Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Geschäftserfolg in Indien: Strategien für den vielfältigsten Markt der Welt
Geschäftserfolg in Indien: Strategien für den vielfältigsten Markt der Welt
Geschäftserfolg in Indien: Strategien für den vielfältigsten Markt der Welt
Ebook624 pages6 hours

Geschäftserfolg in Indien: Strategien für den vielfältigsten Markt der Welt

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Trotz der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung Indiens sollten Unternehmen ein Engagement in dem Land sorgfältig prüfen. Basierend auf langjähriger Beratung und empirischen Studien liefern die Autoren eine Übersicht über die Merkmale des indischen Markts. Sie geben Entscheidungshilfen für Markteintritt und -bearbeitung und Ratschläge, wie Organisation und Personalmanagement sowie die Beziehung zu staatlichen und privaten Akteuren gestaltet werden können. Mit vielen Praxisbeispielen sowie einem umfangreichen Adressteil.
LanguageDeutsch
PublisherSpringer
Release dateMar 29, 2011
ISBN9783642172120
Geschäftserfolg in Indien: Strategien für den vielfältigsten Markt der Welt

Related to Geschäftserfolg in Indien

Related ebooks

Management For You

View More

Related articles

Reviews for Geschäftserfolg in Indien

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Geschäftserfolg in Indien - Dirk Holtbrügge

    A978-3-642-17212-0_CoverFigure_HTML.jpg

    Dirk Holtbrügge und Carina B. FriedmannGeschäftserfolg in IndienStrategien für den vielfältigsten Markt der Welt10.1007/978-3-642-17212-0© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011

    Dirk Holtbrügge und Carina B. Friedmann

    Geschäftserfolg in IndienStrategien für den vielfältigsten Markt der Welt

    A978-3-642-17212-0_BookFrontmatter_Figa_HTML.gif

    Dirk Holtbrügge

    Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl für Internationales Management, Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, Deutschland

    Carina B. Friedmann

    Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl für Internationales Management, Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, Deutschland

    ISBN 978-3-642-17211-3e-ISBN 978-3-642-17212-0

    Springer Heidelberg Dordrecht London New York

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

    Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

    Einbandentwurf: WMXDesign GmbH

    Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)

    Vorwort

    Dieses Buch ist das Ergebnis einer fast zwanzigjährigen Beschäftigung mit Indien. Stand das Land damals vor allem für wirtschaftliche Ineffizienz, Armut und ethnische Auseinandersetzungen, so werden Indien heute die besten Chancen eingeräumt, neben China zu einer der führenden Wirtschaftsnationen des 21. Jahrhunderts aufzusteigen. Ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum sowie eine junge und kaufkräftige Mittelschicht von rund 300 Mio. Menschen machen das Land für ausländische Direktinvestitionen immer attraktiver. Vor allem im IT-Sektor ist Indien bereits heute einer der wichtigsten Standorte der Welt.

    Während viele der größten Unternehmungen der Welt bereits mit großem Erfolg und hohen Wachstumsraten in Indien tätig sind, ist das Land anderen oft noch fremd. Und obwohl sich das Land als Partner der Hannover Messe und der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2006 eindrucksvoll präsentiert hat, herrschen gerade in Deutschland noch vielfach Vorbehalte angesichts einer als unzureichend empfundenen Infrastruktur, einer ausufernden Bürokratie und bedrückender sozialer Probleme.

    Mit diesem Buch wollen wir einen Beitrag dazu leisten, die Bedingungen für ausländische Unternehmungen in Indien besser zu verstehen. Dies gilt sowohl für die wirtschaftlichen, rechtlichen und kulturellen Bedingungen als auch für deren konkrete Auswirkungen auf einzelne Managemententscheidungen. Das Buch richtet sich sowohl an Unternehmungen, die ein Engagement in Indien prüfen, als auch an solche, die bereits vor Ort präsent sind und von den Erfahrungen anderer Unternehmungen profitieren wollen.

    Dieses Buch wäre ohne die Mithilfe vieler Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Institutionen in Indien und Deutschland nicht möglich gewesen. Unser Dank gilt in erster Linie den vielen Unternehmungsvertretern, die als Gesprächspartner zur Verfügung standen und uns einen Einblick in ihre Tätigkeit in Indien ermöglicht haben. Besonders hervorheben möchten wir Sir Ratan N. Tata und Nitin P. Kulkarni (Tata), Jürgen Schubert, Dr. Armin Bruck, Sunil Mathur, Kavita Gatghe und Mukund Vyas (Siemens), Dr. Wilfried Aulbur (Roland Berger), Augustus Mallier (Daimler), Raveen Pinto (Lufthansa), Sanjiv Menezes und Sreesha Rao (SAP), Kenneth Ritley (HP), Dilip und Jacqueline Kapur (Highdesign), Jan-Paul Tummel (Accenture), Wolfgang Messner, Amit Kulkarni, Jhanesh Kumar und Rahul Pal (Capgemini), N. Ganapathy Subramaniam und Vinay Kulkarni (TCS), Bwunesh Agarwal und Ravi Kumar (Roche), Girish Bhambhani (Bosch), Robert Pauli und Kushwajeet Samal (Volkswagen), V. Srinivas und Mahima Vashisht (Illumine), Dr. Jörg Matthias Großmann (Freudenberg), Kirit Shah (EagleBurgmann), Arvind P. Mathur (Private Equity Pro Partners), Amul Agrawal (Torrent) sowie Monika Rödl-Kastl und Dr. Christian Rödl (Rödl & Partner).

    Das Gleiche gilt für Meera Shankar (Botschafterin der Republik Indien in Deutschland a. D.), J.S. Mukul (Generalkonsul der Republik Indien a. D.), Dr. Philipp Ackermann und Felix Kahle (Deutsche Botschaft New Delhi), Martin Thümmel (Deutsches Generalkonsulat Mumbai), Bernhard Steinrücke und Guido Christ (Indo-German Chamber of Commerce), PD Dr. Christian Wagner (Stiftung Wissenschaft und Politik), Nadine Ulrich (German Centre Gurgaon), Valerie Daldrup (ehemals BDI), Wolfgang Busch (BMWi), Dr. Sabine Hepperle (DIHK) und Dr. Ralf Horlemann (Auswärtiges Amt). Alle Zitate dieser Personen sind – sofern nicht anders gekennzeichnet – persönlichen Gesprächen mit diesen entnommen.

