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Medizinrecht: Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht
Medizinrecht: Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht
Medizinrecht: Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht
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Medizinrecht: Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht

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Juristen, Ärzte, Pharmakologen und Apotheker finden in diesem Werk vier wesentliche Aspekte des Medizinrechts: das Arztrecht, das Arzneimittelrecht, das Recht der Medizinprodukte und das Transfusionsrecht. Die rechtliche Darstellung medizinischer, pharmazeutischer und medizintechnischer sowie transplantations- und transfusionsrechtlicher Probleme verdeutlichen Entscheidungen und praktische Fälle. Ein Blick auf ausländische Entscheidungen, Regeln und Tendenzen rundet das Bild ab. Europarechtliche Vorgaben werden eingehend beleuchtet. Die 7. Auflage setzt neue Akzente im Bereich des Transplantationsrechts, der Patientenverfügung und der Sterbebegleitung und zeigt neuere Entwicklungen in Europa im Recht der medizinischen Forschung, auch an Tieren. Wegen der genauen Gliederung und des ausführlichen Registers ist das Buch auch als Nachschlagewerk geeignet.

LanguageDeutsch
PublisherSpringer
Release dateApr 7, 2014
ISBN9783642381492
Medizinrecht: Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht

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    Medizinrecht - Erwin Deutsch

    Teil 1

    Teil A Arztrecht

    Erwin Deutsch und Andreas SpickhoffMedizinrecht7. Aufl. 2014Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht10.1007/978-3-642-38149-2_1

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

    I. System und Grundlagen

    Erwin Deutsch¹   und Andreas Spickhoff²  

    (1)

    Dr. iur. (Heidelberg), Dr. iur. h.c. (Pusan), Dr. med. h.c. (Köln), Dr. med. h.c. (Hannover), Dr. iur. h.c. (Halle a. S.), Dr. iur. h.c. (Izmir), M.C.L. (Columbia/N.Y.) em. ordentlicher Professor für Zivilrecht, Arztrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Göttingen Richter am Oberlandesgericht Celle a. D. Zentrum für Medizinrecht, Göttingen, Deutschland

    (2)

    Dr. iur. (Göttingen) ordentlicher Professor für Bürgerliches Recht, Medizinrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Göttingen Zentrum für Medizinrecht, Göttingen, Deutschland

    Erwin Deutsch

    Email: edeutsch@gwdg.de

    Andreas Spickhoff (Korrespondenzautor)

    Email: andreas.spickhoff@jura.uni-goettingen.de

    1. Medizinrecht und Gesundheitsrecht

    2. Gegenstand, Charakter und Funktion des Arztrechts als berufsbezogener Bestandteil des Medizinrechts

    3. Interessen und Rechtsquellen des Arztrechts, des Arzneimittelrechts, des Medizinprodukterechts und des Transfusionsrechts als Bestandteile des Medizinrechts

    4. Standesrecht und medizinische Ethik

    5. Arztrechtliche Maximen

    a) Heilauftrag des Arztes

    b) Anwendung der Regeln der medizinischen Wissenschaft

    c) Fortentwicklung der Wissenschaft

    d) Vertrauen des Patienten

    e) Selbstbestimmung des Patienten

    f) Partnerschaft zwischen Arzt und Patient

    g) Privatrechtliche Ausrichtung des Arzt-Patienten-Verhältnisses

    h) Autonomie des Arztberufs

    i) Ärztliche Approbation und freier Beruf

    j) Arzt im Krankenhaus und Ärzteteam

    k) Persönlicher Kontakt und Telemedizin

    Zusammenfassung

    Das „Medizinrecht und seine zentralen Bestandteile Arztrecht, Arzneimittelrecht, Recht der Medizinprodukte sowie Transfusionsrecht sind vergleichsweise neue Rechtsgebiete. Sie benennen die betreffenden Rechtsgebiete vom Gegenstand, in Bezug auf das Arztrecht vom Beruf her. Diese besonderen Gegenstände machen es notwendig, die herkömmlichen Grenzziehungen in Zivilrecht, öffentliches Recht und Strafrecht zu überschreiten. Dabei umfasst das Medizinrecht die Gesamtheit der Regeln, die sich auf die Ausübung der Heilkunde beziehen. Das Gesundheitsrecht geht demgegenüber weniger spezifisch von einem (weiten) Begriff der Gesundheit aus; bekanntlich definiert die World Health Organization Gesundheit als Zustand des vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Diese Begriffsbestimmung geht deutlich über diejenige des strafrechtlichen (insbes. §§ 223 ff. StGB) und haftungsrechtlichen (im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB) Begriffs der Gesundheit hinaus; das Grundgesetzes spricht in Art. 2 Abs.2 GG – nur – von „Leben und körperlicher Unversehrtheit. Das Gesundheitsrecht schließt dann alle Normen ein, die der Gesundheit – je nach der Weite des Begriffsverständnisses – dienen. Es befasst sich demgemäß mit dem Gesundheitssystem an sich, namentlich dem Recht der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung (das seinerseits indes auch einen Bestandteil des Medizinrechts bildet), aber auch öffentlich-rechtlichen Aspekten wie der Gefahrenabwehr, etwa im Bereich des Seuchen-, Hygiene- oder Lebensmittelrechts, ja sogar des Umweltrechts. In den letztgenannten Bereichen (insoweit als „Recht der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung) verläßt das Gesundheitsrecht dann den Bereich des Medizinrechts. Das Gesundheitsrecht in Anlehnung an die US-amerikanische Terminologie auf das öffentliche Recht zu verengen (im Sinne von „Public Health Law oder „Recht des öffentlichen Gesundheitswesens) und dem Medizin- oder Arztrecht eine zumindest vorrangig zivil- oder strafrechtliche Prägung zuzuschreiben, würde demgegenüber zu einem Rückfall in die überkommene Einteilung des Rechts in Säulen (Zivil-, Straf- und öffentliches Recht) verführen und ist daher nicht zu befürworten. An sich unpassend ist es freilich, dass der Begriff des Gesundheitsrechts gelegentlich als Synonym von „Medizinrecht verwendet wird. Konsequenzen haben derlei Ungenauigkeiten in der Begriffsbildung freilich nicht. Bislang nicht durchgesetzt hat sich – trotz vereinzelter entsprechender (Teil-) Denominationen von Professuren – ein Rechtsgebiet des Bio- oder Biomedizinrechts; beides läßt sich vom Medizin- bzw. Gesundheitsrecht kaum sinnvoll abgrenzen oder ausklammern. Obwohl durchaus von „Patientenrechten gesprochen wird und ein Patientenrechtegesetz verabschiedet worden ist (dazu sogleich Rn. 2), hat sich schließlich kein damit korrespondierendes Rechtsgebiet namens „Patientenrechterecht etabliert. Ein sachlicher Gewinn wäre dadurch auch kaum zu erzielen.

    Ausgewählte Literatur

    Brenner, Verfassungsrechtliche Vorgaben der ärztlichen Therapiefreiheit und die Aufhebung des Substitutionsverbotes, SGb 2002, 129; Damm, Persönlichkeitsschutz und medizintechnische Entwicklung, JZ 1998, 926; ders., Imperfekte Autonomie und Neopaternalismus, MedR 2002, 375; ders., Systembezüge individueller Patientenrechte, in: Individuelle Gesundheit versus Public Health? (Hrsg. Brand/v. Engelhardt/Simon/Wehkamp), 2001, S. 48; ders., Privatautonomie und Patientenautonomie – Selbstbestimmung auf Güter-, Dienstleistungs- und Gesundheitsmärkten, Festschr. f. E. Schmidt, 2005, 73; ders., Beratungsrecht und Beratungshandeln in der Medizin, MedR 2006, 1; ders./Schulte in den Bäumen, Indikation und informed consent, KritV 2005, 101; Deutsch, Vertrauen und Recht im Arzt-Patienten-Verhältnis, Medizin und Ethik 1981, 59; ders., Die Methodenlehre des Medizinrechts, MedR 2013, 708; Duttge/Dochow, Rechtliche Problemfelder einer „personalisierten Medizin", in: Niederlag/Lemke/Rienhoff (Hrsg.), Personalisierte Medizin & Informationstechnologie, 2010, S. 251; Eser, Der Arzt zwischen Eigenverantwortung und Recht, Festschr. f. Auer, 1980, 185; ders., Zur Regelung der Heilbehandlung in rechtsvergleichender Perspektive, Festschr. f. Hirsch, 1999, 465; Fischer/Lilie, Ärztliche Verantwortung im europäischen Rechtsvergleich, 1999; Frahm, Einschränkung der Therapiefreiheit durch das Haftungsrecht, GesR 2005, 529; Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, 1999; Giesen, Health Care as a Right, MedLaw 1994, 285; Hanika, Patientencharta, MedR 1999, 149; Huster, Gesundheitsgerechtigkeit: Public Health im Sozialstaat, JZ 2008, 859; ders., Knappheit und Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen, DVBl 2010, 1069; Illhardt, Medizinische Ethik, 1985; Joerden/Hilgendorf/Thiele (Hrsg.), Menschenwürde und Medizin, 2013; Jung, Das Recht auf Gesundheit, 1980; Kamps, Aut-idem aut exitus der Therapiefreiheit, MedR 2002, 193; Kingreen, Medizinrecht und Gesundheitsrecht, Festschrift für Deutsch, 2009, 283; G. Kirchhof, Ärztliches Handeln zwischen Heilen, Forschung und Erneuerung, MedR 2007, 147; P. Kirchhof, Medizin zwischen Ethik, Recht und Vorbehalt des Möglichen, Festschr. f. Laufs, 2005, 931; Kluth, Ärztliche Berufsfreiheit unter Wirtschaftlichkeitsvorbehalt?, MedR 2005, 65; Koch, Medizinrecht: Ersatz oder Pendant medizinischer Ethik?, EthikMed 1994, 2; Köbler, Vom Arzt im Recht zum Arztrecht, Festschr. f. Laufs, 2005, 157; Koyuncu, Die Rolle des Patienten im Gesundheitswesen und in der Gesundheitspolitik, PatR 2007, 53 u. 103; Laufs, Grundlagen des Arztrechts, Festschr. f. Weitnauer, 1980, 363; ders., Zur Freiheit des Arztberufs, Festschr. f. Deutsch, 1999, 625; ders., Patientenrechte, NJW 2000, 847; ders., Medizinrecht – eine neue juristische Disziplin?, in: Lilie/Bernat/Rosenau (Hrsg.), Standardisierung in der Medizin als Rechtsproblem, 2009, 19; G. Müller, Macht und Grenzen ärztlichen Handelns, GesR 2004, 257; Neuhaus (Hrsg.), Pluralität in der Medizin, 1980; Preis, Der Arzt zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Regulierung, MedR 2010, 139; Röthel, Form und Freiheit der Patientenautonomie, AcP 211 (2011), 196; Schaber, Menschenwürde: ein für die Medizinethik irrelevanter Begriff?, EthikMed 2012, 297; Schmidt-De Caluwe, Das Behandlungsverhältnis zwischen Vertragsarzt und sozialversichertem Patienten, VSSR 1998, 207; Schneider, Patientenrechte, MedR 2000, 497; Schreiber, Biomedizin und Biorecht – neue Formeln für Arztrecht und Medizinrecht?, in: Lilie/Bernat/Rosenau (Hrsg.), Standardisierung in der Medizin als Rechtsproblem, 2009, 11; Schütte, Die Rechtsbeziehungen zwischen Kassenarzt und Patient, SozVers 1997, 143; Sickor, Normenhierarchie im Arztrecht, 2005; ders., Normenhierarchie im Arztrecht, RPG 2006, 69; Spoerr, Medizinischer Fortschritt unter Erlaubnisvorbehalt, NJW 1999, 1773; Steiner, Das Bundesverfassungsgericht und die Volksgesundheit, MedR 2003, 1; ders., Das Bundesverfassungsgericht und die Gesundheit der Deutschen, in: Kingreeen/Laux (Hrsg.), Gesundheit und Medizin im interdisziplinären Diskurs, 2008, 129; Taupitz, Rechtliche Bindungen des Arztes: Erscheinungsweisen, Funktionen, Sanktionen, NJW 1986, 2851; Ulsenheimer, Qualitätssicherung und risk-management im Spannungsverhältnis zwischen Kostendruck und medizinischem Standard, MedR 1995, 438; ders., Das Gewissen des Arztes in einer verrechtlichten und ökonomisch geprägten Medizin, A&I 2012, 553; Welti, Der sozialrechtliche Rahmen ärztlicher Therapiefreiheit, GesR 2006, 1; Wiesemann, Autonomie als Bezugspunkt einer universalen Medizin, EthikMed 2012, 287; Zuck, Biomedizin als Rechtsgebiet, MedR 2008, 57,

