Nachhaltigkeit als Marken-Purpose: Mit der Relevanzmethode zu mehr Verantwortung im Marketing
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About this ebook
- Sie können die Rolle Ihrer Marke beim Thema Nachhaltigkeit definieren.
- Sie haben eine verlässliche Methode kennengelernt, wie Sie den neuen Purpose für Ihre Marke finden.
- Sie werden ein vollständiges Konzept dazu in den Händen halten, wie Sie mit allen Stakeholdern von der Erkenntnis über die Strategieentwicklung ins konkrete Tun kommen.
- Ihre Marke wird relevantere Beziehungen zu Menschen aufbauen können.
- Sie werden über die gewonnene Relevanz dem Werbefrequenz-Teufelskreis entkommen.
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Book preview
Nachhaltigkeit als Marken-Purpose - Kai Platschke
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
K. PlatschkeNachhaltigkeit als Marken-Purposehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-28051-2_1
1. ERKENNTNIS
Kai Platschke¹
(1)
Kai Platschke Consulting, Berlin, Deutschland
Wir sollten es alle ernst meinen mit der Nachhaltigkeit. Wer sich jetzt auf den Weg begeben will, eine sinnvolle Strategie zu genau diesem Thema zu entwickeln, für den sollte der Klimawandel außer Frage stehen. Ich verlange nicht, dass Sie Ihr ganzes Unternehmen bereits nach den Regeln der Circular Economy (dazu später mehr) umgekrempelt haben, aber der Gedanke, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher, sollte Ihnen schon ein paar Mal durch den Kopf gegangen sein. Den Klimawandel, der unsere Lebensgrundlage auf diesem Planeten bedroht, sehen Sie als wissenschaftlich bewiesenen Fakt an. Dass die Erde sich von ihrem stabilen Weg des Holozäns (gegenwärtiger Zeitabschnitt der Erdgeschichte) das erste Mal in ihrer Geschichte auf durch den Menschen hervorgerufene Abwege Richtung Erwärmung macht („Anthropozän"), halten Sie nicht für ein Märchen (Abb. 1.1). Und vielleicht hatten Sie auch schon die eine oder andere „grüne Idee", die sich im Verlaufe der Lektüre dieses Buchs eventuell noch als Greenwashing herausstellen könnte. Sofern das tatsächlich gut gemeint war, würde ich das jetzt mal als Vorteil gelten lassen.
../images/488401_1_De_1_Chapter/488401_1_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
Auf dem Weg vom Holozän ins menschengemachte Antropozän. (Quelle: Steffen et al. 2018)
Anthropozän
„Der Ausdruck Anthropozän ist ein Vorschlag zur Benennung einer neuen geochronologischen Epoche: nämlich des Zeitalters, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist." (Wikipedia 2019a)
Wer das Thema Nachhaltigkeit noch für einen kurz- oder mittelfristigen Trend hält, den man bedienen muss, solange er aktuell ist, um danach wieder zum „business as usual" zurückkehren zu können, dem empfehle ich die Lektüre der im weiterführenden Literaturverzeichnis aufgeführten Bücher, bevor wir hier gemeinsam weiter machen. Und das ist nur eine kurze, persönliche Auswahl aus einer Vielzahl von lesenswerten und bildenden Büchern zum Thema.
1.1 Nachhaltigkeit
Dieses Wort. So oft benutzt, so ausgelutscht, dass man schon versucht, es zu vermeiden, wenn einem nur ein besseres Wort einfallen würde. Sustainability im Englischen – aber das ist auch nur ein schlechter Workaround. Manchmal hat man schon das Gefühl, dass derjenige, der es benutzt, automatisch Greenwashing betreibt, weil jemandem, der es ernst meint, bestimmt ein besseres Wort einfallen würde. Nun, ich muss Sie enttäuschen. Mir ist leider auch kein besseres Wort eingefallen, aber ich meine es trotzdem ernst. Fangen wir doch mal mit einer Definition an:
1.1.1 Definition
Google (Abb. 1.2) sagt, was auch der Duden sagt: „Nachhaltigkeit ist ein ökonomisches Prinzip, bei dem man nicht mehr verbrauchen darf, als nachwächst oder sich regeneriert". Etwas besser gefällt mir die Definition auf Wikipedia:
../images/488401_1_De_1_Chapter/488401_1_De_1_Fig2_HTML.pngAbb. 1.2
Google-Suche zu „Nachhaltigkeit". (Quelle: Google, Stand Oktober 2019)
Nachhaltigkeit
„Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme (vor allem von Lebewesen und Ökosystemen) gewährleistet werden soll." (Wikipedia 2019b)
Da die Erklärung, die ich hier suche, ökologisch geprägt sein soll, gefällt mir am besten die Definition im „Lexikon der Nachhaltigkeit" der IHK Nürnberg (2015):
Die zentralen Elemente der Nachhaltigkeit nach Herman Daly
„Ein ökologisch geprägter Erklärungsversuch erfolgte durch Herman Daly. Der ehemalige Senior Economist im Environment Department der Weltbank nahm in Anbetracht der Definitionsflut einen Versuch vor, die zentralen Elemente der Nachhaltigkeit zu präzisieren.