    Vorarbeiten zu diesem Buch wurden durch die Volkswagen-Stiftung, das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie sowie die Frisch-Stiftung finanziell gefördert. Hierfür möchten wir uns nochmals herzlich bedanken.

    Am Lehrstuhl für Internationales Management hat uns Prof. Dr. Helmut Haussmann (Bundeswirtschaftsminister a. D.) in vielen Diskussionen wertvolle Anregungen gegeben. Darüber hinaus haben wir von vielen Gesprächen mit Corinna Dögl, Heidi Kreppel, Prof. Dr. Jonas Puck, Dr. Helen Rogers, Dr. David Rygl, Dr. Katrin Schillo und Tassilo Schuster profitiert. Danken möchten wir auch unseren studentischen Hilfskräften sowie unseren beiden Sekretärinnen Christina Vogel und Marion Wehner, die in gewohnt professioneller Weise Daten recherchiert, die Abbildungen und Tabellen erstellt, das Manuskript Korrektur gelesen und die Literaturangaben überprüft haben. Viele Anregungen haben wir von Studierenden erhalten, die uns in den letzten Jahren auf mehreren Exkursionen nach Indien begleitet haben. Klaus Berg hat uns als erster Leser auf viele Inkonsistenzen aufmerksam gemacht und unseren Blick auf viele soziale und politische Aspekte gelenkt.

    Große Teile des Manuskripts sind in Ahmadabad, Auroville, Bengaluru, Hyderabad, Mumbai und New Delhi entstanden. Danken möchten wir hier vor allem Prof. G. Shainesh (Indian Institute of Management Bangalore), Prof. Manikutty (Indian Institute of Management Ahmedabad) und Prof. K. Narayanan (Indian Institute of Technology Bombay) für ihre Gastfreundschaft. Gleiches gilt für Raju Ravitej, dem wir viele Einsichten in die indische Kultur zu verdanken haben.

    Ein besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. Nicola Berg (Universität Hamburg), die unser Interesse für Indien – mittelbar und unmittelbar – geweckt hat.