    1. Medizinrecht und Gesundheitsrecht

    1 Das „Medizinrecht" und seine zentralen Bestandteile Arztrecht, Arzneimittelrecht, Recht der Medizinprodukte sowie Transfusionsrecht sind vergleichsweise neue Rechtsgebiete. Sie benennen die betreffenden Rechtsgebiete vom Gegenstand, in Bezug auf das Arztrecht vom Beruf her. Diese besonderen Gegenstände machen es notwendig, die herkömmlichen Grenzziehungen in Zivilrecht, öffentliches Recht und Strafrecht zu überschreiten. Dabei umfasst das Medizinrecht die Gesamtheit der Regeln, die sich auf die Ausübung der Heilkunde beziehen¹. Das Gesundheitsrecht geht demgegenüber weniger spezifisch von einem (weiten) Begriff der Gesundheit aus; bekanntlich definiert die World Health Organization Gesundheit als Zustand des vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Diese Begriffsbestimmung geht deutlich über diejenige des strafrechtlichen (insbes. §§ 223 ff. StGB)² und haftungsrechtlichen (im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB) Begriffs der Gesundheit hinaus; das Grundgesetzes spricht in Art. 2 Abs. 2 GG – nur – von „Leben und körperlicher Unversehrtheit. Das Gesundheitsrecht schließt dann alle Normen ein, die der Gesundheit – je nach der Weite des Begriffsverständnisses – dienen³. Es befasst sich demgemäß mit dem Gesundheitssystem an sich, namentlich dem Recht der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung (das seinerseits indes auch einen Bestandteil des Medizinrechts bildet), aber auch öffentlich-rechtlichen Aspekten wie der Gefahrenabwehr, etwa im Bereich des Seuchen-, Hygiene- oder Lebensmittelrechts, ja sogar des Umweltrechts. In den letztgenannten Bereichen (insoweit als „Recht der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung) verläßt das Gesundheitsrecht dann den Bereich des Medizinrechts⁴. Das Gesundheitsrecht in Anlehnung an die US-amerikanische Terminologie auf das öffentliche Recht zu verengen (im Sinne von „Public Health Law oder „Recht des öffentlichen Gesundheitswesens) und dem Medizin- oder Arztrecht eine zumindest vorrangig zivil- oder strafrechtliche Prägung zuzuschreiben⁵, würde demgegenüber zu einem Rückfall in die überkommene Einteilung des Rechts in Säulen (Zivil-, Straf- und öffentliches Recht) verführen und ist daher nicht zu befürworten. An sich unpassend ist es freilich, dass der Begriff des Gesundheitsrechts gelegentlich als Synonym von „Medizinrecht verwendet wird⁶. Konsequenzen haben derlei Ungenauigkeiten in der Begriffsbildung freilich nicht. Bislang nicht durchgesetzt hat sich – trotz vereinzelter entsprechender (Teil-) Denominationen von Professuren – ein Rechtsgebiet des Bio- oder Biomedizinrechts⁷; beides lässt sich vom Medizin- bzw. Gesundheitsrecht kaum sinnvoll abgrenzen oder ausklammern. Obwohl durchaus von „Patientenrechten gesprochen wird und ein Patientenrechtegesetz verabschiedet worden ist (dazu sogleich Rdnr. 2), hat sich schließlich kein damit korrespondierendes Rechtsgebiet namens „Patientenrechterecht" etabliert. Ein sachlicher Gewinn wäre dadurch auch kaum zu erzielen.

    2. Gegenstand, Charakter und Funktion des Arztrechts als berufsbezogener Bestandteil des Medizinrechts

    2 Das „Arztrecht als zentraler Bestandteil des Medizinrechts ist nicht ein subjektives Recht, also nicht ein dem Arzt als Person oder Berufsausübender zustehender Anspruch. Vielmehr stellt es als objektives Recht die Zusammenfassung aller Rechtsregeln dar, die sich auf die Berufsausübung durch den Arzt und auf das Verhältnis des Patienten zum Arzt beziehen. Erfasst sind die Rechtsverhältnisse, die zwischen jedem den Arztberuf privat ausübenden oder im Krankenhaus tätigen Mediziner und dem Patienten sowie der Gesellschaft bestehen. Dabei ist der Begriff „Arzt hier in einem weiteren, die Institution ebenso wie die Pluralität umfassenden Sinne zu verstehen. Auch die das Krankenhaus betreffenden Regeln sind erfasst, soweit es um ärztliche Dienste geht. Eine Mehrheit von Ärzten, die sich zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen hat oder die als Team im Wege moderner Arbeitsteilung den Patienten behandelt, ist ebenso einbezogen. Als objektives Recht akzentuiert der Begriff Arztrecht nicht das Wort „Arzt". Interessen- und wertungsjuristisch erscheint vielmehr der Patient gleichberechtigt. Arzt und Patient bringen beide ihre oft übereinstimmenden, gelegentlich aber auch kollidierenden Interessen in die Regelung ein: Recht, Ethik und vor allem das die Arzt-Patienten-Beziehung beherrschende Vertrauen haben die Aufgabe, den Interessengegensatz zwischen Arzt und Patient dort, wo er besteht, aufzulösen und zu harmonisieren, notfalls zu entscheiden.⁸ Obwohl man durchaus von „Patientenrechten spricht⁹, ist der Terminus „Patientenrechterecht (oder Patientenrecht) als Synonym für oder gar als Gegenbegriff zum Rechtsgebiet „Arztrecht nicht geläufig. Der Grund liegt darin, dassss im ganzen gesehen der Arzt die charakteristische Leistung erbringt. Zumindest terminologisch wechselt indes die Blickrichtung vom Gegenstand („Medizin-Recht) bzw. von der Behandlungsseite („Arzt-Recht) hin zu den besonderen Rechten der Patienten im sog. Patientenrechtegesetz, das insbesondere die Arzthaftung und flankierende verfahrensrechtliche Fragen in vorhandenen Regelungswerken (BGB, SGB V) kodifiziert hat. Ungeachtet solcher terminologischer Verschiebungen, die nicht zu einem „neuen Rechtsgebiet führen, sondern eher politischen Zwecken geschuldet sind (es gibt mehr potentielle Patienten als Mediziner), ist auch die Reichweite der Patientenrechte gemäß dem interessen- und wertungsjuristischen Anliegen eines adäquaten Ausgleichs der Interessen aller Beteiligter (unter Einbeziehung von privaten und gesetzlichen Versicherungen, also der Solidargemeinschaft) abzustecken.

    3 Die Funktion des Arztrechts geht von den Positionen des berufsausübenden Arztes und des Patienten aus. Der Patient bedarf des Arztes zur Erhaltung seiner Gesundheit, nicht selten kommt er zu ihm in einer für ihn existentiellen Situation. Selbst die Umschreibung einer Notwendigkeit ärztlicher Hilfe „von der Wiege bis zur Bahre" erscheint noch als Untertreibung¹⁰, man denke nur an ärztliche Betreuung im Interesse hernach Gezeugter (genetische Beratung, die medizinisch assistierte Zeugung selbst) und die Obduktion oder Transplantation, bei denen auch die Interessen des Verstorbenen zu berücksichtigen sind. Auf der anderen Seite erscheint der Arzt als professioneller Helfer, als der Ausübende eines freien Berufs. Beide Intentionen aufeinander zu beziehen ist die Funktion des Arztrechts. Vor Gericht mag die arztrechtliche Frage in völlig unterschiedlichem Gewand auftreten, etwa als Klage auf Zahlung, als Haftungsfall, als Strafanzeige, als Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen oder als Grundlage eines Antrags auf Betreuung. Das Arztrecht hat als Rechtsgebiet seine verschiedenen Erscheinungsformen im Straf-, Zivil- oder Öffentlichen Recht verbunden und versteht das Recht der medizinischen Behandlung oder Begutachtung als zusammengewachsene Einheit, nicht anders als das Medizinrecht im Ganzen. Verbleibende, auf den unterschiedlichen Zwecksetzungen der Rechtsgebiete (etwa ziviles Haftungs- und Strafrecht) beruhende Unterschiede treten dahinter in weiten Bereichen zurück.

    4 Eine der Grundfragen des Arztrechtes war seit langem, ob das Verhältnis zwischen behandelndem Arzt und vertrauendem Patienten als Vertrag oder als soziales Verhältnis zu verstehen ist. Es ist heute nicht mehr die eher alliterative Frage, ob das „Vertrauen durch „Vertrag ersetzt wird. Vielmehr streiten sich rechtspolitisch privatrechtlicher Vertrag und sozialrechtliches Verhältnis um die Pilotfunktion auf diesem Gebiet. Beide Positionen lassen sich begründen: Die soziale Versicherung deckt die große Mehrheit der Behandlungen der Bevölkerung; der private Behandlungsvertrag ist historisch die Grundlage der Juridifizierung des Arzt-Patienten-Verhältnisses geworden. Im Ergebnis hat die zivilrechtliche Rechtsprechung mit Grund seit jeher der Vertragsauffassung den Vorzug gegeben.¹¹ Für den Privatpatienten ließ sich dies von vornherein kaum anzweifeln. Der Gesetzgeber hat sich mittlerweile wohl eindeutig für die umfassende privatvertragliche Konzeption entschieden, wenn es in § 630a Abs. 1 BGB heißt, dass die Behandlungsseite die medizinische Behandlung, die Patientenseite hingegen die Vergütung schuldet (Privatpatienten), „soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist (wie bei gesetzlich versicherten Patienten die gesetzliche Krankenversicherung bzw. die kassenärztliche Vereinigung als „Dritter)¹². Der privatrechtliche Vertrag erlaubt ohnehin auch für den Kassenpatienten und den Kassenarzt eine individuelle Gestaltung. Sonderabreden sind möglich, etwa der reine Diagnosevertrag, die sog. second opinion, ebenso Wahl- oder Sonderleistungen, die extra vom Patienten zu vergüten sind, namentlich sog. Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL). Die medizinische Behandlung wird auf der Grundlage eines Vertrags nicht paternalistisch zugeteilt. Abgesehen davon müsste auch eine Einordnung des Arzt-Patienten-Verhältnisses als sozialrechtliche Beziehung Schädigungen durch den Arzt mit den zivilrechtlich gewachsenen Kategorien von Pflichtverletzung, Verschulden und eventuell Gefährdung bewältigen.