Dabei zog er folgende Schlüsse:
Das Niveau der Abbaurate erneuerbarer Ressourcen darf ihre Regenerationsrate nicht übersteigen.
Das Niveau der Emissionen darf nicht höher liegen als die Assimilationskapazität.
Der Verbrauch nicht regenerierbarer Ressourcen muss durch eine entsprechende Erhöhung des Bestandes an regenerierbaren Ressourcen kompensiert werden. (IHK Nürnberg 2015)
Diese Zusammenfassung impliziert nicht nur den Schutz natürlicher Ressourcen, sondern bezieht auch die begrenzten Kapazitäten von Mensch und Natur mit ein. Anders als bei wirtschaftlichen Definitionsansätzen steht hier die Natur im Vordergrund."
Es geht also um die Natur. Ich darf als Mensch oder als Unternehmen nicht mehr davon nehmen, als ich in der Lage bin zurückzugeben oder die Natur selbst in der Lage ist, sich wieder zu regenerieren. Hier einige Beispiele, damit wir wissen, worüber wir reden:
Da CO2 zur Klimaerwärmung beiträgt, ist eine Reduktion der CO2-Ausstöße überall in der Diskussion: von der Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektromobilität bei den Autoherstellern über die Abschaltung der Kohlekraftwerke in der Energiewirtschaft bis hin zur Verringerung des individuellen „Footprints" zum Beispiel bei Flugreisen. Die Natur ist nicht mehr in der Lage, das CO2 natürlich abzubauen. Wir geben ihr also zu viel, sie kann sich nicht mehr von allein regenerieren. Unser Verhalten ist damit nicht nachhaltig.
Da Plastik sich nicht von allein bzw. nur sehr, sehr langsam abbaut und zu oft nicht gut genug recyclebar ist, landet es entweder in der Verbrennung und trägt zum CO2-Ausstoß bei oder es landet in den Weltmeeren und löst Artensterben aus.
Artensterben wird auch durch das Roden des Regenwaldes für Palmöl ausgelöst, das die Industrie in unglaublichen Mengen für alles Mögliche benötigt. Auch dieser Themenkomplex ist nicht nachhaltig.
Ich höre an der Stelle schon auf, denn es gibt genügend andere und bessere Quellen für die Erläuterung unseres nicht nachhaltigen Verhaltens und ich will auch kein Schlechtes-Gewissen-Buch schreiben, ganz im Gegenteil. Was für uns an dieser Stelle wichtig ist, ist das Thema der Verantwortung. Denn „Erkenntnis" bedeutet nicht nur zu erkennen, dass man sich nicht nachhaltig verhält, sondern auch den Willen, Verantwortung dafür zu übernehmen, seine Hausaufgaben zu machen und nachhaltiger, im besten Sinne der Definition, zu werden. Und auch das betrifft jeden Einzelnen genauso wie alle Unternehmen.
Personen können ihren Konsum, ihre Mobilität, Energieverbrauch für Strom und Heizen, Reisen und Ernährung verändern und so ihren Beitrag leisten. Zum Beispiel lässt sich mit dem CO2-Rechner des Bundesumweltamtes¹ der eigene ökologische Fußabdruck berechnen und Einsparpotenziale lassen sich aufdecken. Man kann weniger Plastikmüll verursachen, weniger Fleisch essen, auf Ökostrom umstellen, auf einen eigenen PKW verzichten, keine Fernreisen unternehmen und noch vieles mehr – jeder muss für sich entscheiden, wie weit er oder sie bereit ist zu gehen und wann die Einschnitte in das Leben zu groß werden, um sie akzeptieren zu können.
Unternehmen auf der anderen Seite müssen sich Fragen zur gesamten Wertschöpfungskette stellen: Wo kommen meine Inhaltsstoffe her? Unter welchen Bedingungen werden diese erzeugt oder erschlossen? Wie weit sind die Transportwege der einzelnen Komponenten? Werden an irgendeiner Stelle Giftstoffe in der Natur freigesetzt? Wie verpacke ich meine Waren?
1.1.2 Verantwortungsteilung
Nachhaltigkeit ist also kein Buzzword, sondern eine Notwendigkeit für das Überleben auf unserem Planeten. Und Erkenntnis bedeutet zu erkennen, dass ein Teil der Verantwortung bei einem selbst als Marke und Unternehmen liegt (Abb. 1.3).