    Dirk Holtbrügge

    Carina Friedmann

    Nürnberg

    im März 2010

    Inhalt

    1 Einleitung 1

    2 Rahmenbedingungen für ausländische Engagements 7

    2.1 Geographie, Klima und Bevölkerung 7

    2.2 Politisches System 10

    2.3 Rechtssystem und Rechtspraxis 17

    2.4 Wirtschaftliche Bedingungen 18

    2.4.1 Grundzüge des Wirtschaftssystems 18

    2.4.2 Wirtschaftliche Entwicklung seit 1991 21

    2.4.3 Außenwirtschaftsbeziehungen 24

    2.4.4 Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und Deutschland . 28

    2.5 Kulturelle Bedingungen 30

    3 Bevorzugte Tätigkeitsregionen 39

    3.1 National Capital Region 39

    3.2 Maharashtra 43

    3.3 Karnataka 48

    3.4 Tamil Nadu 50

    3.5 Gujarat 53

    3.6 Andhra Pradesh 54

    3.7 Westbengalen 56

    4 Bevorzugte Investitionsbranchen 61

    4.1 IT und IT-Dienstleistungen 61

    4.2 Automobilindustrie 67

    4.3 Pharmaindustrie 74

    4.4 Maschinenbau78

    4.5 Einzelhandel80

    4.6 Energieerzeugung und -verteilung85

    4.7 Textil- und Lederwaren89

    4.8 Telekommunikation91

    4.9 Banken und Versicherungen94

    5 Markteintrittsstrategien ....... 99

    5.1 Standortwahl99

    5.1.1 Determinanten der Standortwahl100

    5.1.2 Sonderwirtschaftszonen101

    5.2 Wahl der Markteintrittsform104

    5.2.1 Wertschöpfungsformen105

    5.2.2 Eigentumsformen112

    5.2.3 Ansiedlungsformen123

    5.3 Wahl des Markteintrittszeitpunktes129

    6 Marktbearbeitungsstrategien133

    6.1 Forschung & Entwicklung133

    6.2 Beschaffung und Logistik138

    6.3 Produktion145

    6.4 Marketing148

    6.4.1 Merkmale des Konsumentenverhaltens148

    6.4.2 Kriterien der Marktsegmentierung150

    6.4.3 Elemente des Marketing-Mix158

    7 Personalmanagement171

    7.1 Personalbeschaffung172

    7.2 Personalauswahl178

    7.3 Personalentwicklung180

    7.4 Personaleinsatz181

    7.5 Personalentlohnung183

    7.6 Personalführung186

    7.7 Personalfreisetzung195

    7.8 Entsendung ausländischer Fach- und Führungskräfte196

    7.8.1 Auswahl196

    7.8.2 Vorbereitung200

    7.8.3 Einsatz202

    7.8.4 Repatriierung204

    8 Public Affairs Management207

    8.1 Wichtige sozio-politische Stakeholder207

    8.1.1 Indische Regierung208

    8.1.2 Regionale und lokale Administration209

    8.1.3 Gewerkschaften212

    8.1.4 Verbände213

    8.1.5 NGOs214

    8.1.6 Medien215

    8.2 Gestaltungsinstrumente des Public Affairs Management215

    8.2.1 Lobbying215

    8.2.2 Umgang mit Korruption216

    8.2.3 Verhaltensgrundsätze221

    8.2.4 Sponsoring und Philanthropie224

    8.2.5 Rechtsmittel225

    9 Fallstudien 229

    9.1 Bosch 230

    9.1.1 Historische Entwicklung des Engagements in Indien 230

    9.1.2 Markteintrittsstrategie 231

    9.1.3 Marktbearbeitungsstrategie 233

    9.1.4 Mitwirkung von Bosch an der Entwicklungund Produktion des Tata Nano 235

    9.1.5 Personalmanagement 237

    9.1.6 Public Affairs Management 239

    9.1.7 Fazit und Ausblick 240

    9.2 Siemens 241

    9.2.1 Historische Entwicklung des Engagements in Indien 241

    9.2.2 Geschäftsfelder 241

    9.2.3 BOT-Projekt zum Bau und Betrieb desInternationalen Flughafens Bengaluru 244

    9.2.4 Ausbau des Stromversorgungsnetzes in Katar 246

    9.2.5 SMART-Produkte 246

    9.2.6 Personalmanagement 247

    9.2.7 Fazit und Ausblick 248

    9.3 Daimler 249

    9.3.1 Historische Entwicklung des Engagements in Indien 249

    9.3.2 Markteintrittsstrategie 250

    9.3.3 Marktbearbeitungsstrategie 254

    9.3.4 Public Affairs Management 256

    9.3.5 Fazit und Ausblick 259

    9.4 SAP 260

    9.4.1 Historische Entwicklung des Engagements in Indien 260

    9.4.2 Markteintrittsstrategie 260

    9.4.3 Integration der Aktivitäten in Indien in das SAPGlobal Delivery-Netzwerk 263

    9.4.4 Personalmanagement 265

    9.4.5 Fazit und Ausblick 270

    10 Zusammenfassung und Ausblick 273

    10.1 Zusammenfassung: Zehn Erfolgsfaktoren ausländischer Unternehmungen in Indien 273

    10.2 Ausblick: Chancen und Risiken für ausländische Unternehmungen 280

    Anhang287

    Alte und neue Städtenamen287

    Anlaufstellen in Deutschland287

    Diplomatische und konsularische Vertretungen der Republik

    Indien in Deutschland287

    Deutsche Kontakt- und Anlaufstellen in der Bundesrepublik Deutschland288

    Anlaufstellen in Indien290

    Diplomatische und konsularische Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland in Indien290

    Delegierte der deutschen Wirtschaft291

    German Centres292

    Wichtige Institutionen in Indien293

    Regierungen der Bundesstaaten und Unionsterritorien und ihre Homepages296

    Wichtige Branchenverbände297

    Wichtige Messen298

    Informationen zu Indien im Internet298

    Literatur301

    Firmenverzeichnis323

    Stichwortverzeichnis325

    Über die Autoren

    Prof. Dr. Dirk Holtbrügge

    geb. 1964, ist seit 2001 Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Management an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er hat zahlreiche Lehr- und Forschungsaufenthalte in Indien u. a. am Indian Institute of Management Ahmedabad (IIMA), Indian Institute of Management Bangalore (IIMB) und Indian Institute of Technology Bombay (IITB) absolviert. Seine Forschungs- und Beratungsschwerpunkte sind Internationales Management, Personalmanagement sowie Management in Emerging Markets. Er ist Verfasser von acht Monographien, sechs Sammelbänden sowie mehr als 100 Aufsätzen in Fachzeitschriften und Sammelbänden. Er ist an zahlreichen Weiterbildungsprogrammen beteiligt und berät Unternehmungen im In- und Ausland. Er ist Gründer von global management competence (www.gm-competence.de).

    Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl für Internationales Management, Universität Erlangen-Nürnberg, Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg, Deutschland

    Dipl.-Sozw. Carina Friedmann

    geb. 1982, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Internationales Management an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie hat zahlreiche Studien- und Forschungsenthalte in Indien u. a. am Indian Institute of Management Bangalore (IIMB), am Indian Institute of Technology Bombay (IITB) und an der Indian School of Business (ISB) in Hyderabad absolviert. Während des Studiums war sie als Praktikantin in einer indischen Unternehmung der lederverarbeitenden Industrie tätig. Ihre Hauptarbeitsgebiete sind Interkulturelles Management, Personalmanagement sowie Management in Indien.

    Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl für Internationales Management, Universität Erlangen-Nürnberg, Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg, Deutschland

    Dirk Holtbrügge und Carina B. FriedmannGeschäftserfolg in IndienStrategien für den vielfältigsten Markt der Welt10.1007/978-3-642-17212-0_1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011

    1. Einleitung

    Dirk Holtbrügge¹   und Carina B. Friedmann¹  

    (1)

    Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl für Internationales Management, Universität Erlangen-Nürnberg, Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg, Deutschland

    Dirk Holtbrügge (Korrespondenzautor)

    Email: dirk.holtbruegge@wiso.uni-erlangen.de

    Carina B. Friedmann

    Email: carina.friedmann@wiso.uni-erlangen.de

    Zusammenfassung

    Indien ist ein Land der Gegensätze. Nirgendwo sonst auf der Welt liegen Reichtum und Armut, High-Tech-Parks und Slums, Spitzenforschung und Analphabetismus so nah beieinander wie hier. Zugleich beeindruckt das Land durch das Tempo seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Bis Ende der achtziger Jahre noch eine verkrustete Planwirtschaft, zeichnet sich Indien seit der Einleitung marktwirtschaftlicher Reformen durch eine große wirtschaftliche Dynamik aus. Und trotz bedrückender sozialer Probleme verläuft dieser Prozess – berücksichtigt man die Größe und Heterogenität des Landes – weitgehend friedlich.

    Indien ist ein Land der Gegensätze. Nirgendwo sonst auf der Welt liegen Reichtum und Armut, High-Tech-Parks und Slums, Spitzenforschung und Analphabetismus so nah beieinander wie hier. Zugleich beeindruckt das Land durch das Tempo seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Bis Ende der achtziger Jahre noch eine verkrustete Planwirtschaft, zeichnet sich Indien seit der Einleitung marktwirtschaftlicher Reformen durch eine große wirtschaftliche Dynamik aus. Und trotz bedrückender sozialer Probleme verläuft dieser Prozess – berücksichtigt man die Größe und Heterogenität des Landes – weitgehend friedlich.