    3. Interessen und Rechtsquellen des Arztrechts, des Arzneimittelrechts, des Medizinprodukterechts und des Transfusionsrechts als Bestandteile des Medizinrechts

    5 Anliegen des Arztrechts ist der Ausgleich der Interessen von den ihren Beruf privat ausübenden oder im Krankenhaus tätigen Medizinern, ihrer Patienten sowie der Gesellschaft. Dabei sind die Berufsausübung durch den Arzt, sein Heilauftrag, das vom Patienten gewährte Vertrauen sowie die Regulierung und Integrierung des Heilberufs in das Gemeinwesen von erheblicher Bedeutung. Rollenspezifisch handelnd erscheint der Arzt als Professional und der Patient als der oft existentiell berührte Hilfesuchende. Die Pflichten von Arzt und Patient lassen sich schlagwortartig zusammenfassen¹³: Im Vordergrund der ärztlichen Tätigkeit stehen Helfen, Schützen, Nicht-Täuschen. Für den Patienten gilt entsprechend: Ansprechen, Vertrauen, Befolgen. Grundsätzlich ist das Arzt-Patienten-Verhältnis eine Zweierbeziehung, die jedoch bei der Klinikbehandlung, der Aufspaltung der modernen Medizin in Spezialitäten, bei der Teamleistung und im System der gesetzlichen Krankenversicherung vielfach auf ein größeres Ganzes bezogen ist.

    6 Hinzu getreten ist seit etlichen Jahren über die gesetzlichen Versicherungen das Interesse der Allgemeinheit (infolge der staatlichen Zuzahlungen aus dem Steueraufkommen wohl – von privaten Krankenversicherungen abgesehen – nicht nur das Interesse der Gesamtheit der Krankenversicherten). Dieses findet in Budgetierungen, im Kostendruck und in Sparzwängen seinen – manchmal bedrückenden – Ausdruck. Man diskutiert demgemäß notwendigerweise den Einfluss von Leistungsbegrenzungen im Sozialrecht auf den haftungs- und strafrechtlich maßgeblichen medizinischen Standard sowie über die ökonomische Analyse (auch) des Medizin- und Arztrechts¹⁴. In der Tat können Erkenntnisse der Gesundheitsökonomie und der ökonomischen Analyse des Rechts bei der Auslegung und – mehr noch – bei der Schaffung von neuem positiven Recht nicht unberücksichtigt bleiben. Derartige Überlegungen können die jeweiligen Akteure auf der Seite der Behandelnden z. B. zum sog. Risk-Management führen¹⁵, vorausgesetzt, dieses genügt seinerseits den Kriterien der (betriebswirtschaftlichen) Kosten-Nutzen-Analyse. Im übrigen ist jeweils sorgsam darauf zu achten, dass die Prämissen der jeweiligen Modelle auch an der Rechtswirklichkeit ausgerichtet sind. So ist es durchaus fraglich, ob und inwieweit ein behandelnder Arzt konkret vorrangig als „homo oeconomicus handelt, oder ob nicht andere, ethische Leitprinzipien sein Verhalten bestimmen. Anders wird es typischerweise in der Wirtschaftsabteilung der Klinikleitung und erst recht bei Produzenten von Arzneimitteln oder Medizinprodukten liegen. Ungeachtet der Problematik der Prämissen ökonomisch-analytischer Modelle sind zudem normative Grenzen zu beachten, die es in jedem Falle einzuhalten gilt, selbst wenn die Hinnahme bestimmter Schädigungen zu einem gesamtwirtschaftlichen Gewinn führen würde. Auch nach ökonomischen Kriterien nicht „gewinnträchtigen Patiete wie Rentnern, Todkranken oder Schwerstbehinderten ist dieselbe medizinische Sorgfalt geschuldet wie Personen, deren Heilung „gewinnbringend erscheint (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Ungeachtet dessen könnten die Selbstbeteiligung einerseits und die Möglichkeit, Defizite der gesetzlichen Krankenversicherungen von den darüber Versicherten (fast 90 % der Gesamtbevölkerung) durch den Abschluss ergänzender Privatversicherungen auszugleichen, zu einer „Renaissance privatrechtlicher Haftungs- und Versicherungslösungen¹⁶ führen. Gleichwohl ist ein Ausbau des Staates durch Einführung einer haftungsersetzenden Patientenversicherung nicht angezeigt¹⁷.

    7 Vor einigen Jahrzehnten gab im deutschen Recht die Kriminalistik auf dem Gebiet des Arztrechts den Ton an. Hauptproblem schien damals die (heute von der Praxis bejahte) Frage zu sein, ob die Operation tatbestandsmäßig als Körperverletzung anzusehen ist, welche die Rechtswidrigkeit indiziert.¹⁸ Mittlerweile hat das Arztrecht die isolierte Betrachtung seiner Gegenstände im Öffentlichen Recht, Zivilrecht und Strafrecht überwunden. Auf diese Weise ist ein gewisser Gleichklang mit den ausländischen Rechten hergestellt worden.¹⁹ Erscheinungen wie die Vermutung des Verschuldens des Arztes im vertraglichen Haftungsrecht (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB) sind freilich nicht auf das Strafrecht zu erstrecken. Unterschiedlichen Maßstäben im Zivil- und Strafrecht unterliegen etwa auch das Verschulden und die Zurechnung. Solche notwendigen Differenzierungen beruhen auf den unterschiedlichen Funktionszusammenhängen der jeweiligen Rechtsgebiete mit seinen Rechtsfolgen. Eine Nivellierung derartiger Unterschiede ist auch aus einer spezifisch arztrechtlichen Sicht nicht angezeigt (näher Kap. X).

    8 Das Arzneimittelrecht erschien bis vor wenigen Jahrzehnten kaum als konsolidierte Ordnung, jedoch anders als das Arztrecht nicht infolge einer Zersplitterung in herkömmliche Rechtsgebiete, sondern mangels umfänglicher Regelung. Das erste umfassende Arzneimittelgesetz trat 1961 in Kraft und erwies sich gegenüber der alsbald hereinbrechenden Contergan-Katastrophe als untauglich. Erst die gegen Ende der siebziger Jahre erlassenen Gesetze, nämlich das Arzneimittelgesetz (1976) und das Heilmittelwerbegesetz (1978) haben das Arzneimittelwesen modern und funktionsentsprechend geregelt. Die Interessen, die in diesem Gebiet auszugleichen sind, können dem Individuum ebenso wie dem Kollektiven zugeordnet sein. Der Patient als Verbraucher und der Proband als Prüfperson des Medikaments bedürfen der Hilfe und des Schutzes, die Gesellschaft verlangt die Entwicklung neuer Heilmittel, forschende Ärzte suchen Rechtssicherheit im Bereich der Humanforschung ohne Überregulierung, ebenso wünscht die Pharmaforschung Erleichterung ihrer Arbeit und Rechtsschutz für ihre Entwicklungen, etwa durch eine angemessene Laufzeit des Patents, Krankenversicherungen haben ein erhebliches Interesse an kostengünstigen Arzneimitteln.

    9 Mit dem Medizinproduktegesetz von 1994 hat der Gesetzgeber ein weiteres großes Gebiet des Gesundheitsrechts umfassend geregelt. Die betroffenen Interessen ähneln denen des Arzneimittelrechts. Medizinprodukte wurden vor Inkrafttreten des MPG teilweise mit eher schwachem Erfolg als Arzneimittel behandelt oder blieben gänzlich ungeregelt. Jedoch ist die Verlagerung des eigentlichen Regelungsgegenstandes in eine Fülle von Verordnungen, die zum Teil wieder auf europäisches Recht zurückverweisen, eher unglücklich. Das Transfusionsgesetz (TFG) vom 7. Juli 1998 bezweckt die sichere Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten und die Selbstversorgung mit Blut und Plasma. Gegenüber dem Transplantationsrecht (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 TPG), dem Arzneimittelrecht (im Hinblick auf den Vorgang der Gewinnung) und dem Medizinprodukterecht (§ 2 MPG) hat sich dieses Rechtsgebiet aufgrund seiner Eigenheiten emanzipiert. Seuchenrecht und TFG stehen nebeneinander und ergänzen sich (§ 29 S. 1 TFG).²⁰

    10 Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht werden zunehmend von Normen beeinflusst, die im Rang über dem einfachen Gesetz stehen. Zu nennen ist im autonomen deutschen Recht zunächst das Grundgesetz, welches die Würde des Menschen, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Unantastbarkeit der Person²¹ und die freie Ausübung des Berufs als Grundrechte hervorhebt. Im Zeitalter der Forschung am Embyro und an Stammzellen, aber auch der gesetzlichen Beschränkung der Zulassung zum Kassenarztberuf und der Festsetzung der Höhe von Vergütungen ist der Blick auf die Grundrechte der Verfassung schärfer geworden²². Weiter verstärkt sich der Einfluss internationaler Normen auf das Medizinrecht, generell insbesondere im Bereich der Grund- und Menschenrechte (namentlich die EMRK mit dem darüber wachenden EGMR). Weitgehend akzeptiert werden die Deklarationen des Weltärztebundes wie etwa die von Helsinki über Versuche am Menschen. Erhebliche Kritik hat das Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarats erfahren, das in wenigen Artikeln Grundsätze der ärztlichen Behandlung und der ärztlichen Forschung gelegt hat.²³ Angesichts anderer internationaler Papiere ist diese Konvention zum Teil in ihren Abkürzungen als irreführend, in ihren Regelungen als zu weitgehend und insgesamt als überflüssig angesehen worden. Mittlerweile liegt – neben einem relativ inhaltsleeren sog. Klonprotokoll (vom 12.1.1998) – ein im ganzen zwar tolerables, in zahlreichen Details indes erneut kritikwürdiges Zusatzprotokoll über biomedizinische Forschung (vom 25.1.2005) vor²⁴. Seine Übernahme würde zu einem immer unübersichtlicher werdenden Nebeneinander konkurrierender Regelungswerke führen, deren jeweils forschungsfeindlichste Regel sich durchsetzt. Immerhin wäre das Recht der medizinischen Forschung dann in gewissem Sinne insgesamt kodifiziert.

    4. Standesrecht und medizinische Ethik

    11 Das Standesrecht der Ärzte begleitet das eigentliche Arztrecht. Es ist in den Berufsordnungen der Landesärztekammern zusammengefasst, denen im Ausland der Code of Ethics bzw. Code de Déontologie entspricht. Inhaltlich regelt das Standesrecht die Rechtsfragen, die sich aus dem Status des Arztes als Mitglied eines freien Berufs ergeben. Die Ärzte in Deutschland sind heute in den Ärztekammern mit Zwangsmitgliedschaft organisiert.²⁵ Die Berufsordnung schreibt das Verhalten des Arztes bei der Berufsausübung generell vor, etwa durch Beachtung der Kollegialität, Zulassung von Zusammenschlüssen von Ärzten, die Notwendigkeit von Aufzeichnungen und eine Haftpflichtversicherung sowie das Verbot bzw. die Einschränkung der Werbung. Aus uralten Wurzeln entstanden, hat sich das Standesrecht vor allem als Satzungsrecht der Ärztevereine im 19. Jahrhundert entwickelt. Heute ist das Berufsrecht der Landesärztekammern ein vom Gesetzgeber legitimiertes Sonderrecht, in dem sich die Selbstverwaltung der Ärzteschaft manifestiert.²⁶ Als Sonderrecht der Ärzte darf die Ärzteordnung nicht das Verhalten von Patienten oder Dritten regeln. Aus diesem Grunde wird von der Rechtsprechung der Wirkungsbereich des Standesrechts deutlich beschränkt²⁷, obwohl er (als sog. Verbotsgesetz) Fernwirkungen auf Verträge zwischen Ärzten und Nichtärzten entfalten können soll²⁸. Die standesrechtlichen Pflichten werden von Berufsgerichten überwacht, die Sanktionen verhängen können. Übrigens gibt es auch internationales Standesrecht, so die Deklarationen des Weltärztebundes wie die Deklaration von Helsinki über biomedizinische Forschung am Menschen.