../images/488401_1_De_1_Chapter/488401_1_De_1_Fig3_HTML.pngAbb. 1.3
Verantwortungsteilung. (Quelle: eigene Darstellung)
Konsumenten können und sollen natürlich auch einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten, wie wir gerade am Beispiel des ökologischen Fußabdrucks gesehen haben. Aber der Beitrag ist begrenzt. Es gibt Bereiche, da müssen den Menschen einfach bessere Alternativen angeboten werden: Wenn zum Beispiel in Städten keine Ladeinfrastruktur für Elektroautos verfügbar ist, wird sich auch fast niemand ein Elektroauto anschaffen (können) – Förderung hin oder her. Und wenn der Zug von Berlin nach München doppelt so viel kostet wie der Flug, darf man auch keinem böse sein, da nicht im Sinne des Klimas zu entscheiden. Und wenn die regionalen Bioprodukte aus fairem Handel ohne Palmöl und ohne Gift ein Vielfaches der „normalen" Produkte kosten, ist auch klar, dass sich das nicht jeder leisten will oder kann. Aber das ist noch streitbar – vielleicht kann/sollte man es doch von allen Menschen verlangen?
Aber dann gibt es Probleme, deren Lösung man nicht von den Konsumenten verlangen darf. Zum Beispiel dafür zu sorgen, dass der Regenwald nicht weiter für Palmöl abgeholzt wird oder Glyphosat und andere Gifte nicht weiter ins Erdreich eingebracht werden. Hier zu behaupten, diese Waren müsse ja keiner kaufen, alle Macht läge in den Händen der Verbraucher, grenzt an Unverschämtheit. Solche Missstände müssen rechtlich verboten, also illegal gemacht, oder von Seiten der Unternehmen ganz einfach unterlassen werden. Das ist die Verantwortung, von der ich spreche.
Und wer dem zustimmt, muss sich auch fragen lassen, wieso man dem Konsumenten überhaupt die Wahl lässt. Muss es denn Produkte geben, die nachhaltig sind, und solche, die es nicht sind? Warum muss denn der Verbraucher im Supermarkt entscheiden, ob es sich lohnt, Produkte fair zu handeln? Oder sollte die Frage nicht eher sein: Warum gibt es überhaupt Produkte, die nicht fair gehandelt werden? Warum gibt es Produkte, die dafür verantwortlich sind, dass der Regenwald abgeholzt wird? Wieso gibt es Produkte, die nur existieren, weil bei der Produktion viel Gift in die Natur gelangt? Diese Verantwortung können wir nicht den Verbrauchern aufladen, sondern wir müssen sie uns auf die eigenen Schultern hieven und nach und nach die Last abbauen, bis sie erträglich wird, für uns und für die Natur.
Ein Teil unserer eigenen Verantwortung ist es auch, beim Thema Nachhaltigkeit nicht dem Konsumenten nach dem Mund zu reden, nicht den vermeintlichen Trends hinterherzurennen, sondern es im Zweifel auch besser zu wissen und entsprechend aufzuklären – nicht mit dem Ziel, dass bei uns alles so bleibt, wie es ist, sondern um Maßnahmen in Angriff zu nehmen, die tatsächlich etwas bringen, wirkungsvoller sind. Beispiel: Nehmen wir einmal an, eine Umfrage sagt deutlich, dass Konsumenten Hersteller bevorzugen, die Alternativen zu Plastik-Verpackungen bieten (oh, Wunder!). Also stellen wir, wie viele andere anerkannte Hersteller auch, auf Bioplastik um. Dabei verschweigen aber alle (inklusive uns), dass noch keiner weiß, wie genau dieses Material, das jetzt alle benutzen, überhaupt recycelt werden soll. Trotzdem schreiben wir aber „kompostierbar" auf das Produkt. Bessere Ansätze wären, Aufklärung zum Thema Bioplastik zu betreiben, eine passende Recyclinganlage zu entwickeln oder eine Lösung mit einem anderen Material zu finden. Also ehrlich zu sein und daran zu arbeiten, es besser machen zu können. Damit möchte ich mich auf keinen Fall gegen moderne Plastik-Alternativen (wie z. B. Maisstärke) aussprechen, aber man muss dann eben auch so ehrlich sein, und den Konsumenten über den Stand der Technik und den Grund für die Entscheidung zu einem bestimmten Material aufklären. Es ist nachvollziehbar, sich aufgrund einer besseren Energiebilanz für Maisstärke statt für Plastik oder Glas zu entscheiden, oder um den Druck auf Politik zu erhöhen, neue Systeme zu etablieren, aber man darf gegenüber den Konsumenten nicht so tun, als wäre die Kompostierbarkeit der Grund gewesen, die heute noch gar nicht gewährleistet werden