    Die wirtschaftliche Entwicklung Indiens wird häufig mit der in China verglichen (vgl. z. B. Schweizer 2001; Bronger und Wamser 2005; Friedman und Gilley 2005; Ramesh 2005; Pilny 2006; Meredith 2007). Beide Länder hatten in den letzten Jahren außerordentlich hohe Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts zu verzeichnen, und in beiden Ländern scheint dieser Prozess noch nicht abgeschlossen zu sein. Während China jedoch bereits im Jahre 1978 die Liberalisierung und außenwirtschaftliche Öffnung einleitete, begann diese in Indien erst 13 Jahre später. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahre 1991 verlor das Land nicht nur einen politischen Verbündeten, sondern auch einen wichtigen Absatzmarkt sowie eine Bezugsquelle preiswerter Öl- und Gasimporte. Binnen kurzer Zeit sanken die Währungsreserven auf ein so niedriges Niveau, dass einschneidende Reformen unumgänglich wurden.

    Auch die Reformschritte, die seitdem in Indien eingeleitet wurden, unterscheiden sich erheblich von denen in China. Während dort die weiterhin allein herrschende Kommunistische Partei die wirtschaftliche Entwicklung bestimmt und riesige Ressourcen für Großprojekte mobilisiert, verläuft diese in Indien weitgehend dezentral durch eine Vielzahl kreativer Unternehmer angetrieben und im Rahmen eines demokratischen politischen Systems. Aufgrund der großen Infrastrukturprobleme, die den Transport von Gütern über große Entfernungen sehr zeit- und kostenaufwändig machen, beruht das wirtschaftliche Wachstum zudem nicht auf der Produktion von preiswerten Massenprodukten, sondern vielmehr auf dem Export wissens- und personalintensiver Dienstleistungen.

    Von ausländischen Unternehmungen werden die beiden Länder deshalb häufig nicht als konkurrierende, sondern als komplementäre Investitionsalternativen wahrgenommen. Während China zur „Fabrik der Welt" (Holtbrügge und Puck 2008, S. 129) avancierte, entwickelt sich Indien immer mehr zum Labor und Büro der Welt. 2009 haben ausländische Unternehmungen 34,6 Mrd. US-$ in dem Land investiert. Auch das Außenhandelsvolumen hat sich seit 1991 nahezu verzehnfacht. Im Jahre 2008 betrugen die Exporte 194,53 Mrd. US-$ und die Importe 320,79 Mrd. US-$.

    Wie in China verläuft die außenwirtschaftliche Öffnung in Indien nicht nur in eine Richtung. Vielmehr haben auch die Direktinvestitionen indischer Unternehmungen im Ausland in den letzten Jahren stark zugenommen. Diese waren im Jahre 2009 mit 14,9 Mrd. US-$ fast halb so hoch wie der Zustrom ausländischen Kapitals. Aufsehen erregt haben insbesondere die Aktivitäten des Mischkonzerns Tata, der im Januar 2007 die britisch-niederländische Unternehmung Corus für 10,1 Mrd. € aufkaufte. Im folgenden Jahr wurden die beiden Automobilmarken Jaguar und Rover erworben. Ein weiteres Beispiel ist die Pharmaunternehmung Dr. Reddy’s, die 2006 für 480 Mio. € den Augsburger Generikahersteller Betapharm übernommen hat.

    Gemeinsam mit China hat Indien die Überzeugung, dass der gegenwärtige wirtschaftliche Aufschwung und der wachsende Anteil am Welthandel kein Zufall sind, sondern lediglich eine kurze Anomalie in der Geschichte überwinden. Indien erhält demnach lediglich seine dem Land nach eigener Auffassung zustehende bedeutsame Rolle in der Weltwirtschaft wieder zurück, die es bis zur Kolonisierung über viele Jahrhunderte innehatte. Indien sieht sich deshalb nicht als Bittsteller um ausländische Investitionen, sondern als zukünftige Weltmacht mit geo-strategischer Bedeutung, die den USA, China und Europa auf gleicher Augenhöhe begegnet. Dieses Selbstbewusstsein wird von Ausländern manchmal als Arroganz gedeutet, die in Indien vor allem ein Land der Armut, Rückständigkeit und Ineffizienz sehen.

    Die meisten der größten 100 Unternehmungen der Welt sind bereits in Indien tätig und auch für viele deutsche Unternehmungen ist Indien schon heute ein wichtiger Markt, dessen Bedeutung in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen dürfte:

    Eine der größten deutschen Unternehmungen in Indien ist Bosch. Im Jahre 2009 hat die Unternehmung mit rund 18.000 Mitarbeitern an 12 Standorten einen Umsatz von über 1 Mrd. € erzielt. Allein in Bengaluru, dem größten Entwicklungs-Center außerhalb Deutschlands, entwickeln rund 3.000 Ingenieure u. a. Navigationssysteme und Software für Motorsteuerungen.

    Der Softwareproduzent SAP beschäftigt in Indien gegenwärtig rund 6.000 Mitarbeiter. In den nächsten fünf Jahren soll die Zahl der indischen Kunden von 1.050 auf 15.000 ansteigen. In Bengaluru besitzt SAP das größte Entwicklungs-Center der Unternehmung außerhalb Deutschlands, das eine zentrale Funktion im Rahmen des weltweiten Global Delivery-Netzwerks hat.

    In jüngster Zeit nehmen auch Auslandsinvestitionen von Unternehmungen des produzierenden Gewerbes zu. So hat etwa Volkswagen im Jahre 2009 die Produktion in der neuen Produktionsstätte in Pune aufgenommen. Dafür wurden Investitionen in Höhe von 560 Mio. € getätigt. Die Jahreskapazität beträgt 110.000 Einheiten. Zunächst wird dort eine indische Version des Polo gebaut, bevor auch ein speziell für den indischen Markt entwickelter Kleinwagen produziert werden soll.

    BMW montiert in Chennai seit Anfang 2007 Limousinen der 3er- und 5er-Reihe, die ausschließlich für den lokalen Markt bestimmt sind. Zunächst ist die Fertigung von 1.500 Pkw jährlich geplant. Die Kapazität kann jedoch kurzfristig auf bis zu 5.000 Fahrzeuge erweitert werden. Gegenwärtig arbeiten dort rund 1.500 Menschen. Das Investitionsvolumen wird auf 18,5 Mio. € beziffert.