    12 Das Handeln des Arztes wird weitgehend von ethischen Erwägungen geleitet. Die Ethik als die vorherrschende Meinung vom Richtigen und Zulässigen wird in der „medizinischen Ethik" auf die konkreten Probleme des ärztlichen Berufs ausgerichtet. Die allgemeinen ethischen Grundsätze werden im Hinblick auf das Verhalten des Arztes geschmeidig gemacht. Es handelt sich also nicht um eine besondere Fachethik, sondern das Berufsverhalten wird an ethischen Grundsätzen gemessen.²⁹ Die Problematik des Verhältnisses von Recht und Ethik erscheint im Bereich des Medizinischen besonders akzentuiert. Anerkanntermaßen verlangen rechtliche Normen einen geringeren Standard als ethische Regeln; es wäre Übermaß, alle ethischen Normen in das Recht zu überführen. Zwar richten sich Recht und Ethik gleichermaßen auf menschliches Verhalten, wobei sich die Ethik keineswegs nur auf das innere, das Recht allein auf das äußere Verhalten bezieht. So basiert auch die zivilrechtliche Fahrlässigkeit auf der Erkennbarkeit³⁰, und verletzende Handlungen (als äußeres Verhalten) sind umgekehrt ebenso von der Ethik untersagt. Für den Fall der Verletzung ziehen aber rechtliche Normen Sanktionen nach sich, etwa Schadensersatz und Schmerzensgeld, was ethischen Normen grundsätzlich nicht eigen ist. In Bezug auf den Gegenstand der Regelung kann man von zwei sich schneidenden Kreisen sprechen. Der Übergang von ethischen zu rechtlichen Regeln ist oft ein Prozess: Nicht überfallartig werden dem Arzt Vorschriften auferlegt, deren Sanktionen oft erheblich sind. Vielmehr hat sich nicht selten der ärztliche Berufsstand an noch strengere Anforderungen im Bereich der – freilich weitgehend sanktionslosen – ärztlichen Ethik gewöhnen können. Gelegentlich kommt es zum Zusammenstoß zwischen Recht und Ethik, etwa im Bereich des unethischen Rechts totalitärer Staaten. So verlangt die Deklaration des Weltärztebundes von Lissabon über die Rechte des Patienten, dass ein Arzt immer, auch angesichts rechtlicher Schwierigkeiten, seinem Gewissen folgen und nur dem Wohl des Patienten dienen soll.³¹

    13 Der Arzt ist auch rechtlich aufgerufen, ethische Prinzipien zu verwirklichen. Das gilt jedenfalls für die grundlegenden Überzeugungen der Ärzteschaft. Es gibt individualethische Regeln, etwa das Gebot, Schaden vom Patienten fernzuhalten, oder die sog. goldene Regel „Was Du nicht willst das man Dir tu´, das füg’ auch keinem andren zu". Sozialethische Grundsätze gebieten die Nicht-Täuschung und die Einholung des Einverständnisses des Patienten. Von statistischer Ethik wird gesprochen, wenn die Sicherheit der kleinen Zahl oder die Ungewissheit der großen Zahl ins Gewicht fällt: Reihenuntersuchungen, die eine geringe Gefahr, etwa durch Röntgenstrahlen, mit sich bringen, sind zulässig, wenn eine nicht unerhebliche Zahl von Erkrankungen festgestellt wird.³² Eine Impfung gegen eine erloschene Krankheit kann unzulässig werden, wenn ein gewisses Risiko von Nebenwirkungen besteht, etwa die Gefahr einer Encephalitis bei der Pockenimpfung. Die Umstandsethik ist entscheidend, wenn in der zeitlichen Bedrängnis eine sonst nicht einfach nachvollziehbare Entscheidung getroffen werden muss: Sind nur fünf Beatmungsgeräte vorhanden und benötigen sieben Unfallopfer diese Behandlung, so hat man nach den Umständen eine nicht ganz willkürliche Auswahl zu treffen. Ein gutes Beispiel gibt die Entscheidung der amerikanischen Armee im Jahre 1942 in Nordafrika. Dort war die erste Sendung von Penicillin eingetroffen, jenem Wundermittel, das mit Sicherheit gegen bakterielle Infektionen wirkte. Der beschränkte Vorrat wurde zunächst für geschlechtskranke Soldaten verwendet, die wieder kampffähig gemacht werden konnten. Erst an zweiter Stelle rangierten die Verwundeten, die das Medikament ebenso benötigten. Die Umstände erschienen übermächtig.³³

    14 Die Nähe der Medizin und damit auch des Medizinrechts zu ethischen Grundfragen zeigt sich auch daran, dass auf Bundesebene zunächst ein Nationaler Ethikrat, durch Ethikratgesetz vom 16. Juli 2007³⁴ nunmehr Deutscher Ethikrat geschaffen worden ist. Seine Aufgaben sind an sich ein wenig diffus formuliert. Es geht um die Information der Öffentlichkeit, um die Förderung der Diskussion in der Gesellschaft, um die Erarbeitung von Stellungnahmen und Empfehlungen für politisches und gesetzgeberisches Handeln sowie um die Zusammenarbeit mit nationalen Ethikräten oder vergleichbaren Einrichtungen anderer Staaten und internationaler Organisation (§ 2 I EthRG). Dass dieses Gremium auf die deutsche Gesetzgebung Einfluss nehmen wird, wird man kaum bezweifeln können, wie weit, ist freilich eine Frage des Einzelfalls und der politischen Durchsetzbarkeit. Jedenfalls ist er in der Lage, nicht nur Lösungsvorschläge zu bestehenden Fragen, sondern auch neue Themen selbständig auf die politische Tagesordnung zu setzen. Insofern hat er sich seit seinem Bestehen (zumindest) als prominentes Diskussionsforum bewährt.

    5. Arztrechtliche Maximen

    a) Heilauftrag des Arztes

    15 Der Heilauftrag beherrscht den Beruf des Arztes: salus aegroti suprema lex. Der Kranke soll unter Anwendung der medizinischen Wissenschaft geheilt werden. Ebenso sind die Vorsorge zur Erhaltung der Gesundheit, die Linderung von Beschwerden und das psychische Wohlbefinden des Patienten, auch durch kosmetische Verbesserungen, dem Heilauftrag an die Seite zu stellen. Versteht man die Heilung in diesem weiten Sinne³⁵, dann ist der Heilauftrag oberster Grundsatz ärztlicher Tätigkeit. Zugleich zieht er aber auch die Grenze: Ein Arzt darf nicht verstümmeln, einer Folterung assistieren oder auch nur medikamentös für den gesunden Patienten Gefahren schaffen, etwa durch den Einsatz nicht zugelassener leistungssteigernder Mittel beim Sportler.³⁶

    b) Anwendung der Regeln der medizinischen Wissenschaft

    16 Der Arzt ist verpflichtet, die Regeln der medizinischen Wissenschaft, wie sie zur Zeit der Behandlung bestehen, anzuwenden. Das BGB schreibt den „allgemein anerkannten fachlichen Standard" für den Behandlungsvertrag als Regelfall (unter dem Vorbehalt einer anderen Vereinbarung) fest (§ 630a Abs. 2 BGB). Das impliziert freilich, dass es konkret einen solchen Standard überhaupt gibt³⁷. § 276 Abs. 2 BGB spricht von der im Verkehr einzuhaltenden erforderlichen Sorgfalt. Aus Gründen der Vereinfachung wird der nicht unerhebliche handwerkliche Teil ärztlicher Tätigkeit der Wissenschaft zugeschlagen. Zur Wissenschaft im weiteren Sinne gehört auch die Anwendung der Naturheilkunde³⁸. Vorauszusetzen ist allerdings, dass sie sich eigenen wissenschaftlich nachprüfbaren Regeln unterwirft, wie etwa die Homöopathie. Der Standard der Wissenschaft bestimmt sowohl das vom Arzt geforderte Niveau in der Berufsausübung als auch die Notwendigkeit der Fortbildung. Der Standard der medizinischen Wissenschaft wirkt normativ: Er passt sich neuen Entwicklungen an, überholte Methoden oder fehlende Alternativen können niemals Standard sein.³⁹ Dieser Aspekt führt zur nächsten arztrechtlichen Maxime.

    c) Fortentwicklung der Wissenschaft

    17 Ebenso wie der Arzt gehalten ist, den Standard der Wissenschaft einzuhalten, so hat der Mediziner zur Fortentwicklung der Wissenschaft beizutragen.⁴⁰ Die moderne Medizin hat eine geringer werdende Halbwertzeit von weniger als zehn Jahren. Der Standard von heute bildet den Fehler von morgen. Die Ärzte, und insbesondere die forschenden Ärzte, haben deshalb den Standard der Wissenschaft voranzutreiben. Das gilt nicht nur für Kliniker; auch der Praktiker ist gehalten, auffällige Ereignisse, etwa Nebenwirkungen von Medikamenten, mitzuteilen. Dienstanweisungen von Klinikverwaltungen, welche die Mitwirkung von Ärzten an der klinischen Prüfung von Arzneimitteln generell untersagen, laufen dieser Aufgabe des Arztes zuwider, vernachlässigen das Wohl der Patienten ebenso wie die Berufs- und u. U. die Wissenschaftsfreiheit des Arztes und sind deshalb nicht verbindlich.

    d) Vertrauen des Patienten

    18 Die ärztliche Behandlung stellt für den Patienten oft eine existentielle Situation dar, selbst wenn es sich um eine Vorsorgeuntersuchung handelt. Leben und Wohlergehen des Patienten und seiner Familie stehen auf dem Spiel. Voraussetzung der gedeihlichen Behandlung des Patienten ist sein Vertrauen in den Arzt. Dieses Vertrauen prägt das Arzt-Patienten-Verhältnis von Grund auf. Der Arzt erlangt Einblick nicht nur in die körperliche Gesundheit des Patienten, er fühlt auch die Ängste und weiß um seine Intimsphäre. Das Vertrauen des Patienten ist Grundlage und Maßstab der Pflichten des Arztes.⁴¹

    e) Selbstbestimmung des Patienten

    19 Der Patient hat das grundgesetzlich garantierte Recht auf eigenverantwortliche Bestimmung seines Schicksals. Es ist streitig, ob voluntas aegroti „secunda – oder vor dem Hintergrund der auch verfassungsrechtlich garantierten Patientenautobomie – „suprema lex ist. Jedenfalls beruhen auf diesem Prinzip die freie Arztwahl und die Möglichkeit des jederzeitigen Abbruchs der Behandlung durch den Patienten. Seine Einwilligung in die medizinische Maßnahme nach Aufklärung durch den Arzt ist die wesentliche Ausprägung des Grundsatzes der Selbstbestimmung.⁴² Es gibt zwar Therapie-, aber keine Kurierfreiheit. Vielmehr haben Arzt und Patient zur Heilung zusammenzuwirken. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es einen Patient Self-Determination (Federal) Act von 1990. Er verpflichtet Krankenhäuser, die Patienten schriftlich darüber zu informieren, dass sie für den Fall ihrer Bewusstlosigkeit schon jetzt Anordnungen treffen oder einen Vertreter bestellen können.

    f) Partnerschaft zwischen Arzt und Patient

    20 Der Heilauftrag des Arztes und die Selbstbestimmung des Patienten verbinden sich in Wirklichkeit zu einer partnerschaftlich gesteuerten medizinischen Behandlung. Sie ist Ausdruck des Vertrauens, das auf beiden Seiten regelmäßig gegeben sein muss, soll die medizinische Maßnahme zum Erfolg führen. Deutlich wird das etwa bei der Aufklärung. Der Arzt hat den Patienten vor der Therapie so weit zu informieren, wie dieser es wünscht und verträgt. § 630c Abs. 1 BGB halten Patienten- und Behandlungseite ausdrücklich dazu an („sollen, freilich nicht: „müssen), zur Durchführung der Behandlung zusammenzuwirken.

