Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Nachhaltige Unternehmensführung: Herausforderungen und Beispiele aus der Praxis
Nachhaltige Unternehmensführung: Herausforderungen und Beispiele aus der Praxis
Nachhaltige Unternehmensführung: Herausforderungen und Beispiele aus der Praxis
Ebook908 pages8 hours

Nachhaltige Unternehmensführung: Herausforderungen und Beispiele aus der Praxis

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Dieser Herausgeberband setzt sich empirisch und theoretisch mit verschiedenen Aspekten einer nachhaltigen Unternehmensführung auseinander. Fortwährendes weltweites Bevölkerungswachstum und zunehmender Konsum zusammen mit wachsender Globalisierung führen dazu, dass die in unserer Umwelt vorhandenen natürlichen Ressourcen ohne gegensteuernde Maßnahmen irgendwann erschöpft sein werden. In dieser Situation wird eine strategische Führung von Unternehmen und Organisationen immer wichtiger, die ausgehend von den drei Nachhaltigkeitsperspektiven „Ökonomie“, „Ökologie“ und „Soziales“ alle relevanten Stakeholder einbezieht. Ziel sollte eine generationenübergreifende Entwicklung sein, in der die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt werden, ohne dass dies auf Kosten zukünftiger Generationen geschieht. Auf dieser Grundlage greifen die Autoren aktuelle, praxisrelevante Fragestellungen auf, schildern konkrete Fallbeispiele und geben Handlungsempfehlungen. Die Bandbreite reicht von einer grundlegenden Diskussion ethischer Prinzipien internationaler Unternehmen über wertorientierte Steuerungskennzahlen und eine nachhaltige Beschaffung in der Lebensmittelbranche bis hin zur Logistikgestaltung in Smart Cities.


LanguageDeutsch
Release dateNov 3, 2018
ISBN9783658221010
Nachhaltige Unternehmensführung: Herausforderungen und Beispiele aus der Praxis

Related to Nachhaltige Unternehmensführung

Related ebooks

Management For You

View More

Related articles

Reviews for Nachhaltige Unternehmensführung

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Nachhaltige Unternehmensführung - Kim Oliver Tokarski

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Kim Oliver Tokarski, Jochen Schellinger und Philipp Berchtold (Hrsg.)Nachhaltige Unternehmensführunghttps://doi.org/10.1007/978-3-658-22101-0_1

    1. Nachhaltige Unternehmensführung: Leitprinzip und Handlungsfelder in der Praxis

    Jochen Schellinger¹  , Philipp Berchtold²   und Kim Oliver Tokarski³  

    (1)

    Masterstudiengang Business Administration, Berner Fachhochschule, Bern, Schweiz

    (2)

    Bachelorstudiengang Betriebsökonomie, Berner Fachhochschule, Bern, Schweiz

    (3)

    Weiterbildung Wirtschaft, Berner Fachhochschule, Bern, Schweiz

    Jochen Schellinger (Korrespondenzautor)

    Email: jochen.schellinger@bfh.ch

    Philipp Berchtold

    Email: philipp.berchtold@bfh.ch

    Kim Oliver Tokarski

    Email: kim.tokarski@bfh.ch

    Zusammenfassung

    Nachhaltigkeit kommt in vielen Unternehmen und in zunehmendem Maße als ein strategisches Leitprinzip zum Tragen, das für die langfristige Existenzsicherung von Bedeutung und mit einer strategischen Stakeholderperspektive kompatibel ist. Ausgehend von den drei  Nachhaltigkeitsperspektiven „Ökonomie, „Ökologie und „Soziales" werden sechs Handlungsfelder nachhaltigen Wirtschaftens definiert, für die spezifische Problemstellungen untersucht werden. Die Beiträge für die Kontextbereiche Werte, Führung, Beschaffung, Produktion, Marketing und Personal sowie, ergänzend und weiterführend, für übergreifende ökonomische Fragestellungen mit Bezug zur Unternehmensumwelt werden zusammengefasst und im entwickelten Gesamtrahmen eingebettet.

    „Nachhaltigkeit" ist heute in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ein viel und gerne verwendeter Begriff, der für verantwortungsvolles und ressourcenbewahrendes zukunftsorientiertes Handeln der Akteure steht. Im Bereich der Ökonomie haben dieser Begriff und die mit ihm verbundenen Attribute längst den Status einer temporären Trenderscheinung überwunden. Nachhaltiges Wirtschaften ist zwischenzeitlich sowohl in der ökonomischen Forschung als auch in vielen Unternehmen in der Praxis ein etabliertes, ernst zu nehmendes Konzept, das für alle Bereiche betriebswirtschaftlicher Aktivitäten zum Tragen kommen kann. Nachhaltigkeit wird allerdings von vielen nach wie vor primär mit ökologischen Aspekten des Wirtschaftens in Verbindung gebracht. Dies hängt mit der ursprünglichen Begriffsprägung in den 70er- und 80er-Jahren zusammen, bei der Wachstumsgrenzen und die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen der Erde im Vordergrund standen (vgl. insbes. Meadows et al. 1972). Der 1987 von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen veröffentlichte „Brundlandt-Bericht" hat in diesem Sinne ein Verständnis von Nachhaltigkeit geprägt, das auf eine generationenübergreifende Entwicklung abhebt, die es erlaubt, dass die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt werden können, ohne das Risiko einzugehen, dass Generationen in der Zukunft ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können (WCED 1987).

    An der Grundkonstellation, dass bei fortwährendem weltweitem Bevölkerungswachstum und zunehmendem Konsum die in unserer Umwelt vorhandenen natürlichen Ressourcen ohne gegensteuernde Maßnahmen irgendwann erschöpft sein werden, hat sich bis heute substanziell nichts verändert. Die Situation hat sich in Verbindung mit der Globalisierung und stark wachsenden Volkswirtschaften wie China und Indien vielmehr noch verschärft. Im ökonomischen Kontext macht ferner – neben der originären Ausrichtung am Erhalt, respektive einer Vermehrung des investierten Kapitals (Wertsteigerung) – eine Ausweitung der Perspektive über die natürlichen Ressourcen hinausgehend auch auf knappe Human- und Sozialressourcen Sinn. Eine unternehmerische Nachhaltigkeit umfasst in diesem Verständnis also eine simultane ökonomische, ökologische und soziale Orientierung (vgl. dazu auch Elkington 1999). Dies korrespondiert in hohem Maße mit einer stakeholderorientierten strategischen Führungsperspektive. Wird, hieran anknüpfend, Nachhaltigkeit als stark prägendes umfassendes Leitprinzip für die drei angeführten Wirkungsrichtungen eines Unternehmens verstanden, dann kann von einer „nachhaltigen Unternehmensführung gesprochen werden. Sie strebt ein ausgewogenes Verhältnis der drei teils konfligierenden Sphären an und sieht dieses als Voraussetzung für das langfristige Überleben eines Unternehmens. Ökonomisches Agieren, das resultierende ökologische und soziale Folgewirkungen ausblendet oder sogar negiert, ist in diesem Verständnis nicht rational, respektive de facto „unökonomisch.

    Dieses erweiterte ökonomische Nachhaltigkeitsverständnis liegt dem vorliegenden Herausgeberband zugrunde. Bei der Strukturierung der Beiträge wird, in Anlehnung an die Kernprozesse und -funktionen eines Unternehmens, auf insgesamt sechs Gestaltungsbereiche zur Implementierung nachhaltiger Handlungsstrategien abgehoben: Werte, Führung, Beschaffung, Produktion, Marketing und Personal. In einem 7. Themenblock werden abschließend übergreifende umweltrelevante Themenstellungen mit ökonomischen Grundbezügen aufgegriffen.

    Der 2. und 3. Beitrag des Bandes setzen an zwei wesentlichen Stellhebeln einer nachhaltigen Unternehmensführung auf der normativen Ebene an. Die in einem Unternehmen vorhandenen Werte können einerseits fördernd oder zumindest kompatibel in Bezug auf nachhaltiges Verhalten von Führungskräften und Mitarbeitenden wirksam werden, andererseits können starre, etablierte Wertvorstellungen der Wirtschaftsakteure auch nachhaltiges Handeln hemmen oder unterbinden. Ethik und Nachhaltigkeit sind vor diesem Hintergrund klar als in hohem Maße korrespondierend einzuordnen.