    Siemens ist bereits seit 1867 in Indien tätig, als die Unternehmung mit dem Bau der Indo-Europäischen Telegrafenlinie von London nach Kalkutta begann. Seit 1903 wurden verschiedene Vertretungen und 1924 eine eigene Filiale eröffnet. 1960 errichtete Siemens die erste Produktionsstätte zur Fertigung von Schaltgeräten. Heute ist Siemens mit rund 17.200 Mitarbeitern und einem Umsatz von 1,68 Mrd. € im Geschäftsjahr 2008/2009 an 35 Standorten in allen Geschäftsbereichen in Indien aktiv. Zu den größten Projekten zählen die Ausstattung des neuen Flughafens in Bengaluru sowie die Lieferung eines Stromübertragungsnetzes nach Katar im Wert von rund 700 Mio. €.

    Auch ThyssenKrupp blickt bereits auf ein mehr als fünfzigjähriges Engagement zurück. Bereits Mitte der fünfziger Jahre war Krupp maßgeblich am Bau des Stahlwerks in Rourkela (Orissa), eines der größten deutschen Entwicklungshilfeprojekte in Indien, beteiligt. Heute ist Indien – wie für viele andere Unternehmungen auch – nicht nur ein wichtiger Entwicklungs-, Absatz- und Beschaffungsmarkt, sondern zunehmend auch ein scharfer Konkurrent. So hat etwa der Schmiedeeisenproduzent und Automobilzulieferer Bharat Forge angekündigt, ThyssenKrupp in wenigen Jahren als Weltmarktführer auf diesem Gebiet ablösen zu wollen.

    Neben Großunternehmungen werden auch immer mehr kleine und mittelständische Unternehmungen in Indien tätig. Ein Beispiel dafür ist der Sensorhersteller Sick aus Waldkirch, der 2005 ein Joint Venture gegründet hat. Dabei wurde mit dem indischen Partner vereinbart, dass dieser seine Kapitalanteile nach einer festgesetzten Zeit in Abhängigkeit des bis dahin erzielten Umsatzes und EBIT an Sick abtritt.

    Auch für die Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner zählt Indien zu den wachstumsstärksten Märkten der Welt. In New Delhi und Mumbai sowie am India Desk in der Muttergesellschaft in Nürnberg sind bereits mehr als 20 Mitarbeiter tätig.

    Im Folgenden werden die Bedingungen für ausländische Unternehmungen in Indien anhand dieser und zahlreicher anderer Beispiele dargestellt und konkrete Entscheidungshilfen für die Planung und Durchführung von Engagements gegeben. Die Darstellung basiert auf Gesprächen mit Führungskräften und Mitarbeitern von mehr als 100 in Indien tätigen ausländischen Unternehmungen (vgl. Abb. 1.1), Regierungsinstitutionen, Verbänden und NGOs.

    A978-3-642-17212-0_1_Fig1_HTML.gif

    Abb. 1.1

    Auswahl der betrachteten Unternehmungen

    Im zweiten Kapitel werden zunächst die geografischen, politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen erläutert, die für ausländische Unternehmungen in Indien generell relevant sind. In den folgenden beiden Kapiteln werden die spezifischen Bedingungen in wichtigen Investitionsregionen und Investitionsbranchen vorgestellt.

    Im Mittelpunkt des fünften Kapitels stehen die konstitutiven Markteintrittsentscheidungen, die bei einem Engagement in Indien zu treffen sind. Dazu zählen die Wahl des Standorts, des Markteintrittszeitpunktes und der Markteintrittsform.

    Im sechsten Kapitel werden Fragen der Marktbearbeitung thematisiert. Insbesondere wird analysiert, welche Wertaktivitäten (Forschung & Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Vertrieb) sich für eine Tätigkeit in Indien besonders eignen und welche Managementherausforderungen mit diesen verbunden sind.

    Im Mittelpunkt des siebten Kapitels steht das Personalmanagement. Wegen der großen geografischen und kulturellen Distanz zwischen Indien und Deutschland kommt diesem eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt für die Beschaffung, Entwicklung, Motivation und Führung indischer Mitarbeiter genauso wie für die Auswahl geeigneter Stammhausdelegierter.

    Die Grundlagen des Public Affairs Management werden im achten Kapitel erläutert. Zunächst werden die in Indien relevanten Interessengruppen sowie die von diesen an ausländische Unternehmungen herangetragenen Anliegen thematisiert. Auf der Grundlage dieser Stakeholder-Analyse erfolgt der zielgerichtete Einsatz von Gestaltungsinstrumenten des Public Affairs Management. Hierzu zählen vor allem das Lobbying, der Umgang mit Korruption, Verhaltensgrundsätze und Rechtsmittel.

    Im neunten Kapitel werden mit Bosch, Daimler, SAP und Siemens vier herausragende Engagements deutscher Unternehmungen in Indien analysiert. Diese vier Fallstudien dienen insbesondere dazu, die in den vorangegangenen Kapiteln behandelten Aspekte anhand konkreter Beispiele zu illustrieren.

    Das letzte Kapitel beinhaltet eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte und einen Ausblick. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, wovon die weitere Entwicklung der indischen Wirtschaft abhängt und welche Faktoren die Tätigkeit ausländischer Unternehmungen in Zukunft bestimmen werden.

    Dirk Holtbrügge und Carina B. FriedmannGeschäftserfolg in IndienStrategien für den vielfältigsten Markt der Welt10.1007/978-3-642-17212-0_2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011

    2. Rahmenbedingungen für ausländische Engagements

    Dirk Holtbrügge¹   und Carina B. Friedmann¹  

    (1)

    Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl für Internationales Management, Universität Erlangen-Nürnberg, Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg, Deutschland

    Dirk Holtbrügge (Korrespondenzautor)

    Email: dirk.holtbruegge@wiso.uni-erlangen.de

    Carina B. Friedmann

    Email: carina.friedmann@wiso.uni-erlangen.de

    Zusammenfassung

    Indien ist mit einer Fläche von knapp 3,3 Mio. km² der siebtgrößte Staat der Erde und mehr als neun Mal so groß wie Deutschland. Das Territorium erstreckt sich in West-Ost-Richtung über rund 3.000 km, von Nord nach Süd beträgt die Ausdehnung rund 3.200 km. Indien grenzt an sechs Staaten: Pakistan, China, Nepal, Bhutan, Myanmar und Bangladesch. Im nördlichen Teil des Bundesstaats Jammu and Kaschmir wird die Grenze zu Pakistan faktisch durch eine 750 km lange Waffenstillstandslinie von 1949 gebildet, die unter dem Mandat der Vereinten Nationen steht. Auch die Grenze zu China ist zwischen beiden Ländern strittig. Rund 50 km vor der indischen Südküste liegt der Inselstaat Sri Lanka (vgl. Abb. 2.1).