    g) Privatrechtliche Ausrichtung des Arzt-Patienten-Verhältnisses

    21 Die Partnerschaft von Patient und Arzt findet im privatrechtlichen Arztvertrag ihre rechtliche Ausgestaltung.⁴³ Arzt und Patient stehen sich gleichberechtigt gegenüber. Trotz des regelmäßig typischen Inhalts des Vertrages sind Sonderabreden zulässig, etwa der reine Diagnosevertrag, die sog. second opinion. Der Arztvertrag bildet die Grundlage nachwirkender Vertragspflichten, etwa für spätere Mitteilungen von einer in früherer Zeit stattgefundenen Ansteckung bzw. Erkrankung⁴⁴ oder für eine spätere Erläuterung eines ärztlichen Zeugnisses gegenüber einer Risikolebensversicherung⁴⁵. Auch kann der Behandlungsvertrag weitere Nebenpflichten wie die Mitteilung der Diagnose in Schriftform gegenüber einer schwerhörigen Patientin begründen.⁴⁶ Vieles ist nunmehr in § 630c BGB aufgenommen, eine Norm, die indes keineswegs als abschließender Pflichtenkatalog missverstanden werden darf. Ferner kann der Schaden des Patienten durch die vertraglichen Erwartungen und Vorkenntnisse beider Seiten bestimmt sein, etwa im Fall fehlerhafter Geburtenkontrolle.⁴⁷ Ein öffentlich-rechtliches Verhältnis, das bei Kassenpatienten erwogen worden ist, erscheint paternalistisch, negiert die Einzelbeziehung zwischen Patient und Arzt, macht den Arzt zum Werkzeug der Sozialversicherung und entspricht nicht der Gesetzeslage (oben Rdnrn. 4).

    h) Autonomie des Arztberufs

    22 Der Beruf des Arztes zur medizinischen Betreuung des Patienten ist abhängig von der medizinischen Wissenschaft und als solcher autonom⁴⁸. Die von der Wissenschaft gesetzten Notwendigkeiten binden den Arzt an sich. Allerdings ist es Aufgabe der Gemeinschaft, den Rahmen des von der Allgemeinheit getragenen finanziellen Aufwands zu ziehen⁴⁹. Man hat daher sogar formuliert, im Gegensatz zu § 1 BÄO, die vom freien Beruf des Arztes spricht, sei der Beruf des Arztes zu einem „staatlich gebundenen Beruf geworden, „vielleicht inzwischen der staatlich gebundenste Beruf von allen.⁵⁰ Indes können absolute Notwendigkeiten der Heilung solche Grenzen relativieren. Solche Notwendigkeiten werden durch die sog. aut-idem-Regel nach §§ 129 Abs. 1 Nr. 1, 73 Abs. 5 SGB V noch nicht grundsätzlich durchbrochen, wonach der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt und die ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtung im Regelfall nur einen bestimmten Wirkstoff verordnen sollen, der dann mittels Aushändigung eines bestimmten Medikaments durch den Apotheker gewissermaßen konkretisiert wird.⁵¹ Denn es kann in der ärztlichen Verordnung ausgeschlossen werden, dass die Apotheken ein preisgünstigeres wirkstoffgleiches Arzneimittel anstelle des verordneten Arzneimittel abgeben, wobei freilich ggfs. auf eine Pflicht zur Übernahme von Mehrkosten hinzuweisen ist. Die Therapiefreiheit findet insoweit nur relative Grenzen im Wirtschaftlichkeitsgebot.⁵²

    Die Relativität der Grenzen des Wirtschaftlichkeitsgebots⁵³, die eben doch im Einzelfall zu überschreiten sind, erkennt erfreulicherweise auch das BVerfG im Ausgangspunkt an. Das ist deutlich geworden in einer (sog. Nikolaus-) Entscheidung (vom 6.12.2005), in welcher das Gericht einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip darin erblickt hat, dass die gesetzliche Krankenversicherung sich weigerte, für einen Patienten die Kosten für ärztlich angewandte Behandlungsmethoden zu übernehmen, obwohl eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestand. Diese Aussicht konnte auf wissenschaftlich-fachlich nachvollziehbare, im Fachschrifttum dargelegte Indizien gestützte werden, war also keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Erkrankung, um die es ging (die sog. Duchenne´sche Muskeldystrophie mit schwerwiegenden Lähmungserscheinungen bis hin zur Ateminsuffizienz), ist lebensbedrohlich bzw. regelmäßig tödlich. Allgemein anerkannte, medizinischem Stand entsprechende Behandlungesmethoden gibt es derzeit nicht.⁵⁴ Der tiefere Grund für diese auf den Einzelfall abstellende Entscheidung ist leicht erkennbar: Not kennt (fast) kein Gebot. Indes darf die Entscheidung des BVerfG keineswegs dahin missverstanden werden, dass nun die Übernahme der Kosten für jede Scharlatanerie oder für experimenelle Heilbehandlungen, deren potientieller Erfolg sich in schlichten Hoffnungen ohne Substanz erschöpft, zu übernehmen seien. Wichtig ist auch die Begrenzung auf wirklich essentielle, lebensbedrohliche Gefährdungen durch Krankheiten. Im Übrigen werden die Verteilungsstreitigkeiten im Gesundheitsrecht, welche in der Nikolaus-Entscheidung einen vorläufigen Höhepunkt fanden, nun auch in Bezug auf die private Kranken- und Pflegeversicherung fortgesetzt. Im Bereich der privaten Krankenversicherung wird eine alternativmedizinische Behandlung, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist, demgegenüber nicht als medizinisch notwendig angesehen.⁵⁵ Dass diese Linie der Auslegung von privaten Krankenversicherungsverträgen bzw. den einschlägigen Versicherungsbedingungen die grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates im Privat(versicherungs)recht zureichend effektiviert, erscheint nicht a priori als unzweifelhaft. Allerdings ist die Interessenlage beim privaten Krankenversicherungsvertrag anders gelagert als im Falle der gesetzlichen Zwangsversicherung.

    i) Ärztliche Approbation und freier Beruf

    23 Der Arztberuf ist seiner Natur nach ein freier Beruf, § 1 Abs. 2 BÄO. Als Arzt darf jedoch nur selbständig tätig werden, wer die Zulassung durch staatliche Organe erhalten hat. So erscheint der Arzt als ein Prototyp des „Professionals", dessen hohes Ansehen darauf zurückzuführen ist, dass er sich nach besonderer Ausbildung und dem Ablegen von Examen⁵⁶ mit dem Beruf auch praktisch vertraut gemacht hat und den Berufspflichten genügt. Zu diesen gehört die Einhaltung des Standards der Wissenschaft, welcher der wissenschaftlichen Entwicklung folgt und der ärztlichen Tätigkeit ein autonomes Gepräge gibt.

    j) Arzt im Krankenhaus und Ärzteteam

    24 Die Einzelbindung von Patient und frei praktizierendem Arzt ist regelmäßig nicht gegeben, wenn sich der Patient in einer Klinik behandeln lässt; sie ist gelockert, wenn der Patient einem Ärzteteam gegenübersteht. Aber auch in der Pluralität und bisweilen Anonymität der Behandlung in der Klinik oder durch das Team bleiben die arztrechtlichen Grundsätze erhalten. Mehr noch, der Patient ist vor den besonderen Gefahren der Behandlung und Information durch wechselnde Ärzte zu schützen. So unterliegt der übernehmende Arzt der besonderen Pflicht, den Patienten über die bisherigen Maßnahmen zu befragen und ihn über die Fortsetzung zu informieren. Diese Pflichten erstrecken sich bis hin zur Aufklärung. So soll ein Chefarzt, der die Risikoaufklärung eines Patienten einem nachgeordneten Arzt überträgt, die Pflicht haben, zureichende organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und zu kontrollieren.⁵⁷ Zudem nimmt die Rechtsprechung im Interesse des Patientenschutzes recht weitgehend eine gesamtschuldnerische Haftung zusammenarbeitender Ärzte an⁵⁸. Das Vertrauen der Gerichte darauf, dass der bisher behandelnde Arzt nur im Interesse des Patienten mit anderen ärztlichen Einrichtungen zusammenarbeitet, ist überhaupt keineswegs grenzenlos. So sind Verträge, die einerseits in der Sache eine Gewinnbeteiligung an einer Arztpraxis und andererseits die Verpflichtung des Arztes zur möglichst umfassenden Therapie und Verordnung der Angebote eines Sanatoriums begründen sollen, als berufsordnungs-, damit verbotsgesetzwidrig (§ 134 BGB) und infolgedessen unwirksam angesehen worden.⁵⁹

    k) Persönlicher Kontakt und Telemedizin

    25 Der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient prägt das Vertrauensverhältnis herkömmlicherweise in besonderem Maße. Dieser unmittelbare Kontakt, dessen prinzipielles Gebotensein durch das standesrechtliche Verbot der Fernbehandlung unterstrichen wird, kann sich beim Einsatz neuer Komunikationsmittel oder Medien verflüchtigen, namentlich durch Verwendung des Internets oder des Telefons in einer in Deutschland standesrechtlich zweifelhaften bzw. unzulässigen, indes grenzüberschreitend schwer hintanzuhaltenden „medizinischen Fernberatung" oder durch das Mittel der Telemedizin. Ungeachtet dessen gelten auch dann die genannten Maximen des Arztrechts. Der Patient ist also dem Einsatz neuer Medien⁶⁰, die nicht nur angeboten werden, sondern die er vielleicht gerne für sich beanspruchen wird, nicht schutzlos ausgeliefert. Insbesondere ändert sich nichts am (ggfs. Facharzt-) Standard⁶¹. Im Zweifel wird man den hinzugezogenen Telearzt als Erfüllungsgehilfen des unmittelbar behandelnden Arztes bzw. des Krankenhausträgers ansehen können. Allerdings ist im Falle der Beiziehung eines ausländischen Konsiliarius über ein solches Medium vorher – namentlich über eine Rechtswahl – die Anwendung deutschen Rechts sicherzustellen, falls das erwünscht und international-privatrechtlich zulässig ist⁶². Da der Arztvertrag als Verbrauchervertrag anzusehen ist⁶³, werden nach Art. 6 Abs. 1, 4 Nr. 1 Rom I-VO zwingende Vorschriften am gewöhnlichen Aufenhalt des Patienten unter den dort genannten Voraussetzungen freilich nicht „abgewählt" werden können.

    Fußnoten

    1

    Näher Quaas/Zuck, Medizinrecht² § 1 Rdnrnn. 11 ff.; zum Begriff des Medizinrechts Rdnrnn. 21 ff.

    2

    Statt aller LK/Lilie, § 223 StGB Rdnr. 12 ff.; Duttge, in: FAKomm-MedR², § 223 StGB Rdnrn. 5; MünchKommBGB/Wagner ⁵, § 823 Rdnrn. 73 ff.; NK-BGB/Katzenmeier ², § 823 Rdnrn. 18 ff.; Soergel/Spickhoff ¹³, § 823 Rdnrn. 38 ff.

    3

    Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts⁴, § 5 Rdnrn. 2.

    4

    Igl/Welti, Gesundheitsrecht Rdnrn. 5–7.

    5

    In dieser Richtung Kingreen, FS Deutsch, 2009, 283, 293; siehe andererseits Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 1 Rdnrn. 19: „Öffentliches Medizinrecht".