    Im Zeitalter der Globalisierung und stark vernetzter internationaler Handelsmärkte und Produktionsprozesse können vor allem international tätige Großunternehmen, die sich ethischen Grundwerten verpflichtet haben, hinsichtlich einer Förderung nachhaltiger Entwicklungen eine Vorbildfunktion einnehmen und positive Veränderungen mit grenzüberschreitendem Wirkungspotenzial herbeiführen. Die hohe Kompatibilität von Ethik und Nachhaltigkeit kommt im Beitrag „Ethik in international tätigen Unternehmen" zum Tragen. Er untersucht, wie verhaltensethische Richtlinien in Schweizer Großunternehmen eingeführt und implementiert werden und welche Folgen hiermit verbunden sind. Ausgangspunkt des Beitrags ist die Tatsache, dass das Wirtschaften von vielen international tätigen Großunternehmen von der Öffentlichkeit zunehmend kritisch verfolgt wird. Unethisches Verhalten von Unternehmen zieht oft erhebliche Reputationseinbußen nach sich, die bleibende ökonomische Schäden zur Folge haben. Unethisches Verhalten hat außerdem häufig Verletzungen des Nachhaltigkeitsgebots zur Folge oder ist mit diesem gleichzustellen, wenn ökologische und/oder soziale Folgeschäden resultieren, die auch die ökonomische Nachhaltigkeit tangieren. Deshalb ist eine Festlegung und Dokumentation von erwünschtem ethischen Verhalten zur Vermeidung von Fehlentwicklungen nicht nur ethisch, sondern auch wirtschaftlich angezeigt. Management und Mitarbeitende sind gefordert, sich auf dieser Grundlage ethisch korrekt zu verhalten und Verfehlungen im Sinne eines nicht nachhaltigen Wirtschaftens zu vermeiden. Ferner sind funktionale Vorgaben und der Einsatz geeigneter Instrumente erforderlich, damit Maßnahmen zur Gewährleistung ethischer Verhaltensweisen erfolgreich durchgeführt werden können. Entsprechende Verhaltensrichtlinien sind dabei im internationalen Kontext so auszugestalten, dass diese global verstanden werden, aber länderspezifischen Anforderungen Rechnung tragen. Zudem ist ein Controlling wichtig, das die Einhaltung der Richtlinien überprüft und bei Bedarf erforderliche Anpassungen auf den Weg bringt. Der Erfolg von Ethikmaßnahmen hängt maßgeblich davon ab, wie die Vorbildfunktion durch Vorgesetzte wahrgenommen wird. Diese sind wichtige Akteure für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit und Implementierung von Unternehmensethik in international tätigen Unternehmen. Die Ergebnisse der durchgeführten qualitativen Erhebung bei 14 renommierten international agierenden Unternehmen bestätigen dies in hohem Maße und sprechen für eine in der Praxis von Großunternehmen durchgängig vorhandene Sicht, wonach Unternehmensethik und Unternehmenserfolg in positiver Wechselwirkung zueinander stehen. Dies korrespondiert wiederum mit der Grundannahme, wonach ethisches unternehmerisches Handeln auch zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung beiträgt.

    Der 3. Beitrag widmet sich den hemmenden Effekten, die von Werten für eine nachhaltige Entwicklung ausgehen können. Am Beispiel von Schweizer Landwirtschaftsbetrieben wird untersucht, wie Wertvorstellungen von Landwirtinnen und Landwirten als Hemmschwellen für betriebliche Anpassungsstrategien zum Tragen kommen können. Die europäische Landwirtschaft wird bereits seit Jahrzehnten von einem Strukturwandel geprägt, dem sich die Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz auf Dauer nicht entziehen werden können. Die Fähigkeit, einen solchen Wandlungsprozess umsetzen und damit einhergehende Krisen erfolgreich bewältigen zu können, wird auch Resilienz genannt. In diesem Zusammenhang ist problematisch, dass sehr traditionelle Werte im Landwirtschaftssektor nach wie vor eine hohe Relevanz aufweisen und nachhaltige Weiterentwicklungen der Betriebe bremsen oder verhindern können. Dieses Phänomen wird im Rahmen einer quantitativen Onlinebefragung untersucht, die Rückschlüsse darauf erlaubt, ob und wie traditionelle Wertvorstellungen in der Schweizer Landwirtschaft tatsächlich hemmend auf nachhaltige betriebliche Anpassungsstrategien hinsichtlich der Umweltveränderungen im Agrarsektor wirken. Es wird also eine Antwort auf die Frage gesucht, inwiefern die tradierten Wertvorstellungen von Landwirtinnen und Landwirten die Anpassungsfähigkeit auf der betrieblichen Ebene beeinträchtigen.

    Im Gestaltungsbereich der Führung befasst sich der 4. Beitrag mit einem in Industrieunternehmen weit verbreiteten Führungs- und Steuerungsprinzip, das vor allem eine ökonomischen Nachhaltigkeit nach sich ziehen kann, und indirekt, über ressourcenschonende Effekte, auch ökologische und gegebenenfalls auch soziale Auswirkungen haben kann. Der Beitrag untersucht die Einführung eines Kaizen-Reifegradmodells bei der SBB im Personenverkehr Vertrieb und Services. Er setzt am Stellhebel von Konzepten zur Qualitätssteigerung an, um eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmensentwicklung zu fördern. Qualität wird für im Personenverkehr tätige Unternehmen neben attraktiven Preisen und dem Faktor Zeit zu einem immer wichtigeren Wettbewerbsvorteil. Kaizen steht für eine Führungs- und Steuerungsphilosophie, in der den Mitarbeitenden eine zentrale Rolle zur Qualitätsverbesserung und somit zur positiven Beeinflussung dieses Erfolgsfaktors zukommt. Die Mitarbeitenden können selbst am besten beurteilen, wie bestehende Prozesse funktionieren, und auf welchem Weg sie ihr Arbeitsumfeld nachhaltig optimieren können. Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) setzen Kaizen im Bereich Vertrieb und Services bereits seit 2008 erfolgreich ein. Aktuell wird ein Kaizen-Auditformular verwendet, um den Stand der Kaizen-Entwicklung und die erzielten Fortschritte zu dokumentieren. Im Rahmen einer Fallanalyse werden die Grenzen des derzeitigen Auditprozesses aufgezeigt und als Konsequenz ein Reifegradmodell entwickelt, welches den Bedürfnissen der Führungskräfte und der Kaizen-Agenten entspricht.

    Beitrag 5 befasst sich mit wertorientierten Steuerungskennzahlen für eine nachhaltige finanzielle Führung von Unternehmen. Er analysiert die nachhaltige finanzielle Führung mit wertorientierten Steuerungskennzahlen bei Unternehmen, die im Swiss Market Index (SMI) enthalten sind. In einer Zeit, in der Unternehmen trotz Milliardenverlusten Dividenden und Boni ausbezahlen und hierfür das Eigenkapital geschmälert wird, steigt die Aufmerksamkeit der Medien hinsichtlich der Qualität der Unternehmensführung in Schweizer Konzernen. Ein wertorientiertes Steuerungssystem für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung, die Mehrwert für Shareholder und damit auch für andere Stakeholder schafft, kann dabei helfen, Reputationsrisiken durch erhöhte Transparenz zu reduzieren und nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen. Die empirische Untersuchung auf der Basis einer Geschäftsberichtsanalyse der 20 SMI-Unternehmen analysiert die Verbreitung, den Nutzungsrahmen und die Ausgestaltung des Value-Based-Management vor dem Hintergrund eines auf langfristige Wertsteigerung abhebenden Führungs- und Entwicklungsansatzes.

    Mit einem Spezialproblem einer finanziell nachhaltigen Führung von Kreditinstituten setzt sich Beitrag 6 auseinander. In ihm geht es um eine Betrachtung des Risikomanagements in Finanzinstituten, und damit verbunden um eine Form von Risikotransparenz, die eine nachhaltige Entwicklung von Finanzinstituten mit gewährleistet und potenzielle Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen lässt. Im Kontext einer nachhaltigen, auf langfristige Existenzsicherung abzielenden Führung von Finanzinstituten kommt einer adäquaten kontinuierlichen Bewertung von Risiken eine wichtige Rolle zu. Das angemessene Erfassen von Marktrisiken beschäftigt allerdings nicht nur Finanzinstitute, sondern auch die regulatorischen Aufsichtsbehörden, da den Banken eine wichtige gesamtwirtschaftliche Funktion in der Schweizer Volkswirtschaft zukommt. Vonseiten des Gesetzgebers werden die risikogewichteten Aktiva (RGA) gemessen, um das nötige regulatorische Kapital bereitzustellen. Finanzinstitute verwenden hierfür statistische Messgrößen wie den Value-at-Risk, um die Risiken zu quantifizieren. Die Analyse untersucht, ob die RGA eine risikosensitive Marktrisikoeinschätzung tatsächlich auch gewährleistet. Risikosensitivität in diesem Kontext bedeutet, dass die Eigenkapitalvorschriften die zugrunde liegenden Risiken widerspiegeln sollen, welche die Banken eingegangen sind. Die regressionsanalytische Untersuchung wird anhand eines Vergleichs zwischen den risikogewichteten Aktiva und dem Value at Risk als risikosensitiver Messgröße durchgeführt, wobei ein fiktives Portfolio zugrunde gelegt wird.