    2.1 Geographie, Klima und Bevölkerung

    Indien ist mit einer Fläche von knapp 3,3 Mio. km² der siebtgrößte Staat der Erde und mehr als neun Mal so groß wie Deutschland. Das Territorium erstreckt sich in West-Ost-Richtung über rund 3.000 km, von Nord nach Süd beträgt die Ausdehnung rund 3.200 km. Indien grenzt an sechs Staaten: Pakistan, China, Nepal, Bhutan, Myanmar und Bangladesch. Im nördlichen Teil des Bundesstaats Jammu & Kaschmir wird die Grenze zu Pakistan faktisch durch eine 750 km lange Waffenstillstandslinie von 1949 gebildet, die unter dem Mandat der Vereinten Nationen steht. Auch die Grenze zu China ist zwischen beiden Ländern strittig. Rund 50 km vor der indischen Südküste liegt der Inselstaat Sri Lanka (vgl. Abb. 2.1).

    A978-3-642-17212-0_2_Fig1_HTML.jpg

    Abb. 2.1

    Physische Karte Indiens. (Quelle: Kartographie Kämmer 2010)

    Die natürlichen Grenzen bilden im Südwesten das Arabische Meer und im Südosten der Golf von Bengalen. Im Norden und Nordosten wird das Land durch den Himalaja, das höchste Gebirge der Welt, begrenzt. Den Nordosten Indiens verbindet nur ein schmaler Korridor zwischen Bangladesch und Bhutan bzw. Nepal mit dem Rest des Landes.

    Zu Indien gehören außerdem drei dem Festland vorgelagerte Inselgruppen. Rund 300 km westlich der Malabarküste liegen die Korallenatolle des Lakshadweep mit den Lakkadiven und Amindiven sowie der Insel Minicoy. Zwischen 1.000 und 1.600 km südlich des indischen Festlands erstrecken sich die Andamanen und Nikobaren.

    In seinen heutigen Grenzen existiert das Land erst seit der Unabhängigkeit im Jahre 1947, als der Subkontinent in Indien und das mehrheitlich von Muslimen bewohnte Pakistan gespalten wurde. In deren Folge kam es zu der größten Völkerwanderung der Geschichte. Fast 10 Mio. Muslime und Sikhs flohen bis 1963 nach Pakistan und etwa sieben Mio. Hindus nach Indien. Mehr als 750.000 Menschen sollen bei Massakern ums Leben gekommen sein (vgl. Kulke und Rothermund 2006, S. 375 ff.).

    Die Topographie des Landes weist eine große Diversität auf. Südlich an den Himalaja schließen sich die breiten, fruchtbaren Stromebenen der Flüsse Ganges und Brahmaputra an. Im Westen geht das Stromland des Ganges in die Wüste Tharr über, die im Osten und Süden vom Aravalligebirge begrenzt wird. Südlich davon liegen die Sümpfe des Rann von Kutch sowie die Halbinsel Kathiwar. Das Hochland von Dekkan nimmt den größten Teil der keilförmig in den Indischen Ozean vorragenden indischen Halbinsel ein. Das Vindhya- und das Sarpuragebirge schirmen den Dekkan von der Gangesebene im Norden ab. Im Westen wird er von den bis zu 2.700 m hohen Westghats, im Osten von den flacheren Ostghats begrenzt. Beide Gebirgszüge treffen im Süden zusammen, wo die Halbinsel spitz zum Kap Komorin zuläuft. Die Westghats fallen steil zur Konkan- und Malabarküste entlang des Arabischen Meeres ab, die Ostghats gehen in die breiteren östlichen Küstenebenen am Golf von Bengalen über (vgl. Stang 2002, S. 1 ff.).

    Mit Ausnahme der Bergregionen herrscht in Nord- und Zentralindien ein überwiegend subtropisches Kontinentalklima, im Süden und in den Küstengebieten dagegen ein stärker maritim geprägtes tropisches Klima. Im Norden treten im Jahresverlauf teilweise erhebliche Temperaturschwankungen auf. Während in den nördlichen Tiefebenen im Dezember und Januar nur 10 bis 15 °C herrschen, sind in der heißesten Zeit zwischen April und Juni Höchsttemperaturen von 40 bis über 50 °C möglich. Im Süden ist es ganzjährig heiß.

    Die Niederschläge werden im ganzen Land maßgeblich vom Monsun beeinflusst. Der Südwest- oder Sommermonsun setzt in den meisten Landesteilen im Juni ein und bringt je nach Region bis September oder Oktober ergiebige Niederschläge. Die stärksten Regengüsse gehen an der Westküste, in den Westghats, an den Hängen des Himalajas und in Nordostindien nieder. Am trockensten ist es in der Wüste Thar. Die aus Zentralasien kommenden Nordost- oder Wintermonsune bringen zwischen Oktober und Juni außer im Südosten kaum Feuchtigkeit, so dass in den meisten Gegenden 80 bis über 90 % der jährlichen Gesamtniederschlagsmenge auf die Sommermonate entfallen (vgl. von Schwerin 1996, S. 9 ff.).