    6

    Weswegen sich etwa die Gegenstände, die in der Zeitschrift MedR erörtert werden, kaum wesentlich von denjenigen in der (neueren) Zeitschrift GesR unterscheiden; die voneinander abweichenden Titel dienen hier nur der formalen Unterscheidbarkeit der Produkte. Jedenfalls wird das Recht der (gesetzlichen) Krankenversicherung auch bei Laufs/Kern (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts⁴ (siehe auch Laufs, in: Lilie/Bernat/Rosenau (Hrsg.), Standardisierung in der Medizin als Rechtsproblem, 2009, 19, 21) und bei Quaas/Zuck, Medizinrecht² mit erörtert.

    7

    Schreiber, in: Lilie/Bernat/Rosenau (Hrsg.), Standardisierung in der Medizin als Rechtsproblem, 2009, 11, 16 ff.; befürwortend aber Zuck, MedR 2008, 57.

    8

    Dazu Jung, Das Recht auf Gesundheit (1982); Laufs, Festschr. f. Weitnauer (1980), 363; Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik (1986), § 5; Giesen, Med Law 1994, 285.

    9

    Zu Patientenrechten grundsätzlich Bernat, GesR 2003, 101 ff.; Bollweg/Brahms, NJW 2003, 1505; Hart, medgen 2003, 15; Katzenmeier, JR 2002, 444; Rixen/Höfling/Kuhlmann/Westhofen, MedR 2003, 191; Uhlenbruck, NJW 2003, 1710; Laufs, NJW 2003, 2218. Zum Entwurf einer „Charta der Patientenrechte" siehe das gleichnamige Werk von Francke/Hart (1999); weiter Hanika, MedR 1999, 149 ff.; Laufs, NJW 2000, 846 ff.; Schneider, MedR 2000, 497 ff. Zum Patientenrechtegesetz Deutsch, NJW 2012,1985; Spickhoff, VersR 2013, 267; ders., ZRP 2012, 65; G. Wagner, VersR 2012, 789; Olzen/Metzmacher, JR 2012; 2012, 271; Katzenmeier, SGb 2012, 125; Zöller, MedR 2011, 229; Jaeger, Patientenrechtegesetz, Kommentar, 2013.

    10

    G. Müller, GesR 2004, 257.

    11

    Siehe BGHZ 105, 160 (Selbstzahler); anders früher (für Kassenpatienten) OLG Frankfurt VersR 1988, 305; Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, 207, 218 ff. m. w. N.

    12

    Siehe BT-Drucks. 17/10448, S. 18 f.

    13

    Zu den Prinzipien vgl. Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht⁶, Kap. I, insbes. Rdnrn. 14 ff.

    14

    Näher Katzenmeier, Arzthaftung, S. 285 ff.; allgemein zum Wirtschaftlichkeitsvorbehalt Kluth, MedR 2005, 65.

    15

    Dazu etwa Ulsenheimer, MedR 1995, 438.

    16

    Kötz/Wagner, Deliktsrecht¹¹, Rdnrn. 51.

    17

    Dazu unten Rdnrnn. 390 ff.

    18

    Auf dem 44. Juristentag 1962 in Hannover ausführlich erörtert, vgl. Verh. 44. DJT I, 17 ff. (Gutachten von Eb. Schmidt); II F. Vgl. aber etwa BGH MedR 1996, 22 zur strafrechtlichen Haftung für Aufklärungsmängel.

    19

    Rechtsvergleichend Eser, Festschr. f. Hirsch, 1999, 465 ff.; Fischer/Lilie, Ärztliche Verantwortung im europäischen Rechtsvergleich, 1999, S. 2 f. m.w.N. Begründete rechtspolitische Kritik am Dualismus von öffentlichem und privatem Arzthaftungsecht und seinen prozessualen Auswirkungen in der Schweiz von I. Steiner, ZBJV 2006, 101, 142 ff.

    20

    Umfassend Deutsch/Bender/Eckstein/Zimmermann, Transfusionsrecht², insbes. Rdnrnn. 183 ff. zur Stellung des Transfusionsrechts im Medizinrecht.

    21

    Vgl. auch Damm, JZ 1998, 926 ff.

    22

    Zum Verhältnis zwischen Qualitätssicherung und Zertifizierung von Medizinprodukten nach Medizinprodukterecht und der sozialrechtlichen Erstattungsfähigkeit siehe Wabnitz, Medizinprodukte als Hilfsmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung, 2009, S. 92 ff.

    23

    Draft Convention for the protection of human rights and dignity of the human being with regard to the application of biology and medicine: Convention on Human Rights and Biomedicine, verabschiedet am 19.11.1997.

    24

    Dazu Koenig/Busch/Beer/Müller, Das Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung der Biologie und Medizin des Europarates und seine Zusatzprotokolle, 2003; Kandler, Rechtliche Rahmenbedingungen biomedizinischer Forschung am Menschen, 2008; Radau, Die Biomedizinkonvention des Europarates, 2006; zum Entwurf des Zusatzprotokolls (vom 18.7./31.8.2002) Taupitz, Biomedizinische Forschung zwischen Freiheit und Verantwortung, 2002.

    25

    Hierzu Dettmeyer, NJW 1999, 3367 ff.; Taupitz, MedR 1998, 1 ff., umfassend und grundlegend immer noch ders., Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991.

    26

    S. die Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte – MBO-Ä 1997 (NJW 1997, 3076), mittlerweile i. d. F. der Beschlusslage vom 114. Deutschen Ärztetages 2011 (abrufbar unter http://​www.​bundesaerztekamm​er.​de); dazu insbes. Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO der deutschen Ärzte, 5. Aufl. 2010.

    27

    Vgl. BVerfGE 33, 125: Fachärztebeschluß; OLG Celle NJW-RR 1989, 555: unzulässige Androhung von standesrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen gegen Zahnärzte, die an einem Dental-Hygiene-Institut mitarbeiten. Gemäß BVerwG NJW 1992, 1577 sind jedoch die Ärzte an die Richtlinien für In-vitro-Fertilisation der Landesärztekammern gebunden.

    28

    BGH NJW 1986, 2360; BGH NJW-RR 2003, 1175 zu § 31 BO (Folge: Nichtigkeit des Vertrages); mit Grund kritisch Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 1076 ff.; ders., JZ 1994, 221, 224; im Ergebnis anders auch Staudinger/Sack/Seibl (Bearbeitung 2011), § 134 BGB Rdnrn. 27 (in Betracht kommt dann aber § 138 BGB); Spickhoff, in: Lilie/Bernat/Rosenau (Hrsg.), Standardisierung in der Medizin als Rechtsproblem, 2009, 119, 122 f.

    29

    Vgl. Illhardt, Medizinische Ethik (1985); Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik, 1986, §§ 1 u. 5; Sass/Viefhues, Ethik in der ärztlichen Praxis und Forschung, 1988; Creutzfeldt, Med. Klin. 1993, 658 f.; Koch, Ethik Med 1994, 2.

    30

    Zur inneren Sorgfalt: Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht, 1930, 269 f., in das Zivilrecht übernommen von BGH VersR 1986, 766.

    31

    Deklaration von Lissabon über die Rechte des Patienten, revidiert 1995.

    32

    BVerwG ArztR 1987, 117: Röntgenreihenuntersuchungen an Soldaten sind zulässig, da 1984 auf 10.000 untersuchte Soldaten 4,6 behandlungsbedürftige TBC-Erkrankungen festgestellt wurden; BGH NJW 2000, 1784: de facto bloße Formularaufklärung bei Schluckimpfung gegen Kinderlähmung mit Risiko der Infektion in Höhe von 1:5 Millionen sei zulässig (zweifelhaft; vgl. Deutsch, JZ 2000, 902; Spickhoff, NJW 2001, 1757, 1761). § 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB lässt nur die ergänzende (nicht: die mündliche Aufklärung ersetzende) Verwendung von Formularen zu; Katzenmeier, NJW 2013, 817, 820; Spickhoff, VersR 2013, 1714, 1718.

    33

    Beecher, Scarce Resources and Medical Advancement, 98 Daedalus (1969), 279 f.

    34

    BGBl. I, S. 1385.

    35

    So ist als Heilbehandlung angesehen worden die operative Verkürzung des Magen-Darm-Trakts zur Behandlung schwerer Fettsucht (OLG Hamm VersR 1982, 49), die künstliche Insemination unter Eheleuten (LG Stuttgart VersR 1985, 776), die In-vitro-Fertilisation mit dem Sperma des Ehemannes (BGHZ 99, 228), die Ozontherapie bei AIDS (OLG München VersR 1997, 439), die Verschreibung von Viagra (OLG München NJW 2000, 3432), nicht aber Aufwendungen für eine Kryokonservierung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (BSG MedR 2000, 478).

    36

    Vgl. Franz/Hartl, NJW 1988, 2277; ggfs. besteht die Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, Haas/Prokop, SpuRt 1997, 56. Extraktion von Zähnen ohne Indikation ist Körperverletzung (BGH NJW 1978, 1206).

    37

    Zu den dadurch aufgeworfenen Fragen Katzenmeier, MedR 2012, 576, 579.

    38

    S. dazu auch Franz, Naturheilmittel und Recht, 1992.

    39

    Zur Problematik des Standards und der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung in der Medizin vgl. Neuhaus (Hrsg.), Pluralität in der Medizin (1980), 137 ff. mit Beiträgen von Neuhaus, Deutsch und Wieland; Schreiber, DMW 1984, 1458; Köbberling, Med.Klin. 92 (1997), 181. Zur Evidenz-basierten Medizin Hart, MedR 2000, 1 ff.

    40

    Deshalb hat sich auch ein Arzt, der öffentlich auf die mittelalterliche Heilkunst der Hildegard von Bingen und deren göttlichen Ursprung setzt, eine kritische Würdigung seiner Behandlungsmethode gefallen zu lassen, OLG Karlsruhe NJW 1996, 1140.

    41

    Genauer Deutsch, Medizin und Recht 1981, 59.

    42

    BVerfGE 52, 131; Eser, Festschr. f. Auer (1980), 185 f.; Günther, Voluntas aegroti suprema lex – Juristische Erwägungen, in: Koslowski, Maximen in der Medizin (1992), 124;zur Dogmatik der Willenserklärung Mankowski, AcP 211 (2011), 153.

    43

    Dazu Pichler, International Developments in Patient’s Rights (1992); Deutsch, AcP 192 (1992), 161; Lahti, Towards Comprehensive Legislation Governing the Rights of Patients, in: Patient’s Rights (1994), 207; Taupitz, ZRP 1997, 161.

    44

    OLG Karlsruhe VersR 1988, 1134: Patientin wurde 1957 die Diagnose Osteosarkom mitgeteilt und erst 1980 das alsbald festgestellte Gegenteil.

    45

    BGH, NJW 2006, 687: in casu keine Haftung, weil die Verzugsvoraussetzungen nicht vorlagen; weder eine Vollmacht für eine Mahnung des Arztes durch die Versicherung noch eine Genehmigung nach §§ 180 S. 2, 177 Abs. 1 BGB war dargetan.

    46

    BVerfG MedR 2005, 91.

    47

    BGHZ 124, 128: Umfang des Schadensersatzanspruchs bei fehlerhafter genetischer Beratung.

    48

    Zur Freiheit des Arztberufs Laufs, Festschr. f. Deutsch (1999), 625 ff.