    Im betrieblichen Funktionsbereich der Beschaffung wird im 7. Beitrag der Fragestellung nachgegangen, inwiefern durch die Zusammenarbeit mit Werkstätten für Menschen mit Behinderung eine nachhaltige Beschaffung möglich ist, die neben der ökonomischen Nachhaltigkeitsrationalität insbesondere die soziale Dimension und indirekt auch die ökologische Zielerreichung positiv beeinflusst. Im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmensführung verfügen alle Funktionsbereiche über Realisierungspotenziale für Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit. Vor allem in produzierenden Unternehmen kommt dem Beschaffungsbereich ein besonders großes Potenzial zu, der typischerweise deutlich mehr als die Hälfte der Kosten von verkauften Industriegütern determiniert. Auf der Grundlage des Triple-Bottom-Line-Ansatzes von Elkington (Elkington 1999), der, wie hier im zugrunde gelegten Unternehmensführungskonzept aufgegriffen, propagiert, von den drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales ausgeht, wird unter Heranziehung einer Fallstudie mit Schweizer Tochterunternehmen eines internationalen Industriekonzerns untersucht, wie Werkstätten für Menschen mit Behinderung in ein nachhaltiges Supply Chain Management eingebunden werden können. Als Ergebnis der Analyse kann ein empirisch fundiertes Modell zur nachhaltigen Beschaffung mit Werkstätten für Menschen mit Behinderung abgeleitet werden, das als Hilfestellung bei der verstärkten Ausrichtung von Beschaffungsfunktionen auf Nachhaltigkeit mit besonderer Bezugnahme auf deren soziale Dimension zum Tragen kommen kann. Neben den Chancen einer entsprechend ausgestalteten nachhaltigen Beschaffung werden im Beitrag auch resultierende potenzielle Problemfelder thematisiert.

    In Beitrag 8 werden die Möglichkeiten einer nachhaltigen Beschaffung von Lebensmitteln im Detailhandel thematisiert. Im Detailhandel gibt es heute bereits ein großes Angebot von nachhaltigen Lebensmittelprodukten. Biologische und Fairtrade-zertifizierte Produkte gehören zwischenzeitlich in jedem Supermarkt zum Standardsortiment. Mit dem wachsenden Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten für eine nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln und einer entsprechenden Ausrichtung ihrer Konsumgewohnheiten steigen auch deren Anforderungen an die Nachhaltigkeitsleistung der Produkte im Detailhandel. Die Detailhandelsunternehmen haben diesen anhaltenden Trend erkannt und Nachhaltigkeit bereits großteils in ihre Vision und Strategie integriert. Die sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht gestiegenen Nachhaltigkeitsanforderungen der Verbraucher und die vielfach ambitionierten Nachhaltigkeitszielsetzungen der Detailhändler sind mit großen Herausforderungen bei der Maßnahmenumsetzung verbunden. Der Beitrag thematisiert diese Herausforderungen und untersucht Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung und Messung von Nachhaltigkeitsleistungen im Rahmen der Beschaffung von Lebensmitteln. Hierfür werden im Rahmen einer vergleichenden Fallstudienanalyse vier unterschiedliche Lebensmitteldetailhändler untersucht und auf Basis der abgeleiteten Ergebnisse Handlungsempfehlungen abgeleitet.

    Beitrag 9 befasst sich mit der Thematik einer nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln. Die Nachhaltigkeit in der Milchwirtschaft steht in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen rund um die landwirtschaftliche Erzeugung von Lebensmitteln immer wieder im Mittelpunkt. Die Branche ist in zunehmendem Maße gefordert, gemeinsam eine Mehrwertstrategie für Schweizer Milch zu unterstützen (Gmür 2016). Ein entsprechender Mehrwert entsteht durch eine von Politik und Gesellschaft geforderte nachhaltige Milchproduktion. Die Abgrenzung dessen, was Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft heißt, respektive heißen soll, ist jedoch immer noch mit vielen Fragezeichen behaftet. Unklar ist ferner der gegenwärtige Nachhaltigkeitsstatus der Schweizer Milchproduktionsbetriebe. Diesen Fragen wird anhand einer theoretischen und empirischen Analyse der Bedeutung von Nachhaltigkeit und von Erhebungsmethoden zur Messung der Nachhaltigkeit nachgegangen. Die abgeleiteten Erkenntnisse sind die Grundlage zur Entwicklung eines praxisorientierten Modells zur Nachhaltigkeitsmessung in der Milchproduktion.

    Die im Gestaltungsbereich des Marketing beheimateten Beiträge weisen primäre Bezüge zur ökonomischen Dimension von Nachhaltigkeit auf. Die Beiträge bewegen sich aber in Themenbereichen, denen auch gesamtwirtschaftlich und gesellschaftlich eine hohe Bedeutung zukommt (Unternehmensgründungen und Innovation, Bildung, Konsum nachhaltiger Lebensmittel). Von großer Bedeutung für eine langfristig erfolgreiche und nachhaltige Unternehmensgründung ist ein hoher Innovationsgrad und eine ausgeprägte Kundenorientierung. Diese beiden Aspekte greift Beitrag 10 im empirischen Setting einer Fallstudienanalyse bei Start-ups und etablierten Unternehmen auf. Mangelhaftes Wissen über Marktgegebenheiten und ein fehlendes Verständnis für Kundenbedürfnisse sind oftmals Gründe für Misserfolge von Innovationen. Eine mögliche Option, dem entgegenzusteuern, ist die Nutzung von unternehmensexternem Wissen. In diesem Sinne können Kunden als wichtige Innovationspartner bei der Neuproduktentwicklung betrachtet werden. Die große Herausforderung einer solchen Partnerschaft besteht in der Ermittlung von Kundenbedürfnissen zur innovativen Neuproduktentwicklung. Die Fallstudienanalyse hat das Ziel, festzustellen, wie Unternehmen Kundenbedürfnisse für die Entwicklung von neuen Produkten erheben und validieren, um daraus Erkenntnisse zur Verbesserung von Innovationsprozessen abzuleiten. Die Ergebnisse zeigen, dass eine große Bandbreite von Instrumenten und Methoden zum Einsatz kommt. Diese reicht von persönlichen Einzelbefragungen über Gruppenanlässe bis hin zu Produktnutzungsanalysen, marktforschungsbasierten Trendanalysen und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es vor allem auch bei der Fortführung der Kundenbindung hinsichtlich einer der Bedürfnisanalyse nachgelagerten Ableitung von Maßnahmen.

    Mit der Erfolgswirksamkeit von Marketinginstrumenten Schweizer Bildungsorganisationen mit einer Dachmarke befasst sich Beitrag 11. Begründet auf der Tatsache, dass der Schweizer Bildungsmarkt stark zersplittert ist und viele Anbieter um Kunden konkurrieren, bedarf es einer zielgruppenorientierten Umsetzung von geplanten strategiekonformen Marketingmaßnahmen. Der Kommunikationspolitik kommt dabei eine hohe Bedeutung zu. Am Beispiel des Bildungszentrums für Wirtschaft und Dienstleistung bwd Bern und unter Verwendung eines Mixed-Methods-Forschungsdesigns werden die Erfolgswirksamkeit sowie die komplementären Erfolgsfaktoren für den effizienten Einsatz von kommunikationspolitischen Marketinginstrumenten bezüglich ihrer Absatz- und Imagebeeinflussung untersucht. Dazu wird ein an den pragmatischen situativen Ansatz von Kieser und Kubicek (1992) angelehntes Analysemodell für Bildungsmarketing entwickelt. Dieses wird mittels einer quantitativen Onlinebefragung bei direkten Anspruchsgruppen des bwd Bern sowie sieben qualitativen leitfadengestützten Experteninterviews bei vergleichbaren Schweizer Bildungsinstitutionen anschließend empirisch validiert. Als erfolgswirksamste Marketinginstrumente identifiziert die Studie den Einsatz von Direktmarketing, eine umfassende Unternehmenswebsite sowie den Versand von E-Newslettern. Die Studie hat gezeigt, dass nachhaltige Erfolge im Marketing von Bildungsorganisationen eine Erarbeitung von auf die Unternehmensziele hin ausgerichteten zielgruppenorientierten Marketingstrategien mit aufeinander abgestimmten Politikbereichen erforderlich macht.