    Mit rund 1,2 Mrd. Einwohnern hat Indien nach China die zweitgrößte Bevölkerung der Erde. Die Bevölkerungsdichte beträgt 329 Einwohner pro km² (Deutschland: 231 pro km²). Die Bevölkerung konzentriert sich vor allem in fruchtbaren Landstrichen wie der Stromebene des Ganges, Westbengalen und Kerala, während der Himalaja, die Berggegenden des Nordostens sowie trockenere Regionen in Rajasthan und der Dekkan nur eine geringe Besiedlungsdichte aufweisen. Das Wachstum der Bevölkerung hat sich in den letzten Jahrzehnten nur wenig abgeschwächt und liegt im Moment bei 1,45 pro Jahr, was einem jährlichen Bevölkerungszuwachs von 15 Mio. Menschen – und damit etwa der gesamten Einwohnerzahl von Österreich und der Schweiz zusammen – entspricht. Damit verzeichnet Indien den größten absoluten Zuwachs aller Staaten der Erde. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge wird Indien in den nächsten Jahrzehnten sein Bevölkerungswachstum kaum abschwächen und China bis zum Jahre 2045 als bevölkerungsreichstes Land der Erde abgelöst haben. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung beträgt 24,9 Jahre. Ein Drittel davon ist jünger als 15 Jahre und knapp die Hälfte jünger als 25 Jahre. Etwa jeder vierte Erdbürger unter 25 Jahren ist ein Inder (vgl. Rajadhyaksha 2007, S. 49 ff.).

    Als Folge der zunehmenden Verstädterung hat Indien heute 36 Städte mit mehr als 1 Mio. Einwohnern. Allein im Ballungsraum Mumbai leben über 20 Mio. Menschen – und damit mehr als etwa in Australien. Dennoch stellt die städtische Bevölkerung mit einem Anteil an der Gesamteinwohnerzahl von lediglich 27,6 % eine Minderheit dar. Die überwiegende Mehrheit der Inder lebt weiterhin auf dem Land, wo sich der wirtschaftliche Aufschwung bislang kaum bemerkbar macht. Als Folge der Landflucht wird sich der Zahl der Stadtbewohner nach Schätzungen der UNO in den nächsten 20 Jahren jedoch verdreifachen und jeder zweite der dann 1,3 Mrd. Einwohner in Städten leben.

    Indien ist ein Vielvölkerstaat. Etwa 72 % der Bevölkerung sind Indoarier. 25 % sind Draviden, die hauptsächlich im Süden Indiens leben. 3 % entfallen auf sonstige Völkergruppen, vor allem tibeto-birmanische, Munda- und Mon-Khmer-Völker im Himalajaraum sowie Nordost- und Ostindien. 8,2 % der Einwohner gehören der indigenen Stammesbevölkerung an, die sich selbst als Adivasi bezeichnet, obwohl ihre mehr als 600 Stämme ethnisch sehr divers sind. Darüber hinaus werden ungefähr 16,2 % der indischen Bevölkerung zu den Unberührbaren (Dalits) gerechnet, die außerhalb des hinduistischen Kastensystems stehen. Im Anhang zur indischen Verfassung werden diese beiden Bevölkerungsgruppen als scheduled castes and tribes aufgeführt. Um ihre starke soziale Benachteiligung zu reduzieren, wird seit der Unabhängigkeit eine positive Diskriminierung betrieben. Dazu zählen etwa Quoten, durch die den scheduled castes and tribes Plätze in Universitäten, staatlichen Institutionen und Parlamenten reserviert werden.

    2.2 Politisches System

    Die Republik Indien (Hindi Bharat) erlangte am 15. August 1947 ihre staatliche Unabhängigkeit und beendete dadurch eine beinahe 350-jährige britische Kolonialzeit (zur Geschichte Indiens vgl. ausführlich Mann 2005; Kulke und Rothermund 2006). Viele britische Traditionen und Elemente des politischen Systems bestehen jedoch bis heute fort.

    Maßgeblichen Anteil an der Erlangung der Unabhängigkeit von Großbritannien hatte Mohandas Karamchand (genannt Mahatma: große Seele) Gandhi. Am 2. Oktober 1869 in Porbandar (Gujarat) geboren, ging er nach einem Jura-Studium in London 1893 nach Südafrika, um als Rechtsanwalt tätig zu werden. Durch das Erlebnis rassistischer Diskriminierungen begann Gandhi, sich für die Rechte der indischen Minderheit einzusetzen. Mit Hilfe des von ihm vertretenen Prinzips der strikten Gewaltfreiheit (Satyagraha) gelang es ihm, zahlreiche Zugeständnisse für diese zu erreichen.

    Auf Grund einer Erkrankung verließ Gandhi mit seiner Familie im Dezember 1914 Südafrika und kehrte am 9. Januar 1915 nach Indien zurück, wo er von seinen Anhängern begeistert empfangen wurde. 1920 übernahm er die Führung der Kongresspartei, die sich unter seiner geistigen Führung zur Massenorganisation und zur wichtigsten Institution der indischen Unabhängigkeitsbewegung entwickelte.

    1930 startete er eine Kampagne des zivilen Ungehorsams und rief zum Salzmarsch gegen das britische Salzmonopol auf. Gandhi protestierte dadurch gegen die englischen Steuern, die auf Salz lagen. Inder durften weder Salz herstellen, noch es selber verkaufen.

    1942 forderte Gandhi die sofortige Unabhängigkeit Indiens und wurde deshalb in Pune inhaftiert, aber nach zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen wieder freigelassen. Insgesamt saß er acht Jahre seines Lebens im Gefängnis.

    Unbeeindruckt davon setzte er seinen gewaltfreien Kampf gegen die britische Besatzung fort, dem diese 1947 schließlich nachgab. Die Freude darüber war aufgrund der Teilung des Landes und der zahlreichen Toten, die Gandhi nicht verhindern konnte, jedoch nur gering. An der offiziellen Feier zur Unabhängigkeit nahm er deshalb nicht teil.

    Am 30. Januar 1948 wurde der 78-jährige Gandhi durch den nationalistischen Hindu Nathuram Godse erschossen. An der Verbrennung seines Leichnams und der Versenkung seiner Asche im Ganges nahmen Hunderttausende Menschen teil. Gandhis Geburtstag, der 2. Oktober, wird seitdem in Indien als Nationalfeiertag begangen.