    49

    Steffen, MedR 1995, 190; ders., Festschr. f. Geiß, 2000, 487; Voß, Kostendruck und Resourcenknappheit im Arzthaftungsrecht, 1999; Röfer, Zur Berücksichtigung wirtschaftlicher Überlegungen bei der Festlegung arzthaftungsrechtlicher Sorgfaltsanforderungen, 2000; Scheler, DÄBl. 1997, A 1842; Deutsch, VersR 1998, 261; Hermann, MedR 2000, 177; Taupitz, Gesundheitsversorgung bei Ressourcenknappheit, in: Kliemt (Hrsg.), Rationalisierung und Rationierung im deutschen Gesundheitswesen, 1998, S. 86 ff. Vgl. auch Regina v. Cambridge Health Authority (1995) 1.W.L.R. 898: Kosten einer erneuten Chemotherapie und einer zweiten Knochenmarkstransplantation bei einer Erfolgsrate zwischen 10 und 20 %. Zur europarechtlichen Zulässigkeit des Erwerbs von medizinischen Erzeugnissen bzw. von medizinischen Behandlungen innerhalb der EU EuGH MedR 1998, 317 ff. m. Anm. Hanika; dazu Becker, NZS 1998, 359 ff.; Kötter, VSSR 1998, 233 ff.; Eichenhofer, VSSR 1999, 101 ff.

    50

    Steiner, in: Kingreeen/Laux (Hrsg.), Gesundheit und Medizin im interdisziplinären Diskurs, S. 129, 135.

    51

    Zur daraus folgenden Frage der Haftung Hofer, Die Haftung des Apothekers, 2012, insbes. S. 260 ff.

    52

    Dazu (mit verfassungsrechtlichen Einschränkungen) Brenner, SGb 2002, 129; allgemein Kamps, MedR 2002, 193.

    53

    Dazu Welti, GesR 2006, 1 (sozialrechtlicher Rahmen der Therapiefreiheit); Frahm, GesR 2005, 529 (Haftungsrecht und Therapiefreiheit).

    54

    BVerfGE 115, 25 = ZFSH/SGB 2006, 20 = NJW 2006, 891; näher dazu der Berichterstatter der Entscheidung Steiner, in: Kingreeen/Laux (Hrsg.), Gesundheit und Medizin im interdisziplinären Diskurs, S. 129; weiter Kingreen, NJW 2006, 877; Deutsch, VersR 2006, 1472; Francke/Hart, MedR 2006, 131 und im Anschlus daran (eher begrenzend) BSG NJW 2007, 1380; BSG NJW 2007, 1385.

    55

    OLG Koblenz, VersR 2007, 680 (Multiple Sklerose); zur Nachhaltigkeit in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung Bruns, JZ 2008, 209.

    56

    Der Arzt darf nicht den Doktortitel einer Scheinuniversität führen (Obergericht Aargau SJZ 1981, 390); hat ein Arzt die Ernennung zum Professor an einer ausländischen Universität erlangt und keines der herkömmlichen Merkmale für ein deutsches Professorenamt erfüllt, so ist die Verwendung der Bezeichnung „Professor" im Rahmen der beruflichen Tätigkeit des Arztes irreführend und verboten (BGH NJW 1989, 1545; ebenso OLGR Hamburg 2002, 322).

    57

    BGHZ 169, 364 (m. E. sehr weitgehend).

    58

    BGH NJW 2006, 437: Gesamtschuldnerische Haftung aller Mitglieder einer Belegärztegemeinschaft von vier einzeln niedergelassenen Gynäkologen, von denen einer an der ambulanten Betreuung der Schwangerschaft und ein zweiter (fehlerhaft) an der Entbindung in der Belegabteilung einer Klinik beteiligt war.

    59

    BayObLG MedR 2001, 206: Vereinbarung einer umsatzabhängigen Pacht.

    60

    Zu den Grenzen der medizinischen Beratung im Internet Ärztl. BerGer Nds. MedR 2012, 839 = GesR 2012, 626. Zur Vernetzung Andreas, ArztR 2000, 32 ff.

    61

    Dazu und zu den Haftungsfragen Pflüger, VersR 1999, 1070 ff; Ulsenheimer/Heinemann, MedR 1999, 197 ff.

    62

    Hoppe, MedR 1998, 462 ff. Siehe auch Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen: ärztliche Berufserlaubnis und internationales Arzthaftungsrecht, 2003.

    63

    Bamberger/Roth/Spickhoff ³, Art. 6 Rom I-VO Rdnr. 13.

    Erwin Deutsch und Andreas SpickhoffMedizinrecht7. Aufl. 2014Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht10.1007/978-3-642-38149-2_2

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

    II. Ausübung des Arztberufs und Betrieb einer Klinik

    Erwin Deutsch¹   und Andreas Spickhoff²  

    (1)

    Dr. iur. (Heidelberg), Dr. iur. h.c. (Pusan), Dr. med. h.c. (Köln), Dr. med. h.c. (Hannover), Dr. iur. h.c. (Halle a. S.), Dr. iur. h.c. (Izmir), M.C.L. (Columbia/N.Y.) em. ordentlicher Professor für Zivilrecht, Arztrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Göttingen Richter am Oberlandesgericht Celle a. D. Zentrum für Medizinrecht, Göttingen, Deutschland

    (2)

    Dr. iur. (Göttingen) ordentlicher Professor für Bürgerliches Recht, Medizinrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Göttingen Zentrum für Medizinrecht, Göttingen, Deutschland

    Erwin Deutsch

    Email: edeutsch@gwdg.de

    Andreas Spickhoff (Korrespondenzautor)

    Email: andreas.spickhoff@jura.uni-goettingen.de

    1. Medizinische Behandlung und Arztvorbehalt

    2. Approbation

    3. Verzicht, Ruhen und Widerruf der Approbation

    4. Niederlassung als Arzt

    5. Zulassung und Tätigkeit als Vertragsarzt

    6. Weiterbildung und Spezialisierung

    7. Berufspflichten des Arztes

    8. Bekanntgaben gegenüber der Öffentlichkeit und Werbung des Arztes

    9. Betrieb einer Klinik

    10. Krankenhauspläne

    11. Organisationspflichten der Klinik

    12. Medizinische Versorgungszentren

    Zusammenfassung

    Der Arzt dient der Gesundheit des Menschen und des Volkes. Wer den ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf der Approbation als Arzt. Mit diesen Worten umschreibt § 2 Abs. 1 BÄO den beschränkten Arztvorbehalt des deutschen Rechts. Danach besteht die Ausübung des ärztlichen Berufs in der „Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung ‚Arzt‘ oder ‚Ärztin‘, § 2 Abs. 5 BÄO. Die Berufsbezeichnung „Arzt oder „Ärztin" darf nur führen, wer als Arzt approbiert ist. Zwar gibt es keine Kurierfreiheit an sich, jedoch dürfen auch Heilpraktiker die Heilkunde im beschränkten Maß ausüben. Darin unterscheidet sich das deutsche Recht grundsätzlich vom französischen, österreichischen und schweizerischen Recht, wonach die medizinische Behandlung den Ärzten vorbehalten ist.

    Ausgewählte Literatur

    Arnold/Greve, Der Operationssaal als Zweigpraxis des Anästhesisten?, MedR 2007, 634; Bahner, Das neue Werberecht für Ärzte, 2. Aufl. 2004; dies., Vom Werbeverbot zum Werberecht der Ärzte und Zahnärzte, GesR 2012, 1; Balzer, Arzt- und Klinikwerberecht, 2004; dies., Aktuelle Rechtsprobleme aus dem Arzt- und Klinikwerberecht, RPG 2003, 73 = Krankenhaus & Recht 2003, 87; Barth, Medizinermarketing, 1999; Bielitz, Die Verpflichtung niedergelassener Ärzte zur Teilnahme am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst, NJW 2012, 1253; Braun/Gründel, Approbationsentzug wegen Unwürdigkeit und Anspruch auf Wiedererteilung der Approbation, MedR 2001, 396; Dierks et al., Rechtsfragen der Telemedizin, 2000; Ehlers (Hrsg.), Disziplinarrecht und Zulassungsentziehung, 2001; Ellbogen, Der Widerruf und das Ruhen der Approbation, ArztR 2012, 229; Fritzsche, Grenzen des ärztlichen Werberechts, wrp 2013, 272; Gaidzik, Das Kollegialitätsgebot in der ärztlichen Berufsordnung, MedR 2003, 497; Godry, Qualitätssicherung durch Berufszulassung, MedR 2001, 348; Haage, Ärzteapprobationsordnung, 2012; ders., Die Erste Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte, MedR 2012, 630; Hermeler, Rechtliche Rahmenbedingungen der Telemedizin, 2000; Holzmann/Holzmann, Grundlagen des ärztlichen Werberechts, 2. Aufl. 2005; Isensee, Kassenarztmonopol und nichtärztliche Leistungserbringer, 1995; Jaeger, Informationsanspruch des Patienten – Grenzen der Werbung im Gesundheitswesen, MedR 2003, 263; Kazemi, Der Arzt im Internet – Möglichkeiten und Grenzen der Präsentation im World Wide Web, MedR 2005, 17; Kingreen, Wettbewerb und Wettbewerbsrecht im Gesundheitswesen, ZMGR 2005, 163; Klöck, Das Medizinische Versorgungszentrum im GKV-Versorgungsstrukturgesetz, NZS 2013, 368; Koch, Öffentlichkeitsarbeit des Krankenhauses – Möglichkeiten und Grenzen, GesR 2003, 161; ders., Wettbewerb unter niedergelassenen Ärzten, MedR 2009, 387; Krafczyk, Widerruf der ärztlichen Approbation nach langer Dauer des Strafverfahrens, GesR 2009, 350; ders., Fangprämien, Kopfpauschalen und Kick-Backs, ZMGR 2010, 24; Kretschmer, Ärztliche Werbung im europäischen Kontext, 2006; Lacher, Rechtliche Grenzen der Kommunikation über ärztliche Leistungen, 2012; Narr, Ärztliches Berufsrecht; Osmialowski, Das neue Heilmittelwerberecht – Werbeverbot auch für Ärzte gelockert, ArztR 2012, 313; Ratzel, Zivilrechtliche Konsequenzen von Verstößen gegen die ärztliche Berufsordnung, MedR 2002, 492; ders., Zusammenarbeit von Ärzten mit Orthopädietechnikern und Sanitätshäusern, GesR 2007, 200; Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte (MBO), 4. Aufl. 2006; dies., Das Werberecht der Ärzte nach den Beschlüssen des 105. Ärztetages in Rostock, MedR 2002, 607; dies., Arzt und Industrie nach den Beschlüssen des 106. Ärztetages 2003, NJW 2003, 3301; dies., Das Berufsrecht der Ärzte nach den Beschlüssen des 107. Deutschen Ärztetages in Bremen, MedR 2004, 525; dies., Das Berufsrecht der Ärzte nach den Beschlüssen des 114. Deutschen Ärztetages in Kiel, GesR 2011, 536; Rehborn, Berufsgerichtliche Verfahren gegen Ärzte – grundlegende Rechtsfragen, GesR 2004, 170; Rieger, Aktuelle Entwicklungen im ärztlichen Werberecht unter besonderer Berücksichtigung der Klinikwerbung, Festschr. f. Laufs, 2005, 1025; Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten – Kommentar, 8. Aufl. 2012; Schiller, Der Berufszugang ausländischer Ärzte, MedR 2010, 79; Schmidt-Recla, Ärztliche Pflichten zwischen Standes- und Vertragsrecht am Beispiel der ärztlichen Standespflichten, MedR 2006, 634; Scholz, Ärztliche Qualifikationen aus berufsrechtlicher Sicht, ZMGR 2011, 3; Simon/Schmittmann, Rechtliche Rahmenbedingungen für die Internet-Präsentation von Krankenhäusern unter besonderer Berücksichtigung des ärztlichen Berufsrechts, MedR 2001, 228; Starck, Grundgesetz und ärztliche Berufsordnungen, 1969; Stumpf/Voigts, Gesundheitsmarkt zwischen Kooperation und Korruption, MedR 2009, 205; Taupitz, Die Ärzte-GmbH und das ärztliche Werbeverbot, Festschr. f. Geiß, 2000, 503; Wenner, Vertragsarztrecht: Hauptberuf oder Nebenjob, GesR 2004, 353; Wittmann, Entgeltliche Patientenzuweisung: Anwendung und Durchbrechung des § 817 S. 2 BGB bei der Kondiktion von Zuweisungsentgelten, MedR 2008, 716