    Der 12. Beitrag beschäftigt sich mit der „Brandawareness von nachhaltigen Lebensmittellabels in der Schweiz". Fast alle Detailhändler in der Schweiz bemühen sich darum, den Konsumierenden nachhaltige Lebensmittel, welche mit einem entsprechenden Label gekennzeichnet sind, schmackhaft zu machen. Darüber, wie die Konsumenten und Konsumentinnen diese Labels wahrnehmen, gibt es gibt es diverse Studien, die sich bislang jedoch noch nicht mit dem Schweizer Markt befasst haben. In der empirischen Analyse des Beitrags wird untersucht, wie nachhaltige Lebensmittellabels von Konsumierenden in der Schweiz wahrgenommen werden. Zu diesem Zweck werden  Fokusgruppengespräche durchgeführt. Aus einem Abgleich der bisherigen theoretischen Erkenntnisse zum Einsatz von Nachhaltigkeitslabels und der Resultate der eigenen Erhebung können Schlüsselfaktoren für die erfolgreiche Anwendung nachhaltiger Lebensmittellabels im Schweizer Kontext abgeleitet werden.

    Als weiteres, besonders eng mit der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit verbundenes Gestaltungsfeld nachhaltigen Wirtschaftens kann das Personalwesen in Unternehmen betrachtet werden, das, in diesem Kontext, den nachhaltigen Einsatz und die Nutzung von Humanressourcen zum Gegenstand hat. Hiermit verbunden ist in zunehmendem Maße der Einsatz und die Einbindung von Mitarbeitenden in moderne Arbeitswelten, mit dem sich Beitrag 13 auseinandersetzt. Wie aktuelle Studien zeigen, befinden sich momentan viele Unternehmen auf dem Weg von einer traditionellen in eine moderne Arbeitswelt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen werden neue Arbeitsformen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer stärker eingefordert, zum anderen sind sie auf Unternehmensseite mit vielerlei Chancen verbunden. Wie die nachhaltige Einführung einer neuen Arbeitsumgebung konkret aussehen soll, und an welchen Erfolgsgeschichten man sich in diesem Zusammenhang orientieren kann, ist aber oft unklar. Erschwerend kommt hinzu, dass die Umsetzung in der Regel nicht auf der grünen Wiese geschieht, sondern innerhalb etablierter Strukturen sowie einer bestehenden Unternehmenskultur und den damit verbundenen Werten und Einstellungen der Unternehmensmitglieder. Im Beitrag wird aufgezeigt, wie vier Schweizer Großunternehmen bei der Einführung und Umsetzung einer neuen Arbeitsumgebung vorgegangen sind, und es wird beleuchtet, ob die im Vorfeld definierten Ziele erreicht wurden.

    In Beitrag 14 wird ein Modell für nachhaltige berufliche Grundbildung entwickelt, das die Marktfähigkeit der Berufslehren von Unternehmen gewährleisten soll. Das duale Berufsbildungssystem der Schweiz genießt im In- und Ausland hohe Beachtung, da nicht nur die tiefe Jugendarbeitslosigkeit, sondern auch ein wesentlicher Teil des wirtschaftlichen Erfolges der Schweiz darauf zurückgeführt wird. Die notwendigen Kompetenzen von Nachwuchskräften ändern sich rasant. Das gesamte System Berufsbildung Schweiz ist gefordert, in Bezug auf Veränderungen und Trends wie Globalisierung, demografischer Wandel, Upskilling und Deindustrialisierung rascher zu agieren. Besonders Unternehmen, welche im Zentrum der dualen Berufsbildung stehen, sind darauf angewiesen, diese Veränderungen zu berücksichtigen und mit ihren Berufsausbildungen marktfähig zu bleiben. Auch wenn die Berufsbildung in der Schweiz eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt (Branchen) ist, und dadurch stark institutionalisiert ist, müssen auch die Unternehmen aktiv werden. Sie benötigen ein Modell, Vorgehensweisen und Handlungsempfehlungen, um ihr Angebot an Berufslehren marktfähig zu halten. Basierend auf einer Literaturanalyse über die Berufsbildung Schweiz sowie zehn leitfadengestützte Experteninterviews mit Fachpersonen aus Unternehmen und Institutionen der Berufsbildung wird ein neues Modell präsentiert, wie Unternehmen ihr Angebot an Berufslehren zielführend steuern und, unter Berücksichtigung der institutionellen Rahmenbedingungen, stets marktfähig halten können. Dies gelingt mit folgenden acht Handlungen: Orientieren, Diskutieren, Fokussieren, Kooperieren, Investieren, Implementieren, Kontrollieren, Innovieren. Pro Handlung wird beschrieben, mit welchen Handlungspartnern eine Interaktion sinnvoll ist, und welche Instrumente pro Handlung unterstützend sind. Das erarbeitete Modell fordert Unternehmen auf agile Art und Weise auf, sich im Bereich Berufsbildung ständig weiter zu entwickeln und diesen zukunftsfähig zu gestalten.

    Die demografische Entwicklung macht immer mehr Menschen in der Schweiz zu Betroffenen von Angehörigenbetreuung. Gleichzeitig erschweren gesellschaftliche Veränderungen und der Wandel in der Arbeitswelt eine gelingende Work-Life-Balance, wodurch sich die Gefahr einer permanenten Überbelastung für betreuende Erwerbstätige erhöht. Beitrag 15 setzt sich eingehend anhand einer Bestandsaufnahme der Situation in der Schweiz mit dieser gesellschaftlich hoch relevanten Thematik auseinander und eruiert betriebliche Möglichkeiten zur Unterstützung von betreuenden Mitarbeitenden. Der Beitrag macht deutlich, dass die Vereinbarkeitsproblematik von Betroffenen ohne geeignete betriebliche Unterstützungsmaßnahmen nicht lösbar ist. Er gibt ferner Aufschluss darüber, wie Firmen in der Deutschschweiz die Thematik Angehörigenbetreuung aktuell managen. Auf Grundlage der abgeleiteten Erkenntnisse werden Handlungsempfehlungen für Betriebe formuliert, die die langfristige und nachhaltige Verankerung der Thematik Angehörigenbetreuung unterstützen sollen.

    Die umweltorientierten Beiträge befassen sich mit Fragestellungen, die zwar auch einen ökonomischen Hintergrund haben, aber insbesondere unternehmensübergreifende Auswirkungen und Grundfragen der Nachhaltigkeit thematisieren. Smart Cities stehen für ganzheitliche Entwicklungskonzepte, die Städte ökologisch, technologisch und sozial fortschrittlicher machen sollen. Beitrag 16 konzentriert sich in diesem Zusammenhang auf Fragestellungen der Logistik im Business-to-Business (B2B)-Kontext. Im Beitrag werden Use Cases für die urbane Logistik in einer Schweizer Smart City mittels Design Thinking konzipiert. In der Schweizer Logistik werden heute noch viele unterschiedliche und proprietäre IT-Systeme eingesetzt. Daten werden häufig nicht aufgezeichnet oder nur intern genutzt und nicht zugänglich gemacht. Gleichzeitig haben die Kunden das Bedürfnis, mehr Informationen über ihren Auftrag zu erhalten. Die Situation im Detailhandel gestaltet sich anders: Die digitalen Ableger der größten Detailhändler sind kaum verbreitet und das, obwohl sich der klassische Detailhandel negativ auf Verkehrsbelastung und Energiebilanz auswirkt und der Endkunde von vollen Filialen, langen Kassenschlangen oder schweren Einkäufen geplagt ist. Mittels Design-Thinking-Techniken sollen Pains und Gains in diesen Themenbereichen identifiziert und auf der Grundlage einer Smart-City-Plattform Use Cases abgeleitet werden. Ein Use Case behandelt eine Plattform zum Datenaustausch mit integrierter Fahrtenbörse für die B2B-Logistik, der andere den digitalen Detailhändler, der kaum noch physische Waren präsentiert und eine personalisierte Lieferung für den Endkunden bietet.

    Einen verhaltensökonomischen Zugang zur Reduzierung von Abfall (Nudges to Reduce Waste) bietet Beitrag 17, der die Möglichkeiten einer nachhaltigen Gestaltung von Entscheidungsarchitekturen in Alltagssituationen analysiert. Eine Transformation hin zu einer nachhaltigeren Entwicklung betrifft alle Ebenen der Gesellschaft. Einer der wichtigsten Treiber für diese Transformation ist das persönliche Verhalten der Gesellschaftsmitglieder. „Nudging steht als Begriff aus der Verhaltensökonomie für eine Form der transparenten Einflussnahme auf menschliches Verhalten durch ein bewusstes Design von Entscheidungsarchitekturen, um „bessere Entscheidungsalternativen zu fördern. Obwohl ethische Debatten über die Eigenschaften der „besseren" Option durchaus möglich sind, wird der Wert von Nachhaltigkeit im Allgemeinen weitgehend anerkannt. In einer empirischen Studie wurde das Verhalten von Mitarbeitenden einer Organisation mit einer Reihe von Nudges beeinflusst und analysiert, um die Abfallerzeugung in Verbindung mit dem Kaffeekonsum zu reduzieren. Die Ergebnisse zeigen, dass Nudges wirksame und kostengünstige Beiträge leisten können, wenn es darum geht, Menschen dazu zu bringen, in Alltagssituationen nachhaltigere Verhaltensweisen zu zeigen.