    Obwohl Gandhi nie ein politisches Amt bekleidete, ist er bis heute der bekannteste und einflussreichste indische Politiker, der in allen Schichten der indischen Bevölkerung höchstes Ansehen genießt. Dies gilt vor allem für das von ihm begründete und konsequent gelebte ethische Prinzip der Gewaltfreiheit. Demgegenüber erscheinen den meisten Indern seine ökonomischen Vorstellungen wie etwa das Konzept des Swadeshi, der Dorfgemeinschaft als Keimzelle des Wirtschaftslebens, heute als idealisiert und antiquiert (vgl. Rothermund 1997; Fischer 1998; Rau 2005).

    Nach der Zahl der Wähler ist Indien seit der Verabschiedung der Verfassung von 1950 die größte parlamentarische Demokratie der Welt. Seit der Unabhängigkeit im Jahre 1947 haben 15 Parlamentswahlen mit einer durchschnittlichen Wahlbeteiligung von 60 % stattgefunden. Rund ein Drittel der Wähler sind Analphabeten. Deshalb werden auf den Wahlzetteln bzw. den Bildschirmen der elektronischen Wahlmaschinen neben den Namen der Parteien und Kandidaten immer auch deren Symbole abgebildet. Alle wichtigen Akteure akzeptieren die Regeln des demokratischen Wettbewerbs, und es gibt keine bedeutende Gruppe, welche die Demokratie in Frage stellt. Auch das Militär, das in der Bevölkerung hohes Ansehen genießt, hält sich strikt aus politischen Auseinandersetzungen heraus.

    Das indische Parlament (Sansad) ist die gesetzgebende Gewalt und besteht aus zwei Kammern, dem Unterhaus (Lok Sabha) und dem Oberhaus (Rajya Sabha). Das Unterhaus wird auf fünf Jahre nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt. Es besteht aus 543 Abgeordneten, von denen 120 den unteren Stammes- und Kastengruppen vorbehalten sind. Das Oberhaus ist die Vertretung der Bundesstaaten auf nationaler Ebene. 233 seiner 245 Mitglieder werden von deren Parlamenten gewählt und 12 Abgeordnete durch den Präsidenten ernannt. Im Unterschied zum Deutschen Bundesrat ist dessen Einfluss nur gering. Der Präsident als Staatsoberhaupt wird von einem Gremium der Abgeordneten des Bundes und der Länder auf fünf Jahre gewählt. Die eigentliche Macht hat jedoch der Premierminister, der die Mitglieder der Regierung benennt und die Richtlinien der Politik bestimmt (vgl. Wagner 2006; Hardgrave und Kochanek 2008).

    Indien ist in 28 Bundesstaaten und sieben Unionsterritorien gegliedert, die sich in insgesamt 603 Distrikte unterteilen (vgl. Abb. 2.2). Während die Unionsterritorien (Andamanen und Nikobaren, Chandigarh, Dadra und Nagar Haveli, Daman und Diu, Delhi, Lakshadweep sowie Puducherry) von der Zentralregierung in New Delhi verwaltet werden, verfügt jeder Bundesstaat über ein eigenes Parlament und eine eigene Regierung. Diesen steht der Chief Minister vor, der allerdings formal einem vom indischen Präsidenten ernannten Gouverneur mit weitgehend repräsentativen Aufgaben untergeordnet ist. Die Zuständigkeiten der Kommunalverwaltungen sind je nach Bundesstaat unterschiedlich geregelt.

    A978-3-642-17212-0_2_Fig2_HTML.jpg

    Abb. 2.2

    Politische Gliederung Indiens

    Aufgrund des föderalen Staatsaufbaus besitzen die Bundesstaaten eine große Autonomie. Da diese häufig eine große kulturelle und ökonomische Heterogenität aufweisen, kommen immer wieder Forderungen nach Teilung einzelner Bundesstaaten auf. Zuletzt wurde diesen im Jahre 2000 nachgegeben, als mit Chhattisgarh, Jhahrkhand und Uttaranchal drei neue Bundesstaaten geschaffen wurden (vgl. Rothermund 2008, S. 54 ff.). Im Dezember 2009 hat die indische Regierung den Forderungen der Region Telangana um die Hauptstadt Hyderabad, aus dem Bundesstaat Andhra Pradesh auszutreten und einen 29. Bundesstaat zu bilden, grundsätzlich stattgegeben.

    Die Parteienlandschaft des Landes ist äußerst vielfältig. Die bedeutendste Partei ist der im Jahre 1885 gegründete Indian National Congress (Kongresspartei), der bis 1978 alle Premierminister des Landes stellte. Jawaharlal Nehru (1889–1964), der gemeinsam mit Mahatma Gandhi zu den prominentesten Führern der indischen Unabhängigkeitsbewegung zählte, regierte das Land zwischen 1947 und 1964. Bis heute wird seine große innenpolitische Leistung gewürdigt, das Land zu einer funktionierenden Demokratie gemacht zu haben, die – etwa im Vergleich zum Nachbarn Pakistan – eine bemerkenswerte Stabilität auszeichnet und in der sich die vielen ethnischen, religiösen, politischen und sozialen Gruppen im Unterschied zu den Nachbarländern weitgehend friedlich artikulieren. Weitaus kritischer wird dagegen seine an sozialistischen Idealen orientierte Wirtschaftspolitik beurteilt, unter deren Folgen das Land immer noch leidet (vgl. Tharoor 2006).

    Nach dem Tod Nehrus und einer kurzen Interimsregentschaft trat 1966 dessen Tochter Indira Gandhi (1917–1984) das Amt des Premierministers an, das sie bis 1977 und von 1980 bis 1984 innehatte. Ihren Nachnamen hatte sie durch die Heirat des Parsen Feroze Gandhi erhalten, der nicht mit Mahatma Gandhi verwandt war.¹ Sie wurde 1984 durch zwei Sikhs aus ihrer Leibwache ermordet, nachdem sie den Goldenen Tempel in Amritsar stürmen ließ, in dem sich militante Sikhs verschanzt hatten. Noch am selben Abend wurde

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1