    1. Medizinische Behandlung und Arztvorbehalt

    26 Der Arzt dient der Gesundheit des Menschen und des Volkes. Wer den ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf der Approbation als Arzt. Mit diesen Worten umschreibt § 2 Abs. 1 BÄO den beschränkten Arztvorbehalt des deutschen Rechts. Danach besteht die Ausübung des ärztlichen Berufs in der „Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung ‚Arzt‘ oder ‚Ärztin‘, § 2 Abs. 5 BÄO. Die Berufsbezeichnung „Arzt oder „Ärztin" darf nur führen, wer als Arzt approbiert ist.¹ Zwar gibt es keine Kurierfreiheit an sich², jedoch dürfen auch Heilpraktiker die Heilkunde im beschränkten Maß ausüben. Darin unterscheidet sich das deutsche Recht grundsätzlich vom französischen, österreichischen und schweizerischen Recht, wonach die medizinische Behandlung den Ärzten vorbehalten ist.³

    27 Nach der Ärztestatistik 2011⁴ waren von insgesamt 449.409 Ärzten 342.063 ärztlich tätig (darunter 28.355 ausländische Ärzte), davon im Krankenhaus 169.840, in der ambulanten Praxis 152.855, bei Behörden und Körperschaften oder in sonstigen Bereichen 29.368. Als bedrückend empfunden wird die relativ hohe Zahl der nicht ärztlich Tätigen (107.346) und solcher Ärzte, die in Deutschland ausgebildet, aber im Ausland tätig werden. Bemerkenswert ist gleichwohl, dass die Gesamtzahl der in Deutschland tätigen Ärzte seit längerem kontinuierlich angestiegen ist. Der Anteil der Ärztinnen wächst ebenfalls signifikant, wie überhaupt der Zuwachs innerhalb der Ärzteschaft nicht zuletzt auf die erhöhte Zahl an Ärztinnen zurückzuführen ist. Er betrug bei den Erstmeldungen bei den Ärztekammern 2011 56,9 %, im Jahr 2010 sogar 58,7 % und bei den deutschen Erstmeldungen sogar 60,5 %. Zugleich ist freilich das Durchschnittsalter der Ärzte gestiegen. Das entspricht der sich ändernden Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland. Auf einem darauf beruhenden gestiegenen und weiter wachsenden Bedarf ist – neben stetig erweiterten medizinischen Kenntnissen und Möglichkeiten – der der Steigerung der Ärztezahl zum Trotz beklagte Ärztemangel zurückzuführen.

    2. Approbation

    28 Durch die Gewerbeordnung von 1869 wurde einheitlich für Ärzte die Approbation eingeführt. Der Arzt bedurfte der Bestallung, der studierte Mediziner erhielt sie. Die Approbation wurde von der Promotion unabhängig. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BÄO ist insbesondere Voraussetzung für die Approbation ein erfolgreich abgeschlossenes Studium der Medizin von mindestens sechs Jahren⁵, von denen mindestens acht, höchstens zwölf Monate auf eine praktische Ausbildung in Krankenhäusern oder geeigneten Einrichtungen der ärztlichen Krankenversorgung entfallen müssen⁶, das Bestehen einer ärztlichen Prüfung sowie im Allgemeinen die deutsche oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der EU (näher § 3 Abs. 1 Nr. 1 BÄO). Potentielle Versagungsgründe sind Unwürdigkeit⁷, Unzuverlässigkeit sowie körperliche Gebrechen, Schwäche der geistigen oder körperlichen Kräfte sowie Sucht (§ 3 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BÄO). Die Approbation bildet das Zeugnis, dass man selbständig die Heilkunde auszuüben vermag. Sie stellt einen Verwaltungsakt dar, auf den derjenige einen Anspruch hat, in dessen Person die Voraussetzungen gegeben sind. Die Erteilung der Approbation ist also auch im Rechtswege vor Verwaltungsgerichten erzwingbar. Sie ist nach wie vor streng von einem akademischen Grad zu unterscheiden: Ohne Promotion darf der Approbierte sich nur „Arzt" nennen, nicht aber den Doktortitel verwenden oder verwenden lassen.⁸

    29 Auch aufgrund eines Diploms, das in der EU oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder einem diesem gleichgestellten Staat ausgestellt worden ist, hat die Approbation erteilt zu werden, wenn auch auf der Ableistung einer Vorbereitungszeit bestanden werden kann.⁹ Im EU-Ausland erworbene Qualifikationen werden aus europarechtlichen Gründen großzügig anerkannt; im Prinzip sollte das damit verbundene Niveau freilich auch hier das erforderliche inländische erreichen¹⁰. Das erfordert neben einem objektiven Vergleich der Ausbildungsgänge bei einem Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates der EU eine Berücksichtigung der individuellen Qualifikation und Berufserfahrung. An Nicht-EU-Staatsangehörige werden noch weitergehende Anforderungen gestellt; hier ist die Gleichwertigkeit nachzuweisen, ggf. durch eine Prüfung (§ 3 Abs. 2 BÄO)¹¹. Bei der Anerkennung gleichwertiger Ausbildungszeiten macht es freilich keinen Unterschied, ob ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedsstaats der EU oder ein eingebürgerter deutscher Staatsangehöriger den Antrag stellt. Demgemäß können ggf. auch Ausbildungszeiten in der früheren Sowjetunion anerkannt werden, nicht anders als z. B. bei Ärzten, die aus den Baltischen Staaten im Land tätig werden wollen, wenn deren Ausbildung noch vor dem Beitritt zur EU begann¹².

    3. Verzicht, Ruhen und Widerruf der Approbation

    30 Auf die Approbation kann der Approbierte verzichten. Auch darf nach § 6 BÄO ihr Ruhen angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen einer Straftat mit Berufsbezug ein Verfahren eingeleitet ist oder wenn er nachträglich gebrechlich, schwach oder süchtig geworden ist¹³ bzw. Zweifel an seiner Berufsfähigkeit bestehen und er sich weigert, eine amts- oder fachärztliche Untersuchung durchführen zu lassen. Bestehen Hinweise auf einen schädlichen Alkoholabusus o. Ä., kann die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nur unter der Auflage der völligen Alkoholabstinenz angenommen werden, was ggf. vom Arzt zu beweisen ist.¹⁴ Die Anordnung des Ruhens der Approbation ist weiter dann möglich, wenn Straftaten gegen die Ehre und Würde von Personen in Frage stehen und sich im Strafverfahren Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr ergeben haben, selbst wenn es an einem rechtskräftigen Strafurteil (noch) fehlt.¹⁵ Auch wenn medizinisch nicht indizierte Maßnahmen (wie etwa Dialysen) durchgeführt werden, kann das Ruhen der Approbation angeordnet und sofort vollzogen werden.¹⁶

    31 Die Approbation ist zurückzunehmen, wenn sich später herausstellt, dass die ärztliche Prüfung nicht bestanden wurde, und sie kann ebenso zurückgenommen werden, wenn sonstige Voraussetzungen für sie (z. B. Zuverlässigkeit und körperliche Eignung) nicht bestanden haben (§ 5 Abs. 1 BÄO)¹⁷. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme oder des Widerrufs einer heilberufsrechtlichen Erlaubnis kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung an. Selbst eine Entscheidung, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig war, kann sich also im Widerspruchsverfahren als (mittlerweile) rechtswidrig (geworden) herausstellen.¹⁸

    32 Nur gravierende Verfehlungen können einen Widerruf der Approbation tragen. Sie müssen geeignet sein, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern. Der Widerruf der Approbation ist z. B. möglich, wenn der Betroffene seinen Beruf altersbedingt nicht mehr sachgerecht ausüben kann, so dass es zur missbräuchlichen Abgabe von Schmerz- und Betäubungsmitteln kommt¹⁹. Ein Widerrufsgrund ist weiter die nachträglich festgestellte Gebrechlichkeit des Mediziners.²⁰ Die Anordnung des Ruhens der Approbation löste das Verhalten einer Ärztin aus, die sich als Expertin bei „natürlichen" Geburten gerierte und es auf Grund ihrer Grundeinstellung unterließ, während einer Risikogeburt die werdende Mutter in eine Klinik zwecks Durchführung eines Kaiserschnitts einzuweisen²¹.Unwürdig für die Berufsausübung ist ein Arzt, der zahlreiche erhebliche, von seiner Tätigkeit als Arzt untrennbare Körperverletzungs- und Betrugsdelikte begangen hat.²² Nicht anders steht es im Falle jahrelangen gewerbsmäßigen Betruges durch Fälschung technischer Aufzeichnungen.²³ Nicht recht überzeugend, jedenfalls großzügig zugunsten potentieller Betrüger ist ein Kammerbeschluss des BVerfG²⁴ ausgefallen, wonach selbst feststehende Behandlungen (Impfungen) von Patienten ohne medizinische Indikation und ohne Aufklärung, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Körperverletzung und Betruges geführt haben, nicht die Anordnung des Sofortvollzuges eines Approbationswiderrufes rechtfertigen sollen, weil die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgeht, nicht reicht. Zumindest das Ruhen der Approbation sollte hier indes sofort vollzogen werden können. Strenger hat das BVerwG²⁵ vertreten, der Widerruf einer Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Logopäde wegen Unzuverlässigkeit könne trotz des Prinzips der Verhältnismäßigkeit nicht auf die Behandlung weiblicher Patienten beschränkt werden, selbst wenn nur weibliche Patienten sexuell missbraucht worden sind, weil die Berufspflichten insgesamt (und nicht nur teilweise) zuverlässig zu erfüllen sind. Ein im Strafverfahren ausgesprochenes Berufsverbot, welches sich nur auf Patientinnen bezieht, lässt sich im Einzelfall durchaus ordnungsrechtlich zu einem absoluten Berufsverbot erweitern (sog. berufsrechtlicher Überhang). Das folgt aus dem unterschiedlichen Zweck des strafrechtlichen Berufsverbots gegenüber dem Widerruf der Approbation²⁶.

    33 Besondere Schwierigkeiten bereiten einzelne Vorfälle, aus denen auf die Unzuverlässigkeit des Arztes geschlossen werden kann. Entscheidend sind insoweit der Berufsbezug und die Schwere des Vorfalls. Auch außerberufliche wiederholte gravierende Verfehlungen können indes den Widerruf der Approbation rechtfertigen.²⁷ So kann die rechtskräftige Verurteilung eines Zahnarztes wegen sexueller Nötigung eines 15-jährigen Mädchens in seinem Wohnhaus zum Widerruf der Approbation führen²⁸. Trunkenheit bei der Behandlung selbst ist ein Verstoß gegen die Berufspflicht, nicht aber eine allgemeine Trunkenheitsfahrt des Arztes.²⁹ Dass ohne weiteres eine Berufspflicht verletzt wird, wenn ein Arzt alkoholisiert ein Kraftfahrzeug führt³⁰, geht daher zu weit. Hat der Arzt während einer Bewährungszeit gezeigt, dass er die Voraussetzungen der Approbation nunmehr besitzt, ist ihm die Approbation erneut zu erteilen. Im Fall einer konkreten Patientengefährdung kann der Sofortvollzug des Entzugs der ärztlichen Approbation angeordnet werden³¹.

    34 Wird eine ärztliche Approbation wegen Unwürdigkeit widerrufen, darf die Approbationsbehörde grundsätzlich von der Richtigkeit tatsächlicher Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil ausgehen; im konkreten Fall handelte es sich um eine Verurteilung wegen sexueller Nötigung in einem besonders schweren Fall durch einen Arzt, der erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe

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