    Regionalpolitische Erfolgsfaktoren einer nachhaltigen Entwicklung im ländlichen Raum der Schweiz, Österreichs und Deutschlands sind Gegenstand des letzten, achtzehnten Beitrags. Seit Jahrzehnten zielt die Regionalpolitik darauf ab, die ländlichen Regionen bei ihrer Entwicklung zu unterstützen. Auch wenn für die vergangenen Jahre diesbezüglich einige Fortschritte festgestellt werden können, sind die Disparitäten zwischen urbanen und ländlichen Räumen jedoch weitgehend unverändert bestehen geblieben. In der empirischen Studie zum Sachverhalt wird analysiert, warum hiervon abweichend einigen ländlichen Regionen trotzdem eine langfristig positive Entwicklung gelingt. In einem zweistufigen Untersuchungsansatz werden zunächst die Sichtweisen von Regionalentwicklungsexpertinnen und -experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis und anschließend von Vertreterinnen und Vertretern der Fallstudienregionen Achental (Deutschland), Bregenzerwald (Österreich) und Entlebuch (Schweiz) erhoben. Aus den Analyseresultaten der drei Fallstudien können 25 Erfolgsfaktoren einer nachhaltigen Entwicklung im ländlichen Raum abgeleitet werden. Auf Grundlage dieses Erfolgsfaktorenkatalogs wird ein Modell generiert, das die Perspektiven der vorgelagerten Expertenbefragung integriert und alle identifizierten Erfolgsfaktoren in einen zyklischen Zusammenhang im Sinne einer nachhaltigen Regionalentwicklung bringt.

    Die für die Handlungsfelder einer nachhaltigen Unternehmensführung und die darüber hinausgehenden Fragestellungen aus der Unternehmensumwelt angeführten Beiträge bilden eine große Bandbreite ökonomischer Anwendungsbezüge ab und helfen dabei, Nachhaltigkeit im wirtschaftlichen Kontext greifbarer zu machen. Letzteres resultiert daraus, dass sämtliche Beiträge einen empirischen Zugang für die Analyse gewählt haben, der größtenteils auch in sehr konkrete Handlungsempfehlungen für die praktische Umsetzung mündet. Für das in der Schweiz bislang noch wenig empirisch untersuchte Forschungsfeld eines auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Managements können damit wichtige Impulse gegeben werden. Angesichts der übergreifenden Ausgangsperspektive und Fragestellungen dürften die Ergebnisse der Studien allerdings keinesfalls nur für Adressaten in der Schweiz von Bedeutung sein. Gleichgerichtete Nachhaltigkeits-Problemlagen finden sich in vergleichbaren Kontexten selbstverständlich auch in den europäischen Nachbarländern und darüber hinaus.

    Literatur

    Elkington, J. (1999). Cannibals with forks: The triple bottom line of 21st century business. Conscientious commerce. Oxford: Capstone.

    Gmür, H. (2016). Milchbauern rufen Staat zu Hilfe. Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Bern. http://​www.​nzz.​ch/​wirtschaft/​wirtschaftspolit​ik/​milchmarkt-milchbauern-rufen-den-staat-zu-hilfe-ld.​85251. Zugegriffen: 19. Apr. 2018.

    Kieser, A., & Kubicek, H. (1992). Organisation. München: Oldenbourg.

    Meadows, D., Meadows, D. L., Randers, J., & Behrens, W. W. (1972). Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. München: BSB.

    WCED – World Commission on Environment and Development. (1987). Our common future (Brundtland-Report). Oxford: Oxford University Press.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Kim Oliver Tokarski, Jochen Schellinger und Philipp Berchtold (Hrsg.)Nachhaltige Unternehmensführunghttps://doi.org/10.1007/978-3-658-22101-0_2

    2. Ethik in international tätigen Unternehmen

    Einführung und Umsetzung von verhaltensethischen Richtlinien in Schweizer Großunternehmen

    Annelis Straubhaar¹   und Jochen Schellinger²  

    (1)

    Oberhofen, Schweiz

    (2)

    Masterstudiengang Business Administration, Berner Fachhochschule, Bern, Schweiz

    Annelis Straubhaar (Korrespondenzautor)

    Email: annelis.straubhaar@bluewin.ch

    Jochen Schellinger

    Email: jochen.schellinger@bfh.ch

    Zusammenfassung

    Die Geschäftstätigkeit vieler international agierender Großunternehmen wird von der Gesellschaft und den Medien kritisch beobachtet. Unternehmerisches Fehlverhalten verursacht deshalb oft schwere Reputationsschäden. Vor diesem Hintergrund ist eine Dokumentation erwünschter ethischer Verhaltensweisen nicht nur ethisch, sondern auch ökonomisch angezeigt. Ethische Verhaltensrichtlinien sind im internationalen Kontext so zu gestalten, dass diese global verstanden werden und länderspezifischen Anforderungen entsprechen. Zudem ist ein Controlling wichtig, das die Einhaltung der Richtlinien überprüft und bei Bedarf Anpassungen auf den Weg bringt. Der Erfolg von Ethikmaßnahmen hängt maßgeblich davon ab, wie die Vorbildfunktion durch Vorgesetzte wahrgenommen wird. Die Ergebnisse der qualitativen Erhebung bei 14 renommierten international agierenden Unternehmen bestätigen dies in hohem Maße und sprechen für eine in der Praxis durchgängig vorhandene Sicht, wonach Unternehmensethik und Unternehmenserfolg in positiver Wechselwirkung zueinander stehen.

    2.1 Einleitung

    Die Schweiz ist weltweit eines der reichsten Länder. Gemäß Swiss Holdings wird jeder zweite Franken im Ausland verdient (SwissHoldings 2012). Ein großer Anteil am Reichtum der Schweiz lässt sich auf die von hier aus international tätigen Großkonzerne zurückführen. Diese Unternehmen tragen in einer zusehends globalisierten Welt eine über die Schweiz hinausgehende ökonomische, ökologische und soziale Verantwortung. Die Unternehmensverantwortung beginnt organisationsintern, indem Fragen zu Arbeitsbedingungen der Angestellten sowie zur verantwortungsbewussten Zusammenarbeit mit den externen Stakeholdern und zu korrektem ethischen Handeln beantwortet werden. Eine ethisch verantwortungsvolle Unternehmensführung trägt aufgrund positiver Verhaltens- und Wahrnehmungseffekte nach innen und außen dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens auf globalen Märkten zu erhalten (Scholz 2014, S. 185).

    Mit geeigneten Instrumenten können Führungskräfte und Mitarbeitende dabei unterstützt werden, den definierten ethischen Anforderungen gerecht zu werden. Im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang müssen ethische Konzepte und Methoden eine ethische Unternehmensführung gewährleisten und verantwortungsvolles Handeln der Akteure ermöglichen (Dietzfelbinger 2008; Göbel 2016).

    Internationale Wirtschaftstätigkeit birgt ein hohes Maß an Konfliktpotenzialen. So kann einerseits wegen unterschiedlicher Ansprüche zwischen dem Unternehmen und seiner Mitarbeitenden ein Spannungsfeld entstehen, andererseits können aufgrund länderspezifischer Rahmenbedingungen und kultureller Unterschiede Schwierigkeiten bei einer weltweiten Implementierung und Umsetzung der Unternehmenspolitik resultieren (Kreikebaum et al. 2001, S. 2 ff.). Nebst den globalen Herausforderungen wirtschaftlicher Aktivitäten stehen die Unternehmen den Erwartungen der Gesellschaft gegenüber, die sich in jedem Land anders zusammensetzt. Ethisches Wirtschaften soll für international tätige Unternehmen zu Vertrauen in der Gesellschaft führen und ihre interne und externe Reputation steigern (Dubs 2012). Die multinationalen Unternehmen stehen über ethische Grundsätze hinaus auch in der Pflicht, die lokalen, nationalen und internationalen Gesetzgebungen zu berücksichtigen. Auch die Befolgung rechtlicher internationaler Standards kann das positive Ansehen der Unternehmen fördern. Die Zusammenführung von gesetzeskonformem und ethisch einwandfreiem Verhalten mit profitorientiertem wirtschaftlichen Handeln stellt für internationale Unternehmen eine große Herausforderung dar (Homann und Gerecke 1999, S. 442–444).

