden leisten, wird oftmals erwartet. Neben der zeitlichen Flexibilität der Belegschaft thematisierte ein Unternehmer auch die persönliche Weiterentwicklung, die notwendig sei, um sich auf neue Anforderungen einzustellen. Des Weiteren verbanden die Befragten v. a. Anpassung an die Kunden mit dem Begriff Unternehmensflexibilität. Insgesamt 13 der 19 Befragten sprachen die schwankende Auftragslage, kurzfristige Aufträge und sich ändernde Kundenwünsche an. „Kurzfristig auf Auftragsschwankung en reagieren zu können – das ist das A und O im produzierenden Gewerbe" sagte bspw. der Personalleiter eines Maschinenbauunternehmens. Dass Kundenwünsche innerhalb von 24 h erfüllt werden müssen und in der Produktion die Variantenvielfalt durch die Kundenwünsche zunimmt, gab der stellvertretende technische Leiter eines Lebensmittelproduzenten an. Neben dem (v. a. zeitlich) flexiblen Mitarbeitereinsatz

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