    Es wird in der Literatur vielfach vermutet, dass in der Praxis verhaltensethische Richtlinien weit verbreitet sind, jedoch fehlen konkrete Erkenntnisse darüber, wie die Einführung und die Umsetzung solcher ethischer Richtlinien in den Unternehmen erfolgt. Zur Klärung des „State of the Art" in der unternehmensethischen Praxis wurden deshalb 14 erfolgreiche international tätige Unternehmen in der Schweiz zu folgenden Themengebieten in einem qualitativen Forschungssetting befragt:

    Anreize für die Verankerung des ethischen Handelns in der Strategie,

    Instrumente und Methoden der Unternehmensethik, Implementierungs- und Umsetzungsprozess sowie Controlling,

    Unternehmensethik als Einflussfaktor auf den Unternehmenserfolg,

    länderspezifische Besonderheiten in Bezug auf die politischen, sozialen und gesetzlichen Rahmenbedingungen.

    Die Resultate aus der empirischen Erhebung geben Aufschluss über die Verankerung, den Prozess und den Nutzen verhaltensethischer Unternehmensführung. Zusätzlich sollen die Herausforderungen und Treiber im Rahmen der Umsetzung unternehmensethischer Verhaltensrichtlinien erfasst werden. Basierend auf den Ergebnissen wird die folgende übergeordnete Fragestellung beantwortet:

    Wie ist in den international tätigen Unternehmen der Schweiz die Unternehmensethik eingeführt und umgesetzt, wie wird die Umsetzung kontrolliert und die Relevanz der Unternehmensethik für den Unternehmenserfolg beurteilt?

    Die empirischen Erkenntnisse münden in ein Modell, welches die Einflussfaktoren und den prozessualen Charakter bei der Einführung und Umsetzung der Unternehmensethik aufzeigt. Daraus lassen sich die Aufgabengebiete für Ethikverantwortliche ableiten und darstellen.

    Die Relevanz der Unternehmensethik im Kontext der globalen Unternehmenstätigkeit wird von allen Befragten als unbestritten beurteilt. Auch die Berichterstattung in den Medien über ethisches Fehlverhalten von international tätigen Unternehmen sowie die zunehmend spürbare Sensibilisierung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stehen für eine hohe Bedeutung der Thematik für erfolgreiche internationale Wirtschaftsaktivitäten.

    2.2 Grundlagen der Ethik

    Ethik ist eine wissenschaftliche Disziplin mit langer Tradition, die erstmals im 4. Jahrhundert vor Christus Erwähnung fand. Nach Düwell et al. (2011) wird Ethik heute als Fachrichtung definiert, die das gesamte menschliche Handeln betrachtet und dieses einerseits nach Werten, andererseits nach normativen Kriterien beurteilt (Düwell et al. 2011, S. 1–2). Steinmann und Löhr (1994) unterscheiden die „Ethik von der „Moral. Sie definieren „Moral als die faktisch herrschenden Normen und „Ethik als den Wissenschaftsbereich, in dem über die definierten Normen methodisch diszipliniert nachgedacht wird. Somit bildet die Moral den Ordnungsrahmen, der die grundsätzlichen Aspekte des Verhaltens mit einer gewissen Verbindlichkeit regelt und als Anleitung zu einem ethischen Handeln dient (Steinmann und Löhr 1994, S. 8–11). Ethik reflektiert die Unterscheidung zwischen richtig und falsch und lenkt den Blick auf das Wesentliche (Sprenger 2015, S. 31–38). Zwei spezifizierte ökonomische Weiterführungen des Ethikbegriffs sind die „Wirtschaftsethik und die „Unternehmensethik.

    2.2.1 Wirtschaftsethik

    Eine zeitgemäße „Wirtschaftsethik" betrachtet im ökonomischen Sinne nicht nur die Schaffung von Werten und das Erreichen des maximalen Nutzens, sondern auch, wie die Werte entstanden sind (Ulrich 1996). Sie beschäftigt sich mit der Wirtschaftsordnung sowie der Wirtschafts- und Sozialpolitik im nationalen und internationalen Kontext. Die Wirtschaftsethik untersucht, wie sich das wirtschaftliche Handeln der Akteure an die moralischen Normen sowie formalen Bedingungen anlehnt. Die Erkenntnisse daraus werden in wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Regelungen überführt, welche das wünschenswerte ethische Handeln definieren und herbeiführen (Kreikebaum et al. 2001, S. 7). Gemäß Meran (1992) geht es bei der Wirtschaftsethik erstens um die Bestimmung, inwieweit moralische Gesichtspunkte das Wirtschaftssystem beeinflussen. Zweitens werden die normativ-ethischen Prinzipien und Normen begründet. Drittens obliegt der Wirtschaftsethik, durch geeignete Hilfestellungen die Anwendung von vorgegebenen ethischen Regeln in konkreten Handlungssituationen zu unterstützen.

    Das Konzept der Wirtschaftsethik nach Enderle (1988) unterteilt die Akteure in drei Handlungsebenen. Die Mikroebene (Individualebene) beschäftigt sich mit den Wirtschaftsakteuren und fragt, was der Einzelne tun kann, um ethische Verantwortung zu übernehmen. Auf der Mesoebene ist das Agieren der wirtschaftlichen Organisation als moralischer Akteur angesiedelt. Auf der Makroebene wird festgelegt, nach welchen ethischen Kriterien die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gestaltet werden. Jede dieser Ebenen hat zwar eigene Fragestellungen, diese wirken aber zusammen (Enderle 1988, S. 55 ff.; Göbel 2016, S. 89).

    In der Betriebswirtschaftslehre wird die Wirtschaftsethik als „Systemethik" einer wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft definiert und bedingt Standards, die ein ethisch wünschenswertes Verhalten gewährleisten (Scholz 2014, S. 185).

    2.2.2 Unternehmensethik

    Die Unternehmensethik unterscheidet sich von der Wirtschaftsethik in ihrem Betrachtungsgegenstand. Während sich die Wirtschaftsethik auf die Gesamtheit der Wirtschaftsakteure konzentriert, befasst sich die Unternehmensethik mit den einzelnen Unternehmen (Steinmann und Löhr 1994). Dabei wirkt jeder Einzelne auf der Mikroebene mit seinem Handeln auf das Unternehmen und dessen innere Struktur. Umgekehrt beeinflusst die innere Struktur des Unternehmens (Mesoebene) die ethisch relevanten Entscheidungen von handelnden Personen durch zahlreiche formale und informale Verhaltenserwartungen (Göbel 2016, S. 107).

    Kreikebaum (1996) weist darauf hin, dass in der Unternehmensethik über die Grundeinstellungen und Normen aller Unternehmensmitglieder kritisch nachzudenken ist. Nicht nur das Topmanagement ist Träger von Entscheidungen, sondern alle Mitarbeitenden des Unternehmens treffen, mehr oder weniger weitgehend, beim täglichen Arbeiten ständig Entscheidungen (Kreikebaum 1996, S. 20–22). Ein Konzept der Unternehmensethik muss somit die Bereiche der moralischen Prinzipien und Entscheidungsfindung, aber auch Führungsgrundsätze und Verhaltensrichtlinien einbeziehen (Goel und Ramanathan 2014, S. 50). Ziel der Unternehmensethik ist es, eine verstärkte Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen und den Unternehmenszielen herbeizuführen, und die Lösung von Konflikten sowie die Entscheidungsfähigkeit im Sinne des Unternehmens zu fördern (Kreikebaum 1996, S. 24).

    2.2.3 Entwicklung und strategische Bedeutung der Unternehmensethik

    Das Interesse an der wissenschaftlichen Disziplin der Wirtschafts- und Unternehmensethik hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Im 21. Jahrhundert hat unternehmerisches Fehlverhalten zur Frage geführt, welche Wichtigkeit und Rolle der Ethik zukommt und die Diskussion hierüber verstärkt (Bishop 2013, S. 2). Das Davoser Manifest formulierte 1973 Verhaltensnormierungen, welche die Unternehmensführung in Einklang mit den Interessen von Kunden, Mitarbeitenden, Investoren und der Gesellschaft bringen wollte. Die Unternehmensführung hatte demgemäß weiter primär den Kunden zu dienen sowie neue Ideen und den technischen Fortschritt im Bereich Produktion und Dienstleistung umzusetzen. Ferner wurde im Manifest konstatiert, dass ausreichende Unternehmensgewinne resultieren müssen, um die Existenz des Unternehmens, und damit auch der mit ihm verbundenen Arbeitsplätze, langfristig zu sichern (Böhm 1976, S. 39).

    Enderle (1988) begründet das zunehmende Erstarken der ethischen Diskussion mit dem Skandal-, dem Ökonomisierungs- und dem Herausforderungsargument (Pech O’Cist 2008, S. 387). Dieses Argumentarium bezieht sich zunächst auf die erhöhte Sensibilität der Gesellschaft gegenüber Wirtschafts-, Umwelt und Nahrungsmittelskandalen. Des Weiteren beeinflusst das ökonomische Effizienzpostulat zwischenzeitlich nahezu alle Arbeits- und Lebensbereiche. Ferner gilt es, sich den Herausforderungen zu stellen, welche in den gesellschaftlichen Fragen etwa zur Arbeitslosigkeit, zum demografischen Wandel und weiteren Themenbereichen begründet sind (Pech O’Cist 2008, S. 387). Bishop (2013) greift vor allem das Skandalargument zugunsten einer Unternehmensethik auf. Erfahrungen aus ethischen Fehlern führten dazu, dass Organisationen ein Commitment zu nachhaltigem und moralischem Handeln abgegeben haben. Dieses Bekenntnis bezeichnet er als reaktive Maßnahme aufgrund von unternehmerischem Fehlverhalten. Ethik solle in diesem Kontext präventiv wirken, das korrekte Verhalten der Wirtschaftsakteure und der Unternehmen definieren und unethisches Verhalten unterbinden. Ethische Werte seien somit zu implementieren und zu leben und müssten gelehrt und gelernt werden (Bishop 2013, S. 636–537).

    Zunehmend erstarkt sind aktive Forderungen seitens der Gesellschaft und der Politik, dass die Unternehmen ihre verankerten Denkweisen im Hinblick auf die ethischen Perspektiven überprüfen müssen. Erwartet wird, dass ein Orientierungsrahmen für unternehmerisches Handeln geschaffen wird, welcher den Mitarbeitenden ermöglicht, verantwortungsbewusst zu agieren, der aber gleichzeitig auch Verpflichtung und Anreiz zu ethischem Verhalten darstellt. Denkhaltungen, Werte und Normen sollen in Folge nach innen und nach außen sichtbar gemacht werden. Dies macht eine entsprechende Verankerung von Wertehaltungen in den strategischen Konzepten und ein klares Bekenntnis für deren Umsetzung erforderlich. Durch die Aufforderung, gleichzeitig die festgehaltenen Normen und Grundsätze stets zu hinterfragen, wird außerdem eine Sensibilität für ethische und moralische Probleme gefördert, und Handlungsalternativen werden erkennbar (Grabner-Kräuter 2000).

    2.2.4 Unternehmensethik und Unternehmenserfolg

    Durch ethisches Verhalten erarbeiten sich Unternehmen langfristig das Vertrauen der Gesellschaft in ihr Tun. Im Falle einer Orientierung an kurzfristiger Gewinnmaximierung, die mit Geschäftspraktiken einhergeht, welche von der Gesellschaft als inakzeptabel eingestuft werden, wird die Bevölkerung mit zunehmendem Misstrauen gegenüber einem Unternehmen und ihrer Repräsentanten reagieren. Eine Häufung als „unseriös" wahrgenommener Geschäftspraktiken kann dazu führen, dass der Ruf nach staatlichen Regulierungen zunimmt und Unternehmen in ihrer Selbststeuerung eingeschränkt werden. Für die Unternehmen besteht somit ein Anreiz, ganzheitliche und ethisch akzeptierte Modelle des Wirtschaftens zu implementieren, um einer staatlichen Regulierung zuvorzukommen. Normativ kommt in entwickelten Wirtschaftssystemen außerdem die offensichtliche Orientierung an einer kurzfristigen reinen Gewinnmaximierung zunehmend unter Druck (Dubs 2012, S. 68–69).

    Der Einfluss der Unternehmensethik auf die Reputation kann empirisch insbesondere im Zusammenhang mit ethischen Skandalen nachgewiesen werden. Diese beeinflussen die Unterstützung durch relevante Stakeholder negativ, sei es, dass Mitarbeitende Unternehmen verlassen oder dass sich die Kunden vom Unternehmen abwenden. Bekennt sich in anderer Richtung eine Unternehmensleitung zu einer verantwortungsvollen Unternehmensführung und nimmt die Anliegen der Öffentlichkeit ernst, wird das Ansehen zunehmen und die Möglichkeit begünstigt, erfolgsrelevante Stakeholder für das Unternehmen zu gewinnen (Thielemann 2004). Ethisches Verhalten kann insofern durchaus auch als potenzieller strategischer Erfolgsfaktor charakterisiert werden.

    In einer Analyse der 500 größten Aktiengesellschaften der USA konnte auch ein Zusammenhang hinsichtlich der finanziellen Performance eines Unternehmens und dessen Bekenntnis zu ethischem Handeln nachgewiesen werden. Gesellschaften, die gegenüber ihren Stakeholdern jährlich über ethische Themen rapportierten, wiesen im Durchschnitt auch einen statistisch signifikanten höheren finanziellen Erfolg aus. Daraus wurde abgeleitet, dass eine Anwendung sozialer und ethischer Prinzipien und deren Schulung und Überwachung zum Unternehmenserfolg beiträgt (Verschoor 1998). Auch jüngere empirische Untersuchungen sprechen für einen relevanten Zusammenhang zwischen Unternehmenswerten und Unternehmenserfolg. Insbesondere eine stark ganzheitliche Unternehmensführung mit einem auf Menschlichkeit abzielenden Führungsfokus stellte sich in der Studie von Deep White und dem MCM Institut der Universität St. Gallen als erfolgsfördernd heraus (Herrmann et al. 2004).

    2.2.5 Unternehmensethik und die personale Dimension

    Da Unternehmen nicht losgelöst von der Gesellschaft, sondern in ihr als wesentliche Bestandteile wirken, müssen Konflikte zwischen gesellschaftlichen Wertvorstellungen und unternehmerischen Entscheidungen gelöst werden. Das ökonomische Handeln sollte einerseits gegenüber den gesellschaftlichen Anspruchsgruppen verantwortbar sein, im Umkehrschluss müssen aber auch die Ansprüche dieser Personengruppen für das Unternehmen und die in ihm tätigen Personen zumutbar sein (Mittendorf und Ling 2002). Es geht hier im Kern also um den Ausgleich von potenziell divergierenden Ansprüchen und Werthaltungen von unterschiedlich positionierten Menschen. In der Unternehmensethik spielt somit die personale Dimension eine zentrale Rolle.

    2.2.5.1 Führungsethik

    Die Führungsethik geht davon aus, dass ein wichtiger Zusammenhang zwischen den Handlungsspielräumen einer Führungskraft und der Aktivierung von Potenzialen bei den Mitarbeitenden vorliegt (Steinmann und Löhr 1994, S. 199 ff.).

    Die Führungskraft gilt als Verantwortungssubjekt und agiert im ethischen Kontext in zwei verschiedenen Gestaltungsbereichen (Göbel 2016, S. 180):

    Personalführungsethik: Beziehung zwischen Vorgesetzten und seinen Mitarbeitenden;

    Unternehmensführungsethik: Beziehung zwischen Führungskräften und Stakeholdern.

    In der Personalführungsethik werden die Mitarbeitenden zu einer zielgerechten Aufgabenerfüllung angeleitet, und das Augenmerk wird auf eine langfristige Zusammenarbeit im Team gerichtet. Vorkommnisse sind zu reflektieren und allfällige Konflikte oder strategische Bedrohungen festzustellen. Die Führungskraft entscheidet, wann ethischen Reflexionen im Unternehmen Raum gegeben werden muss (Steinmann und Löhr 1994, S. 199 ff.). Sprenger (2015) weist darauf hin, dass mit Blick auf die Mitarbeitenden als Individuen der Führungsstil den Besonderheiten der Geführten flexibel angepasst werden muss. Ist sich die Führungskraft dessen bewusst, zudem in der Lage, die Heterogenität der Geführten wahrzunehmen und diese gewinnbringend für das Unternehmen einzusetzen, so stehen Moral und Profit nicht mehr im Widerspruch (Sprenger 2015, S. 170–171). Ethische Führung wird weiter als eine Demonstration von wünschenswertem Verhalten bezeichnet, das sich im personenbezogenen Handeln, den zwischenmenschlichen Beziehungen und der Förderung eines ebensolchen Verhaltens bei den Mitarbeitenden zeigt. Werden Führungskräfte als ethisch korrekt wahrgenommen, gelten sie oftmals als Idealbilder, welchen es zu folgen lohnt (Scholz 2014, S. 1188 ff.). Die Personalführungsethik ist also bedeutsam, wenn ein Unternehmen langfristig durch Führungseffizienz ökonomisch erfolgreich sein will (Mittendorf und Ling 2002).

    Göbel (2016, S. 180 ff.) bringt die Führungsethik auf der strategischen Ebene zudem in eine Beziehung zwischen Führungskräften und Stakeholdern. Die unterschiedlichen Anspruchsgruppen erwarten eine ethische Führung, auf welcher sie ihr Vertrauen in das Unternehmen aufbauen. Die Vorteile ethischer Führung liegen vor allem darin, dass Führungskräfte als glaubwürdig und berechenbar wahrgenommen werden und sich daraus deren Loyalität ableiten lässt. Durch die positive Wahrnehmung der Führung wird das unternehmerische Risiko in der Innen- und Außensicht reduziert. Ferner erscheint auch in diesem Zusammenhang nochmals der Hinweis wichtig, dass die ethische Führung die Selbstregulierung fördern kann und daher einer restriktiveren Regelung durch die Regulierungsbehörden zuvorkommt (Bruton 2011, S. 82).

    Vor diesem Hintergrund erscheint es für Führungskräfte zielführend, die Herausforderungen anzunehmen, die Markt und Gesellschaft an das ethische Wirtschaften des Unternehmens stellen. Die Ansprüche aller Stakeholder, und insbesondere auch der Mitarbeitenden, in Hinsicht auf ein wirtschaftsethisches Verhalten müssen berücksichtigt werden (Pech 2008, S. 265–266), denn Unternehmen werden zunehmend nicht nur anhand von ökonomischen Kriterien beurteilt, sondern auch in Bezug auf ihr ethisch verantwortungsvolles Handeln (Mittendorf und Ling 2002).

    2.2.5.2 Mitarbeiterethik

    Die Mitarbeiterethik regelt die Ansprüche an das Verhalten und Handeln der Mitarbeitenden. Die Mitarbeitenden sind gegenüber ihrem Unternehmen zu Loyalität verpflichtet. Im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses sollen sie sich somit für das Erreichen der Unternehmensziele einsetzen. In ethischer Hinsicht sind neben und mit dem Loyalitätspostulat auch die Prinzipien der Kollegialität, der Kooperations- und Teamarbeitsbereitschaft, eines gegenseitig wohlwollenden Verhaltens, der Integrität sowie der Vermeidung von unverantwortbarem Handeln wie Diebstahl, Bestechung u. a. verbunden (Franken 2010, S. 247).

    Die Mitarbeitenden haben sich nicht nur gegenüber ihrem Arbeitgeber, sondern auch gegenüber den Stakeholdern des Unternehmens für ihr Tun zu verantworten. Diese zweifache Verpflichtung kann Mitarbeitende vor allem dann in Konfliktsituationen bringen, wenn sie unethisches Handeln im Unternehmen erkennen oder dies von ihnen verlangt wird und wenn ihnen selbst oder den Stakeholdern dadurch Schaden erwächst (Franken 2010, S. 247; Göbel 2016, S. 187–189). Missstände offen zu thematisieren, erfordert eine Unternehmenskultur, welche vor allem auch dazu beiträgt, eine konsensfähigen Lösung zwischen den relevanten Entscheidungsträgern herbeizuführen (Göbel 2016, S. 187–189). Zudem muss eine Kultur vorherrschen, welche die Mitarbeitenden befähigt, ethisch zu handeln sowie deren Identifikation mit dem Unternehmen und die Kooperationsfähigkeit fördert (Verfürth 2016, S. 339). Die Mitarbeitenden sollen dementsprechend über die Unternehmenswerte positiv in ihrer Einstellung und in ihren eigenen Werten beeinflusst werden, was sich auf die individuelle Leistung und somit auf den Unternehmenserfolg positiv auswirken soll. Wichtig ist hierbei, dass eine Überprüfung erfolgt, inwieweit die Werte gelebt werden (Herrmann et al. 2004).

    Die Studie von Trevino et al. (1998) weist darauf hin, dass seitens der Mitarbeitenden in einem Unternehmen, das sich durch ein ethisches Betriebsklima und eine ethische Kultur auszeichnet, tatsächlich auch weniger unethisches Verhalten beobachtet wird. Die Mitarbeitenden fühlen sich ihrem Unternehmen gegenüber offenbar zu ethischem Verhalten verpflichtet (Trevino et al. 1998, S. 474). Handlungen und Verhaltensweisen, welche die Integrität tangieren, sind vielfach zwar durch Gesetze, Verträge und Kontrollmechanismen geregelt, dennoch sind Grauzonen zu verzeichnen, in denen die Mitarbeiterethik im positiven Sinne zum Tragen kommen kann, etwa durch eine konstruktive und offene Auseinandersetzung mit dem Thema „Whistleblowing" oder durch eine gelebte Kultur der kritischen Reflexion (Franken 2010, S. 248; Göbel 2016, 190 ff.).

    2.2.6 Unternehmensethik in international tätigen Unternehmen

    Internationalität bedeutet, dass in den Unternehmen regelmäßige Transaktionen zwischen dem In- und dem Ausland erfolgen. Dies zeigt sich etwa in Form von Niederlassungen und Betriebsstätten im Ausland oder in Import- und Exporttätigkeiten der Unternehmen (Kutschker 1999, S. 105–106). Im Folgenden werden spezifische Aspekte einer Unternehmensethik in international agierenden Unternehmen aufgegriffen.

    2.2.6.1 Globalisierung

    Die internationalen Austauschbeziehungen sind in den letzten Jahren stark gewachsen. Ursächlich dafür sind einerseits der technologische Wandel, andererseits aber auch die politisch gewollte Liberalisierung des Welthandels und die Bedeutung der globalen Finanzmärkte. Dadurch wurden für die wirtschaftlichen Akteure neue Anreizstrukturen geschaffen, welche die internationale Wirtschaftstätigkeit beeinflussen (Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik" 1999, S. 5). Insbesondere Großunternehmen stehen im Regelfall nicht mehr nur der unmittelbaren inländischen Konkurrenz gegenüber, sondern sie müssen so agieren, dass sie im weltweiten Wettbewerb bestehen können (Dietzfelbinger 2008, S. 274 ff.).

    Die Globalisierung, und damit die fortschreitende internationale Arbeitsteilung, geht auch mit neuen ethischen Herausforderungen einher, denen die Politik und die Wirtschaft Rechnung tragen muss, etwa durch eine verstärkte internationale Zusammenarbeit auf der Ebene übergeordneter Institutionen (Kuschel et al. 1999, S. 11). In diesem Sinne hat 1999 die UNO den UN Global Compact (UNGC) ausgearbeitet, der Leitlinien für eine sozialere und ökonomischere Globalisierung beinhaltet. Der UNGC ist eine werteorientierte Plattform mit dem Ziel, institutionelles Lernen in assoziierten Unternehmen zu fördern. Unternehmen können sich durch Unterzeichnung des Compacts zum UNGC bekennen (United Nations Global Compact o. J.). Konstrukte wie der UNGC sind Belege für einen spürbaren Wandel bei Regulierungen globaler Geschäftstätigkeiten. Freiwillig akzeptierte internationale (Werte-)Standards gewinnen vermehrt an Bedeutung. Regulierungen des Geschäftsverkehrs sind in der Gegenwart also nicht mehr länger ausschließlich staatlichen Behörden vorbehalten (Scherer et al. 2007).

    2.2.6.2 Ethische Herausforderungen und Konflikte

    International tätige Unternehmen interagieren mit Lieferanten, Kunden und Mitbewerbern in Beschaffungs- und Absatzmärkten des In- und Auslands. Dabei müssen sie sich mit den vor Ort vorhandenen nationalen Rahmenbedingungen und gegebenenfalls auch mit supranationalen Ebenen wie beispielsweise die Europäische Union auseinandersetzen, die vor allem im Konfliktfall zwischen Vertragsparteien relevant sind (Kreikebaum et al. 2001, S. 11). Konflikte können aber im länderübergreifenden Kontext nicht nur zwischen Organisationen, sondern auch innerorganisatorisch wirksam werden (Kreikebaum et al. 2001, S. 31). Darüber hinaus muss selbst gesetzeskonformes Verhalten nicht immer deckungsgleich mit den Erwartungen der Öffentlichkeit eines Landes einhergehen und kann in Folge weitergehende Konflikte nach sich ziehen (Dettmann 2005, S. 173 ff.).

    Der internationale Transfer von unternehmenskulturellen Werten kann problematisch sein und zu Schwierigkeiten im

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1